Zusammenfassung
Für die Beschreibung der Koordination von Innovationen spielen Netzwerkansätze eine herausragende Rolle. In diesem Artikel werden drei Perspektiven auf diese Ansätze vorgestellt. In einem ersten Schritt werden soziologische Ansätze diskutiert, die Netzwerke neben Markt und Hierarchie als die dritte bedeutende Koordinationsform für Innovationen begreifen. In einem zweiten Schritt stellt der Artikel Konzepte aus dem Bereich der Science and Technology Studies vor. In einem dritten Schritt werden Konzepte diskutiert, die Innovationsphänomene mittels der formalen Netzwerkanalyse erschließen.
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Notes
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Auch wenn man gegenüber solchen Gegenwartsdiagnosen, welche die gesellschaftliche Komplexität auf einen Wirkmechanismus reduzieren wollen, skeptisch sein kann, bleibt zu konstatieren, dass der Begriff des Netzwerks zentrale Aspekte der Gegenwartsgesellschaft erfasst. Dass dabei soziotechnische Innovationen (wie etwa das Internet) maßgeblichen Anteil daran haben, verweist bereits auf einen engen Zusammenhang zwischen Innovationen und Netzwerken.
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Statt soziale gegen technische Innovationen auszuspielen (vgl. Howaldt et al. 2014, S. 17–20), erscheint es m. E. geeigneter, die Einsicht der jüngeren Innovationsforschung aufzugreifen und konsequent nur noch von soziotechnischen Innovationen zu sprechen. Damit ist gemeint, dass soziale und technische Innovationen stets Hand in Hand gehen und unentflechtbar miteinander verwoben sind (vgl. auch Abschn. 2.2).
- 3.
Hier ist auch der entscheidende Unterschied zu den Joint Ventures zu sehen, die vor allem in den 1970er-Jahren übliche Zusammenschlüsse von Unternehmen zur Leistungserbringung waren. Denn formal betrachtet führt ein Joint Venture zu einer eigenen Unternehmensgründung. Damit bildet das Joint Venture keine eigene Koordinationsform.
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Hier macht Jörg Sydow (2010, S. 415–417) Beschaffung, Produktion, Logistik, Arbeit, Organisation, Strategie, Personal, Informatik, Controlling bzw. interne Rechenlegung, Finanzierung sowie Entrepreneurship als Aktivitäten, die in Unternehmensnetzwerken betrieben werden können, aus.
- 5.
Sydow (2010, S. 420) identifiziert folgende weitere Untersuchungsgegenstände der soziologischen Governanceforschung: „organisatorische und auch informationstechnische Vernetzung von Unternehmen in bestimmten Branchen […], personelle Verflechtungen zwischen Unternehmen […], Netzwerktätigkeit global bzw. transnational tätiger Unternehmungen […], internationale Handels- und Logistiknetzwerke […], Verbesserung des Umweltschutzes durch Unternehmungskooperation […], Implikationen der Netzwerkorganisation für das System industrieller Beziehungen […], arbeitsmarktpolitisch motivierte Netzwerkbildung […], Entwicklung von Arbeit […], Herausbildung und Organisation von „Arbeitskraftunternehmern“ […] sowie Management von Grenzrollen […] [und] Formwandel von Herrschaft […]“.
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Derartige lineare Vorstellungen von Durchsetzungsprozessen von Neuem gelten auch in der Innovationsökonomie längst als überholt (vgl. auch Braun-Thürmann 2005, S. 38–42). Denn aufgrund der wachsenden Sättigung und Intransparenz der Märkte lassen sich für Innovatoren keine eindeutigen Marktsignale mehr für eine erfolgreiche Innovationstätigkeit herausfiltern. Gleichzeitig haben sich mit der Pluralisierung der Produktentwicklungsmöglichkeiten die technologischen Unsicherheiten erhöht. Ein wichtiger Zweig der nicht-linearen innovationsökonomischen Ansätze betont entsprechend, dass grundlegende Basisinnovationen eher im Sinne der Technology Push-Ansätze vonstattengehen, während inkrementelle Verbesserungsinnovationen eher den Demand Pull-Ansätzen entsprechen (vgl. z. B. Tushman und Rosenkopf 1992). Soziologische Ansätze heben darüber hinaus die soziale Konstruiertheit sowie soziale und kulturelle Eingebettetheit der innovativen Prozesse hervor.
- 7.
Sie verschwinden nach Rammert allerdings nicht in der Gegenwartsgesellschaft, sondern büßen ihre exklusive Position ein.
- 8.
Die Herbeiführung von „Eigenlösungen“ erfolge über Prozesse des so genannten „Innovationslernens“ im Sinne von Rückkopplungsprozessen zwischen Technisierungsentwürfen und Technisierungspraxis (Kowol 1998). Es bildet damit die Triebfeder technischer Innovationen.
- 9.
Eine bimodale Netzwerkanalyse ist eine gekoppelte Untersuchung von Akteursnetzwerken mit kulturellen bzw. Gelegenheitsnetzwerken. Gelegenheiten bzw. kulturelle Spezifika werden dabei als Anzeiger dafür begriffen, dass Akteure auf ihrer Basis eher dazu tendieren, untereinander soziale Beziehungen einzugehen.
- 10.
Entscheidend ist hierbei, dass über das „Internet of Things“ auch unsere Alltagsgegenstände, insbesondere unsere Informations- und Kommunikationstechnologien ‚mitteilsam‘ geworden sind.
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Häußling, R. (2020). Innovation und Netzwerke. In: Blättel-Mink, B., Schulz-Schaeffer, I., Windeler, A. (eds) Handbuch Innovationsforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17671-6_31-1
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