Zusammenfassung
Praxistheorien stehen für ein Bündel sozialtheoretischer Ansätze, die ein umfassendes Konzept zum Verständnis von menschlichem Handeln und Verhalten bieten. Dabei positionieren sich Praxistheorien jenseits einer strikten Trennung von Individuum und Gesellschaft und blicken dezidiert auf die Verbindung dieser Ebenen. Besonders jüngere Entwicklungen in diesem Bereich bieten der Medienpädagogik neue theoretische und empirische Anschlussmöglichkeiten, indem bspw. Medien in ihrer Symbolhaftigkeit sowie in ihrer Materialität wahrgenommen und als Teil praktischer Handlungsvollzüge begriffen werden.
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Notes
- 1.
Der Begriff Praxistheorien wird hier zum einen im Plural verwendet, um die Heterogenität der unter diesem Begriff versammelten Ansätze aufzuzeigen, welche trotz aller Gemeinsamkeiten nicht außen vorgelassen werden soll. Zum anderen wird der Begriff synonym mit gängigen Bezeichnungen wie Theorien sozialer Praktiken oder Praxeologie gebraucht.
- 2.
Eine Ausnahme stellt der Ansatz von Alkemeyer und Bröckling (2018) dar. Praktiken werden hier auf größere soziale Gebilde bezogen wobei Subjektivierungsphänomene dementsprechend nicht mit Blick auf Einzelpersonen, sondern als Veränderungsprozesse von Kollektiven verstanden werden.
- 3.
Zu den Unterschieden der konzeptionellen Einbindung von Materialität in Praxistheorien siehe Wieser (2004).
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Bettinger, P. (2021). Medienpädagogik und Praxistheorien. In: Sander, U., von Gross, F., Hugger, KU. (eds) Handbuch Medienpädagogik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-25090-4_23-1
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