Zusammenfassung
Richard Rortys Version des Pragmatismus richtet sich gegen Platonismus und Metaphysik. Sie tut dies, indem sie zu erhellen sucht, welch ungeahnte Möglichkeiten sich den Menschen böten, so sie gewillt wären, den Weg zu beschreiten, der durch eine Zusammenführung von Pragmatismus, Humanismus und Romantik vorgezeichnet wird. Das Ziel der Rorty’schen radikalen Aufklärung ist die Schaffung einer „postmetaphysical culture“, die er auch als „poeticized culture“ bezeichnet. Sucht man diese Idee einer poetisierten Kultur in ihrer vielschichtigen Komplexität zu erfassen, wird der Einfluss der Romantik auf Rortys Denken sehr deutlich. Eine Klärung des Verhältnisses von Pragmatismus und Romantik ist von außerordentlicher Wichtigkeit für ein Verständnis der viel diskutierten Renaissance des Pragmatismus. Rorty hat dieses Verhältnis auf eine besonders anregende Art und Weise diskutiert und kreativ genutzt. Der Hauptteil dieses Beitrags sucht zum einen zu erhellen, warum die Romantik für Rortys Pragmatismus von so großer Bedeutung ist und welche Merkmale dieser Epoche er für seine Geschichte des Fortschritts zu akzentuieren versucht. Zum anderen soll erklärt werden, warum sein Begriff einer literarischen oder poetisierten Kultur direkt ins Zentrum seines pragmatistischen Denkens führt. In einem kurzen abschließenden Teil wird diskutiert, inwiefern Rortys romantischer Pragmatismus als Fortführung der Aufklärung verstanden werden sollte.
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Literatur
Brandom, Robert. 2000. Introduction. In Rorty and his critics, Hrsg. Robert Brandom, ix–xx. Malden: Blackwell.
Nietzsche, Friedrich. 1988. Die fröhliche Wissenschaft. Kritische Studienausgabe Band 3, Hrsg. Giorgio Colli und Mazzino Montinari. Berlin: de Gruyter.
Putnam, Hilary. 2004. Ethics without ontology. Cambridge, MA: Harvard UP.
Rorty, Richard. 1982. Consequences of pragmatism: Essays 1972–1980. Minneapolis: University of Minnesota Press.
Rorty, Richard. 1989. Contingency, irony, and solidarity. New York: Cambridge UP.
Rorty, Richard. 1993. Eine Kultur ohne Zentrum, übersetzt von Joachim Schulte. Stuttgart: Reclam.
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Rorty, Richard. 2004. Philosophy as a transitional genre. In Pragmatism, critique, judgment: Essays for Richard J. Bernstein, Hrsg. Seyla Benhabib und Nancy Fraser, 3–28. Cambridge, MA: MIT Press.
Rorty, Richard. 2007. Philosophy as cultural politics: Philosophical papers, Vol. 4. New York: Cambridge UP.
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Shelley, Percy B. 2002. Shelley’s poetry and prose, Hrsg. Donald H. Reiman und Neil Fraistat. New York: Norton.
Kommentierte Literatur
Goodman, Russell B. 1990. American philosophy and the romantic tradition. New York: Cambridge UP.
Auf provokative Weise stellte der amerikanische Philosoph Stanley Cavell in The Senses of Walden (1972) die Frage, warum sich Amerika niemals philosophisch ausgedrückt habe. Vielleicht, so Cavell, böte es sich an, die Klassiker der amerikanischen romantischen Literatur als Ausdruck eines profunden philosophischen Interesses zu lesen. Dies ist der Ausgangspunkt von Goodmans Studie. Er versucht eine Traditionslinie der Romantik zu verdeutlichen, die von Ralph Waldo Emerson und Henry David Thoreau zu William James und John Dewey reicht, d. h. er führt Romantik und Pragmatismus zusammen.
Isaiah Berlin. 1999. The roots of romanticism. Princeton, NJ: Princeton UP.
Für den Ideenhistoriker Isaiah Berlin war die Romantik von zentraler Bedeutung. In mehreren seiner Aufsätze nimmt Rorty auf dieses Buch Bezug. Berlin war fasziniert ob des radikalen Gestus der Selbsterschaffung der Romantiker und ihrer eine jedwede Stasis negierenden Ausrichtung auf die Zukunft. An einigen Stellen dieser Studie wird ersichtlich, dass Berlin noch deutlicher als Rorty gewillt ist, den anti-platonischen Gestus der Romantiker hervorzuheben. Mehr noch als Rorty scheint er mit anderen Worten der Ansicht zu sein, dass die Romantiker die Schaffung einer genuin post-metaphysischen Kultur vorbereiteten.
Ulf Schulenberg. 2015. Romanticism and pragmatism: Richard Rorty and the idea of a poeticized culture. Basingstoke/New York: Palgrave Macmillan.
Diese interdisziplinäre. Studie verortet sich in einem Feld zwischen Philosophie, „Intellectual History“ und Literaturwissenschaft. Sie bietet die erste ausführliche Diskussion von Rortys zentraler Idee einer poetisierten bzw. post-metaphysischen Kultur. Weitergehend versucht sie zu erhellen, inwiefern der amerikanische Pragmatismus als eine zeitgemäße Form des Humanismus verstanden werden sollte und welche Rolle die Romantik hierbei spielt. Auch die Frage des Verhältnisses von Pragmatismus und „race“ sowie die Idee einer pragmatistischen literarischen Ethik werden in diesem Zusammenhang diskutiert.
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Schulenberg, U. (2022). Romantik und die Idee einer poetisierten Kultur. In: Müller, M. (eds) Handbuch Richard Rorty. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16260-3_46-1
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