Zusammenfassung
Vor einigen Monaten hielt ich einem Vortrag an der Deutschen Hochschule der Polizei vor Führungskräften der Polizei zum polizeilichen Heroismus und zur Debatte um die zunehmende Gewalt von und an der Polizei. Unmittelbar nach meinem Statement wies mich ein Teilnehmer darauf hin, dass er den von mir verwendeten Begriff „Gewalt“ im Zusammenhang mit Polizeihandeln deplatziert finde, es handele sich vielmehr um „unmittelbaren Zwang“, den Polizeibeamte ausübten. Diesem Einwand stand ich zunächst in einer Mischung aus Staunen und Sprachlosigkeit gegenüber. Mir ist bis heute nicht ganz klar, was den Teilnehmer zu dieser besonderen Nachhilfestunde veranlasst hat: er hat aber meine Vermutung bestätigt, dass sich das Führungspersonal der Polizei zunehmend von der faktischen Gewaltausübung ihrer Mitarbeiter distanziert, und dass sie sie stattdessen juristisch verklausuliert. Das Verwenden einer „klinischen“ Sprache befreit sozusagen das komplexe Geschehen von seinen unangenehmen Begleiterscheinungen: der „unmittelbare Zwang“ ist frei von „Blut, Schweiß und Tränen“ und auch frei von Aggressionen, Angst und Emotionen – unmittelbarer Zwang ist im Übrigen immer rechtens, die Gewalt kann schon mal Unrecht tun. Immerhin hat der Einwand mich darin bestärkt, das Thema der Gewalt in meinen Überlegungen zu vertiefen.
Dieser Aufsatz ist die ergänzte Fassung eines Vortrages im Rahmen einer Ringvorlesung an der Universität Hamburg im Wintersemester 2012/2013 mit dem Thema „Neue Aufgaben, neue Möglichkeiten, neues Selbstbild: Müssen wir die Polizei neu denken?“
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Behr, R. (2014). „Gewalt“ und „Zwang“ – Überlegungen zum Diskurs über Polizei. In: Schmidt-Semisch, H., Hess, H. (eds) Die Sinnprovinz der Kriminalität. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-03479-5_12
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