Zusammenfassung
In der philosophischen Phänomenologie hat zunächst Maurice Merleau-Ponty das Unbewusste als dynamischen Raum der Zwischenleiblichkeit (intercorporéité) konzipiert, der frühe Jacques Lacan hat es als strukturale Dialektik der Topologie des Imaginären und des Symbolischen gefasst, und Julia Kristeva hat es als raumzeitliche Dialektik der maternalen Semiose und der paternalen Signifkantensprache, als Intertextualität, interpretiert. Alle diese Konzeptualisierungen nähern sich der grundlegenden freudschen Entdeckung in unterschiedlicher Perspektive mit der Annahme einer dynamischen Räumlichkeit des Unbewussten. Daraus resultiert jeweils ein differenter Bezug zum psychoanalytischen Prozess.
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Notes
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Dieses Postulat hat Husserl nie aufgegeben – und auch Merleau-Ponty folgt ihm konsequent (vgl. Holenstein 1985, S. 14 ff.).
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Vgl. Sami-Alis (1974) psychosomatische Theorie des l’espace imaginaire.
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Methodisch warnt Lacan immer wieder von einer gewissen hermeneutischen „Wut des Verstehens“ (Hörisch 1988): „Das was zählt, wenn man eine Erfahrung herauszuarbeiten sucht, ist nicht so sehr das, was man versteht, als vielmehr das, was man nicht versteht […]. Deuten und sich einbilden, daß man versteht, ist ganz und gar nicht dasselbe. Das ist genau das Gegenteil. Ich würde sogar sagen, daß wir die Tür des analytischen Verstehens erst auf der Basis einer bestimmten Verständnisverweigerung aufstoßen“ (Lacan 1978a, S. 97 f.).
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Vorgreifend sei hier erwähnt, dass dann auch Julia Kristeva ihre semiotische Theorie der Chora anhand von Melanie Kleins Analysen zur Symbolbildung (bzw. deren Vertiefung durch Susan Isaacs) weiter ausarbeiten wird (Kristeva 2008, S. 135 ff., 155 ff.).
- 6.
Vgl. die ikonische Zeichenfunktion in der Semiotik von Charles Sanders Peirce; vgl. dann auch Kristevas semiotische Triebauflage (unten). Auch bei Bions Container-Contained-Beziehung (Bion 2006, S. 85–96) handelt es sich nicht um einen rein imaginären, sondern immer schon um einen dynamischen und einen symbolisch-imaginären Raum, in dem sich das Begehren einschreibt: als Begehren in der Sprache, wie Kristeva sagt, nicht als körperlich-instinkthaft verstandener rein biologischer, außersprachliche Affekt.
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Kristeva 1978, S. 65. Die genauere Elaborierung dieses begrifflichen Übergangs findet sich allerdings in dem nicht ins Deutsche übersetzten Teil der Revolution der poetischen Sprache (Kristeva 1974, Teil B, „Le dispositif sémiotique du text“, hier 230 ff.); Kristeva stellt dort die freudschen Traumbildungsmechanismen Verdichtung und Verschiebung als Kategorien ihrer Diskursanalyse der poetischen Sprache dar.
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Warsitz, RP. (2020). Das Unbewusste als Zwischenleiblichkeit, als Topologie des Imaginären und als Intertextualität. In: Kadi, U., Unterthurner, G. (eds) Macht - Knoten - Fleisch. Abhandlungen zur Philosophie. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-04957-5_15
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