Zusammenfassung
In einer praxistheoretisch informierten Perspektive lassen sich Organisationen als soziale Gebilde verstehen, die zwar über eine formale Struktur verfügen, von der aber die Praktiken der Organisationsmitglieder relativ entkoppelt sind oder sein können. Ausgehend von dieser Beobachtung legt der Artikel den Fokus auf eine Schärfung des Blicks für die Bedeutung der Zugehörigkeiten der organisationalen Akteure: Damit geraten allerdings nicht in erster Linie auf Face-to-face-Interaktionen basierende Gruppenzusammenhänge in den Blick, sondern vielmehr Verbindungen, die auf einem impliziten und als handlungsleitend gedachten Wissen beruhen, das auf der Grundlage gemeinsamer oder gleichartiger (Sozialisations-)Erfahrungen entsteht. Der Beitrag diskutiert im Einzelnen die Bedeutung von Milieuzugehörigkeiten, aber auch der Organisationskultur für die Strukturierung der organisationalen Praktiken und als Bedingung der Möglichkeit von Lernprozessen (in) der Organisation.
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Notes
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Auch Zinth (2008) bietet zwar einen systematischen Überblick über verschiedene Ansätze organisationalen Lernens, die Frage nach den jeweilig damit verbundenen Organisationsbegriffen wird von ihm aber nur am Rande thematisiert.
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Der Fokus der Analyse liegt also etwas anders als in den an Bourdieu orientierten Milieu-Analysen der Forschungsgruppe um Michael Vester (vgl. Bremer/Lange-Vester 2014) nicht auf objektiven sozialen Strukturen, sondern auf den Gemeinsamkeiten oder Strukturidentitäten der Sozialisations- und Lebensgeschichte, die sich nur in der empirischen Rekonstruktion ausgehend von den Aussagen der Befragten identifizieren lassen.
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Um diesem Doppelcharakter der Schule Rechnung zu tragen, lässt sich auch davon sprechen, dass Lehrkräfte einer Doppelmitgliedschaft bei der Einzelschule und dem jeweiligen Bundesland unterliegen (vgl. Blutner 2004). Die Schule wird dann in der erziehungswissenschaftlichen Forschung auch sowohl als Institution, als auch als Organisation in den Blick genommen (vgl. Göhlich 2014) - und lässt sich über die empirischen Analysen letztlich auch als Organisationstyp konturieren. Diese Differenzierung kann im vorliegenden Artikel allerdings aus Platzgründen nicht ausführlich dargestellt werden.
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Es geht hier, auch darauf macht die Arbeit aufmerksam, also nicht um eine Verbindung über eine Berufskultur bzw. das Lehrertum – die Milieus sind kleinteiliger gedacht, und das wird ja auch in der Differenzierung unterschiedlicher Milieus von LehrerInnen und dem Hinweis auf einen sehr spezifischen Erfahrungsraum (Erfahrung in Schulentwicklungsprozessen), der für die Entstehung der Rahmenorientierung Autonomie ursächlich ist, deutlich. Das Gefühl der Zu- oder Zusammengehörigkeit, das sich auf der Ebene der gruppenförmigen Zusammenhänge in einer Schule entwickeln kann (aber durchaus auch in anderen Kontexten, etwa in Fortbildungen, in denen sich LehrerInnen aus verschiedenen Schulen begegnen und ebenfalls, ,Gleichgesinnte’ finden), ist insofern nur ein (sichtbarer) Ausdruck von Milieuzugehörigkeit und manifestiert sich dann darin, dass sich die jeweiligen LehrerInnen unmittelbar „verstehen“ (Bohnsack 2014a, S. 60 ff.).
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Hier kann an den Begriff der „Lerndiskrepanz“ angeschlossen werden, wie er von Klaus Holzkamp verwendet wird (vgl. Faulstich/Grotlüschen 2006). Holzkamp weist darauf hin, dass nicht ein (objektiv gegebenes) Handlungsproblem, sondern die Erfahrung der Diskrepanz Auslöser von Lernprozessen ist und, so kann man diesen Gedanken weiterführen, diese Erfahrung ergibt sich erst aufgrund einer bestimmten Perspektivität der Wahrnehmung (vgl. Schürmann 2008).
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Die Relevanz von Milieuzugehörigkeiten für das Funktionieren von Organisationen ist bereits in einer ganzen Reihe von Studien herausgearbeitet worden, und zwar nicht nur für Schulen (Zeitler et al. 2012), sondern auch für Krankenhäuser (Vogd 2004) oder für die Polizei (Mensching 2008). Es ließe sich allerdings die Frage stellen, ob es sich bei all diesen Beispielen nicht um einen sehr spezifischen Typ von Organisationen handelt, und zwar um so genannte „soziale personenbezogene Dienstleistungsorganisationen“ (Klatetzki 2010; siehe zu dieser Beobachtung auch Amling 2017) – und ein charakteristisches Merkmal dieses Organisationstyps ist der für die organisationale Praxis zentrale Klientenbezug. Es wäre daher denkbar, dass sich gerade aufgrund der Relevanz des Klientenbezugs die Praktiken der Organisationsmitglieder in solchen Dienstleistungsorganisationen zumindest in einer wesentlichen Hinsicht nicht sehr weitgehend standardisieren lassen. Und gerade dieser Mangel an Standardisierbarkeit organisationaler Praktiken steigert möglicherweise die Bedeutung der milieuspezifischen impliziten Handlungsgewissheiten, auf die die organisationalen Akteure zurückgreifen, um handlungsfähig zu werden oder zu bleiben. Insofern wäre empirisch zu prüfen, ob die Relevanz von Milieus auch für Organisationen anderen Typs nachgewiesen werden kann.
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Es lässt sich im Übrigen der Fall denken (und auch empirisch rekonstruieren), dass es Organisationsmitglieder gibt, die jenseits der Organisation Erfahrungen machen, die zur Ausbildung der konjunktiven Wissensbestände führen, vor deren Hintergrund sie die Zweckaufträge der Organisation wahrnehmen und bearbeiten. Es kann aber auch zur Etablierung von (Organisations-)Milieus kommen, und zwar auf der Grundlage der gemeinsam gemachten Erfahrungen in der Organisation (vgl. zu dieser Differenzierung ausführlich Nohl 2007).
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Vogd (2009, S. 27) weist in dieser Hinsicht sogar darauf hin, dass sich in Organisationen zwar „in der Regel vielfältige Milieus und unterschiedlichste Akteure [finden]. Wenngleich sich [aber] sehr wohl Inseln geteilter Orientierungen herausbilden, etwa in dem Sinne, dass Vertreter bestimmter Professionen ein gemeinsames Berufsethos pflegen und spezifische berufliche Milieus ausbilden, herrscht mit Blick auf die gesamte Organisation in der Regel hohe Diversität vor.“
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Diese Perspektive ist im Übrigen auch in der Schulforschung fruchtbar gemacht worden: Im Konzept der „Schulkultur als symbolischer Sinnordnung“ (Helsper 2009; vgl. auch Böhme et al. 2015) gerät eine einheitliche Gestalt der Organisation (Schule) in den Blick, also ein Zusammenhang von Formalstruktur und Aktivitätsstruktur.
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In der Schulforschung wird diesbezüglich etwa die Bedeutung „professioneller Lerngemeinschaften“ (Bonsen/Rolff 2006) bzw. allgemeiner der Lehrerkooperation für die Schulentwicklung (Fußangel/Gräsel 2010) diskutiert.
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