Die zunehmende Digitalisierung von bisher analogen Abläufen, Informationen und deren Zusammenhängen ist in aller Munde. Häufig wird diese Entwicklung vor allem bezüglich ihrer technischen Machbarkeit diskutiert.

Um das technische Potenzial der Digitalisierung sinnvoll zu nutzen, spielt die Expertise der Arbeitswissenschaft und Ergonomie eine zentrale Rolle. Darüber hinaus werden neue Untersuchungswerkzeuge und vor allen Dingen revolutionäre Interaktionskonzepte zwischen Mensch und Maschine ermöglicht. Wir nehmen bereits jetzt täglich die Veränderungen in der Interaktion mit technischen Produkten wahr.

Wenn sich dadurch auch die Rahmenbedingungen der Arbeit, insbesondere der Erwerbsarbeit ändern, dann ist die Arbeitswissenschaft gefragt. Denn es gilt einerseits die Zukunft durch arbeitswissenschaftlich gestaltete Produkte, seien es Waren oder Dienstleistungen, mitzugestalten und andererseits die Veränderungen durch die Digitalisierung zu begleiten und Konzepte der menschengerechten Gestaltung von Arbeit zu erarbeiten und in der Umsetzung dieser Konzepte mitzuwirken.

Der Begriff der Digitalisierung wird derzeit vor allem in zwei Interpretationen verwendet:

Er bezeichnet sowohl die Überführung von Informationen von einer analogen in eine digitale Speicherung und den Prozess, der durch die Einführung digitaler Technologien bzw. der darauf aufbauenden Anwendungssysteme hervorgerufenen Veränderungen.

Die Umwandlung von analogen Daten (Text, Bild, Ton) in digitale (diskrete/abgestufte) Daten kann dabei als die Digitalisierung im engeren Sinne gesehen werden. Analog gespeicherte Bilder werden in eine Matrix zerlegt, mit jedem Bildpunkt erfasst und dann in einem Format wie z. B. JPEG gespeichert. Töne werden digitalisiert, indem Schallwellen in festgesetzten Abständen in digitaler Form erfasst („abgetastet“) und in einer Datei z. B. im Format MP3 abgespeichert werden. Liegen die Daten in digitaler Form vor, dann können diese über unterschiedliche Medien transportiert sowie auf unterschiedlichen Endgeräten präsentiert werden. Analoge Inhalte sind an ihr Medium gekoppelt, digitale Inhalte nicht mehr. Zunehmend entstehen auch immer umfangreichere Datenbestände zu den Eigenschaften des Menschen in der digitalen Menschmodellierung aber auch individuellen Verhaltensweisen.

Aus dieser Technologie des Digitalisierens sind Produkte entstanden, die die lebens- und Arbeitswelt nachhaltig verändert haben und auch in Zukunft verändern werden. Folglich lässt sich die Digitalisierung im Sinne der zweiten Interpretation auch auf der Ebene eines Individuums, einer Organisation oder einer Gesellschaft betrachten.

Auf individueller Ebene führt die verstärkte Nutzung von Anwendungssystemen zu einer Veränderung von Arbeits- und Handlungsweisen. Arbeit ist nun nicht mehr an Ort und die Zeit gebunden. Früher betrafen diese Veränderungen primär den beruflichen Kontext, heute ist zunehmend auch der private Kontext tangiert.

Organisationen haben in den letzten Jahrzehnten viele Ressourcen in die Nutzung von Informationstechnologien investiert. Lag zunächst der Fokus auf Effizienzsteigerung im administrativen Bereich, so liegt er heute auf der Vernetzung von Unternehmen untereinander sowie mit Kunden und Lieferanten. Damit hat das digital gestützte Informationsmanagement in Unternehmen an Bedeutung zugenommen.

Auf gesellschaftlicher Ebene führt die Digitalisierung zu strukturellen Veränderungen. Neue Dienstleistungen entstehen, traditionelle Bildungssysteme werden überdacht und durch die permanente Vernetzung der Menschen entsteht eine hohe Dynamik in Informations- und Interaktionsprozessen.

In dieser Ausgabe der Zeitschrift für Arbeitswissenschaft wird aus arbeitswissenschaftlicher Sicht die Veränderung der Arbeit durch die Digitalisierung beleuchtet. Es werden die veränderten Anforderungen bei der Arbeitsplatzgestaltung im Zuge der zunehmenden Überwachungstätigkeiten betrachtet. Die Interaktion des Menschen mit der Technik ändert sich, was im Leitfaden für Planer und Entwickler von mobilen Produktionsassistenzsystemen deutlich wird. Gebrauchstaugliche Systeme sind gerade in der digitalen Welt nicht selbstverständlich, sodass die bisherigen Gestaltungsregeln weiterentwickelt werden müssen.

Für die arbeitswissenschaftliche Analyse und Gestaltung ergeben sich durch die Digitalisierung Chancen, mittels der markerlosen Erfassung von Körperhaltungen eine neue Qualität der Analyse zu erreichen und mittels digitaler Menschmodelle Last- und Kraftausübungsfälle besser bewerten zu können.

Aus dem ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft zeigt ein Statusbericht, welchen Stand die Umsetzung von Industrie 4.0 in der deutschen Metall- und Elektroindustrie erreicht hat und wie die Zukunftsentwicklungen gesehen werden. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) stellt ihre Forschungsaktivitäten zur Arbeit in der digitalen Welt vor.

Es zeigt sich, dass die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung ein sehr großes Innovationspotenzial bieten, das aber im Sinne des Menschen vor allem dann wirksam werden wird, wenn bisherige arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse Anwendung finden und diese auch konsequent weiterentwickelt werden.