Zusammenfassung
Der menschliche Körper ist Teil der Sozialgeschichte. Seit dem 19. Jahrhundert streiten Wissenschaft, Politik und Praxis über das Spannungsverhältnis zwischen geistiger und körperlicher Entwicklung, zugleich zwischen individueller Entfaltung und öffentlich gesetzter Normierung im Bildungsprozess. Die Beziehung zwischen theoretisch-geistiger und körperlicher Entwicklung erfährt Modifikationen, vom Faschismus abgesehen wird eine einseitige Ausrichtung auf den nur-körperlichen Bereich abgelehnt. Auf der anderen Seite wird das intellektuelle Erziehungsziel trotz anderweitiger Beteuerungen etwa in Lehrplänen immer noch über das körperliche gestellt. Und schließlich setzen sich immer stärker individuelle Zielsetzungen für die je eigene Entwicklung durch. Dabei kommt zunehmend ein Distinktionsbedürfnis zum Tragen, zugleich werden ökonomische Zugangsbarrieren deutlich – anders als im 19. Jahrhundert damals bezogen auf die Arbeiterschaft, aber ebenso wirksam. Bewegung und Förderung der Körperlichkeit kann teuer sein – damit sozial selektiv. Die Forderungen nach Freiheit und Vernunft bleiben nach wie vor relevant, der sozialgeschichtliche Rekurs aber zeigt, dass Freiheit und Vernunft immer menschliche Träger haben, und eben diese haben einen Körper. Hier liegen, das zeigt die Geschichte, erhebliche Entwicklungspotentiale, aber auch solche der Zerstörung, individuelle und darüber hinaus auch soziale.
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Notes
- 1.
Dass Nietzsche in Konsequenz seiner „Umwertung aller Werte“ auch diesen Gedanken selbst wieder in Frage stellte, hat die breite Rezeption dieser Vorstellung in sozialdarwinistischen Zirkeln nicht beeinträchtigt.
- 2.
Tie – Bereits bei Jahn eingeführte Bezeichnung für gemeinschaftliches Zusammensein.
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Huster, EU. (2015). Der Körper zwischen Instrumentalisierung und Selbstbestimmung – Leitbilder im 19. und 20. Jahrhundert. In: Wendler, M., Huster, EU. (eds) Der Körper als Ressource in der Sozialen Arbeit. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-08778-4_5
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