Zusammenfassung
Der Beitrag thematisiert das Spannungsverhältnis, das zwischen den Zielen der Unternehmen und Organisationen einerseits und den Zielen von Politik und Verwaltung als Adressaten von Public Affairs bestehen kann und beinahe regelmäßig vorzufinden sein wird. Das verfasste Modell der demokratischen Willensbildung in der repräsentativen Demokratie und der Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber der Verfassung und der Volksvertretung kontrastiert mitunter hart mit den Versuchen, die in Public Affairs auftretenden Partikularinteressen in die Handlungen und Entscheidungen von Politik und Verwaltung maßgeblich und ausschlaggebend zu implantieren. Politik und Verwaltung sind aber allgemeineren Zielen und dem Ausgleich der von ihren Handlungen berührten Interessen verpflichtet. Das gilt nicht nur für die Politik im Sinn von Regierungspolitik, sondern auch für die an der Politik beteiligten oder die Beteiligung an ihr anstrebenden politischen Parteien. Rechtliche Regulierungen von Public Affairs befassen sich mit diesem Spannungsverhältnis und versuchen, die möglichen Divergenzen zwischen Gemeinwohlorientierung und den mittels Public Affairs vertretenen Partikularinteressen einzuhegen.
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Notes
- 1.
Eine funktionale Sicht dessen, was zum „Staat“ gehört, hat daher in bestimmten Zusammenhängen die Parteien direkt neben den staatlichen Bereich gerückt, z. B. BVerfGE 136, 9, 39 f.; zu den Parteien allgemein Art. 21 GG; s. a. Badura 2018, D 20 und G 16.
- 2.
Über den Bundesrat wirken die Länder auch an der Verwaltung des Bundes mit; Art. 50 GG; Badura 2018, E 67–70.
- 3.
- 4.
Die Beschränkung auf die Adressaten Politik und Verwaltung bedeutet nicht, dass Public Affairs nicht auch in Richtung der Justiz denkbar wären. Allerdings verteidigt die Justiz ihren (verfassungs-)rechtlichen Status der Unabhängigkeit von den anderen Staatsinstitutionen und von den Verfahrensbeteiligten sowie ihre Bindung an Recht und Gesetz (Art. 97 Abs. 1 GG) nachdrücklich, sodass der Versuch, Partikularinteressen anders als durch die Verfahrensbeteiligten an sie heranzutragen, wenig erfolgversprechend erscheint. Public Affairs wären darauf angewiesen, die Beeinflussung der öffentlichen Meinung zu betreiben, um so mittelbar die Einstellung von Gerichten zu beeinflussen.
- 5.
- 6.
Die nicht von Art. 9 Abs. 1 GG umfasste Betätigung ist ggf. auf andere Grundrechte zu stützen; weitgehend gleichgestellt sind u. a. EU-Ausländer.
- 7.
Auch zu den weiteren Voraussetzungen einer geschützten Koalition (freie Bildung, Unabhängigkeit, Gegnerfreiheit).
- 8.
S. a. später zum presse- und medienrechtlichen Auskunftsrecht u. Informationsfreiheitsgesetz.
- 9.
Z. B. die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG); evtl. aber auch die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG).
- 10.
S. a. Nr. 8.4 der Verfahrensgrundsätze des BT zu Petitionen – werden bei Sammel- oder Massenpetitionen mehr als 50.000 Unterstützer erreicht, wird die Sache im Petitionsausschuss öffentlich behandelt, der Petent wird im Ausschuss gehört; speziell zur entsprechenden Einflussnahme durch Verbände Stettner 2000, Art. 17 Rdnr. 18 u. 48.
- 11.
Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) idF der Bek. v. (BGBl. I 94), zuletzt geändert durch G. v. 12.12.2019 (BGBl. I S. 2513) unterscheidet zwischen Umweltverträglichkeitsprüfung und Strategischer Umweltverträglichkeitsprüfung; „betroffene Öffentlichkeit“ sind nicht nur „Personen, deren Belange berührt werden“, sondern auch „Vereinigungen, deren satzungsmäßiger Aufgabenbereich berührt wird“ – § 3 Abs. 9 UVPG; dann § 18 Abs. 1 S. 2 und § 42 Abs. 3 S. 1 UVPG.
- 12.
Vgl. Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz – UKlaG) idF der Bek. v. 27.08.2002 (BGBl. I 3422, 4346), zuletzt geändert durch G. v. 17.07.2017 (BGBl. I 2446).
- 13.
Art. 11 EUV; Art. 24 AEUV; dazu Verordnung (EU) v. 16.02.2011 (ABl. L 65 v. 11.03.2011, S. 1); Gesetz zur Europäischen Bürgerinitiative v. 07.03.2012 (BGBl. I S. 446); eingehend Bauer, Art. 17 Rdnr. 13 f.
- 14.
Auf der Ebene der EU wird versucht, im Zusammenhang mit der Einrichtung eines Transparenzregisters einen von Akteuren der Public Affairs getragenen Verhaltenskodex mit Regeln für „Interessenvertreter“ aufzuerlegen (Europäisches Parlament (2011, Anhang 3) zum Transparenzregister; zum „legislativen Fußabdruck“ – Pflicht der Abgeordneten des Europ. Parlaments zur Veröffentlichung von Lobbyisten-Kontakten siehe Europäisches Parlament (2018)).
- 15.
Bei vertraulichen Informationen notwendige Beachtung von Geheimhaltungsvorschriften durch die Amtsträger; s. a. § 353b StGB, der Nicht-Amtsträger kann sich der Anstiftung oder Beihilfe schuldig machen.
- 16.
Informationsfreiheitsgesetz vom 05.09.2005 (BGBl. I S. 2722), zuletzt geändert durch G. v. 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626); in den Ländern (außer Bayern, Niedersachsen und Sachsen) gibt es Gesetze mit ähnlichem Inhalt.
- 17.
Daneben gibt es spezialgesetzliche Informationsansprüche, z. B. nach Umweltinformationsgesetz (UIG) i. d. F. d. Bek. v. 27.10.2014 (BGBl. I S. 1643), zul. geänd. d. G. v. 20.07.2017 (BGBl. I S. 2808) und Verbraucherinformationsgesetz (VIG) i. d. F. d. Bek. v. 17.10.2012 (BGBl. I S. 2166, 2725), geänd. d. G. v. 07.08.2013 (BGBl. I S. 3154).
- 18.
VO (EG) Nr. 1049/2001 v. 30.5.2001 ABl. EG L 145/43 v. 31.05.2001.
- 19.
BGH Urteil v. 10.02.2005 – III ZR 294/04; Urteil v. 16.03.2017 – I ZR 13/16.
- 20.
BVerwG Urt. v. 21.03.2019 – 7 C 26.17.
- 21.
Zur Frage, ob der Auskunftsanspruch nach § 9 a RStV auch Bloggern zusteht vgl. Bayer. Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 27.01.2017 – 7 CE 16.1994; zur verfassungsrechtlichen Einordnung von Blogs s. a. Dörr und Schwartmann 2019, Rdnr. 272.
- 22.
BVerwGE 146, 348; s. auch BVerwGE 154, 222.
- 23.
BVerfG Beschl. v. 27.07.2015 – 1 BvR 1452/13.
- 24.
Vgl. BT-Drs. 19/4572 u. 6054 und Anhörung dazu am 11.03.2019; Ablehnung der Gesetzesanträge Drs. 19/13600.
- 25.
Zu dahingehenden Bestrebungen vgl. aber die Meldungen über den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Unternehmenskriminalität bei Pohlmann & Company (2019).
- 26.
Betrug (§ 263 StGB), Urkundenfälschung (§ 267 StGB) und Mittelbare Falschbeurkundung (§ 271 StGB) dürften für Public Affairs im Allgemeinen ausscheiden.
- 27.
Im Fall, dass Vermögensnachteil zugefügt wird, um sich zu bereichern, sogar Erpressung (§ 253 StGB).
- 28.
Die Drohung kann z. B. gegen eine jur. Personen gerichtet sein, um den betr. Menschen zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen (Lackner und Kühl 2018, § 240 Rdnr. 4).
- 29.
Vgl. zur Abgrenzung zwischen erlaubter und strafbarer Annahme des Vorteils die Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/476, S. 7.
- 30.
BT-Drs. 18/476 S. 7 u. S. 9 f.; vgl. aber auch BR-Prot. 920.Sitzg. 14.03.2014, TOP 6 m. Anlage 6; die geltende Fassung lässt Lücken, dazu Fischer 2020, § 108e Rdnr. 7, 28 f., 33, 35, 39, 57 u. speziell zu Lobbybeziehungen Rdnr. 46; s.a. das Gesetz zur Bekämpfung internationaler Bestechung vom 10.09.1998 (BGBl. 1998 II S. 2327), geändert d. G. v. 20.11.2015 (BGBl. I S. 2025), dazu Fischer 2020, § 108e Rdnr. 13.
- 31.
Bloße Verstöße gegen die Anordnungen ohne Behinderung oder Störung könnten nach § 112 OWiG geahndet werden.
- 32.
Zu diesen rechnen auch die Straftatbestände der Wählernötigung, Wahltäuschung und Wählerbestechung (§§ 108–108b StGB), die konventionellen Public Affairs nicht zuzurechnen sind.
- 33.
Der Schutz der Unabhängigkeit des Abgeordneten wird vervollständigt durch die Indemnität, die Immunität und das Zeugnisverweigerungsrecht der Abgeordneten, Art. 46 u. 47 GG.
- 34.
§§ 44a–44 Abgeordnetengesetzes (AbgG) v. 18.02.1977 idF der Bekanntmachung v. 21.02.1996 (BGBl. I S. 326), zul. geänd. d. Ges. v. 05.01.2017 (BGBl. I S. 17); Einzelheiten bei Austermann und Schmahl 2016.
- 35.
V. 17.06.1953 idF der Bek. v. 27.07.1971 (BGBl. I S. 1166), zul. geänd. d. Ges. v. 17.07.2015 (BGBl. I S. 1322).
- 36.
Zur Praxis vgl. BT-Drs. 10/3202.
- 37.
V. 24.07.1974 (BGBl. I S. 1538), zuletzt geändert durch G. v. 17.07.2015 (BGBl. I S. 1322).
- 38.
Sie sind „politische Beamte“ nach § 54 BBG, die jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können.
- 39.
V. 05.02.2009 (BGBl. I S. 160), zul. geänd. durch G. v. 20.11.2019 (BGBl. I S. 1626).
- 40.
Dieses Regelungsziel wird flankiert durch Mitwirkungsverbote bei Besorgnis der Befangenheit gem. §§ 20, 21 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) v. 25.05.1976 idF der Bek. v. 23.01.2003 BGBl. I 102, zuletzt geändert durch G v. 20.11.2019 (BGBl. I 1626); Einzelheiten bei Kopp und Ramsauer 2019.
- 41.
Vgl. auch Bundesnebentätigkeitsverordnung idF d. Bek. v.12.11.1987 (BGBl. I S. 2376), zuletzt geändert d. G. v. 29.03.2017 (BGBl. I S. 626), wo nähere Einzelheiten geregelt sind.
- 42.
V. 08.12.2008 (BGBl. I S. 2366).
- 43.
In den Ländern gibt es ähnliche Regelungen, z. T. wird nur auf das Hausrecht zurückgegriffen.
- 44.
Die Parteien wirken auf dieser Grundlage auf die Staatsorgane ein, die aus Wahlen und Abstimmungen hervorgehen; sie haben aber nicht die Aufgabe, auf Verwaltung und Rechtsprechung im Übrigen einzuwirken (Jarass & Pieroth 2016, Art. 21 Rdnr. 11f.).
- 45.
Der für die Parteien wesentliche Grundsatz der Chancengleichheit wurde in der Rechtsprechung des BVerfG entwickelt (Badura 2018, D 20).
- 46.
Gesetz über die politischen Parteien (Parteiengesetz – PartG) v. 24.07.1967 idF v. 31.01.1994 (BGBl. I S. 149), zuletzt geändert d. G v. 10.07.2018 (BGBl. I S. 1116); es enthält die umfangreiche Beschreibung der alle Aspekte des öffentlichen Lebens erfassenden Aufgabe der Parteien (Einzelheiten bei Ipsen 2018).
- 47.
Siehe aber z. B. die Finanz- und Beitragsordnung (FBO) der CDU, die in §§ 5–8 das Spendenwesen in enger Anlehnung an die betr. Bestimmungen des PartG regelt; außer Betracht bleiben hier steuerrechtliche Befreiungsvorschriften etc. für Parteien nach Körperschaftsteuer- u. Schenkungssteuerrecht sowie die Abzugsfähigkeit von Parteispenden für die Spender.
- 48.
Auf EU-Ebene wird eine lebhafte Diskussion über das (freiwillige) Lobbyregister geführt, vgl. Europäische Kommission o. J.
- 49.
Vgl. Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zur „Einflussnahme auf die Politik der Bundesregierung“ u. a. durch „externe Mitarbeiter“, BT-Drs. 19/17164 v. 12.02.2020.
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Neupert, H. (2020). Rechtliche Rahmenbedingungen der Kommunikation gegenüber Politik und Verwaltung. In: Röttger, U., Donges, P., Zerfaß, A. (eds) Handbuch Public Affairs. Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23391-4_14-1
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