Zusammenfassung
Seit den 1970er Jahren ist die prekäre Bildungssituation von Migrantenkindern und -jugendlichen, die sich in der Bildungsbeteiligung und dem Bildungserfolg ablesen lässt, ein ungelöstes Problem auf schulpädagogischer, sozialwissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene in Deutschland. Nicht zuletzt durch die PISA-Studie (vgl. Deutsches PISA-Konsortium 2001, 2002) werden immer wieder auf die weiterhin bestehenden Diskrepanzen zwischen den Bildungserfolgen von Migrantenkindern und den Kindern der autochthonen Bevölkerung hingewiesen (vgl. Diefenbach 2004; Statistisches Bundesamt 2008). Dabei rücken vor allem Kinder und Jugendliche aus türkeistämmigen Migrantenfamilien ins Zentrum der öffentlichen Diskussionen und Diskurse.
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Notes
- 1.
Die Studie vom Berliner Institut für Bevölkerung und Entwicklung unter dem Titel „Ungenutzte Potentiale. Zur Lage der Integration“, erschienen Anfang 2009, weist den MigrantInnen aus der Türkei im Vergleich zu anderen Migrantengruppen in Deutschland erneut einen Integrationsmangel bzw. ein -defizit zu (vgl. dazu Berliner Institut für Bevölkerung und Entwicklung 2009).
- 2.
Mit Bildungserfolg ist in der vorliegenden Arbeit der Zugang zum Hochschulstudium, nach dem erfolgreichen Erwerb einer deutschen Hochschulzugangsberechtigung, gemeint. Diese Gruppe hat mit dem Abitur den höchstmöglichen Schulabschluss erreicht und gilt im Vergleich zu der mehrheitlichen Gruppe von Kindern und Jugendlichen türkischer Herkunft in Haupt- und Sonderschulen als bildungserfolgreich. Der Bildungserfolg bezieht sich lediglich auf den oben genannten erreichten Bildungsgrad und nicht auf die zukünftigen Berufs- und Statuspositionen.
- 3.
Bourdieu unterscheidet das ökonomische, das kulturelle und das soziale Kapital voneinander. Zum ökonomischen Kapital gehören die verschiedenen Formen des materiellen Reichtums, wie beispielsweise Vermögen, Sachwerte und Eigentumstitel. Als soziales Kapital wird die „Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens und Anerkennens verbunden sind“, bezeichnet (Bourdieu 1992, S. 63).
- 4.
Das kulturelle Kapital existiert in drei Ausformungen: Institutionalisiertes, objektiviertes und inkorporiertes Kulturkapital.
- 5.
Als inkorporiertes kulturelles Kapital gelten nach Schwingel „sämtliche kulturelle Fähigkeiten, Fertigkeiten, und Wissensformen, die man durch Bildung freilich in einem sehr allgemeinen, nicht nur im schulisch-akademischen Sinne erwerben kann“ (Schwingel 1998, S. 84).
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Tepecik, E. (2013). Bildungserfolg und migrantenspezifisches Bildungskapital. In: Geisen, T., Studer, T., Yildiz, E. (eds) Migration, Familie und soziale Lage. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94127-1_4
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