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Die andere Sicht „zur Sache“ – Elvire aus Süd-Kivu und das deutsche Völkerstrafgesetzbuch

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Völkerstrafrechtspolitik
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Zusammenfassung

Der Artikel plädiert speziell im Hinblick auf sexualisierte Straftaten für eine Anpassung der deutschen Strafprozessordnung an die besonderen Erfordernisse und Herausforderungen von Verfahren, die auf Grundlage des Völkerstrafgesetzbuches stattfinden. Anhand einer fiktiven Geschichte schildert die Autorin im ersten Teil des Artikels was geändert werden muss, damit die deutsche Rechtsprechung den Opfern sexualisierter Kriegsgewalt und ihren speziellen Lebensrealitôten gerecht werden kann. Die gesellschaftliche Stigmatisierung von Vergewaltigungsopfern muss dabei als zusätzliches Unrecht Berücksichtigung finden. Die beste Garantie für Persönlichkeitsschutz und Sicherheit der Opfer und Zeuginnen, so argumentiert der Artikel, ist ihre kompetente anwaltliche Vertretung und ihre aktive Beteiligung am Verfahren. Der zweite Teil des Artikels enthält eine Liste von Mindestanforderungen an die zu ändernde Strafprozessordnung sowie einen Themenkatalog für eine zu gründende unabhängige interdisziplinäre Arbeitsgruppe, die sich mit den rechtlichen und praktischen Herausforderungen einer Verfahrensbeteiligung der Opfer von Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord befasst und Vorschläge erarbeitet.

Die Autorin wurde 1953 geboren und absolvierte ein Studium in Geschichte und Philosophie. Sie ist feministische Autorin und Aktivistin und Mitbegründerin des medica mondiale e. V. Heute ist sie Fachreferentin bei medica mondiale für Geschlechtergerechtigkeit mit Schwerpunkt auf internationaler Strafverfolgung sexualisierter Kriegsgewalt.

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Notes

  1. 1.

    Der Name wurde geändert. Die Geschichte wird – leicht gekürzt – so wiedergegeben, wie Elvire sie der Mitarbeiterin einer lokalen Frauenorganisation, die von medica mondiale unterstützt wird, erzählt hat. Die Provinzen Süd- und Nord-Kivu befinden sich im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Seit 1997 herrscht hier fast ununterbrochen Krieg.

  2. 2.

    Siehe allgemein Meintjes et al. 2001; Moser und Clark 2001. Für die Demokratische Republik Kongo: Breton-Le Goff 2010; Diverse internationale und kongolesische Organisationen 2011: www.soros.org/sites/default/files/drc-ssr-report-20120416-1.pdf; für Südafrika: Sigsworth und Valji 2012; für Bosnien-Herzegowina: Bolkovac und Lynn 2011; für Süd-Sudan: D’Awol 2011; für Uganda: Mischkowski 2006; für Afghanistan: Human Rights Watch 2012. Zur generellen Kritik an geschlechterblinden Sicherheitskonzepten siehe Aoláin et al. 2011.

  3. 3.

    Später stellte sich heraus, dass die Gender-Beauftragte der Bundesanwaltschaft, die Elvires Vernehmungsprotokoll aufmerksam gelesen hat und ähnliche Hinweise auf den Verkauf von Mädchen auch in anderen Aussagen fand, Ermittlungen auch in diese Richtung veranlasst hat.

  4. 4.

    Sehr real ist auch das kenianische Frauendorf im Samburuland, das nicht nur alle gefährdeten Frauen der Gegend, sondern auch ausländische Touristinnen als Gäste stets willkommen heißt: www.umojawomen.org. Ihre Entschädigungsklage gegen das britische Verteidigungsministerium wegen massenhafter Vergewaltigungen durch britische Soldaten ist letztlich im Sande verlaufen: Walter 2003, S. 38 ff.

  5. 5.

    S/Res/1325 (2000), deutsche Übersetzung: www.frauensicherheitsrat.de/1325.html. Zur mangelhaften Umsetzung siehe Scheub 2011: www.frauensicherheitsrat.de/data/eckpunkte-2011.pdf. Eine Übersicht über nationale Aktionspläne von bisher 37 Staaten findet sich unter www.peacewomen.org/pages/about-1325/national-action-plans-naps. Die Bundesregierung hat erst am 19.12.2012 einen Aktionsplan verabschiedet. Er enthält kein eigenes Budget, seine Umsetzung hängt vom Goodwill der beteiligten Ministerien ab: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Menschenrechte/Aktuell/121219_Aktionsplan_Res1325.html.

  6. 6.

    Auf der Website des Oberlandesgerichts findet man nur mühsam Hinweise auf den Prozess.

  7. 7.

    Medica Zenica“ wurde 1993 von Dr. Monika Hauser gemeinsam mit bosnischen Frauen in Zenica, Zentralbosnien, gegründet, unterstützt von einer kleiner Gruppe Kölner Frauen, darunter auch die Autorin dieses Artikels. In der Folge ging medica mondiale e. V. mit Sitz in Köln daraus hervor. Medica Zenica ist heute eine unabhängige bosnische Frauenorganisation mit nach wie vor engen Verbindungen zu medica mondiale e.V.

  8. 8.

    Die rechtliche Problematik der Rolle von Mittelspersonen wird ausführlich im ersten Urteil des IStGH diskutiert, IStGH Prosecutor v Lubanga, TC I, 01/04-01/06-2842, 14 March 2012, zu finden auf: http://www.icc-cpi.int/en_menus/icc/situations%20and%20cases/cases/Pages/cases%20index.aspx.

  9. 9.

    Siehe z. B. Mischkowski 2002 zum wohl berühmtesten Fall im Hinblick auf sexualisierte Gewalt, den sogenannten Foca-Prozess: www.medicamondiale.org/infothek/publikationen.

  10. 10.

    Der Women’s Caucus for Gender Justice (WCGJ) war ein loser Zusammenschluss feministischer Juristinnen und Aktivistinnen aus aller Welt. WCGJ war Teil einer internationalen Dachorganisation, der Coalition for an International Criminal Court, und setzte sich vor allem für die Verankerung einer durchgängigen Genderperspektive beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) und der angemessenen Berücksichtigung von sexualisierter Gewalt im materiellen Recht und Verfahrensrecht ein. Nach der Gründung des IStGH ging daraus die Women’s Initiatives for Gender Justice hervor: www.iccwomen.org.

  11. 11.

    Felman 1992, S. 204.

  12. 12.

    Siehe hierzu medica mondiale 2008: www.medicamondiale.org/infothek/publikationen.

  13. 13.

    Mischkowski und Mlinarević 2009.

  14. 14.

    Die StPO (§§ 395–402, 403–406) gibt Verletzten von Gewaltverbrechen oder Beleidigung das Recht auf Information, Akteneinsicht, anwaltliche Vertretung. Sie können Beweis- und Ermittlungsanträge stellen, gegen justizielle Entscheidungen Beschwerde einlegen. Sie können an der Hauptverhandlung, auch an nicht-öffentlichen Teilen, teilnehmen, haben ein Fragerecht und können ein Schlussplädoyer halten. Sie haben Anspruch auf Entschädigung.

  15. 15.

    Bitti und Friman 2001; Burkhardt 2009 abrufbar unter: edoc.hu-berlin.de/dissertationen/burkhardt-maren-2010-01-13/PDF/burkhardt.pdf.

  16. 16.

    Siehe The Declaration of Basic Principles of Justice for Victims of Crime and Abuse of Power, UN Doc. A/Res/40/34/Annex (1985); van Boven 1993; Rahmenbeschluss des Rates vom 15.03.2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren (2001/220/JI); Basic Principles and Guidelines on the Right to a Remedy and Reparation for Victims of Gross Violations of International Human Rights Law and Serious Violations of International Humanitarian Law, UN Doc. A/RES/60/147 (2005); Orentlicher 2005.

    Siehe zuletzt auf EU-Ebene das Paket zur Stärkung von Opferrechten, vorgelegt von der EU-Kommission, 18 Mai 2011, das eine Serie von grundlegenden minimalen Opferrechten in der EU vorsieht, einschließlich unterstützender Maßnahmen und Schutz. Dieses Paket wird allerdings insofern kritisiert, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen nicht spezifisch anerkannt wird. Ferner sind EU-Regelungen beschränkt auf Opfer aus den EU-Mitgliedstaaten. Allerdings dürften Umsetzungen in nationalem Strafprozessrecht für alle Opfer gelten. Dies gilt allerdings nur eingeschränkt oder gar nicht im Hinblick auf Entschädigungsansprüche. Das deutsche Opferentschädigungsgesetz schließt Entschädigung für die typischen Opfersituationen nach dem VStGB aus. Buyse 2008, S. 140.

  17. 17.

    S/RES/1820 (2008: www.un.org/docs/sc/unsc_resolutions08.htm).

  18. 18.

    Siehe z. B. Prozess und Urteil gegen Joseph Mpambara in den Niederlanden für seine Beteiligung am Völkermord in Ruanda: www.redress.org/news-and-events/watch-our-video; sowie Prozess und Urteil gegen den wegen Völkermord angeklagten ruandischen Pastor Bazaramba in Finnland. Die finnische Revisonskammer führte die Befragung von ZeugInnen 2011 in Ruanda und Tansania durch: yle.fi/uutiset/finnish_appeal_court_begins_session_in_rwanda/5422090. Siehe auch Stover et al. 2011, S. 509 ff., mit weiteren Nachweisen zu den Verfahren gegen Touvier, Barbie und Papon in Frankreich.

  19. 19.

    www.icc-cpi.int/iccdocs/asp_docs/ASP10/Resolutions/ICC-ASP-10-Res.4-ENG.pdf.

  20. 20.

    Henken 2012.

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Mischkowski, G. (2014). Die andere Sicht „zur Sache“ – Elvire aus Süd-Kivu und das deutsche Völkerstrafgesetzbuch. In: Safferling, C., Kirsch, S. (eds) Völkerstrafrechtspolitik. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-28934-7_6

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