Zusammenfassung
Die Grenzziehung zwischen Mehrheit und Minderheit(en) nimmt in den letzten Jahren weiter zu. Zunehmende soziale Polarisierung, Armutsgefährdung und Statusunsicherheit in europäischen Gesellschaften, darunter auch in Österreich, haben sich verstärkend auf die Zunahme von Vorurteilen, Feindbildern und politischen Spannungen ausgewirkt. Welche Folgen die Vorurteile für das Selbstbild der MuslimInnen haben und ob die wechselseitigen Wahrnehmungen eine Spaltungslinie in der österreichischen Gesellschaft repräsentieren, steht im Mittelpunkt dieses Beitrags. Die Verbreitung von anti-muslimischen Vorurteilen in der österreichischen Mehrheitsbevölkerung wird zunächst im europäischen Vergleich analysiert, bevor im zweiten Teil des Kapitels die zentralen Vorurteile der ÖsterreicherInnen mit den realen Einstellungen und Verhaltensweisen der MuslimInnen verglichen werden.
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Notes
- 1.
Wir verwenden die Begriffe „ÖsterreicherIn“ bzw. „MehrheitsösterreicherIn“ in diesem Kapitel synonym und meinen damit Personen mit österreichischer StaatsbürgerInnenschaft ohne unmittelbaren Migrationshintergrund (d. h. beide Eltern und die befragte Person selbst sind in Österreich geboren).
- 2.
Diese repräsentative Befragung wurde im Rahmen des FWF-Projekts „Religiöse Orientierungen und Lebensstile von MuslimInnen im Generationenwandel“ (Projektleitung Hilde Weiss, Univ. Wien) durchgeführt.
- 3.
Da der globale Trend zum Anstieg der Islamfeindlichkeit bereits vor 2010, konkret mit dem 11. September 2001, seinen Anfang nahm, gehen wir davon aus, dass wir die Ergebnisse der Studie von Zick et al. aus dem Jahr 2010 mit unseren Ergebnissen aus dem Jahr 2012 vergleichen können.
- 4.
Allerdings sind die Item-Formulierungen hier leicht unterschiedlich: Bei Zick, Küpper und Hövermann (2011) wurde das Item folgendermaßen formuliert: Die muslimische Kultur passt gut nach (jew. Land). In der österreichischen Erhebung wurde das Item demgegenüber so formuliert: Die muslimische Kultur lässt sich durchaus mit unserer westlichen Welt vereinbaren.
- 5.
Rund 90 % der befragten jungen MuslimInnen haben am Arbeitsplatz bzw. in der Ausbildung, in der Freizeit und in der Nachbarschaft regelmäßig Kontakte mit ÖsterreicherInnen.
- 6.
Hier gemessen als Index aus religiöser Selbsteinstufung, Häufigkeit des Betens und Moscheebesuchs.
- 7.
Das „kollektive Selbstbild“ ist ein Index aus den Problemwahrnehmungen „Unwissenheit und Vorurteile“, „mit Terror in Verbindung gebracht werden“ und „Einstellung zu Kultur und Lebensweise“ (s. Tab. 2).
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Weiss, H., Hofmann, J. (2016). Gegenseitige Wahrnehmungen: Annäherungen, Stereotype und Spannungslinien zwischen ÖsterreicherInnen und MuslimInnen. In: Weiss, H., Ateş, G., Schnell, P. (eds) Muslimische Milieus im Wandel?. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-12297-3_5
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