Einleitung

Das Thema der Jahrestagung der Gesellschaft für Didaktik der Physik und Chemie 2013Footnote 1 kreiste um die Frage: Fächerübergreifender Unterricht vs. Fachunterricht. Da liegt es nahe, den Blick auf den Übergang von der Primarstufe zur Sekundarstufe zu richten. Während in der Grundschule ein in den Sachunterricht integrierter naturwissenschaftlicher Unterricht – in allen 16 Bundesländern – etabliert ist, sind im Sekundarbereich je nach Bundesland, Fach und Schulform unterschiedliche Formen naturwissenschaftlichen Unterrichts vorhanden: Vom Fachunterricht in den einzelnen Disziplinen bis hin zu einem integrierten naturwissenschaftlichen Fach.

Aus den neuesten Ergebnissen internationaler Schulleistungsstudien (Kleickmann et al. 2012; Wittwer et al. 2008) geht hervor, dass Deutschland bzgl. der kognitiven Leistungen der Viertklässler im Primarbereich international relativ gut abschneidet, während die Position der Neuntklässler der Sekundarstufe in Physik und Chemie Anlass zu vielen Diskussionen gibt. Während deutsche Grundschulkinder positiv gegenüber dem Schulfach Sachunterricht einge‑stellt sind und naturwissenschaftlichen Inhalten im Sachun‑terricht aufgeschlossen gegenüberstehen, ist das im Laufe des Sekundarschulbesuchs zurückgehende Interesse älterer Schüler/innen an Naturwissenschaften und dabei insbesondere an Physik gut dokumentiert (Hoffmann et al. 1998; Kleickmann et al. 2012; Krapp 1998; Prenzel et al. 2003; Wittwer et al. 2008). Es drängt sich daher die Frage auf, ob die unterschiedlichen organisatorischen und inhaltlichen Bedingungen der Schulformen für die bekannten Probleme des naturwissenschaftlichen Unterrichts in der weiterführenden Schule zumindest mitverantwortlich sind. Alternativ könnte aber das zurückgehende Interesse z. B. auch auf das zunehmende Alter der Schüler/innen, auf Peer Group-Einflüsse, auf eine generelle Interessensausdifferenzierung oder auch auf Effekte durch Veränderung der Referenzgruppe nach dem Schulstufenübergang zurückgeführt werden.

Der Frage nach der Bedeutung des Schulstufenübergangs für die Interessensentwicklung wird anhand von vorliegenden Ergebnissen aus dem sog. PLUSFootnote 2- Projekt nachgegangen. In einer Querschnitt- und Längsschnittstudie wurde untersucht, wie sich verschiedene Einflussfaktoren auf Unterrichtsqualität und Outcomes in der Phase des Schulstufenübergangs vom 4. bis zum 7. Schuljahr des Gymnasiums und der Hauptschule verändern und welche Unterschiede zwischen dem 4. und 6. Schuljahr bestehen. Hierbei wurden sowohl professionelle Merkmale von Lehrkräften wie auch der Unterricht, die Wahrnehmung des Unterrichts durch die Lernenden und die Ergebnisse des Unterrichts auf Seiten der Lernenden in den Blick genommen. Im vorliegenden Beitrag werden Teilstudien mit ihren Ergebnissen aus dem PLUS-Projekt zusammengeführt und diskutiert, die zur Beantwortung der oben genannten Frage beitragen können.

Was ist anders in den Schulstufen? – Eine Analyse der Lehrplan-Rahmenbedingungen

Der naturwissenschaftliche Bereich des Sachunterrichts konnte in den letzten 13 Jahren zumindest bzgl. der Lehrplanvorgaben der Grundschule fest etabliert werden. Dazu hat auch der Perspektivrahmen der Gesellschaft für Didaktik des Sachunterrichts beigetragen (GDSU 2013). In Ermangelung von Standards für den Sachunterricht legten Fachvertreter der Didaktik des Sachunterrichts Empfehlungen für die im Sachunterricht zu erwerbenden Kompetenzen in fünf Perspektiven vor, von denen eine die naturwissenschaftliche Perspektive ist (neben der historischen, geografischen, sozialwissenschaftlichen und technischen Perspektive). Naturwissenschaftsbezogener Sachunterricht soll – nach diesen Empfehlungen – i.S. einer scientific literacy prozessbezogene und inhaltbezogene Kompetenzen vermitteln sowie zur Förderung des Interesses an Naturwissenschaften beitragen. Das forschend-entdeckende Lernen, international auch unter dem Begriff scientific inquiry diskutiert, wird als zentrale Lernmethode genannt.

In den meisten Lehrplänen der 16 Bundesländer spiegelt sich inzwischen die Empfehlung für eine Berücksichtigung der naturwissenschaftsbezogenen Perspektive wider. Nach einer Lehrplansynopse von Efler-Mikat (2009) kommen die in der Tabelle aufgelisteten naturwissenschaftlichen Bereiche in der überwiegenden Zahl der Bundesländer vor (vgl. Tab. 1). Sowohl lebensweltliche, fächerübergreifende Bereiche (z. B. Wetter, Abfall) als auch fachbezogene Bereiche (z. B. Elektrizität, Stoffe und ihre Eigenschaften) sind vertreten. Viele der konkreten Themen ähneln sich in den meisten Bundesländern (vgl. Tab. 1).

Tab. 1 Zahl der Bundesländer (BL), in denen die genannten Bereiche bzw. Themen mit naturwissenschaftlichem Bezug im Lehrplan Sachunterricht vorkommen (Datengrundlage: Efler-Mikat 2009)

Während die Lehrpläne für den Sachunterricht relativ homogen sind, ist das Bild der Lehrpläne im Sekundarbereich vielschichtigerFootnote 3. In den Schuljahren 5 und 6 überwiegen integrierte Fächer bzw. Fächerverbünde; Einzelfachstrukturen sind dagegen nur in drei Bundesländern zu finden. In den Schuljahren 7 und 8, insbesondere im Gymnasium, dominieren dagegen einzelfachliche Strukturen (vgl. Tab. 2). Die Differenzierung in Einzelfächer setzt in der überwiegenden Mehrzahl der Bundesländer also erst mit dem 7. Schuljahr ein. Ein Blick auf die in den Lehrplänen vertretenen Themen zeigt zudem, dass die für das 5. und 6. Schuljahr genannten Themen eine sehr hohe Ähnlichkeit mit den in den Grundschul-Lehrplänen vertretenen Themen haben, wie z. B. die Lehrpläne BW (Gym), BY (HS) und RP (HS) zeigen (BW: „Themenkreis Wasser“, „Themenkreis Magnetismus und Elektrizität“, „Themenkreis Luft und Feuer“; BY: „Lebensgrundlage Wasser“, „Lebensraum Wasser“, „Wahrnehmung von Licht und Schall“; RP: „Experimente mit dem elektrischen Strom“, „Experimente mit Dauermagneten“, „Experimente aus der Wärmelehre“, „Experimente zu Körpern und Stoffen“, „Experimente mit Wasser“, „Experimente mit Luft“). Insgesamt scheinen daher die Rahmenbedingungen für einen „weichen“ Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule im naturwissenschaftlichen Bereich durchaus günstig; zumindest lassen die Rahmenbedingungen nicht auf einen abrupten Bruch bzgl. des naturwissenschaftlichen Unterrichts im Übergang vom Primar- zum Sekundarbereich schließen.

Tab. 2 Lehrplangliederungen für die Schuljahre 5/6 und 7/8 (Schrägstriche bedeuten additive Fächerverbünde, durch Komma getrennte Auflistungen zeigen getrennte Lehrpläne an)

Der Übergang von der Primar- zur Sekundarstufe – Das PLUS-Projekt

Lehrpläne stellen sicherlich eine wichtige Rahmenbedingung für Unterricht dar. Wie aber sieht es in der Unterrichtspraxis aus? Deutsche und internationale Studien zeigen für die Grundschule, dass hands-on-Unterricht verbreitet ist, ein fragend-entwickelnder Unterricht eher selten vorkommt und die Kinder zum eigenen Forschen und Entdecken ermutigt werden (z. B. Gais und Möller 2006; Logan und Skamp 2008). Bzgl. des Sekundarbereichs liegt Evidenz dafür vor, dass der Unterricht häufig lehrerorientiert ist, dass wenig Raum für individuelle Lernwege vorhanden ist, dass Klassengespräche überwiegen und dass Experimente häufig in Form von Demonstrationsexperimenten durchgeführt werden (z. B. Reyer et al. 2004; Seidel et al. 2007). Auf Seiten der Lehrkräfte gibt es einige Hinweise darauf, dass Grundschul-Lehrkräfte eher Generalisten mit einem begrenzten Fachwissen und sehr schülerorientierten Einstellungen sind, während Sekundarschul-Lehrkräfte ein höheres Fachwissen und eine ausgeprägtere Fachorientierung aufweisen (Gess-Newsome 1999; Harlen 1992). Schulstufenvergleichende Untersuchungen fehlen aber bisher in Deutschland. Zur Entwicklung von naturwissenschaftsbezogenen Interessen und Einstellungen in der Phase des Schulstufenübergangs liegen nur wenige internationale Untersuchungen vor (z. B. Logan und Skamp 2008; Speering und Rennie 1996).Footnote 4

Das sog. PLUS-Projekt versucht, diese Forschungslücke zu schließen. Orientiert am Angebots-Nutzungs-Modell von Helmke (2010) und Lipowsky (2006) wurden das professionelle Wissen von Lehrkräften sowie ihre motivationalen Orientierungen, Merkmale des Unterrichts, die individuelle Wahrnehmung des Angebotes durch die Lernenden sowie die Wirkung auf kognitive, motivationale und selbstbezogene Zielkriterien in 60 nordrhein-westfälischen Grundschulklassen (4. Schuljahr) sowie 54 Sekundarschulklassen (6. Schuljahr) zunächst vergleichend in einer Querschnittstudie (QS) untersucht. In einer anschließenden Längsschnittstudie (LS) wurden zudem die Entwicklung der individuellen Wahrnehmung des physikbezogenen Unterrichts sowie die Entwicklung von Interesse und selbstbezogenen Kriterien vom 4. bis zum 7. Schuljahr mit jährlichen Fragebogenerhebungen erfasst. Abbildung 1 gibt einen Überblick über das Design der beiden Teilstudien.Footnote 5

Abb. 1
figure 1

Design der PLUS- Studie mit Querschnitt- und Längsschnitterhebung

Folgende (hier nur ausgewählte) Fragestellungen wurden im Projekt thematisiert: Wie verändert sich das Interesse am physikbezogenen Unterricht vom 4. bis zum 7. Schuljahr (LS)? Wie nehmen Schüler/innen physikbezogenen Unterricht vom 4. bis zum 7. Schuljahr wahr (LS)? Welche Bedeutung hat der von den Schülern/innen wahrgenommene physikbezogene Unterricht für die Aufklärung von Interessensunterschieden zwischen den Schulstufen (QS)? Wie unterscheidet sich der physikbezogene Unterricht in der Grundschule und in der Sekundarstufe (QS)?

Die im Folgenden vorgestellten und bereits publizierten bzw. zur Veröffentlichung eingereichten Teilstudien leisten mit ihren Ergebnissen einen ersten Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen.

Längsschnittliche Untersuchung zur Entwicklung des Interesses

Die Teilstudie zur Interessensentwicklung im Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule wurde von Lena WalperFootnote 6 durchgeführt (Walper et al. 2014a, b, im Druck; Pollmeier et al. eingereicht).

Die im Querschnitt erhobenen Schüler/innen des 4. Schuljahres wurden nach ihrem Übertritt in die weiterführende Schule vom 5. bis zum 7. Schuljahr verfolgt. Am Ende des 7. Schuljahres haben noch 443 Schüler/innen an der Datenerhebung im PLUS-Projekt teilgenommen. Dabei wurden die Gesamtklassen mit erhoben, so dass in der Sekundarstufe insgesamt ca. 5000 Schüler/innen an der Längsschnittuntersuchung (zu mindestens einem Zeitpunkt) beteiligt waren.

Für die Interessensentwicklung konnten 348 Schüler/innen vom 4. bis zum 7. Schuljahr mittels eines Schülerfragebogens zu ihrem individuellen Interesse an Physik und ihrem situationalen Interesse am Physikunterricht befragt werden. Während das individuelle Interesse als situationsübergreifendes Persönlichkeitsmerkmal verstanden wird, handelt es sich beim situationalen Interesse um eine stärker situativ ausgerichtete, durch die Lernumgebung beeinflusste Form gegenstandsbezogener Motivation (Krapp und Prenzel 2011).

Das Sample bestand überwiegend aus Schüler/innen, die nach dem Schulstufenübergang die Hauptschule oder das Gymnasium besuchten. Die Befragung zum situationalen Interesse fand aufgrund des Unterrichtsbezugs des Konstrukts ausschließlich in den Schuljahren mit physikbezogenem Unterricht statt.

Die Konstrukte wurden mittels eines Fragebogens erfasst (Kauertz et al. 2011; Walper et al. 2014b; Pollmeier et al. eingereicht). Bei der Beantwortung der Items zum situationalen Interesse am physikbezogenen Unterricht wurden die Schüler/innen aufgefordert, an die letzten beiden Physikthemen aus ihrem Sach- bzw. Physikunterricht zurückzudenken. Unmittelbar vor der Erhebung des individuellen Interesses wurden den Schüler/innen hingegen drei für beide Stufen typische Physikthemen vorgestellt, an die sie bei der Beantwortung der Items denken sollten. Reliabilitätsanalysen zeigen eine gute psychometrische Qualität der Skalen (Cronbachs Alpha.79 -.86; Walper et al. 2014b). Explorative Faktoranalysen belegen die theoretisch angenommene Unterscheidung der Konstrukte (Walper et al. 2014a). Weitere Analysen lassen zudem auf eine äquivalente Messung der Konstrukte in der Grundschule und der frühen Sekundarstufe schließen (Kleickmann 2011). Die Veränderung der Interessen vom 4. bis zum 7. Schuljahr wurde mithilfe von Varianzanalysen mit Messwiederholung (repeated-measures ANOVAs) untersucht. Für das individuelle Interesse standen vier Messzeitpunkte (MZP 1– MZP 4; vgl. Abb. 1) zur Verfügung. Die Analysen zur Entwicklung des situationalen Interesses wurden separat für verschiedene Beschulungsmuster (Pattern) durchgeführt (vgl. Tab. 3). Schüler/innen mit fehlenden Angaben zu einzelnen Messzeitpunkten blieben im Rahmen den jeweiligen Teilanalysen unberücksichtigt (Walper et al. 2014a, b).

Tab. 3 Beschulungsmuster und Pattern bei der Erfassung des situationalen Interesses und der Unterrichtswahrnehmung (Walper et al. 2014b; Pollmeier et al. 2014)

Die ErgebnisseFootnote 7 weisen einen deutlichen Rückgang des individuellen Interesses vom 4. bis zum 7. Schuljahr auf. Der Befund zeigt sich nicht nur in der Gesamtstichprobe, sondern gleichermaßen für Hauptschüler und Gymnasiasten (Walper et al. 2014a, b).

Bzgl. der Entwicklung des situationalen Interesses zeigt Pattern 1 (vgl. Tab. 3), in dem ausschließlich Hauptschüler/innen berücksichtigt wurden, ebenfalls einen deutlichen Abfall. Bei den drei anderen PatternFootnote 8 (Nr. 2, 3 und 6; vgl. Tab. 3) wurden die Gymnasiasten berücksichtigt. Bei diesen Schülern/innen geht das situationale Interesse noch stärker als bei den Hauptschülern/innen zurück, insbesondere direkt nach dem Schulstufenübergang vom 4. zum 5. Schuljahr.

Zu klären bleibt, ob und inwieweit der Interessensrückgang durch Veränderungen in den schulischen Settings im Schulstufenübergang mitbedingt sein könnte. Zur Beantwortung dieser Frage wurden weitere Analysen durchgeführt. Ein Vergleich der Interessenentwicklung von Schülern/innen mit und ohne physikbezogenen Unterricht zeigte in Bezug auf das individuelle Interesse weder im 5. noch im 7. Schuljahr Unterschiede zwischen diesen beiden Schülergruppen. Lediglich im 6. Schuljahr unterschied sich das Interesse der nicht unterrichteten Schüler/innen positiv von den unterrichteten Schülern/innen (Walper et al. 2014b, im Druck). Ein Zusammenhang zwischen dem Abfall des individuellen Interesses und dem erteilten Unterricht wird daher durch die Daten zunächst eher nicht gestützt – diese sollen allerdings noch vertieft im Zusammenhang mit dem sog. big fish little pond-Effekt (BLFP-Effekt) und den Daten aus den miterhobenen Gesamtklassen ausgewertet werden. In Bezug auf das situationale Interesse sehen die Befunde eindeutiger aus: Zunächst sprechen die ermittelten Intraklassenkorrelationen (durchgängig um 20 Prozent) für eine hohe Varianz zwischen den Klassen; das heißt, das situationale Interesse ist nicht nur durch die Klassenstufe, sondern deutlich auch durch die Klassenzugehörigkeit bestimmt, was auf einen Einfluss des Unterrichts auf das situationale Interesse hinweist (Walper et al. 2014b). Hinzu kommt der deutliche Bruch bei den Gymnasiasten zwischen dem situationalen Interesse im 4. und im 5. Schuljahr, was auf Veränderungen im Unterricht zwischen diesen beiden Jahrgangsstufen, also nach dem Schulwechsel, schließen lässt. Inwieweit tatsächlich ein Zusammenhang zwischen dem Unterricht – erfasst aufgrund der Schülerwahrnehmung – und dem Interesse besteht, wurde in weiteren Untersuchungen verfolgt, und zwar mittels Mehrebenen-Analysen (vgl. oben) und Schülerinterviews (Walper et al. 2014b, im Druck).

Längsschnittuntersuchung zur Entwicklung der Wahrnehmung des physikbezogenen Unterrichts

Die Teilstudie von Katharina PollmeierFootnote 9 richtet sich auf die Untersuchung der Wahrnehmung des Unterrichts aus Sicht der Schüler/innen im Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe. Die Unterrichtswahrnehmung gilt als mediierender Faktor für die Auswirkung von Unterrichtsangeboten auf kognitive, motivationale und selbstbezogene Zielvariablen bei den Lernenden (vgl. z. B. Gruehn 2000; Helmke 2003). Bisher gibt es nur wenige Studien, die den Grundschulunterricht aus Sicht der Schüler/innen erfassen (z. B. Fölling-Albers et al. 2008; Logan und Skamp 2008; Martin et al. 2008; Speering und Rennie 1996); längsschnittliche Studien zur Unterrichtswahrnehmung im Übergang von der Grundschule zur Sekundarschule fehlen. Im Rahmen der PLUS-Studie wurde aus diesem Grund der Frage nachgegangen, wie sich die Wahrnehmung der Schüler/innen in Bezug auf den physikbezogenen Unterricht vom 4. bis zum 7. Schuljahr entwickelt. Der Fokus der Teilstudie von Pollmeier liegt dabei auf der Wahrnehmung verstehensfördernder Unterrichtsmerkmale im Schulstufenübergang. Die Erfassung der Unterrichtswahrnehmung der Schüler/innen erfolgte durch einen Fragebogen (Kauertz et al. 2011; Pollmeier et al. 2014; Pollmeier et al. eingereicht). Skala 1 erfragte, inwieweit die Schüler/innen eine kognitive Aktivierung durch Schülerversuche wahrnehmen, Skala 2, ob die Schüler/innen Möglichkeiten hatten, eigenständig Versuche durchzuführen, Skala 3, inwieweit die Lehrkraft den Schüler/innen Raum für eigene Erklärungen und Deutungen gibt, Skala 4, inwieweit die Lehrperson Phänomene aus dem Alltag mit einbezieht und Skala 5, wie verständlich und klar die Schüler/innen die Kommunikation und Fachsprache der Lehrkraft wahrgenommen haben. Konfirmatorische Faktorenanalysen bestätigten die Struktur des Fragebogens. Die Reliabilitäten der Skalen waren zumindest zufriedenstellend (Pollmeier et al. 2014; Pollmeier et al. eingereicht). Die individuell wahrgenommenen Veränderungen vom 4. bis zum 7. Schuljahr wurden mit Hilfe von Varianzanalysen mit Messwiederholung (repeated-measurement ANOVAs) berechnet. Schüler/innen mit fehlenden Angaben zu einzelnen Messzeitpunkten blieben im Rahmen den jeweiligen Teilanalysen unberücksichtigt. Insgesamt konnten 348 Schüler/innen längsschnittlich verfolgt werden. Wie beim situationalen Interesse konnte die Wahrnehmung des physikbezogenen Unterrichts nur in den Schuljahren erfasst werden, in denen dieser Unterricht erteilt wurde, wodurch sich auch hier die o.g. Untersuchungspattern ergaben (vgl. Tab. 3). Aus Pattern 1 wurden wieder die Hauptschülern/innen bei den Analysen berücksichtigt; aus den Pattern 2, 3 und 6 die Gymnasiasten/innen.Footnote 10

Die ErgebnisseFootnote 11 zeigen für die Hauptschüler/innen vom 4. bis zum 7. Schuljahr einen deutlichen Rückgang in der Wahrnehmung aller verstehensfördernden Unterrichtsmerkmale, mit Ausnahme des Alltagsbezugs. Besonders stark geht die Wahrnehmung praktischer Aktivitäten zurück. Hier ist der Rückgang vom 4. zum 5. Schuljahr, also nach dem Schulstufenübergang, zudem am ausgeprägtesten. Für die Gymnasiasten zeigt sich in allen Pattern ebenfalls ein deutlicher Rückgang in der Wahrnehmung verstehensfördernder Merkmale; die Skala Alltagsbezug weist bei zwei der Pattern keinen Rückgang auf. In allen drei Pattern nehmen auch die Gymnasiasten am ausgeprägtesten den Rückgang an praktischen Aktivitäten wahr.

Insgesamt zeigt sich also ein deutlicher Rückgang der Wahrnehmung von verständnisfördernden Merkmalen durch die Schüler/innen im Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe. Es stellt sich die Frage, ob dieser Rückgang als ein Indiz für eine Veränderung des Unterrichts im Schulstufenübergang gedeutet werden kann. Eine alternative Erklärung hierfür wäre auch eine kritischere Sicht der Schüler/innen mit zunehmendem Alter. Allerdings sollte sich eine altersbedingte Wahrnehmungsveränderung dann auf alle Konstrukte gleichermaßen auswirken, was durch die vorliegenden Ergebnisse nicht gestützt wird. Auch die deutliche Veränderung der Unterrichtswahrnehmung nach dem Schulstufenübergang und eine eher gleichbleibende Einschätzung im 5. und 6. Schuljahr sprechen gegen diese alternative Deutung, so dass ein Zusammenhang zwischen wahrgenommenen Merkmalen und tatsächlichen Veränderungen im Unterricht anzunehmen ist.

Der Verlauf des Rückgangs in der Wahrnehmung verstehensfördernder Unterrichtsmerkmale lässt vermuten, dass sich die Unterrichtsgestaltung nach Übertritt in die Sekundarstufe bruchartig ändert, im 5. und 6. Schuljahr relativ stabil zu bleiben scheint und sich dann vom 6. zum 7. Schuljahr noch einmal deutlich verändert. Vor dem Hintergrund der curricularen Rahmenbedingungen und der Veränderungen der Sekundarschul-Lehrpläne ab dem 7. Schuljahr scheint diese Vermutung plausibel. Anzumerken ist noch, dass der Alltagsbezug des Unterrichts in der Wahrnehmung der Schüler/innen am wenigsten bzw. nicht von Veränderungen betroffen zu sein scheint. Weitere Aufschlüsse über die Veränderung des Unterrichts aus Sicht der Schüler/innen sind von Schülerinterviews zu erwarten (Pollmeier et al. 2014, im Druck).

Unterrichtswahrnehmung und ihr Einfluss auf das physikbezogene Interesse (QS)

Vorliegende Studien weisen darauf hin, dass Alltagsbezug, Klarheit sowie ein stärkeres Ausmaß an Schülerversuchen und schülergenerierten Erklärungen in der Grundschule ausgeprägter zu sein scheinen als in der Sekundarstufe (Hartinger 2005; Seidel et al. 2003). Empirische Studien und theoretische Überlegungen legen auch nahe, dass diese Unterrichtsmerkmale unvermittelt (z. B. Häussler und Hoffmann 2002; Seidel et al. 2005) oder vermittelt über das Erleben von Autonomie und Kompetenz (Hofstein und Lunetta 2004; Jovanovic und King 1998) positive Zusammenhänge mit dem Interesse der Schüler/innen aufweisen könnten. Aus diesem Grund untersucht eine Teilstudie von Steffen Tröbst im Rahmen des PLUS-Projektes den Zusammenhang zwischen den o.g. Unterrichtsmerkmalen und den physikbezogenen individuellen und situationalen Interessen der Schüler/innen im Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe anhand der Querschnittdaten aus dem 4. und 6. Schuljahr (vgl. Tröbst et al. eingereicht). Außerdem geht die Teilstudie der Frage nach, inwieweit Unterschiede in den physikbezogenen Interessen zwischen Primar- und Sekundarstufe zumindest teilweise durch diese Unterrichtsmerkmale erklärt werden können (vgl. Tröbst et al. eingereicht). Im Folgenden werden einige Ergebnisse dieser Teilstudie vorgestellt und im Hinblick auf die o.g. Fragestellungen diskutiert.

Die Erfassung der Unterrichtsmerkmale erfolgte bei Tröbst et al. (eingereicht) auf Basis der oben beschriebenen Schülerwahrnehmung. Dabei wurden die Skalen kognitiv aktivierende Schülerversuche (Skala 1) und praktische Aktivitäten (Skala 2) zur Skala Schülerversuche verknüpft. Die aggregierten individuellen Wahrnehmungen der Schüler/innen einer Klasse bezüglich Alltagsbezug, fehlende Klarheit, schülergenerierte Erklärungen und Schülerversuche wurden als Indikatoren für das entsprechende Unterrichtsmerkmal auf Klassenebene betrachtet. Zusätzlich wurde das individuelle Wahrnehmen des Merkmals durch die einzelnen Schüler/innen kontrolliert. Das individuelle und situationale Interesse der Schüler/innen wurde, wie oben beschrieben, jeweils vor und nach der Unterrichtsreihe erfasst. Die Auswertung der Daten erfolgte mit Mehrebenen-Analysen.

Die ErgebnisseFootnote 12 zeigen zunächst deutliche Unterschiede im situationalen und individuellen Interesse zwischen den Grund- und Sekundarschülern/innen zugunsten der Grundschüler/innen. Die Unterrichtsmerkmale Alltagsbezug, schülergenerierte Erklärungen und Schülerversuche sowie die individuelle Wahrnehmung dieser weisen zudem unabhängig von der Schulstufe einen positiven Einfluss auf die situationalen und individuellen Interessen der Schüler/innen auf; fehlende Klarheit wirkt sich dagegen negativ auf die Interessen der Schüler/innen aus. Insbesondere die Merkmale Schülerversuche und – etwas geringer – schülergenerierte Erklärungen tragen zur Aufklärung des Zusammenhangs zwischen Schulstufe und dem situationalen wie auch dem individuellen Interesse bei. Es ist daher anzunehmen, dass diese zwei aus der Sicht der Schüler/innen wahrgenommenen Unterrichtsmerkmale das physikbezogene Interesse im Übergang von der Primar- zur Sekundarstufe beeinflussen.

Unterschiede zwischen den Schulstufen im physikbezogenen Unterricht – eine vergleichende Analyse von Videos aus 4. und 6. Schuljahren (QS)

Die oben berichteten Teilstudien fokussieren auf die Wahrnehmung von Unterrichtsmerkmalen durch die Schüler/innen. Die Teilstudie von Mira LauxFootnote 13 verwendet dagegen Beobachtungsdaten aus den im Rahmen der PLUS-Querschnittstudie aufgezeichneten Unterrichtsvideos (s. Abb. 1) und untersucht anhand dieser Daten Unterschiede in der Einbindung und Gestaltung von praktischen Aktivitäten im physikbezogenen Unterricht des 4. bzw. 6. Schuljahrs.

Für die Grundschule lagen 58 Videos, für die Sekundarstufe 52 Videos (27 Hauptschul- und 25 Gymnasial-Videos) von insgesamt 110 Lehrkräften vor. Die Videoanalyse erfolgte mit dem niedrig- bis mittelinferenten Instrument PACS (Practical Activity Category System), das auf der Basis eines Analyseinstruments von Tesch (2005) und anderer Instrumente (z. B. Forbes et al. 2013; Hugener 2006; Seidel 2003) entwickelt wurde (Laux et al. 2013). Die Analyse wurde im Time-Sampling-Verfahren (15 Sekunden-Slots) mithilfe des Computerprogramms „Videograph“ (Rimmele 2002) durchgeführt. Die Interrater-Reliabilität des Instruments war als gut bis sehr gut zu bewerten (Laux et al. 2013). Für die verschiedenen Kategorien von PACS wurde der prozentuale Zeitanteil der jeweiligen Kategorie an der Gesamtunterrichtszeit berechnet (Laux et al. 2013).

Der Vergleich zwischen Primar- und Sekundarstufe im Hinblick auf die Einbindung und Gestaltung praktischer Aktivitäten im physikbezogenen Unterricht zeigt FolgendesFootnote 14: In der Grundschule wird deutlich mehr Zeit für das Durchführen von Versuchen, speziell von Schülerversuchen, und mehr Zeit für die praktische Arbeitsphase insgesamt aufgewendet; im Grundschulunterricht werden zudem mehr Alltagsgegenstände eingesetzt und Gruppenarbeit kommt häufiger, Plenumsgespräche dagegen seltener vor. Auch gibt es in der Grundschule weniger zeit- und arbeitsgleiche Aufgaben zur Durchführung der Versuche. Die Sitzordnung ist zudem seltener frontal und stattdessen häufiger in Form von Gruppentischen bzw. Stuhl- bzw. Theaterkreisen angeordnet (Laux et al. 2013).

Die mit Hilfe der Videoanalysen gefundenen Unterschiede zwischen dem Unterricht in Grund- und weiterführenden Schulen bestätigen die längsschnittlich und querschnittlich gefundenen, stufenbezogenen Wahrnehmungsunterschiede hinsichtlich des Ausmaßes an praktischen Aktivitäten, insbesondere bzgl. der Schülerversuche. Auch könnte das größere Ausmaß an Gruppenarbeit sowie die stärker auf Kommunikation der Lernenden untereinander ausgerichteten Organisationsformen mit der stärkeren Wahrnehmung von selbstgenerierten Erklärungen in Verbindung stehen. Hier sollen vertiefende Video-Analysen zur Inquiry-Orientierung des Unterrichts weiteren Aufschluss bringen (Laux in Vorb.). Zudem soll noch mit Hilfe von Mehrebenenanalysen untersucht werden, ob es Zusammenhänge zwischen dem aufgewendeten Zeitanteil für praktische Arbeitsphasen, insbesondere für Schülerversuche, sowie für Gruppenarbeit und dem situationalen Interesse der Lernenden gibt (Laux in Vorb.).

Zusammenfassung der Ergebnisse

Die oben berichteten Befunde aus der PLUS-Querschnitt- bzw. Längsschnittstudie geben zumindest erste Hinweise auf die Interessensentwicklung im Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe und auf mögliche beeinflussende Faktoren. Die Längsschnittanalysen von Walper et al. sowie von Pollmeier et al. zeigen, dass sich sowohl die motivationalen Outcomes als auch die Wahrnehmung des Unterrichts durch die Schüler/innen im Übergang ändern: Direkt nach dem Schulstufenübergang weisen die von den Schülern/innen wahrgenommene Verständnisorientierung des Unterrichts und das auf den erteilten Unterricht bezogene Interesse einen starken Abfall auf, so dass von einem Bruch zwischen den Schulstufen auszugehen ist.

Diese längsschnittlichen Ergebnisse werden durch eine Teilstudie von Tröbst et al. mit der größeren Stichprobe des Querschnitts ergänzt: Der Vergleich zwischen dem 4. und 6. Schuljahr weist einen deutlichen Unterschied im individuellen und situationalen Interesse der Schüler/innen auf. Mehrebenen-Analysen zeigen zudem, dass die von den Schülern/innen individuell wahrgenommenen sowie die auf Klassenebene aggregierten Merkmale Alltagsbezug, Schülerversuche und schülergenerierte Erklärungen sich positiv sowohl auf das individuelle als auch auf das situationale Interesse auswirken, das Merkmal fehlende Klarheit sich dagegen negativ auf diese Variablen auswirkt. Dem Merkmal Schülerversuche und, etwas abgeschwächt, dem Merkmal schülergenerierte Erklärungen scheint dabei eine besondere Bedeutung für die Interessensunterschiede zwischen den Schulstufen zuzukommen. Diese scheinen zumindest teilweise durch die wahrgenommenen Unterrichtsmerkmale Schülerversuche und – etwas geringer – durch schülergenerierte Erklärungen erklärt werden zu können.

Die wahrgenommenen Unterschiede im Ausmaß der eingesetzten Schülerversuche werden durch Videoanalysen erhärtet. Auch die hierfür genutzten Daten stammen aus dem PLUS-Querschnitt. Es zeigte sich in niedrig- bis mittelinferenten Kodierungen, dass in der Grundschule Schülerversuche deutlich häufiger vorkommen als in der Sekundarstufe. Auch zeigte sich ein häufigerer Einsatz von Gruppenarbeit und ein größeres Ausmaß an für die Kommunikation günstigen Organisationsformen.

Unter Berücksichtigung der Theorie von Deci und Ryan (2000), in der die Bedeutung der sozialen Eingebundenheit sowie des Autonomie- und Kompetenzerlebens für die Entwicklung von Interesse ausgeführt wird, könnten die Ergebnisse dafür sprechen, dass physikbezogener Grundschulunterricht mit häufiger vorkommenden Schülerversuchen, häufigeren Gruppenarbeitsphasen und einer stärkeren Berücksichtigung von eigenen Erklärungen (schülergenerierte Erklärungen) den Bedürfnissen der Lernenden eher entgegen kommt als der physikbezogene Unterricht nach dem Übergang in die weiterführende Schule. Dadurch könnte das Absinken des situationalen Interesses im physikbezogenen Unterricht der Sekundarstufe zumindest mitbedingt sein. Während sich die oben genannten Merkmale mit einem Absinken des unterrichtsbezogenen Interesses in Verbindung bringen lassen, klären der Alltagsbezug des Unterrichts und die fehlende Klarheit im Unterricht den zwischen den Schulstufen festgestellten Interessensunterschied nur in geringerem Maße auf. Dies könnte damit zusammenhängen, dass beide Merkmale im Längsschnitt weniger deutliche bzw. keine Rückgänge aufweisen. Inwieweit über das situ‑ationale Interesse auch individuelle Interessen beeinflusst werden können, lässt sich anhand der bisherigen Untersuchungen noch nicht beantworten. Nähere Aufschlüsse hierzu werden von Mediatoranalysen erwartet.

Weitere Hinweise für Effekte des Unterrichts auf das Interesse der Schüler/innen im Übergang von der Grundschule zur Sekundarstufe sind von der Dissertation von Katharina Fricke (in Vorb.) zu erwarten. Sie analysiert anhand von Daten aus dem PLUS-Querschnitt Unterschiede zwischen den Stufen und den Zusammenhang zwischen der Klassenführung und dem Fachinteresse an Physik nach dem Unterricht mit Hilfe von Mehrebenen-Analysen. Die Klassenführung wird dabei sowohl anhand von Schülerwahrnehmungen, erhoben mittels Fragebogen, als auch durch Videoanalysen erfasst. Abhängige Variable ist das Fachinteresse der Schüler/innen nach dem durchgeführten Unterricht; es wurde ebenfalls mit einem Fragebogen abgefragt (zur Beschreibung der Skalen vgl. Möller et al. 2013a; Kauertz et al. 2011). Die Ergebnisse (Fricke in Vorb.; Möller et al. 2013a) zeigen: Bei den untersuchten Merkmalen der Klassenführung zeigten sich deutliche Unterschiede zwischen den drei untersuchten Schulformen. Auf der Individualebene haben sowohl die Schülerwahrnehmung der Disziplin als auch die der Störungsprävention einen Einfluss auf das Fachinteresse. Auf Klassenebene zeigt sich, dass sich das per Videoanalyse erfasste Ausmaß an Hektik im Unterricht negativ auf das Fachinteresse der Schüler/innen auswirkt. Dieser Befund zum Zusammenhang zwischen Klassenführung und Interesse könnte darauf hindeuten, dass auch Faktoren, die das allgemeine Unterrichtsklima betreffen, insbesondere diejenigen, die von den Lernenden als störend empfunden werden, einen negativen Einfluss auf das Interesse im Schulstufenübergang haben könnten.

Folgerungen und Ausblick

Bezüglich der physikbezogenen Interessensentwicklung scheint der Schulstufenübergang nach den vorliegenden Befunden eine kritische Stelle im Schulsystem zu sein. Änderungen in der Gestaltung des Unterrichts und in der Wahrnehmung des Unterrichts durch die Lernenden scheinen für das Absinken des situationalen Interesses zumindest mitverantwortlich zu sein. Inwieweit darüber hinaus auch das individuelle Interesse beeinflusst wird, bleibt an dieser Stelle noch offen. Offen bleibt auch die Frage nach der Bedeutung des BFLP-Effekts bei der Interessensentwicklung; dieser Frage soll im Zusammenhang mit den Auswertungen der miterhobenen Gesamtklassen weiter nachgegangen werden. Auch methodische Fragen sind noch zu klären: Was würden z. B. latente Modellierungen der Längsschnittdaten oder ein anderer Umgang mit fehlenden Werten ergeben?

Welche Hinweise lassen sich trotz dieser noch offenen Fragen aus den derzeitigen Befunden für die Unterrichtsgestaltung gewinnen? Die Ausführungen oben haben gezeigt, dass die äußeren Rahmenbedingungen der Lehrpläne einem relativ allmählichen Übergang von einem integrierten, physikbezogenen Sachunterricht zu einem in Fächerverbünden organisierten Unterricht, wie er inzwischen in den meisten Bundesländern in den Schuljahren 5 und 6 realisiert ist, prinzipiell nicht im Wege stehen. Die Fächerorganisation scheint daher weniger der Hebel zu sein, an dem anzusetzen ist. Auch dem häufig beklagten Mangel an Alltagsbezug der physikalischen Themen kommt nach den vorliegenden Befunden nicht die vielleicht erwartete Bedeutung für das situationale Interesse zu; viele der in den Lehrplänen des Sekundarbereichs für die Schuljahre 5 und 6 aufgelisteten Themenbeispiele ähneln sehr stark den in der Grundschule angegebenen, lebensweltlich orientierten Themen. Als zentrale Forderung ergibt sich dagegen aus den berichteten Befunden eine stärkere aktive Beteiligung der Schüler/innen im physikbezogenen Sekundarschulunterricht: Ein „Mehr“ an gut gestalteten Schüler-Experimenten, Möglichkeiten für die Schüler/innen, eigene Erklärungen und Deutungen in den Unterricht einzubringen und die Berücksichtigung dieser Vorstellungen im Unterrichtsverlauf sollten das situationale Interesse am physikbezogenen Unterricht steigern können. Angesprochen sind mit diesen Merkmalen Charakteristika, wie sie oft im Zusammenhang mit sozial-konstruktivistisch orientierten Unterrichtskonzepten verbunden sind, wobei es nicht allein um eine Steigerung äußerer Aktivitäten geht, sondern um die Verknüpfung dieser mit kognitiven Aktivitäten der Lernenden.

Insgesamt sollte dem Schulstufenübergang aus fachdidaktischer Sicht mehr Aufmerksamkeit als bisher gewidmet werden. Im Gegensatz zu vielen Ländern gibt es in Deutschland kaum schulstufenübergreifende Curricula mit aufeinander abgestimmten inhalts- sowie prozessbezogenen Kompetenzerwartungen. Zwar finden die sog. learning progressions (Alonzo 2012) in fachdidaktischen Diskussionen Aufmerksamkeit, doch fehlt es an Forschungen zu stufenspezifischen Verortungen in der Entwicklung und Förderung von Konzepten. Viele Curricula für die Sekundarstufe wiederholen zudem bereits in der Grundschule Erarbeitetes auf nahezu gleichem Level; in anderen Bereichen findet kaum Vorbereitung auf die in der Sekundarstufe vorausgesetzten Kompetenzen statt. Um diesem Mangel zu begegnen, wurde von einer Gruppe von Elementar-, Sachunterrichts- und Physikdidaktikern/innen ein vom Elementarbereich bis zum 7. Schuljahr reichendes Curriculum mit aufeinander aufbauenden prozess- sowie inhaltsbezogenen, naturwissenschaftlichen Kompetenzen am Beispiel des Themas Magnetismus entwickelt (Möller et al. 2013b; Steffensky und Hardy 2013; von Aufschnaiter und Wodzinski 2013). Das Curriculum wird zudem auf jeder Bildungsstufe nach dem Prinzip der sog. „Klassenkisten“ durch Kisten mit Experimentiermaterialien begleitet, um eine hohe Eigentätigkeit der Lernenden durch Schülerexperimente zu ermöglichen.

Auch die Lehreraus- und -weiterbildung sollte unter dem Aspekt des Schulstufenübergangs reflektiert werden. Stufenübergreifende Aus- bzw. Fortbildungsmodule sollten einen Einblick in die jeweils benachbarte Stufe ermöglichen und die jeweiligen Anschlussstellen im Übergang zur nachfolgenden Stufe herausarbeiten: So könnte z. B. bereits in der ersten Phase der Lehrerbildung ein Einblick in Curricula und Unterricht der jeweilig benachbarten Bildungsstufe gegeben werden. Die in Grundschule und Sekundarstufe arbeitenden Lehrpersonen könnten zudem stärker als bisher zusammenarbeiten: Sinnvoll wäre ein Austausch über die in der jeweiligen Stufe vermittelten Kompetenzen, Einblicke in den Unterricht der benachbarten Schulstufe sowie das Abstimmen inhaltlicher Curricula über die Schulstufe hinweg. In dem Projekt MINTeinander, das in Zusammenarbeit zwischen der Deutsche Telekom Stiftung und der Universität Münster durchgeführt wird, wird die Implementation einer solchen stufenübergreifenden Kooperation anhand konkreter Spiralcurricula derzeit bundesweit unter Beteiligung von 100 Kindergärten, Grundschulen und weiterführenden Schulen erprobt.Footnote 15 Hilfreich wären auch Videoportale mit Unterrichtsbeispielen aus den benachbarten Schulstufen. Für die Grundschule liegt ein solches Portal mit Aufzeichnungen aus dem naturwissenschaftlichen Sachunterricht vor (http://www.uni-muenster.de/Koviu/).

Insgesamt ist zu wünschen, dass unter Fachdidaktikern, Lehrpersonen und Studierenden das Interesse an dem naturwissenschaftlichen Unterricht in der benachbarten Stufe zunimmt und der Übergang von der Primarstufe in die weiterführende Schule als kritisches Ereignis für die Entwicklung von physikbezogenen Interessen stärkere Beachtung als bisher findet.