Zusammenfassung
Europa steht erneut am politischen Scheideweg. Längst überwunden geglaubte Sollbruchstellen bahnen sich ein weiteres Mal ihren Weg durch den europäischen Kontinent. Seit Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise im Jahr 2008 und den daraus erwachsenen europaweit grassierenden Staatsschuldenkrisen signalisieren zahlreiche makroökonomische Kennzahlen das wirtschaftliche Auseinanderdriften der europäischen Staatengemeinschaft. Während beispielsweise die Arbeitslosenzahlen in Ländern wie Portugal, Spanien, Griechenland oder Italien bedrohliche und politisch destabilisierende Ausmaße annehmen, bleiben andere Länder wie Deutschland, Finnland, Österreich, die Niederlande oder auch Luxemburg weitgehend von der wirtschaftlichen Rezession verschont. Gefestigt geglaubte demokratische Errungenschaften verlieren in Zeiten der Krise ihre Selbstverständlichkeiten: Regierungen scheitern, extreme politische Parteien gewinnen an Zulauf, Bürger verlieren das Vertrauen in politische Institutionen und Akteure und die Akzeptanz politischer Alternativen jenseits demokratischer Prinzipien steigt. Auf den wirtschaftlichen folgt nunmehr ein politischer Riss, der quer durch Europa verläuft. Dabei sind die heftigsten Erschütterungen unter den Mitgliedsländern der EU-Währungsunion zu beobachten, in deren Verlauf eine Demarkationslinie zwischen sogenannten Geber- und Nehmerländern entsteht. In national geführten öffentlichen Diskursen wird mittlerweile vielfach die Europäische Union als europäisches Einigungsprojekt in ihrer bisherigen institutionellen Ausgestaltung gar grundsätzlich in Frage gestellt.
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Notes
- 1.
Für weitere Informationen siehe auch http://ec.europa.eu/economy_finance/assistance_eu_ms/index_en.htm.
- 2.
Die Erhebung der letzten WVS-Welle erstreckte sich insgesamt über drei Jahre (2005–2008).
- 3.
Für die deskriptiven Auswertungen des WVS werden die Daten mit dem äquilibrierten Gewicht (N = 1000) gewichtet.
- 4.
Für die deskriptiven Auswertungen des ESS werden die Daten mit dem Design-Gewicht (dweight) gewichtet.
- 5.
Im Einzelnen sind dies Belgien, Dänemark, Deutschland (Gesamt), Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik und Ungarn.
- 6.
Diese fünf Indikatoren wurden zu einem additiven Index politischen Vertrauens zusammengefasst und durch die Anzahl der Fragen geteilt. Die Überprüfung durch Hauptkomponentenanalysen ergab für die meisten untersuchten Länder eine eindimensionale Struktur.
- 7.
Der Fragewortlaut des Bildungsniveaus lautet: „Wie viele Jahre haben Sie insgesamt eine Schule besucht, inklusive den etwaigen Besuch einer Berufsschule oder Hochschule? Berücksichtigen Sie bitte alle Voll- und Teilzeitausbildungen, und rechnen Sie die Gesamtdauer Ihrer Schul- und Ausbildungszeit in ganze Jahre um“.
- 8.
Siehe auch Ausführungen zu empirischen Befunden im vorangegangenen Abschnitt. Die Fragen lauten: Wirtschaftszufriedenheit: „Und wie zufrieden sind Sie – alles in allem – mit der gegenwärtigen Wirtschaftslage in Deutschland? Bitte antworten Sie anhand von Liste 10. 0 bedeutet äußerst unzufrieden und 10 äußerst zufrieden.“ Bewertung des Bildungssystems: „Bitte benutzen Sie Liste 11 und sagen Sie mir bitte, wie Sie – alles in allem – den derzeitigen Zustand des Bildungssystems in Deutschland einschätzen. 0 bedeutet äußerst schlecht und 10 äußerst gut.“ Bewertung des Gesundheitssystems: „Bitte benutzen Sie Liste 11 und sagen Sie mir bitte, wie Sie – alles in allem – den derzeitigen Zustand des Gesundheitssystems in Deutschland einschätzen. 0 bedeutet äußerst schlecht und 10 äußerst gut.“ Soziales Vertrauen: „Ganz allgemein gesprochen: Glauben Sie, dass man den meisten Menschen vertrauen kann, oder dass man im Umgang mit anderen Menschen nicht vorsichtig genug sein kann? Bitte sagen Sie es mir anhand dieser Skala von 0 bis 10. 0 bedeutet, dass man nicht vorsichtig genug sein kann und 10 bedeutet, dass man den meisten Menschen vertrauen kann.“ Politisches Interesse: „Wie sehr interessieren Sie sich für Politik? Sind Sie sehr interessiert, ziemlich interessiert, wenig interessiert oder überhaupt nicht interessiert?“ Für die Analysen wurde die Kodierung umgekehrt: 1 = überhaupt nicht interessiert bis 4 = sehr interessiert.
- 9.
Die Arbeitslosenquoten lieferten Erhebungen der Weltbank. Angaben zum CPI wurden dem „Quality of Government“ Datensatz der Göteborg Universität entnommen. Die Werteskala des CPI reicht von 0 bis 10, wobei höhere Werte für ein geringeres Korruptionsmaß stehen. Berechnungen der realen staatlichen Sozialausgaben sowie des realen Bruttoinlandsprodukts (Referenzjahr 2007) werden von der OECD zur freien Verfügung bereitgestellt.
- 10.
Zwar lagen bei Fertigstellung dieses Beitrags die Erhebungen der sechsten ESS-Welle aus dem Jahr 2012 vor, allerdings wurden u. a. keine Daten für Griechenland, eines der am schwersten von der Krise betroffenen Länder, erhoben, so dass auf die Analyse der sechsten Welle verzichtet wurde.
- 11.
Auf eine separate Darstellung der Arbeitslosenquote in Ost- und Westdeutschland wird an dieser Stelle ebenfalls verzichtet. Allerdings liefern volkswirtschaftliche Kennzahlen bis zum heutigen Zeitpunkt keinerlei Hinweise auf eine Überwindung der ausgeprägten interregionalen Beschäftigungsdivergenz zu Lasten Ostdeutschlands.
- 12.
Auf eine tabellarische Darstellung der Ergebnisse wird verzichtet.
- 13.
Der Intraklassen-Korrelationskoeffizient (ICC) für Demokratiezufriedenheit beträgt 23,8 %, der ICC für den Index politischen Vertrauens erzielt 22,7 %.
- 14.
Diese Aussage bezieht sich auf die ungarische „Jobbik“ Partei sowie die griechische Partei „Goldene Morgenröte“. Letzterer wurde im Oktober 2013 gemäß eines Parlamentsbeschlusses die weitere Staatsfinanzierung aufgrund des Verdachts krimineller Aktivitäten entzogen.
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Zmerli, S. (2016). Konvergenz oder Divergenz? Entwicklungsverläufe und Determinanten politischer Unterstützung im europäischen Vergleich. In: Roßteutscher, S., Faas, T., Rosar, U. (eds) Bürgerinnen und Bürger im Wandel der Zeit. Veröffentlichung des Arbeitskreises "Wahlen und politische Einstellungen" der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW). Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-11276-9_11
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