Zusammenfassung
Auf der Grundlage von zeitgenössischen Diskursen zeichnet der Beitrag nach, wie die binär gedachte Geschlechterordnung die Entwicklung des neuen Mediums Rundfunk in Deutschland vor dem 2. Weltkrieg geprägt hat. In den Blick genommen wird das Zusammenspiel von Programmstrukturen, Programmangebot und Hörer:innenforschung bei der Bestätigung und Neuformierung der jeweiligen Geschlechterordnungen. Diese waren gleichzeitig im Rundfunk wirksam, wurden von ihm bestätigt und neu hervorgebracht.
Gekürzte und überarbeitete Fassung von: Uta C. Schmidt und Monika Pater. 1997. „Adriennes Hochantenne“. Geschlechtsspezifische Aspekte medialer Durchsetzungsprozesse am Beispiel des Rundfunks. Feministische Studien 15(1): 21–33.
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Notes
- 1.
Das Hörspiel wurde vermutlich Ende der zwanziger Jahre ausgestrahlt. Denn das hier erwähnte Gerät besitzt einen Lautsprecher und vier Röhren, was 1926 auf der Rundfunkausstellung als Neuigkeit präsentiert worden war (Riedel 1994, S. 23). Außerdem wird im Text auf eine baldige Reichstagswahl angespielt; Wahlen fanden 1928, 1930 und 1932 statt (Kolb 1993, S. 84, 121, 137).
- 2.
Unterhaltungsangebote wie das hier betrachtete Hörspiel stellten einen Großteil des Programms dar. Allerdings sind nur wenige Tondokumente oder Sendemanuskripte dieser alltäglichen Angebote überliefert. Unter Einsatz von Geschlechtsmetaphern thematisieren mehrere frühe Beispiele die sozialen Funktionen und möglichen Gebrauchsweisen des Radios, z. B. SDR Historisches Archiv, Nr. 10995, Luftibus (1928); Deutsches Rundfunkarchiv Frankfurt, Nr. 84 U 2527/1, humoristischer Werbesketch (ca. 1929).
- 3.
Für eine ausführliche Beschreibung der Sendung sowie ihrer Einbindung in die nationalsozialistische Rundfunkpolitik und die Freizeitangebote der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ vgl. Horn 1984.
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Pater, M., Schmidt, U.C. (2023). Radiogeschichte: Vergeschlechtlichung des frühen Rundfunks in Deutschland. In: Dorer, J., Geiger, B., Hipfl, B., Ratković, V. (eds) Handbuch Medien und Geschlecht. Springer Reference Sozialwissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-20712-0_24-1
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