Zusammenfassung
Wölfe sind Habitatgeneralisten, die an der Landschaft vor allem das Futter interessiert. Daher sind für sie Kulturlandschaften mit Nutztieren potenzielle Reviere. In einer idealtypischen kleinteiligen Mittelgebirgs-Landschaft Nordhessens, in die die Wölfe noch nicht zurückgekehrt sind, wird auf Veränderungen durch ihre mögliche Wiederkehr vorausgeschaut. Dafür ist zunächst die Konstitution der Eigenart dieser Landschaft relevant, für die Weidetiere eine wichtige Rolle spielen. Die nebenerwerblich oder ohne erwerbliche Interessen arbeitenden Schafhaltenden nutzen brachliegende und für die industrielle Landbewirtschaftung uninteressante Nischen. Sie zählen zu den wichtigsten tragenden Säulen der Kleinteiligkeit und sind für die Ankunft von Wölfen am schlechtesten gerüstet. Die zentralen Schutzmaßnahmen stellen finanzielle oder/und zeitliche Überforderungen dar. Wenn sie aufgeben, wird die Kulturlandschaft ihr derzeitiges Gesicht und möglicherweise zahlreiche geschützte Tier- und Pflanzenarten verlieren. Daran werden die Argumente des Naturschutzes für den Wolf kritisch gemessen.
Mit herzlichem Dank an Stefan Körner und Kathrin Harder für die kritische Durchsicht und Anmerkungen.
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Notes
- 1.
Von Problemen mit Rissen von Schafen durch Wölfe trotz Schutzhunden berichtet z. B. Deter (2018).
- 2.
Viel Geld fließt beispielsweise in das Wolfsmanagement und die Erforschung des Wildtier-Verhaltens sowie die Identifikation anhand von DNA-Spuren (Bloch und Radinger 2017, S. 25–29).
- 3.
Wenig diskutiert ist z. B. die Anwendung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (kurz: FFH-Richtlinie), die den hohen Schutzstatus auf EU-Ebene begründen soll.
- 4.
Die Naturschönheit ist an Attribute wie Eigenart und Vielfalt gebunden (Körner 2008, S. 7).
- 5.
Der Ortsname lautete ursprünglich vermutlich Wolfhain (Görlich 1980, S. 29). Der Wortteil Hagen verweist aber auch auf Aus- bzw. Eingrenzungen von Land mit (bedornten) Hecken. Zugleich taucht der Wolfsbezug aber in mehreren weiteren Ortsbezeichnungen der Gegend um Wolfhagen auf (ebd.).
- 6.
Stallhaltende Betriebe benötigen kaum Weideflächen, sondern Wiesen oder/und Ackerfutterbau.
- 7.
Zahlungsansprüche je bewirtschaftete Fläche.
- 8.
Nicht nur, dass vor allem Wolle kaum noch Wert besitzt, auch sind Schafscherende ein Kostenfaktor und überdies selten geworden (FAZ 2017). Beim Fleisch fallen erhebliche Schlachtungskosten (einschließlich Beschau und BSE-Test) an.
- 9.
Der Idealismus ist in diesem Feld professioneller Schäferei so groß, dass ein ganzer auf die Arbeit ausgerichteter Lebensentwurf damit verbunden ist. Neben Arbeitsstunden spielen übliche Arbeitszeiten oder Feiertage geschweige denn Urlaub keine Rolle. Eine Familie ist nur schwer in diesen Lebensentwurf zu integrieren.
- 10.
Außerdem müssen die Tiere nicht nur in der Vegetationsperiode satt werden. Vor allem die Wintermonate fallen mit Stall- und Scheunenbauten sowie Futtervorräten wirtschaftlich negativ ins Gewicht (KTBL 2014).
- 11.
Es gab viele Besitzende von Schafen, aber die Haltung wurde über gemeinsam bestallte Hirten oder Hirtinnen zusammengefasst und dadurch wirtschaftlich.
- 12.
Die minimale Form der Einzeltierhaltung wurde historisch auch mit Pflöcken oder nicht selten von Kindern an der Leine auf kleinsten Flächen und an Rändern durchgeführt.
- 13.
Die neue Zaungeneration, die auch bodennah wirkt, ist eine Konsequenz der Wiederkehr der Wölfe.
- 14.
In der aktuellen Diskussion um Angriffe von Wölfen auf Herden stellt sich heraus, dass es nicht nur mehr Angriffe von Hunden auf Herden gibt als von Wölfen.
- 15.
Zu berücksichtigen ist noch, dass die Wanderungsbewegungen von Einzelwölfen enorm, die Areale von Rudeln Ländergrenzen überschreiten und das von Wölfen beanspruchte Areal von der Populationsdichte der Beute abhängig ist. Die insgesamt für Deutschland angenommene maximale Rudelzahl, die an Habitatkategorien bemessen wird, ist mit 440 Rudeln so gering angesetzt (440 Rudel; Bloch und Radinger 2017, S. 19), dass sie bei der aktuellen Populationsentwicklung von mind. 30 % seit 2007 bereits in 2026 erreicht wäre.
- 16.
- 17.
Gefordert wird Selbstbeschränkung. Die kann aber, sozialpädagogisch gesehen, durch den Entzug von Handlungsspielräumen in der Landschaft auch zu verschärftem Desinteresse an Naturphänomenen führen.
- 18.
Zu den Konsequenzen geringerer oder ausbleibender Jagdpachten auf kommunaler Ebene gehört auch, dass weniger Geld für Wegpflege und Naturschutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt werden können. In einigen Gemeinden des Wolfhager Landes geht es dabei um fünfstellige Summen.
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Bellin-Harder, F. (2019). Wölfe im Wolfhager Land. Ein Konflikt zwischen Leuchtturmprojekt, Landnutzenden und Artenvielfalt. In: Berr, K., Jenal, C. (eds) Landschaftskonflikte. RaumFragen: Stadt – Region – Landschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-22325-0_23
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