Einleitung und Problemdarstellung

Die Implementierung von Interventionen stellt Praxisinstitutionen im Gesundheitswesen vor komplexe Herausforderungen (Grol et al. 2005). Besonders anspruchsvoll ist es, Interventionen zu integrieren, die keine klar umrissenen Handlungsanweisungen bieten. Hierzu zählt auch Kinästhetik – eine Intervention des Bewegungslernens, die in der Pflegelandschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt, wie z. B. das neue Berufsbild „SpezialistIn für Angewandte Kinästhetik“ in der Schweiz zeigt. Kinästhetik bietet eine Struktur, um Bewegungsaktivitäten differenziert zu erfassen und die eigene Bewegungswahrnehmung zu schulen. Zugleich zeigt es eine unzählige Vielfalt an Varianten auf, um die Patientin in ihrer bzw. den Patienten in seiner Situation individuell zu begleiten (Möhr 2014). Geht es um die Entwicklung der KinästhetikkompetenzFootnote 1, so hilft Kinästhetik den beteiligten Akteuren, einen anderen Blickwinkel auf alltägliche Verrichtungen zu erhalten und sie mit einem anderen Verständnis durchzuführen (Enke 2009). Das Ziel von Kinästhetik ist einerseits, die Gesundheit der Pflegepersonen im Arbeitsalltag zu erhalten, und andererseits, die körperlichen Ressourcen von pflegebedürftigen Personen zu fördern (Hatch und Maietta 2003). Gerade in der stationären Langzeitpflege, in welcher die Bewohnenden oftmals altersbedingt in ihrer Bewegung eingeschränkt sind, ist es notwendig, die Bewegungsfähigkeit der Betroffenen zu erhalten bzw. zu verbessern. Obwohl Evidenz zum Nutzen integrierter Bewegungsförderung in Pflegehandlungen vorliegt (Büscher et al. 2014), werden pflegebedürftige Menschen in ihrer Bewegungsfähigkeit dennoch von den Pflegepersonen zu wenig unterstützt. Ihnen fehlt es teilweise an Wissen und Handlungskompetenz, wie sie die Bewegungsfähigkeit der pflegebedürftigen Menschen konkret im Alltag fördern können (Gattinger et al. 2017). Um diesem Umstand entgegenzuwirken, ist Kinästhetik in den deutschsprachigen Ländern häufig in pflegerischen Ausbildungscurricula verankert (Sedlak-Emperer 2012). Zumindest die Pflegefachpersonen haben somit meist beim Eintritt in das Arbeitsleben den Kinästhetikgrundkurs absolviert. Trotz dieses Bestrebens, breitgefächert Pflegepersonen in ihrer Kinästhetikkompetenz zu fördern, ist die Implementierung in den Pflegealltag der stationären Langzeitpflege noch nicht ausreichend und nachhaltig erfolgt (Arnold 2000; Fringer et al. 2014). Dafür können unterschiedliche Ursachen infrage kommen, z. B. verstehen Pflegepersonen die Bewegungsförderung nicht grundsätzlich als integrierten Bestandteil bei der Unterstützung der Aktivitäten des täglichen Lebens, zudem trennen sie die Begriffe „Pflege“ und „Mobilisation“, wobei der Mobilisation eine geringere Priorität eingeräumt wird (Reuther 2014; Taylor et al. 2012). Hinzu kommt, dass Pflegepersonen Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Konzepts in den Pflegealltag beschreiben (Arnold 2000). Dies ergibt sich v. a. aus der Tatsache, dass das kinästhetische Konzept keine konkreten Handlungsanweisungen bietet, sondern sich vielmehr als ein kreatives Handlungskonzept versteht, bei dem der Fokus auf Berührung und Bewegung während der Interaktion mit der pflegebedürftigen Person liegt (Hatch und Maietta 2003). Um Kinästhetik zukünftig effizienter und nachhaltiger umsetzen zu können, benötigt es Kenntnisse darüber, weshalb sich Kinästhetik so schwer in die Langzeitpflege integrieren lässt und welche Möglichkeiten die Implementierung unterstützen können. Dies erfordert die Auseinandersetzung mit den Implementierungsprozessen, insbesondere mit deren Einflussfaktoren.

In den vergangenen Jahren entstanden viele Theorien, die das Ziel hatten, die Implementierung von Interventionen effektiv zu gestalten. Unter anderem kombinierten Damschroder et al. (2009) 19 publizierte Implementierungstheorien und entwickelten daraus ein metatheoretisches Rahmenmodell, das Consolidated Framework for Implementation Research (CFIR). Dieses Modell unterstützt die Implementierung von Interventionen, indem es auf mögliche Einflussfaktoren hinweist. Zudem dient es dazu, Zusammenhänge theoretisch zu erklären und zu verifizieren (Breimaier et al. 2015; Damschroder et al. 2009; Hoben 2016). Es bietet einen umfassenden Überblick über Schlüsselelemente, die bei der Integration von Interventionen eine Rolle spielen. Obwohl auf der Metaebene angesiedelt, benennt das Modell innerhalb der einzelnen Stufen Kategorien bzw. Faktoren, die es zu beachten bzw. zu erheben gilt. Breimaier et al. (2015) evaluierten das Modell und beschreiben es als nützlich und hilfreich bei der Beleuchtung des Implementierungsprozesses. Hoben (2016) übersetzte das CFIR in die deutsche Sprache und adaptierte es geringfügig an das Fachgebiet Pflege und Gerontologie. Diese Version weist 5 Ebenen auf: „involvierte Individuen“; „interner Kontext“, „externer Kontext“, „einzuführende Neuerung“ und „Implementierungsprozess“ (Hoben 2016). Diese Ebenen interagieren in einer vielfältigen und komplexen Art und Weise miteinander und wirken sich dadurch auf die Effektivität von Implementierungsprozessen aus (Damschroder et al. 2009).

Allerdings warnen Breimaier et al. (2015) davor, sich bei der Implementierung von Interventionen ausschließlich auf die Faktoren des CFIR zu stützen. Sie empfehlen, eine gewisse Offenheit im Implementierungsprozess beizubehalten, um mögliche zusätzliche prozessbeeinflussende Faktoren nicht zu übersehen. Somit ist neben dem Heranziehen des theoretischen Modells die empirische Auseinandersetzung mit fördernden bzw. hemmenden Faktoren erforderlich, um einen ersten Einblick in die Abläufe bei der Implementierung von Kinästhetik zu erhalten. Dies scheint insbesondere notwendig, da es sich bei Kinästhetik um eine komplexe Intervention handelt, bei der keine expliziten Techniken bzw. genauen Vorgehensweisen für das pflegerische Agieren ausgesprochen werden können.

Ziel

Der vorliegende Beitrag ist Teil eines Dissertationsprojektes (Nummer der Ethikkommission: Req-2017-00962). Ziel dieses Projekts ist herauszufinden, welche spezifischen Faktoren die Implementierung von Kinästhetik in die stationäre Langzeitpflege beeinflussen und auf dieser Basis ein Kinästhetikimplementierungskonzept zu entwickeln, mit der Absicht, eine sich kontinuierlich (weiter-)entwickelnde Kinästhetikkompetenz in der stationären Langzeitpflege ermöglichen. Der CFIR wird dabei als strukturgebender Rahmen bei der methodischen Aufgleisung der Multiple Case-Study genutzt.

Ziel des vorliegenden Beitrags ist, mittels Aussagen von Expertinnen und Experten zu überprüfen, ob die im CFIR auf einer abstrakten Ebene genannten Einflussfaktoren umfassend den Implementierungsprozess von Kinästhetik abdecken, oder ob aufgrund der komplexen Eigenschaften von Kinästhetik zusätzliche Aspekte bei der Implementierung beachtet werden müssen.

Dies bedarf die Beantwortung folgender Forschungsfragen:

  1. 1.

    Welche spezifischen Faktoren beeinflussen aus Sicht von Expertinnen und Experten die Implementierung von Kinästhetik in der stationären Langzeitpflege?

  2. 2.

    Wie stellen sich die im CFIR auf einer abstrakten Ebene aufgeführten Einflussfaktoren im konkreten Fall der Implementierung von Kinästhetik dar?

  3. 3.

    Müssen aufgrund der komplexen Eigenschaften von Kinästhetik zusätzliche Aspekte bei der Implementierung beachtet werden?

Die erste Fragestellung dient dabei als Grundlage zur Beantwortung der zweiten und dritten Fragestellung.

Methode und Material

Die am Ende der Einleitung beschriebene, von Breimaier et al. (2015) geforderte Offenheit bei der Anwendung des CFIR erfordert den Abgleich des Framework mit empirischen Daten. Dies wurde bei der Aufgleisung des Dissertationsprojektes berücksichtigt. Dazu wurde der CFIR als strukturgebender Rahmen zur Entwicklung der Multiple Case-Study mit Felddaten ergänzt, um somit das Projekt auf ein breites Fundament zu stellen (Yin 2018). Für diese Vorgehensweise wurden Experten bezüglich ihrer Erfahrungen bei der Implementierung von Kinästhetik befragt, um die daraus gewonnenen Expertenaussagen für den Abgleich mit dem CFIR und dessen Konkretisierung zu nutzen. Mayer (2015) betont in diesem Zusammenhang, dass die Aussagen von Expertinnen und Experten u. a. zur Validierung von Konzepten genutzt werden können. Experteninterviews ermöglichen, vielschichtige Wissenszusammenhänge von Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Praxis und Erfahrungen über ein entsprechendes Prozess- und Deutungswissen verfügen, zu erhalten (Bogner et al. 2014; Gläser und Laudel 2010; Mayer 2015).

Interviewteilnehmende

Die Stichprobe setzte sich aus Personen mit unterschiedlichen Expertisen in pflegerischen Leitungsfunktionen der stationären Langzeitpflege und Personen, die über ein fachliches Know-how in Kinästhetik verfügen, zusammen. Auswahlkriterien für Personen mit Expertise in der stationären Langzeitpflege waren das Innehaben einer Leitungsfunktion und die Implementierung von Kinästhetik in der jeweiligen Institution. Personen mit kinästhetischer Expertise sollten Ausbildnerinnen bzw. Ausbildner bei Kinaesthetics Schweiz sein und auf Erfahrung beim Implementieren von Kinästhetik in der stationären Langzeitpflege zurückgreifen können. Die Auswahl der befragten Personen orientierte sich am Prinzip der maximalen Variation. Dadurch konnte eine heterogene Perspektive bei der Datenerhebung gewonnen werden (Flick 2016). Die relevanten soziodemografischen Daten sind in Tab. 1 ersichtlich.

Tab. 1 Soziodemografische Daten der Expertinnen und des Experten

Datenerhebung

Die Datenerhebung wurde anhand leitfadengestützter Interviews durchgeführt. Die Schwerpunkte des Interviewleitfadens lagen auf der Fragestellung 1 und der Zielformulierung. Folgende 5 Themenblöcke wurden in den Interviews fokussiert:

  • Nutzen von Kinästhetik in der stationären Langzeitpflege,

  • notwendige Fähigkeiten der Pflegenden in Bezug auf Kinästhetik,

  • lernförderliche Gestaltung des Praxisalltags,

  • Strategien zur nachhaltigen Implementierung,

  • Barrieren, Herausforderungen und fördernde Aspekte bei der Implementierung in den Praxisalltag.

Die Fragen wurden offen und flexibel, d. h. angepasst an die aufeinander folgenden Antworten gestellt (Helfferich 2011). Die Interviews dauerten zwischen 51 und 82 min. Alle Interviews wurden per Audiodatei aufgezeichnet und in Protokollform transkribiert, da der Fokus dieser Analyse primär auf den gewonnenen Fakten, weniger auf dem gesprochene Wort lag (Vogel und Funck 2017). Aus diesem Grund wurde auch auf eine kommunikative Validierung verzichtet. Zudem flossen in die Protokolle Feldnotizen ergänzend ein, die während der Interviews oder im Anschluss daran erstellt wurden.

Analyse

Die Datenanalyse der Interviews erfolgte anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Schreier (2012). Diese Analysetechnik ermöglicht, das gewonnene Material bezüglich inhaltlich relevanter Aspekte zu beleuchten und diese anschließend zu systematisieren, um daraus die Inhalte schrittweise auf ein höheres Abstraktionsniveau zu heben. In einem iterativen Prozess wurden mittels induktivem Vorgehens inhaltlich thematische Codes (Kuckartz 2016) und daraus entsprechende Ober- bzw. Subkategorien gebildet (Schreier 2014). Während des induktiv durchgeführten Analyseprozesses wurden die Kategorien in verschiedenen Analysesitzungen mit unterschiedlichen Forschenden diskutiert (Schreier 2012). Bei Uneinigkeiten wurden die Codes bzw. die entsprechenden Codings herangezogen, und die Diskussion wurde im Sinne einer internen Validierung so lange geführt, bis ein gemeinsamer Konsens getroffen werden konnte. Zur Beantwortung der Fragestellungen 2 und 3 wurden die Resultate aus den Experteninterviews (Fragestellung 1) mit den Einflussfaktoren des CFIR verglichen und Diskrepanzen herausgearbeitet.

Resultate

Die Analyse identifizierte im ersten Schritt Faktoren, die aus Sicht von Expertinnen und Experten die Implementierung von Kinästhetik in die stationäre Langzeitpflege beeinflussen können. In einem zweiten Schritt wurden diese mit der Struktur des CFIR verglichen. Es zeigte sich, dass sich die ermittelten Themenbereiche aus den Experteninterviews weitgehend der thematischen Struktur des CFIR, in Klammern eingefügt, zuordnen lassen: (1) Institution (interner Kontext); (2) Pflegepersonen (involvierte Individuen); (3) Bewohnende (involvierte Individuen und externer Kontext); (4) Gesundheitspolitik/Gesellschaft (externer Kontext); (5) Intervention (einzuführende Neuerung). Innerhalb dieser Kategorien befinden sich unterschiedliche Faktoren, die die Implementierung von Kinästhetik beeinflussen können. Dabei wurden die einzelnen Faktoren weitgehend neutral beschrieben. Je nach Ausrichtung können sie so den Implementierungsprozess fördern oder hemmen. Die Analyse ergab weiterhin, dass nur ein Kriterium – das der Expertise von Leitungspersonen bezüglich der Intervention –, welches die Expertinnen und Experten bei Kinästhetik als einen wesentlichen Einflussfaktor beschrieben, im CFIR nicht so explizit benannt wird.

Zur besseren Nachvollziehbarkeit und Übersichtlichkeit werden die Ergebnisse der Experteninterviews den 5 Ebenen des CFIR zugeordnet (Unterkapitel). Die aus der Analyse der Experteninterviews gewonnenen Einflussfaktoren werden im Text kursiv dargestellt, die im CFIR aufgeführten Faktoren hingegen in Anführungszeichen („“).

Involvierte Individuen

Die Einflussfaktoren, die im CFIR auf der Ebene der involvierten Individuen angesiedelt sind, kamen in den Interviews häufig zur Sprache, insbesondere die Faktoren, die die Pflegepersonen betreffen. Die Interviewergebnisse zeigen, dass alle Pflegepersonen, unabhängig von ihrem Ausbildungsabschluss, auf die Implementierung Einfluss nehmen. Ob und auf welche Art und Weise Kinästhetik in den einzelnen Pflegehandlungen zur Umsetzung kommt, hängt maßgeblich von den bisher gemachten Erfahrungen der Pflegenden ab. Diese Erfahrungen können sich auf die Motivation der Pflegepersonen auswirken und einen Einfluss darauf haben, ob und in welchem Umfang Kinästhetik zur Anwendung kommt.

Als weiterer Einflussfaktor wurde das Pflegeverständnis der jeweiligen Pflegeperson genannt. Darunter verstehen die Expertinnen und Experten beispielsweise, ob die Pflegeperson eher ressourcen- oder mehr defizitorientiert handelt. Dies hängt u. a. davon ab, ob die Pflegeperson die Ressourcen, aber auch die Bedürfnisse der Betroffenen erkennt und in der jeweiligen Handlung aufgreift bzw. fördert oder ob sie eher die Tätigkeit übernimmt, weil sie überzeugt ist, der Bewohnerin bzw. dem Bewohner etwas Gutes zu tun.

Neben dem Pflegeverständnis hat auch das Bewegungsverständnis eine beeinflussende Wirkung auf die Implementierung. Die befragten Personen betonen, dass Bewegung und Bewegungsförderung in der stationären Langzeitpflege noch immer nicht den nötigen Stellenwert haben. Mitunter wird z. B. die Körperpflege als wichtiger betrachtet als die Bewegung. Zudem fehlt den Pflegepersonen teilweise das Verständnis, dass die Bewegung auch bei der Unterstützung in Alltagsaktivitäten gefördert werden kann. Diese Vernachlässigung der Bewegungsförderung zeigt sich auch in der Pflegeplanung und -dokumentation. Laut den Expertinnen und dem Experten betrachten Pflegepersonen die Bewegung getrennt von den anderen ATL und beziehen sie nicht in die alltagsbezogenen Aktivitäten ein, beispielsweise in die Körperpflege. Die Art und Weise, wie die Bewegung in den Alltag integriert wird, ist somit ein wesentlicher Bestandteil des Implementierungsprozesses. Je nachdem, ob die Pflegepersonen die Mobilisation „nur“ als Fortbewegung von A nach B sehen oder ob sie in der Bewegung einen gesundheitsfördernden Aspekt erkennen, hat einen wesentlichen Einfluss auf die Implementierung von Kinästhetik.

Die Haltung gegenüber Kinästhetik hat ebenfalls einen Einfluss auf die Implementierung. Die Haltung bzw. Einstellung wird dadurch geprägt, ob die Pflegeperson einen Nutzen bei der Umsetzung von Kinästhetik erkennen kann – für die Bewohnenden und auch für sie selbst, z. B. im Sinne eines geringeren Kraftaufwands. Für die Umsetzung relevant ist ebenfalls, ob sich die Pflegepersonen der Komplexität bei der Umsetzung von Kinästhetik bewusst sind und versuchen, diese zu verinnerlichen, oder ob sie Kinästhetik auf „Techniken und Methoden“ beschränken, die sie anwenden, wenn ein Transfer „besonders schwierig“ ist.

Eine Rolle spielt auch die Lernbereitschaft der Pflegepersonen. Sind sie bereit für Veränderungen? Stellen sie sich dem Lernprozess oder stehen sie ihm eher ablehnend gegenüber? Welches persönliche Engagement bringen sie in den Arbeitsprozess ein? Wissen und Kenntnisse über Kinästhetik wirken sich ebenfalls auf den Implementierungserfolg aus. Dabei geht es hauptsächlich um den Wissenstand darüber, wie Bewegung an sich funktioniert, und wie die Pflegepersonen durch und während der Interaktion die Bewohnenden in ihren Lernprozessen bezüglich Bewegung unterstützen können.

Auch Fähigkeiten zum eigenverantwortlichen und situationsangepassten Handeln können sich auf den Implementierungsprozess auswirken, ebenso die Fähigkeit, die Ressourcen und Potenziale der Bewohnenden zu fördern. Dies beinhaltet beispielsweise die Motivierung der Bewohnenden. Dazu benötigen die Pflegepersonen die Fähigkeit zur Beziehungsgestaltung und Informationsvermittlung. Je nachdem, ob sie in der Lage ist, die Zusammenhänge zu erkennen und diese dem Bewohnenden zu vermitteln, wird der Implementierungsprozess gefördert oder gehemmt. Die Umsetzung von Kinästhetik ist weiterhin abhängig von der Reflexionsfähigkeit der Pflegenden. Sind sie z. B. in der Lage, Situationen zu hinterfragen und entsprechende Anpassungen vorzunehmen?

In den Interviews nicht genannt wurden die im CFIR aufgeführten Faktoren „Selbstwirksamkeitsüberzeugungen“, „Veränderungsphase, in der sich das Individuum befindet“ und der Aspekt der „individuelle Identifikation mit der Organisation“.

Interner Kontext

Einflussfaktoren bezüglich des internen Kontextes wurden von den Expertinnen und den Experten ebenfalls einige genannt. Im Abgleich der Ergebnisse der Experteninterviews mit den im CFIR beschriebenen Faktoren zeigt sich, dass auf dieser Ebene ein Einflussfaktor von den Expertinnen und Experten genannt wurde, der so deutlich im CFIR nicht betont wird. Dabei handelt es sich um den Aspekt der Notwendigkeit einer ausgeprägten Kompetenz der Leitungspersonen in Bezug auf die zu implementierenden Intervention, in diesem Fall die Kinästhetikkompetenz. Mit Leitungen meinten die Expertinnen und Experten in diesem Zusammenhang sowohl das mittlere Management (z. B. Teamleitungen) als auch das obere Management (z. B. Leitungen Pflege und Betreuung oder Heimleitungen). Die befragten Expertinnen und der Experte waren sich einig, dass die Institution, einschließlich der Leitung bzw. der führungsverantwortlichen Personen, einen wesentlichen Einfluss auf die Implementierung haben.

Neben Aspekten wie Leadership, Zur-Verfügung-Stellen von Kompetenzförderungsangeboten oder auch des Definierens von Bewegungsförderung als Qualitätskriterium wirkt sich auch die Kinästhetikkompetenz der Leitungspersonen beeinflussend auf die nachhaltige Implementierung aus. Die Expertinnen und Experten sind sich einig, dass die Führungspersonen in Kinästhetik geschult sein müssen, um mit positivem Beispiel vorangehen zu können. Diskrepanzen zwischen den Zielen der Kinästhetikfachperson und der Leitungsperson können z. B. aufgrund mangelnder Kinästhetikkompetenzen der Führungsperson entstehen. Im CFIR wird zwar die Notwendigkeit eines unterstützenden Leadership auf allen Führungsebenen beschrieben (Greenhalgh et al. 2004). Inwieweit die Leitungen Kompetenzen bezüglich der zu implementierenden Neuerung benötigen, wird allerdings im CFIR nicht explizit benannt.

Externer Kontext

Auf der Ebene des externen Kontextes werden im CFIR „externe Regulationen und Anreizbedingungen“ beschrieben. In den Experteninterviews kamen diesbezüglich sehr konkrete Aspekte zur Sprache. Insbesondere betonten die Expertinnen und Experten die Notwendigkeit einer Verankerung von Kinästhetik in den Pflegeausbildungen. Zumindest der Kinästhetikgrundkurs sollte in allen Pflegeausbildungen, unabhängig vom angestrebten Berufsabschluss, ein fester Bestandteil sein. Es ist wichtig, dass die Pflegenden bereits in der Ausbildung für die Thematik sensibilisiert werden und somit die erworbenen Kompetenzen beim Einstieg ins Berufsleben mitbringen und umsetzen können. Hoben et al. (2016) diskutieren in diesem Zusammenhang zwar die Bedeutung der gesetzlichen Vorgabe zur Verankerung einer Intervention, weisen allerdings nur darauf hin, dass die pflegerische Ausbildung manche Kompetenzen nicht ausreichend entwickelt und fördert.

Zudem zeigten die Ergebnisse, dass das Gesundheitswesen bzw. die Gesundheitspolitik einen nichtunerheblichen Einfluss auf die Implementierung von Kinästhetik haben, insbesondere das dort vorherrschende Qualitätsverständnis. Derzeit wird versucht, Qualität durch Kontrolle zu verbessern. Dabei kommen häufig Systeme zum Tragen, welche die Interaktionsqualität, d. h. die Qualität, die im unmittelbaren Kontakt zwischen Pflegeperson und dem Bewohnenden entsteht, nicht beachten. Die interviewten Personen von Kinaesthetics Schweiz betonten, dass – wie die aufgeführten Beispiele verdeutlichen – aktuell das Verständnis von Qualität in der Gesundheitspolitik bzw. im Gesundheitssystem schwer mit dem Qualitätsverständnis von Kinästhetik vereinbar ist. Die Verantwortlichen müssten den Pflegenden mehr Vertrauen entgegenbringen, damit sie eine qualitativ hochwertige Pflege leisten können und weniger das Kontrollparadigma in den Vordergrund stellen. Denn gerade bei Kinästhetik geht es nicht darum, eine Tätigkeit nur durchzuführen, um sie dann in der Dokumentation abhaken zu können. Es geht vielmehr darum, dass die Bewohnenden in der Interaktion etwas für und über die Bewegung lernen. Diese Qualität, die sich im Moment der Handlung zeigt, ist gar nicht oder nur sehr schwer messbar.

Dieses Qualitätsverständnis drückt sich ebenfalls in dem derzeitigen Finanzierungssystem aus, „… dessen Abrechnungssystem (…) nicht kompetenzorientiert aufgebaut [ist]“ (E4: Abs. 33). Das derzeitige Finanzierungssystem schafft Anreize, die Bewohnenden „unselbstständiger“ zu machen, da eine höhere Pflegeabhängigkeit höhere finanzielle Einnahmen bedeutet, fähigkeitsfördernde und -erhaltende Pflege wird somit finanziell schlechter bezahlt. Die Krankenkassen kontrollieren weniger die eigentlichen Pflegehandlungen, sondern vielmehr die Dokumentation. Die individuelle Pflege, bei der sich die Fachperson der jeweiligen Situation anpasst und in ihrem Handeln die Grundlagen von Kinästhetik berücksichtigt, wird in diesen Systemen nicht oder nur unzureichend abgebildet.

Als weiterer Einfluss von außen ist auch der Auftrag an die Institutionen zu sehen, wie nachfolgendes Zitat aufzeigt: „Heutzutage ist es wichtig, Kinästhetik als Institution anzubieten und sagen zu können: Wir arbeiten mit Kinästhetik“ (E4: Abs. 6). Von den Institutionen wird erwartet, dass neben Therapeuten und Aktivierungspersonen auch die Pflegepersonen in alltäglichen Pflegehandlungen die Gesundheit und die Bewegung der Bewohnenden fördern.

Auf die Vernetzung mit anderen Organisationen – im CFIR unter dem Begriff „Kosmopolitismus“ – wurde in den Interviews nicht eingegangen.

Einzuführende Neuerung

Mögliche Einflussfaktoren auf der Ebene der einzuführenden Neuerung werden im CFIR deutlich umfassender beschrieben, als es die Expertinnen und Experten in den Interviews thematisieren.

Die interviewten Personen fokussierten bezüglich der Intervention hauptsächlich den Aspekt der Komplexität. Die Aspekte „relativer Nutzen“, „Testbarkeit“, „Beobachtbarkeit der Auswirkungen“, „Adaptierbarkeit“, „Herkunft/Quelle der Intervention“, „Güte und Stärke der Evidenz“, „Qualität des Designs und Gesamtpaketes“, die im CFIR explizit aufgeführt werden, wurden von den interviewten Personen im Zusammenhang mit der Implementierung von Kinästhetik nicht beschrieben. Dafür kam in den Interviews deutlich zum Ausdruck, dass die Komplexität von Kinästhetik als Intervention an sich schon eine große Herausforderung darstellt. Kinästhetik gibt keine Techniken vor, sondern vermittelt Grundprinzipien von menschlicher Bewegung und Bewegungsunterstützung, welche individuell, flexibel und kreativ an den jeweiligen Situationsmoment angepasst werden. Die Umsetzung von Kinästhetik verlangt zum einen theoretisches Wissen und zum anderen eine Verhaltensänderung. Bis Pflegepersonen Kinästhetik verinnerlicht haben, ist viel Übung notwendig. Die Förderung der Kompetenz benötigt dabei neben der Vermittlung von theoretischem Basiswissen und dem „Ausprobieren“ in der Praxis, v. a. auch die Selbsterfahrung, um die Eigenwahrnehmung zu schulen und Zusammenhänge begreifbar zu machen.

Implementierungsprozess

Einflussfaktoren bezüglich des Implementierungsprozesses im Sinne von „Planung“, „Motivation und Einbindung“, „planmäßige Durchführung“ und „Reflexion und Evaluation“, wie sie im CFIR dargestellt werden, wurden von den interviewten Personen nicht explizit angesprochen.

Diskussion

Gegenstand des vorliegenden Beitrags ist, die im CFIR benannten Einflussfaktoren zu konkretisieren bzw. durch weitere Faktoren, die – aus Sicht von Expertinnen und Experten – bei der Implementierung von Kinästhetik eine Rolle spielen können, zu ergänzen. Somit wird im Folgenden weniger die Rolle der jeweiligen Einflussfaktoren bei der Implementierung von Kinästhetik diskutiert – dies erfolgt in vertieftem und umfassenderem Maß nach Beendigung des Dissertationsprojektes – sie strebt vielmehr einen Vergleich der Interviewaussagen mit dem CFIR in Bezug auf den strukturgebenden Rahmen des Dissertationsprojektes an und diskutiert die aufgeführten Diskrepanzen.

Auch wenn die Ergebnisse der Expertenaussagen nur einen im CFIR nichtbenannten Einflussfaktor hervorbrachten – die Kinästhetikkompetenz der Leitungspersonen – konnten doch manche im CFIR beschriebenen Einflussfaktoren durch die Ergebnisse der Interviews konkreter in Bezug auf die Implementierung von Kinästhetik dargestellt werden. Dies betrifft insbesondere den Aspekt der externen Regulationen und Anreizbedingungen, der durch die Expertenaussagen mit den Unterkategorien „Qualitätsverständnis im Gesundheitswesen“, „Finanzierungssystem“, „Auftrag an die Institutionen in der stationären Langzeitpflege“ und „Verankerung in der Pflegeausbildung“ praxisnaher beschrieben und dadurch greifbarer gemacht werden konnte. Diese Konkretisierung des im CFIR aufgeführten Aspekts der externen Regulationen und Anreizbedingungen kann im Dissertationsprojekt zur fokussierten Betrachtung des Kontextes der einzelnen Fälle herangezogen werden. Der Kontext eines Falls ist ein wesentlicher Bestandteil jeder Case study, der sich dadurch auszeichnet, dass er den jeweiligen Fall umfasst und ihn beeinflusst (Yin 2018). Eine bezüglich der Kontextthematik durchgeführte Literaturrecherche ergab sehr konträre Aussagen von Vertretern der Case study darüber, wie bzw. an welcher Stelle im Forschungsprozess eine Eingrenzung des Kontextes stattfinden sollte. Yin (2018) mit seiner postpositivistischen Betrachtungsweise propagiert, die konkrete Festlegung des Kontextes zu Beginn der Studie und alle weiteren methodischen Überlegungen darauf aufzubauen. Stake (2006) hingegen vertritt eher eine konstruktivistische Vorgehensweise, die die Definierung des Kontextes während der Datensammlung bzw. -analyse fokussiert und somit eine flexible Anpassung ermöglicht. Obwohl die Gesamtstudie der konstruktivistischen Sichtweise von Stake folgt, leisten die Ergebnisse der Experteninterviews einen wertvollen Beitrag, den Kontext in einem ersten Schritt vorläufig zu definieren, mit der Option, ihn jederzeit im Forschungsprozess anzupassen, wenn sich aus der Datenlage die Notwendigkeit ergibt.

Trotz der im Rahmen der Experteninterviews vielschichtig beschriebenen Einflussfaktoren, welche durch die Pflegepersonen hervorgerufen werden, wurden die im CFIR aufgeführten Faktoren „Selbstwirksamkeitsüberzeugungen“, „Veränderungsphase, in der sich das Individuum befindet“ und die „individuelle Identifikation mit der Organisation“ von den interviewten Personen nicht genannt. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass gerade diese Eigenschaften der Pflegepersonen wesentlich die Implementierung von Kinästhetik beeinflussen. Denn die Entwicklung der Kinästhetikkompetenz erfordert bei den Pflegepersonen eine Veränderung im Verhalten und muss dementsprechend angestrebt werden (Gattinger et al. 2016). Dies verdeutlicht, ebenso wie die im vorherigen Absatz beschriebenen Aspekte, dass Leitungspersonen, die für die Implementierung von Kinästhetik in einer Einrichtung verantwortlich sind, dringend hinsichtlich Implementierungsprozessen und deren Einflussfaktoren geschult werden sollten. Denn trotz mittlerweile umfangreich vorhandener theoretischer Konzepte und Frameworks finden diese zu wenig Anwendung bei der Implementierung von Interventionen (Davies et al. 2010).

Der Abgleich mit dem CFIR weist darauf hin, dass die Expertinnen und Experten, die in den Interviews zu fördernden und hindernden Faktoren befragt wurden, ihren Fokus auf die Einflussfaktoren innerhalb der jeweiligen Institution richteten. Dies trifft v. a. auf die Aussagen der Leitungspersonen mit Expertise in der stationären Langzeitpflege zu. Sie scheinen den externen Fokus und die Einflussfaktoren, die die zu implementierende Neuerung betreffen, wenig zu fokussieren. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Expertinnen und Experten im Interview die Intervention Kinästhetik als gegeben angesehen und dadurch nicht per se hinterfragt haben. Dies mag auch daran liegen, dass im Interviewleitfaden die Innovation an sich keinen eigenen Stellenwert eingenommen hat, sondern nur nach den Einflussfaktoren bei der Implementierung von Kinästhetik gefragt wurde. In Bezug auf die Komplexität der Intervention scheint sich Kinästhetik stark von anderen Interventionen abzuheben. Die Schwierigkeit, Kinästhetik zu implementieren, zeigt sich v. a. darin, dass jede Situation einzeln und individuell betrachtet werden muss. Da sich das Handlungsfeld der Pflege an sich schon sehr komplex darstellt, orientieren sich Pflegende gerne an Handlungsanweisungen und fokussieren vorgegebene Techniken (Mayer 2015). Kinästhetik fordert im Gegensatz dazu von den Pflegenden, offen zu sein (Gattinger et al. 2016) und in der jeweiligen Situation angepasst zu handeln (Maurer et al. 2018). Dies erschwert unweigerlich den Implementierungsprozess.

Zudem scheinen die Pflegeinstitutionen, in denen laut den interviewten Personen mit Leitungsverantwortung Kinästhetik bereits implementiert ist, den Implementierungsprozess sehr unterschiedlich und wenig strukturiert vorgenommen zu haben. Erstaunlich ist, dass keine der leitenden Personen aus den 3 Praxiseinrichtungen von einem Kinästhetikimplementierungskonzept sprach. Pflegeinstitutionen nutzen scheinbar keine Implementierungskonzepte, wie z. B. den CFIR, um Interventionen wie Kinästhetik zu implementieren. Die sehr unterschiedlich geschilderte und offensichtlich wenig geplante Implementierung, die in den einzelnen Einrichtungen erfolgte, deutet jedoch darauf hin, dass solch ein Rahmenkonzept dringend notwendig ist, damit die sLZP-Einrichtungen strukturiert und nachhaltig Kinästhetik in den pflegerischen Alltag implementieren können, zumal die hohe Komplexität von Kinästhetik eine wesentliche Herausforderung im Implementierungsprozess darstellt (Arnold 2000; Fringer et al. 2014). Personen mit Leitungsverantwortung in stationären Pflegeeinrichtungen sollten bei der Implementierung von Kinästhetik darauf sensibilisiert werden, die Einflussfaktoren, die den externen Kontext und den Implementierungsprozess betreffen, stärker in den Fokus zu nehmen. Ebenso sollten die für eine nachhaltige Implementierung von Kinästhetik verantwortlichen Personen neben der Komplexität auch alle weiteren Aspekte, die aufgrund dieser komplexen Intervention den Implementierungsprozess beeinflussen können, beachten.

Limitationen

Die für den Problemaufriss durchgeführten Experteninterviews konnten zur Beantwortung der vorliegenden Fragestellungen genutzt werden.

Als limitierend muss erwähnt werden, dass im Rahmen des Problemaufrisses nur eine kleine Anzahl von 5 Experten befragt wurde. Allerdings konnten durch die unterschiedliche Expertise der interviewten Personen die Einflussfaktoren aus verschiedenen Leitungsperspektiven erhoben werden. Einen weiteren Blickwinkel brachten die beiden Personen mit ausgeprägter Kinästhetikexpertise in die Datensammlung, da beide bereits in der Vergangenheit mehrere Langzeitpflegeinstitutionen bei der Implementierung von Kinästhetik begleitet haben und dadurch einen umfassenden Eindruck von außen gewinnen konnten.

Generell kann im Rahmen des Abgleichs der Ergebnisse der Interviews mit dem CFIR jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die von den Expertinnen und Experten vernachlässigten möglichen Einflussfaktoren keinen Einfluss auf die Implementierung von Kinästhetik in die stationäre Langzeitpflege haben. Es ist vielmehr dem Umstand verschuldet, dass die Experteninterviews sehr offen geführt wurden, mit dem Bestreben, mögliche zusätzliche Faktoren, welche im CFIR nicht beschrieben werden, zu ermitteln.

Schlussfolgerungen für Forschung und Praxis

Der vorliegende Beitrag verfolgt das Ziel, die Aussagen von Expertinnen und Experten bezüglich möglicher Einflussfaktoren auf die Implementierung von Kinästhetik zu ermitteln und mit den im CFIR benannten Faktoren zu vergleichen.

Insgesamt zeigt sich, dass der CFIR sehr umfassend mögliche Einflussfaktoren, die bei der Implementierung von Interventionen berücksichtigt werden sollten, abdeckt und sich somit gut als Rahmenmodell bei der Ermittlung konkreter Einflussfaktoren bei der Implementierung einer Intervention eignet. Da es jedoch ein Wesenszug von Modellen ist, sich in einer abstrakteren Form zu präsentieren, können Expertenaussagen auf eine unterstützende Art und Weise wertvolle Aspekte liefern, die die im CFIR benannten Faktoren konkretisieren und dadurch greifbarer machen. Dadurch deutet der Vergleich des CFIR mit den Aussagen der Expertinnen und Experten darauf hin, dass die Forderung von Breimaier et al. (2015) nach Offenheit berechtigt ist, insbesondere, wenn es sich bei der Implementierung um Interventionen wie Kinästhetik handelt, bei denen keine klaren Handlungsanweisungen ausgesprochen werden können.

Die Interviewergebnisse liefern einen ersten Eindruck bezüglich der Implementierungsprozesse von Kinästhetik in Schweizer sLZP-Einrichtungen. Im Vergleich mit dem CFIR zeigt sich aber, dass noch etliche weitere Faktoren die Implementierung von Kinästhetik beeinflussen können. Zudem zeigen die Ergebnisse, dass Experten und Expertinnen, die für die Implementierung von komplexen Interventionen zuständig sind, wie z. B. Kinästhetik, anscheinend zu wenig mögliche Einflussfaktoren im Voraus bedenken, geschweige denn auf vorhandene Implementierungsmodelle zurückgreifen. Um Institutionen zukünftig bei der Implementierung von Kinästhetik Handlungsempfehlungen aussprechen zu können, benötigt es neben den bereits durchgeführten Experteninterviews tiefergehende bzw. umfassendere Erhebungen, die den Implementierungsprozess ganzheitlich beleuchten. Gleichzeitig sollten Personen in leitenden Positionen stärker hinsichtlich Implementierungsstrategien und deren Anwendung geschult und sensibilisiert werden, um Kinästhetik nachhaltig und erfolgreich in Langzeitpflegeinstitutionen implementieren zu können.