Zusammenfassung
Die interpretative Wende in der Policy-Forschung, mit ihrem Interesse an der kontextgebundenen Konstruktion von Problemen, hat in der lokalen Politikforschung bislang kaum Einzug gehalten. Von der Stadt als narrativem Resonanzboden auszugehen, vor dessen Hintergrund politische Probleme auf spezifische Weise diskursiv konstruiert werden, ist bisher allenfalls eine randständige Forschungsperspektive. Der vorliegende Beitrag folgt Überlegungen zur „Eigenlogik der Städte“, wonach jede Stadt einen distinkten Sinnhorizont evoziert, und rekonstruiert in städtevergleichender Perspektive, inwiefern sich dieser in stadtspezifischen Erzählungen zu lokalen Problemen niederschlägt. Dabei zeigt die Analyse der Problematisierungen in Frankfurt, Dortmund, Birmingham und Glasgow, dass sich in den Städten eine jeweils eigene Relationierung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Sinne eines Meta-Narratives manifestiert, das als kollektiver Referenzpunkt im Diskurs fungiert.
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Notes
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Die Autoren danken den Teilnehmer(inne)n des Autorenworkshops „Politische Narrative“ am 23. Nov. 2012 sowie insbesondere Willy Viehöver und den Herausgebern für ihr konstruktives Feedback zu einem ersten Entwurf dieses Artikels.
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Dies bedeutet freilich nicht, dass ein sozial konstituiertes Problem gleichsam ‚nur‘ ein Sprachspiel ohne reale Existenz ist – im Gegenteil hat die diskursive Konstruktion von Problemen weitreichende Konsequenzen, da Policies und Interventionen zur Problemlösung aus eben diesen Konstruktionen abgeleitet werden (Groenemeyer 2003, S. 7).
- 3.
Die empirischen Darstellungen gehen auf das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt Problemdiskurse: Eigenlogik der Städte und politische Agenda zurück, das zwischen 2011 und 2014 an der TU Darmstadt und der Universität Heidelberg durchgeführt wurde. Für weitere Informationen siehe: http://www.stadtforschung.tu-darmstadt.de (aufgerufen am 6. Mai 2014).
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Hiermit ist bereits impliziert, dass wir eine „Verdinglichung” des Diskurses (Keller 2005a, S. 9) durch die Einführung eines Akteurskonzeptes vermeiden, wie es auch in der Betonung der Argumentationspraxis im Dienste einer Problematisierung durch andere Arbeiten des interpretativen Paradigmas mitschwingt (vgl. Fischer und Forester 1993; Hajer 2002, S. 63).
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Im Folgenden werden die folgenden Abkürzungen für die Tageszeitungen verwandt, deren jeweilige Lokalteile im Rahmen unserer Datenerhebung berücksichtigt wurden: FAZ für Frankfurter Allgemeine Zeitung, FR für Frankfurter Rundschau (beide Frankfurt), RN für Ruhr Nachrichten, WAZ für Westdeutsche Allgemeine Zeitung (beide Dortmund), BM für Birmingham Mail (Birmingham) sowie ET für Evening Times (Glasgow).
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Brum bezeichnet umgangssprachlich die Stadt Birmingham sowie den hier gesprochenen Dialekt, als Brummies werden die Bewohner der Stadt bezeichnet.
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Barbehön, M., Münch, S. (2014). Die Stadt als Sinnhorizont: Zur Kontextgebundenheit politischer Narrative. In: Gadinger, F., Jarzebski, S., Yildiz, T. (eds) Politische Narrative. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-02581-6_6
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