Das Schlagwort „lebenslanges Lernen“ ist inzwischen kein Aufruf mehr, der Begeisterung weckt. Im Gegenteil: Viele Mitarbeiter in der Pflege sind so eingezwängt in den rigiden Strukturen ihres Arbeitsalltags, dass sie kaum noch Zeit und Ruhe für die notwendige Weiterbildung finden. Mit einem guten Mix aus unterschiedlichen Lernsystemen, dem Blended Learning, kann die Motivation für die Weiterbildung jedoch erheblich gestärkt werden.

Über kaum einen Beruf wird zurzeit so viel gesprochen wie über den Pflegeberuf. Allerdings geht es dabei vor allem um fehlendes Personal, Gesundheitsprobleme, mangelnde Anerkennung und fehlende Aufstiegschancen. Mehr noch: Durch die Reform der Pflegeausbildung droht der Berufsstand Altenpflege in einen Pflegeberuf „zweiter Klasse“ abzurutschen. Dabei sind alle Mitarbeiter in der Pflege mehr denn je dazu verpflichtet, sich medizinisch, pflegefachlich und persönlich weiterzuentwickeln, denn sie tragen in erheblichem Maße zur Qualität des Gesundheitssystems bei. Umso wichtiger ist es, dass die Arbeitgeber für eine nachhaltige und zukunftsfeste fachliche Qualifizierung ihrer Mitarbeiter in der Pflege zu sorgen. Denn kompetente Pflegende, die wissen, was sie tun, sind der Garant für eine fachlich starke Pflege. Und diese Forderung fällt durchaus auf fruchtbaren Boden. Denn viele Pflegekräfte streben nach Eigenverantwortung, Wertschätzung und besseren Arbeitsbedingungen. Dies war u.a. auch das Ergebnis einer Umfrage von Elisabeth Scharfenberg aus dem Jahr 2016, an der über 4.400 Pflegekräfte teilnahmen. Hier wurde deutlich, dass Pflegekräfte schon berufsbedingt eine starke Motivation fürs Lernen aufweisen. Sie wollen Ziele erreichen. Es geht ihnen weniger um den Leistungsvergleich mit anderen, als vielmehr darum, Kompetenzen für ihre Arbeit zu erweitern, sich fachlich und persönlich weiterzuentwickeln. Diese Haltung entspricht zugleich den wichtigen Lernkriterien: Aneignung neuer Informationen, Dauerhafte Veränderung des Verhaltens durch Übung, Erfahrung und/oder Beobachtungen, Leben ist Lernen — fast nichts ist angeboren oder ohne Übung durchführbar (Abb. 1).

Abb. 1
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Viele verschiedene Faktoren beeinflussen das Lernen.

Berufliche Bildung gehört zum lebenslangen Lernen und umfasst demzufolge „alles formale, nicht-formale und informelle Lernen an verschiedenen Lernorten von der frühen Kindheit bis einschließlich der Phase des Ruhestands. Dabei wird „Lernen“ verstanden als konstruktives Verarbeiten von Informationen und Erfahrungen zu Kenntnissen, Einsichten und Kompetenzen“, formulierte die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung 2004. Lernen ist also ein Kontinuum, in dem Lernende agieren, statt nur zu reagieren. Sie konstruieren ihr Wissen immer wieder neu, wobei ihnen ihre Erfahrungen und ihr Wissen als Grundlage bzw. Anknüpfungspunkt dienen. Vorgesetzte, aber auch Lehrende stehen ihnen beratend und unterstützend zur Seite.

Lernen im Erwachsenenalter

Im Erwachsenenalter ist das Lernen allerdings einigen Restriktionen unterworfen:

  • Es muss neben der Erwerbstätigkeit gelernt werden.

  • Die Zeit fürs Lernen ist beschränkt.

  • Erwachsene sind sowohl oft Lernende als auch Lehrende (z.B. Praxisanleiter)

  • Lernen ermöglicht Selbstbewusstsein (Fähigkeiten erwerben)

  • Lernen geschieht auf einer bereits erworbenen Wissensbasis und etablierter Lerntechniken

  • Lerninhalte müssen für die Berufstätigkeit geeignet sein (Kompetenzerwerb)

Diese Einschränkungen gelten umso mehr für Mitarbeiter in der Pflege. Sie sind ohnehin einem engen Zeitplan unterworfen. Niemand schreibt sich mehr für einen Abendkurs ein, wenn er schon die ganze Woche gearbeitet hat. Kein Stationsleiter wird gleich zwei oder mehrere Kräfte zu einer Fortbildung schicken, wenn die Personalsituation angespannt ist.

Die Frage der Motivation

Die Arbeit in der Pflege verlangt ständige Fortbildung. Die Rahmenbedingungen wie Zeit, Arbeitsbelastung und körperlich-geistige Anforderungen stehen dem scheinbar diametral entgegen. Vorgesetzte können Mitarbeiter nicht motivieren, schreibt der Managementberater Reinhard K. Sprenger in seinem Buch „Mythos Motivation“. Um diesen Ausspruch richtig einzuordnen, muss die Motivation allerdings detailliert betrachtet werden: Sie ist intrinsisch, also von innen getrieben (durch Interesse, Freude, Bedürfnis) und extrinsisch, von außen anerkannt (durch Lob, Belohnung, Wertschätzung). Vorgesetzte können also zweierlei tun, um die Motivation ihrer Mitarbeiter zu fördern. Sie können der intrinsischen Motivation die richtige Umgebung geben. Pflegekräfte lassen sich durchaus motivieren, z.B. durch sinnvolle Arbeit, gute kollegiale Zusammenarbeit und eigenverantwortlichem Arbeiten. Vorgesetzte können aber auch extrinsisch motivieren, indem sie Wissenserwerb wertschätzen. Das muss nicht immer die Beförderung sein, die am Ende einer Weiterbildungsmaßnahme winkt. Das kann auch die gezielte Ansprache sein, wenn ein Mitarbeiter aus der Weiterbildung kommt: „Erzählen Sie Ihren Kollegen, was Sie gelernt haben.“ Nichts ist schlimmer für einen Mitarbeiter, als wenn soeben Gelerntes gar nicht gefragt wird. Schlimmer noch: „Erzähl uns bloß nicht, was wir verändern können — wir kommen ja ohnehin nur noch so gerade eben zurecht.“

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Der Arbeitgeber muss den Zugang zur Technik auch gewährleisten - nur dann kann Blended Learning angenommen werden und funktionen.

© Monkey Business/stock.adobe.com (Symbolbild mit Fotomodell)

Gerade für jüngere Arbeitnehmer ist der Faktor Weiterbildung ein wichtiges Kriterium bei der Wahl ihres Arbeitgebers. Untersuchungen wie die Studie der Deutschen Universität für Weiterbildung (DUW) aus dem Jahr 2012 belegen, dass sich vor allem jüngere Arbeitnehmer bis ca. zum 35. Lebensjahr durch Weiterbildungsmaßnahmen stark motivieren lassen. Mehr noch: Für 60% der jungen und gut ausgebildeten Fachkräfte ist der Studie zufolge der Faktor Weiterbildung ausschlaggebend bei der Wahl ihres Arbeitgebers. Unternehmen, die sich im Kampf um begehrte Fachkräfte durchsetzen wollen, tun also gut daran, Weiterbildungsmaßnahmen für Mitarbeiter anzubieten und auch nach Kräften zu unterstützen.

Die Motivation steigern

Die intrinsische Motivation lässt sich mit interessanten Lerninhalten verstärken. Mit einem gezielten Einsatz von Materialien und Medien, geplanten Lernaktivitäten und einer Lernumgebung, die den individuellen Bedürfnissen angepasst ist.

Die extrinsische Motivation lässt Erfolg wahrnehmbar werden. Frisch Erlerntes darf angewendet werden und Kollegen und Vorgesetzte geben Feedback. Für Vorgesetzte heißt das: Sie müssen dem Lernen in ihrer Einrichtung einen festen Rahmen geben: mit stabilen Zeitplänen, gut strukturierten Lernprozessen und Erfolgserlebnissen. Sie müssen dafür sorgen, dass alle Sinne angesprochen werden. Lernen heißt Hören, Sehen, Tun und Diskutieren. Es ist keine Tätigkeit, die lediglich in der stillen Kammer geschieht. Lernen wird dann effektiv, wenn es im Austausch mit anderen geschieht.

Berufliche Weiterqualifizierungen in der Pflege müssen also anders gedacht werden: mal als Präsenzveranstaltung, mal als Online-Tutorial, Webinar etc. Dieser Mix ist möglich, denn inzwischen gibt es eine Vielzahl von mobilen, zeitunabhängigen Lernmöglichkeiten, die zwischen Online und Offline hin- und herwechseln. Diese Blended Learning-Methoden eignen sich insbesondere für die Pflege. Sie kommen auch den unterschiedlichen Lerntypen entgegen, die sich bei den Mitarbeitern aus der Pflege ebenso finden wie in anderen Berufsgruppen (Abb. 2).

Abb. 2
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Einteilung der Lerntypen nach Hüholdt

© Sören Hammermüller

Grundlage ist Blended Learning

Als Blended Learning wird eine Kombination aus online- und offline-Lernen bezeichnet. Die Lernelemente sind dabei Autoren-Systeme, virtuelle Klassenräume oder Lernmanagementsysteme (LMS). Die beteiligten Personen sind Lernende, Veranstalter (etwa das Klinikum), die Administratoren (die die Technik beherrschen), die Autoren (die die Inhalte zur Verfügung stellen), die Kursleitung und natürlich die Vorgesetzten, die diese Form des Lernens ermöglichen, nachhaltig implementieren und immer für die Evaluation sorgen.

Einfache Autorensysteme (z.B. Lernvideos, Quiz oder Präsentationen) bzw. komplexe (z.B. Web Based Trainings — WBTs, Präsenzräume, Webinare, Lernplattformen — LMS (Learing-Management-Systeme)) bilden sozusagen den Werkzeugkasten, aus dem sich die einzelnen Instrumente entnehmen lassen. Ob einfach oder komplex — jedes System des Blended Learning sollte aus mehreren Elementen bestehen:

  • Aufgaben/Lerninhalte

  • Kontrolle des Lernfortschritts

  • Feedback für Lernende (und Vorgesetzte)

  • Automatisiertes Kursmanagement, Einladungen, Erinnerungen

  • Dashboard (Steuerpult, Kommandozentrale) für Lernende

  • Zertifizierung

  • Social and Mobile Learning

  • Gamification, Game Based Learning

Social and Mobile Learning

Die digitale Unterstützung des Lernens ist eher eine andere Darreichungsform als wirklich neu. Gelernt wurde auch früher nicht nur daheim am Schreibtisch: Auch ein Fachbuch ließ sich auf die Reise mitnehmen oder draußen auf der Terrasse studieren. Bereits die altbekannten Arbeitsgruppen waren nichts anderes als Social Learning: Es ging und geht um Kommunikation miteinander, den fachlichen und persönlichen Austausch, um Kooperation. Doch das Internet überträgt Altbekanntes in den virtuellen Raum des Internet: Mobile und Social Learning finden nicht mehr (nur) in der realen Begegnung statt, sondern auf Plattformen im Internet (z.B. als virtueller Klassenraum), die einer definierten Zielgruppe für einen bestimmten Content zur Verfügung steht. Die Lernenden treffen sich nicht nur (wie früher), sondern erstellen in der virtuellen Umgebung auch gemeinsam ihre eigenen Unterlagen (User Generated Content), fügen sie in Wikis ein, bloggen und bewerten sie. Social Learning bezeichnet nichts anderes als das gemeinsame Lernen der Teilnehmer. Ob das nun virtuell geschieht oder real in einer Arbeitsgruppe. Social Media dagegen ist immer virtuell. Elemente wie Blogs, Vlogs etc. verlangen zwingend eine gewisse Erfahrung im Umgang mit diesen Elementen des Social Media. Das muss zunächst gelernt werden, soll der Lerneffekt nicht etwa durch überbordende Kommentare und Re-Kommentare sozusagen in seine Bestandteile zerlegt werden.

Eine Spielart: Gamification/Game Based Learning

Beim Game Based Learning werden Elemente des Spielens mit Lerninhalten verbunden. Die Spieler finden sich in einer virtuellen Umgebung zusammen und lösen gemeinsam Aufgaben. Das ist mehr als Spielspaß. Es geht nicht nur um das Lernen neuer Inhalte, sondern um die Erfahrung von Kooperation und Kommunikation, um Wissen zu erlangen und miteinander zu teilen. Die spielerische Komponente beinhaltet dabei den „Gewinn“ in Form von Punkten, Levels etc. Wissen wird hier also in spielerischer Form vermittelt, z.B. über Videoinhalte oder Virtual Reality. Noch, so sagen Fachleute wie der Lernforscher Daniel Schwartz von der Stanford University, werden allerdings die wahren Qualitäten des Spielens verkannt, nämlich dass Spielen ein fesselndes Erlebnis sein muss und dass auch spielerische Erfahrungen gute Lehrmeister sind.

Blended Learning in der Praxis

Auch Blended Learning ist kein Selbstläufer. Es reicht nicht aus, wenn Sie Ihren Mitarbeiter einfach den Zugang zum Lernmanagementsystem freischalten und dann darauf vertrauen, dass sie sich nach eigenem Ermessen fortbilden und evtl. sogar am Schluss Zertifikate erwerben.

Blended Learning ist erst dann wirklich blended, wenn Sie auch die Offline-Aktivitäten strukturieren. Die Online-Elemente sollten zu Beginn maximal 30 – 40% des gesamten Konzeptes darstellen. Der Rest ist offline, sprich: findet im direkten Austausch der Lernenden untereinander statt. Die Mitarbeiter brauchen hierfür alle Möglichkeiten des Social Learning. Dazu gehören auch die guten alten Lernpartnerschaften. Lernende brauchen den strukturierten Austausch miteinander, wenn sie wirklich vom Content profitieren sollen. Je besser sich Lernende miteinander austauschen, umso nachhaltiger ist der Lernerfolg.

Mehr noch: Führungskräfte haben ihren ganz eigenen Part im Blended Learning. Natürlich müssen sie die Ressourcen ermöglichen, das Budget herauslösen und Strukturen schaffen. Sie müssen aber auch aktiv kontrollieren, wer was wie lernt. Dazu gehört, dass die Inhalte zielgruppenspezifisch aufbereitet werden. Die Stationsleitung wird anders lernen als der junge Auszubildende. Die Wohnbereichsleitung hat einen anderen Zugang und Bedarf als ihre Pflegedienstleitung.

User Generated Learning

Erfolgreiche Blended Learning Konzepte werden zwar von Experten erstellt, denn diese kennen die Do‘s und Dont‘s, um die es geht. Dennoch bestimmen die Lernenden selbst, was sie lernen wollen und wie sie das am besten umsetzen können. Erst wenn die Führungskraft auch dem Feedback der Lernenden den nötigen Raum verschafft — und dies Feedback auch bei den Inhalten und Lernformen umsetzt — sind Sie auf der richtigen Spur. Zu sog. Learners journey gehört es, dass der Lernende seinen Weg selbst wählt, sich seine Elemente des Lernens selbst zusammenstellt. Erst so wird Blended Learning ein Erfolg.

Wenn Sie den Lernenden als den bestimmenden Faktor bei der betrieblichen Weiterbildung ansehen, können Sie Inhalte in ein Konzept gießen, das den unternehmensspezifischen Ansprüchen genügt. Sie gründen sozusagen — unter aktiver Mithilfe der Lernenden — eine Akademie in Ihrem Unternehmen. Eine Akademie, die es so nirgendwo anders gibt. Die Inhalte können von außen kommen, aber sie werden in dieser Akademie zielgruppenspezifisch aufgearbeitet (kuratiert) und erst so für Ihre Mitarbeiter wirklich verwertbar.

Die Rolle der Führungskräfte

Bei der Einführung von Blended Learning-Konzepten gilt es vor allem auch, die Rolle der Führungskräfte nachhaltig zu beleuchten. Sicherlich ist allein schon die Möglichkeit, sich auf hohem und modernem Niveau weiterbilden zu können, ein Anreiz für die Mitarbeiter. Dieser Anreiz verliert aber an Kraft und Nachhaltigkeit, wenn das System lediglich als Selbstzweck dient, wenn also aus Gelerntem nicht auch praktische Konsequenzen entstehen.

Die Aufgabe der Führungskräfte besteht nicht nur in der richtigen Auswahl des Lernmanagementsystems, sondern auch darin, dieses System gemeinsam mit den Mitarbeitern weiterzuentwickeln, die Erfolge zu kontrollieren und in der realen Welt wertzuschätzen: mit neuen Aufgaben, einer Implementierung der Wissensinhalte in die tägliche Arbeit und auch mit einer Öffentlichkeitsarbeit, die deutlich macht, wie viel Engagement die Mitarbeiter in den Erwerb von zusätzlichen Kompetenzen stecken.

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Zudem müssen Führungskräfte eines beherzigen: So viel Freiraum ein Blended Learning-Konzept auch gibt, müssen die Mitarbeiter dennoch ein gewisses Kontingent der Arbeitszeit dafür verbrauchen dürfen. Betriebliche Fortbildung ist keine Freizeitveranstaltung und sollte auch nicht als solche angesehen werden.

Die sieben Schritte des Blended Learning

  1. 1.

    Legen Sie die Ziele Ihrer Blended Learning-Strategie fest

  2. 2.

    Formulieren Sie ein grobes Konzept für Ihre Blended Learning-Strategie

  3. 3.

    Gestalten Sie das Blended Learning-Szenario

  4. 4.

    Integrieren Sie Gruppen- und Kollaborationsaufgaben

  5. 5.

    Entwickeln Sie Kommunikations- und Feedback-Guidelines

  6. 6.

    Stellen Sie digitale Lernbausteine als Unterstützung bereit

  7. 7.

    Überprüfen Sie den Lernfortschritt