Zusammenfassung
Als Lion Feuchtwanger im Jahre 1908 eine »psychologische Studie« zu »Heinrich Heine und Oscar Wilde«1 veröffentlicht, hat sich der 24 Jahre alte Philologe bereits erste Meriten im damals noch nicht sehr differenzierten Feld der Heine-Forschung erworben. Mit dem literaturkritischen, psychologisierenden Traktat folgt er einem Interpretationsmuster, das bereits seiner Dissertation zu Heines »Rabbi«-Fragment zugrunde liegt. Es mag lediglich eine biographische Randnotiz sein, dass Feuchtwanger 1908 auch Vorsitzender des in München ansässigen, von ihm mitbegründeten literarischen Vereins »Phoebus« war. Dieser veranstaltete am 19. Januar des besagten Jahres eine Feierstunde, um sich mit der Initiative zur Aufstellung eines Heine-Denkmals in Hamburg zu solidarisieren.2 Ein halbes Jahrhundert später erinnert sich Feuchtwanger 1958 an die Zeit als Vereins Vorsitzender und an die Heine-Feier im Speziellen:
Ein »geharnischtes« Inserat in den »Münchner Neuesten« hatte am Vorabend dazu eingeladen. Alles, was in München zur Gesellschaft und zur Literatur zählte, war da. [Alfred] Kerr hielt eine Rede, Ernst von Possart sprach Heinesche Gedichte. Es kam auch, soweit ich mich erinnere, ein sehr ansehnlicher Betrag zusammen, der Alfred Kerr überwiesen war; er war der Präsident der Gesellschaft für das Heine-Denkmal. Warum dann das Denkmal nicht aufgestellt wurde, weiß ich nicht mehr. Soweit ich mich erinnere, wurde die Veranstaltung damals sehr freundlich aufgenommen, — vom Publikum wie von der Presse.3
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Anmerkungen
Lion Feuchtwanger: Heinrich Heine und Oscar Wilde. Eine psychologische Studie. — In: Der Spiegel. Münchner Halbmonatsschrift für Literatur, Musik und Bühne, Nr. 12 (30.9.1908). Zitiert nach dem Wiederabdruck in: Lion Feuchtwanger: Centrum Opuscula. Eine Auswahl. Hrsg. von Wolfgang Berndt. Rudolstadt 1956, S. 20–33.
Lion Feuchtwanger: Der Literarische Verein »Phöbus« und seine Heine-Feier. — In: Von Juden in München. Ein Gedenkbuch. Hrsg. von Hans Lamm. München 1958, S. 211.
Vgl. Ute Kröger: Der Streit um Heine in der deutschen Presse 1887–1914. Aachen 1989, S. 202. Zu den Debatten um das Hamburger Heine-Denkmal vgl.
Dietrich Schubert: »Jetzt wohin?« Heinrich Heine in seinen verhinderten und errichteten Denkmälern. Köln, Weimar, Wien 1999, S. 195 ff.
Lion Feuchtwanger: Heinrich Heines »Rabbi von Bacherach«. Eine kritische Studie. München 1907, S. 5.
Manfred Windfuhr: Jüdisches Selbstverständnis. Beim Wiederlesen von Feuchtwangers »Rabbi«-Dissertation. — In: HJb 32 (1993), S. 144–147, hier S. 144.
Wulf Koepke: Lion Feuchtwanger’s Discovery of Himself in Heinrich Heine. — In: The Jewish Reception of Heinrich Heine. Hrsg. von Mark H. Gelber. Tübingen 1992, S. 163–171, hier S. 164.
Den Heine-Wilde-Vergleich hat einige Monate vor dem Erscheinen von Feuchtwangers Beitrag bereits Raoul Auernheimer angestellt. Auch Auernheimer betont eine Kontinuität zwischen dem Schaffen Heines und Wildes: »Denn nichts vielleicht hat die Lebendigkeit Heinrich Heines in diesen letzten Jahren besser erwiesen, als der Erfolg von Oskar Wilde. Es war ein Erfolg der subjektiven Richtung, der geistreichen Individualität; somit war es auch ein Erfolg Heines.« Raoul Auernheimer: Heinrich Heine. — In: Neue Freie Presse (Wien), 25.12.1907. Zit. n. Goltschnigg/Steinecke Bd. 2, S. 196.
S. insbes. Otto Weininger: Geschlecht und Charakter. Eine prinzipielle Untersuchung. Wien, Leipzig 1903.
Gemeint sind vermutlich Henri Lichtenberger: Henri Heine penseur. Paris 1905 (Heinrich Heine als Denker. Dt. von Friedrich von Oppeln-Bronikowski. Dresden 1905) und Jules Legras: Henri Heine poète. Paris 1897.
Lion Feuchtwanger: Die Masken Heinrich Heines. Zur 70. Wiederkehr seines Todestags (1926). Vgl. Goltschnigg/Steinecke Bd. 2, S. 299 f.
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von Holtum, J. (2015). »Sein Leben lang ein zweibeiniger Leitartikel« Zur frühen Heine-Rezeption Lion Feuchtwangers. In: Brenner-Wilczek, S. (eds) Heine-Jahrbuch 2015. J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-01400-9_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-476-01400-9_7
Publisher Name: J.B. Metzler, Stuttgart
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