Zusammenfassung
Dieser erstmals 1963 im englischen Original publizierte Aufsatz von Berger und Luckmann ist ein Schlüsseltext der neoklassischen Religionssoziologie, der hier in einer von Hubert Knoblauch angefertigten deutschen Erstübersetzung erscheint. »Sociology of Religion and Sociology of Knowledge« enthält wesentliche Weichenstellungen für eine theoretische Reorientierung der Religionssoziologie. Die Autoren kritisieren die damalige kirchensoziologische Verengung der soziologischen Religionsforschung und schlagen eine Redefinition des Religionsbegriffs im Rahmen wissenssoziologischer Theorie vor. Im soziologischen Sinne reduziert sich Religion nicht auf ihre kirchlich institutionalisierte Form. Vielmehr ist sie als spezifische Form gesellschaftlicher Konstruktion objektiver Legitimierungen zu verstehen und umfasst somit auch Phänomene, welche institutionell jenseits der Kirchen organisiert sind. Vor allem in Hinblick auf die Etablierung von Weltanschauungen in pluralisierenden Gesellschaften plädieren Berger und Luckmann für eine wissenssoziologische Reformulierung des Aufgabenbereichs der Religionssoziologie dergestalt, dass nicht nur traditionelle religiöse Legitimationssysteme in die Analyse einbezogen werden.
»Sociology of religion and sociology of knowledge«, in: Sociology and Social Research 47 (1963), 417–427; übersetzt von Hubert Knoblauch.
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Notes
- 1.
Zur breiten internationalen Literatur vgl. Goldschmidt und Matthes (1962).
- 2.
Die wichtigste Zeitschrift, die unter katholischer Leitung veröffentlicht wird, ist »Social Compass«.
- 3.
Wir würden für ein breiteres Konzept der Institution plädieren, können dies aber hier nicht ausführen. Für eine sehr plausible Darlegung eines soziologischen Konzeptes der Institution vgl. Gehlen (1956 ).
- 4.
Dieses Verständnis der Aufgaben der Soziologie ist stark beeinflusst von Alfred Schütz’ soziologischen Theorien.
- 5.
- 6.
Für eine phänomenologische Analyse der ›natürlichen‹ Sicht auf die Welt und ihre soziale Relativität vgl. Scheler (1960).
- 7.
Die klassische soziologische Formulierung dazu ist natürlich in den Arbeiten von Emile Durkheim und seiner Schule zu finden. Für wichtige Belege aus dem Feld der Phänomenologie und der Religionsgeschichte vgl. Eliade (1959) und Voegelin (1956/57). Eine jüngere soziologische Interpretation bietet Warner (1959).
- 8.
In Zusammenarbeit mit anderen Kollegen aus der Soziologie und der Philosophie bereiten die Autoren dieses Artikels zur Zeit eine systematische Abhandlung der Wissenssoziologie vor, in der sie das, was gegenwärtig Wissenssoziologie genannt wird, mit drei anderen Strömungen verbinden wollen, die bislang nicht zu dieser Disziplin gehören: die phänomenologische Analyse der Lebenswelt (im Gefolge der Arbeiten von Alfred Schütz ), die Durkheim’schen Ansätze zu einer Wissenssoziologie und diejenige der amerikanischen Sozialpsychologie in der Linie von G. H. Mead .
- 9.
Das Problem der Ideologie in ihrer Beziehung zu sozialen Schichten und ihren Konflikten als ursprüngliches Ziel und Thema der Wissenssoziologie bleibt auch in ihrer weiteren Fassung ein wichtiges Thema. Vgl. neben den bekannten Arbeiten von Mannheim auch Merton (1957), Stark (1958) und Wolff (1959).
Literatur
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Anon, 1959. Report on the European colloquium on the sociology of protestantism. Archive of Sociology of Religions 8:3–157.
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Eliade, Mircea. 1959. Cosmos and history. New York: Harper.
Gehlen, Arnold. 1956. Urmensch und Spätkultur. Bonn: Athenaeum.
Gehlen, Arnold. 1957. Die Seele im technischen Zeitalter. Hamburg: Rowohlt.
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Parsons, Talcott. 1960. Structure and process in modern societies. Glencoe: Free Press of Glencoe.
Redfield, Robert. 1953. The primitive world and its transformations. Ithaca: Cornell University Press.
Riesman, David. 1950. The lonely crowd. New Haven: Yale University Press.
Scheler, Max. 1960. Die Wissensformen und die Gesellschaf. Bern: Francke.
Schelsky, Helmut. 1957. Ist die Dauerreflektion institutionalisierbar? Zeitschrift für Evangelische Ethik 4:153–174.
Schneider, Louis, und Sanford M. Dornbusch. 1958. Popular religion. Chicago: University of Chicago Press.
Schütz, Alfred. 1962. Collected paper, I – The problem of social reality. Den Haag: Nijhoff.
Stammler, Eberhard. 1960. Protestanten ohne Kirche. Stuttgart: Kreuz.
Stark, Werner. 1958. The sociology of knowledge. Glencoe: Free Press of Glencoe.
Voegelin, Eric. 1951. The new science of politics. Chicago: University of Chicago Press.
Voegelin, Eric. 1956–1957. Order and history, 1–3. Baton Rouge: Louisiana State University Press.
Warner, William Lloyd. 1959. The living and the dead. New Haven: Yale University Press.
Wölber, H.-O. 1959. Religion ohne Entscheidung. Göttingen: Vandenhoeck a Ruprecht.
Wolff, Kurt, Hrsg. 1959. The sociology of knowledge. Transactions of the fourth congress of sociology, Bd. 4. Löwen: International Sociological Association.
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Berger, P.L., Luckmann, T. (2020). Religionssoziologie als Wissenssoziologie. In: Schnettler, B., Szydlik, T., Pach, H. (eds) Religiöse Kommunikation und weltanschauliches Wissen. Wissen, Kommunikation und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21785-3_2
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