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Zur Wirtschaftlichkeit bei der Verordnung von AIT-Produkten macht die neue S2k-Leitlinie keinerlei Angaben.

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Im Verordnungsforum der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) Nr. 34 vom April 2015 wurde unter der Überschrift: „SCIT und SLIT: Neue S2k-Leitlinie nimmt Präparate in den Fokus“ eine Bewertung der allergenspezifischen Immuntherapie (AIT) als Behandlungsverfahren allergischer Erkrankungen im Allgemeinen und der aktuell verfügbaren Präparate für die AIT im Besonderen vorgenommen.

Der Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA), die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) und die Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) begrüßen ausdrücklich, dass sich das Verordnungsforum der KVBW mit der wichtigsten Therapieform allergischer Erkrankungen befasst. Zahlreichen Aussagen dieses Beitrages stimmen wir ausdrücklich zu. Wir halten es allerdings für unbedingt erforderlich, einzelne Aspekte des Beitrages zu präzisieren und teilweise zu korrigieren.

Seriös und nützlich

Das Verordnungsforum der KVBW liefert – nach Angaben auf der Homepage der KVBW – „aktuelle und kritische Informationen rund um die rationale und rationelle Pharmakotherapie“. Zudem enthält die Broschüre, die auf der Website www.kvbawue.de/presse/publikationen/verordnungsforum heruntergeladen werden kann, nach dortigen Angaben „wichtige Hinweise zur wirtschaftlichen Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln“. In den 36 Ausgaben des Verordnungsforums, die unter oben genannter Internetadresse abrufbar sind, finden sich zahlreiche Beiträge von hoher Qualität mit wichtigen und wissenschaftlich seriös recherchierten Informationen für die niedergelassenen Ärzte in Baden-Württemberg.

Vor diesem Hintergrund begrüßen es die oben gennannten allergologischen Gesellschaften Deutschlands explizit, dass sich eine kassenärztliche Vereinigung mit der AIT und der diesbezüglichen neuen Leitlinie [Pfaar O et al. Allergo J Int 2014;23:282–319] auseinandersetzt. Es handelt sich bei der AIT nicht nur um die einzige kausale, sondern sicherlich auch um die rationalste, rationellste und langfristig wirtschaftlichste Therapieform allergischer Erkrankungen.

Betroffen machen uns als allergologische Gesellschaften allerdings die offensichtlichen Fehlinterpretationen der AIT-Leitlinie, die unserer Ansicht nach dringend einer Kommentierung und Richtigstellung bedürfen.

Fehlinterpretationen im KVBW-Verordnungsforum

Diese Fehlinterpretationen zeigen sich insbesondere in den beiden nicht nummerierten Abbildungen „Patienten-Durchschnittskosten nach Applikationsart“ und „Evidenz/Zulassungsklassifikation nach DGAKI-Patientenkosten je nach Allergenquelle 2013“ auf Seite 14 des Beitrags.

Die Autoren ziehen zudem (auf Seite 13 des Beitrags, 2. Spalte rechts unten) die Schlussfolgerung „Untersuchungen zur Verordnungsrealität in Baden-Württemberg zeigen, dass patientenbezogen keine Kostenunterschiede zwischen SCIT- und SLIT-Behandlungen bestehen. Ferner wird deutlich, dass in Baden-Württemberg SIT-Produkte ohne Zulassung und ohne Nachweis der jetzt geforderten Evidenzkriterien die höchsten Patientenkosten darstellten.“ (Anmerkung der Redaktion: SCIT, subkutane Immuntherapie; SLIT, sublinguale Immuntherapie)

Es ist für uns nicht nachvollziehbar, wie auf der Grundlage der oben genannten Abbildungen diese Aussagen getroffen werden können. Vor allem ist für uns nicht nachvollziehbar, wie die von uns mit erstellte Leitlinie zur AIT und die hierin enthaltene tabellarische Auflistung der AIT-Produkte zur Begründung für diese Schlussfolgerungen verwendet werden kann.

Diskussion über Evidenz versus Wirtschaftlichkeit

Die Auswahl der in die Leitlinientabelle eingegangenen Literatur erfolgte nach streng definierten wissenschaftlichen Kriterien, die von der Leitliniengruppe speziell zu diesem Zweck definiert wurden. Die so entstandene Auswahl an Studien entstand allein aus der Veranlassung, wissenschaftliche Informationen zur Evidenz der aufgelisteten Präparate unter definierten Kriterien darzustellen.

Diese nun mit einem neuen Beurteilungskriterium wie der hier genannten “Evidenz/Zulassungsklassifikation” zu bewerten, macht wissenschaftlich überhaupt keinen Sinn, da die Anwendung dieses Kriteriums in der primären Literatursuche gegebenenfalls zu einer völlig anders zusammengesetzten Literaturauswahl geführt hätte.

Gerade derartige Interpretationen hat die Leitliniengruppe aber nicht beabsichtigt. Ausdrücklich wird daher in der Leitlinie und den angehängten Tabellen darauf hingewiesen, dass die Informationen in der benannten Tabelle nicht als Entscheidungsgrundlage zur Verordnungs- beziehungsweise Erstattungsfähigkeit im Sinne einer Positiv- oder Negativliste geeignet sind.

Insbesondere enthält die Leitlinie keinerlei Angaben zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Verordnungsweise, wie sie nach § 12 SGB V Absatz 1 Voraussetzung für eine Verordnung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherungen ist (siehe untenstehender Kasten zur Begriffsdefinition). Insbesondere die „Wirtschaftlichkeit“ wird hierbei in der Leitlinie nicht betrachtet.

Der Autor/die Autoren im KVBW-Verordnungsforum versuchen nun aber, auf der Grundlage der Leitlinie aus einer Evidenzbetrachtung eine „Zulassungsklassifikation“ zu erstellen und aufgrund dieser die Wirtschaftlichkeit der AIT-Produkte zu bewerten.

Auf Seite 14 (rechte Spalte oben) findet sich die Aussage: „Fraglich ist, ob Investitionen in nicht wirksame Produkte langfristig sinnvoll sind. Nichts ist unwirtschaftlicher als Therapien, die nicht wirken, so preisgünstig diese auch sind.“

Dieser Aussage ist sicherlich grundsätzlich zuzustimmen. Unzutreffend wird hier aber der Eindruck erweckt, dass die Leitlinie Grundlage der oben genannten Klassifikation sei und diese vom Autor/den Autoren verwendete „Evidenz/Zulassungsklassifikation“ decke. Dies ist aber keineswegs der Fall.

„Evidenz“ und „Wirksamkeit“ sind zwei unterschiedliche Begriffe, die zwar häufig im Zusammenhang benutzt werden, keineswegs jedoch gleich zu setzen sind. Der Begriff „Evidenz“ im Kontext der evidenzbasierten Medizin leitet sich vom lateinischen „Evidentia“ ab und steht umgangssprachlich für „Offensichtlichkeit, Klarheit, Beweis“, was sich im englischen Wort „evidence“ (Nachweis/Beweis) widerspiegelt und zum Begriff der „Evidence-based Medicine“ geführt hat. Evidenz bezieht sich hierbei auf die Informationen aus klinischen Studien, die einen Sachverhalt erhärten oder widerlegen. Die „Wirksamkeit“ hingegen stellt diesen Sachverhalt selbst dar.

Die Leitlinie und die angehängten Tabellen treffen bewusst im Wesentlichen Aussagen zur Evidenz der aufgeführten Produkte und nur in geringem Maße zur Wirksamkeit. Evidenz bezieht sich aber nicht auf die Höhe der Wirksamkeit, sondern lediglich auf die Offensichtlichkeit, mit der im speziellen Fall nachgewiesen ist, dass ein Produkt wirksam – oder eventuell eben auch unwirksam – ist.

Da die Beurteilung der Evidenz, mit der die Wirksamkeit einer Intervention gezeigt wird, keine Rückschlüsse auf die Größenordnung des Effekts der Intervention ermöglicht, kann fehlende Evidenz nicht mit fehlender Wirksamkeit gleichgesetzt werden. Eine Intervention mit noch nicht nachgewiesener Evidenz kann sich bei Vorliegen zusätzlicher Daten als wirksam erweisen. Allerdings muss diese Wirksamkeit dann auch in entsprechenden Studien nachgewiesen werden, bevor die Anwendung des Präparates am Patienten empfohlen werden kann. Hierfür sieht die Therapieallergene-Verordnung eine Übergangsphase vor, in der für noch nicht zugelassene AIT-Präparate die notwendigen Studien durchgeführt und vorgelegt werden können. Präparate, für die nach dieser Übergangsphase weiterhin Wirksamkeitsnachweise fehlen, sollten von den Behörden konsequent vom Markt genommen werden.

Diese Bewertung durch die Leitlinie geschieht vor dem Hintergrund, dass klinische Studien, die den Effekt der AIT beurteilen, vollkommen unterschiedlich angelegt sind. Auch ist bei Betrachtung verschiedener Studien zur AIT zu beachten, dass die Wirkstärke der Behandlung durch Randbedingungen beeinflusst werden kann, zu denen beispielsweise gehören:

  • Ausprägung der Symptome in der untersuchten Population

  • Sensibilisierungsrate der Probanden

  • Ausprägung des Pollenflugs in der Auswertsaison

  • statistische Methoden der Studienauswertung (alle eingeschlossenen [ITT] vs. nur die nach Protokoll beendeten Probanden [PP])

  • Definitionen verschiedener Zielkriterien

  • Analytische Methoden

Zudem haben sich die Kriterien zur Wirksamkeitsbeurteilung im Laufe der Zeit gewandelt. Behördliche Zulassungen von AIT-Produkten wurden vor einigen Jahrzehnten nach anderen Kriterien erteilt als heute. Dies spiegelt lediglich die Weiterentwicklung der medizinischen Wissenschaft wider und ist keinesfalls ein Qualitätskriterium per se. Die in der neuen Leitlinie ausgewählten WAO-Kriterien stehen beispielsweise erst seit 2009 zur Verfügung und fanden daher nur Eingang in neuere Studien mit neueren Produkten.

Die Therapieallergene-Verordnung

Der Gesetzgeber berücksichtigt diese Eigenheiten der AIT in der „Verordnung über die Ausdehnung der Vorschriften über die Zulassung der Arzneimittel auf Therapieallergene, die für einzelne Personen auf Grund einer Rezeptur hergestellt werden, sowie über Verfahrensregelungen der staatlichen Chargenprüfung“ – kurz: Therapieallergene-Verordnung (TAV) vom 7. November 2008 (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil I Nr. 51). Er schreibt hierin die arzneimittelrechtliche Zulassung für alle SIT-Produkte vor, die häufig verwendete Allergene enthalten. Als solche werden Pollen von Süßgräsern (Familie der Poaceae außer Mais), frühblühenden Bäumen (Birke, Erle, Hasel), Hausstaubmilben sowie Bienen- und Wespengift festgelegt.

Für diese Allergene muss – falls noch keine Zulassung besteht – immer ein Zulassungsverfahren eingeleitet werden, in dem Produktqualität, präklinische Daten, Wirksamkeit und Verträglichkeit aus doppelblind, placebokontrollierten Studien durch das Paul-Ehrlich-Institut überprüft werden. Eine neue Zulassung wird nur erteilt, wenn ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis nachgewiesen ist.

Es erscheint daher angeraten, dem Paul-Ehrlich-Institut die Beurteilung dieser Parameter anzuvertrauen und nicht eigene Parameter wie die hier aufgeführte „Evidenz/Zulassungsklassifikation“ zu entwickeln.

Vor allem berücksichtigt der Gesetzgeber auch, dass es Therapieallergene gibt, die nicht den in der TAV genannten Gruppen angehören, wie beispielsweise Kräuterpollen (Ragweed, Beifuß, Wegerich etc.), Schimmelpilze (Alternaria, Cladosporium etc.), Tierepithelien (Katzenepithelien etc.) und andere mehr. Dies geschah aus gutem Grund, da für seltene Allergene oder Allergenmischung die für eine Zulassung notwendigen Studien mit großen Patientenzahlen schon allein aufgrund der Anzahl benötigter Patienten nicht möglich sind.

Die Befreiung für patientenindividuell hergestellte Therapieallergene von der Zulassungspflicht war bislang in der 14. AMG-Novelle von 2005 geregelt. In § 21 Abs. 2 Nr. 1 b AMG sind spezifische Immuntherapeutika, die aufgrund einer Rezeptur hergestellt werden, ausdrücklich von der Pflicht zur Zulassung freigestellt: „Einer Zulassung bedarf es nicht für Arzneimittel, die (...) für einzelne Personen auf Grund einer Rezeptur als Therapieallergene (...) hergestellt werden.“ Diese Regelung ist durch die TAV für diese seltenen Allergene nicht aufgehoben.

Kostendiskussion

Auch bezogen auf die Abbildung „Patienten-Durchschnittskosten nach Applikationsart“ auf Seite 14 des Beitrags und die Aussage „Untersuchungen zur Verordnungsrealität in Baden-Württemberg zeigen, dass patientenbezogen keine Kostenunterschiede zwischen SCIT- und SLIT-Behandlungen bestehen“ haben die unterzeichnenden allergologischen Gesellschaften Deutschlands erhebliche Bedenken bezüglich der Datengrundlage und -auswertung.

Patientenbezogene Behandlungskosten können nur auf der Basis von Kosten je Effektstärke berechnet werden, das heißt desjenigen Betrags in Euro, der benötigt wird, um ein vordefiniertes Ausmaß an Wirksamkeit zu erzielen. Es bleibt fraglich, wie diese Berechnung auf der Grundlage der oben dargestellten Fakten und den der KV Baden-Württemberg zur Verfügung stehenden Daten erfolgte.

Beispielsweise ermöglicht eine Packung eines in Deutschland am häufigsten verordneten Präparates für die SCIT in der Erhaltungstherapie eine Behandlung über mindestens 10 Monate (10-mal die Höchstdosis bei einer Injektion pro Monat), bei anderen Präparaten zur SLIT mit Tabletten (täglich eine Tablette) jedoch nur für ca. 3 bis 3,3 Monate (90 beziehungsweise 100 Tabletten). Sollte jedoch von dem SCIT-Präparat nicht die Höchstdosis, sondern eine individuelle Erhaltungsdosis verabreicht werden und nicht in monatlichen Injektionen, sondern beispielsweise in 2- oder in 6-wöchigen Injektionsintervallen, so ergeben sich vollkommen andere Kosten.

Hinzu kommen weitere Besonderheiten der AIT, die zum Beispiel eine Anwendung als prä-/ kosaisonale oder perenniale Immuntherapie möglich machen. Diese Vorgehensweisen sind jedoch leitliniengerecht und patientenindividuell notwendig.

Wir gehen davon aus, dass all diese Informationen über die im Bereich der KVBW behandelten SCIT- und SLIT-Patienten in den oben genannten Berechnungen nicht berücksichtigt werden konnten – wären aber für einen Hinweis dankbar, falls sie doch in die Analysen eingegangen sind und wie die Berechnungen erfolgten.

Unzulässige Interpretation der Leitlinientabelle

All dies zeigt, dass eine weitergehende Interpretation der Leitlinientabelle, wie sie vom Autor/den Autoren hier versucht wird, generell nicht sinnvoll ist. Jegliche sinnvolle Interpretation ist in der Leitlinientabelle bereits enthalten. Weitergehende Auslegungsversuche sind entweder redundant oder geeignet, Sinn und Zweck der von der Leitliniengruppe beabsichtigten Aussagen zu verfälschen.

Leider muss abschließend auch bemerkt werden, dass die beiden Abbildungen „Patienten-Durchschnittskosten nach Applikationsart“ und „Evidenz/Zulassungsklassifikation nach DGAKI-Patientenkosten je nach Allergenquelle 2013“ auf Seite 14 des Beitrags jegliche wissenschaftlich notwendige Aussage zur Datenbasis und Interpretation der dargestellten Daten vermissen lässt. Die Abbildungen oder ihre Legenden enthalten keinerlei Angaben über die statistischen Grundlagen der Auswertung. Werden hier arithmetische Mittelwerte oder Mediane angegeben? Für die statistische Beschreibung von quantitativen, stetigen Merkmalen wird üblicherweise der arithmetische Mittelwert als „Durchschnittswert“ angegeben. Handelt es sich hierbei also um die Summe aller beobachteten Werte geteilt durch die Gesamtzahl der Beobachtungen? Ein solcher Wert würde einen für die beobachtete Population typischen Wert repräsentieren, wäre jedoch bei schiefer Verteilung der Daten im Stichprobenumfang nicht sinnvoll anwendbar. Zudem werden keine Maßzahlen für Streuung und Varianz der Daten wie eine Standardabweichung angegeben.

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

  1. 1.

    Die publizierte S2k-Leitlinie zur AIT gibt eine hervorragende Übersicht zur Evidenz in Deutschland erhältlicher Allergenpräparate für die AIT.

  2. 2.

    Der Autor/die Autoren des KVBW-Artikels haben Kernaussagen der neuen AIT-Leitlinie zwar richtig zitiert, die Schlussfolgerungen hieraus in der nicht nummerierten Abbildung „Evidenz/Zulassungsklassifikation nach DGAKI-Patientenkosten je nach Allergenquelle 2013“ auf Seite 14 des Beitrags und die Interpretation auf Seite 13 des Beitrags, 2. Spalte rechts unten sind jedoch unzutreffend.

  3. 3.

    Entscheidungen zur Erstattungsfähigkeit von AIT-Produkten müssen auf Kosten-Nutzen-Analysen basieren, und nicht ausschließlich auf einer Evidenzbewertung.

  4. 4.

    Dem Paul-Ehrlich-Institut obliegt die Entscheidung über die Verkehrsfähigkeit der auf dem deutschen Markt zur Verfügung stehenden Therapieallergene. Aktuell verkehrsfähige Therapieallergen-Produkte müssen für die Vertragsärzte verordnungsfähig bleiben.

  5. 5.

    Präparate, für die nach der in der TAV vorgesehenen Übergangsphase kein Wirksamkeitsnachweis vorliegt, sollten von den Behörden konsequent vom Markt genommen werden.

Begriffsdefinition

SGB V § 12: Wirtschaftlichkeitsgebot

„Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.“

§ 12 SGB V Absatz 1

Der Begriff Wirtschaftlichkeit wird hierbei wie folgt definiert: „Die vertragsärztliche Versorgung ist ‚wirtschaftlich‘, wenn der Vertragsarzt (Leistungserbringer) die (notwendigen, ausreichenden und zweckmäßigen) Leistungen mit einem möglichst geringen Aufwand an ‚Kosten‘ (im Sinne von Ausgaben der Krankenkassen) erbringt.“

Auszug aus der KBV-Fortbildung Nr. 9

Die Begriffe „zweckmäßig“, „ausreichend“ und „notwendig“ sind wie folgt definiert:

  • Zweckmäßig ist eine ärztliche Maßnahme, die objektiv geeignet ist, auf den angestrebten Zweck, den Heilerfolg hinzuwirken.

  • Ausreichend sind Leistungen, wenn sie dem Einzelfall angepasst sind, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen und den medizinischen Fortschritt berücksichtigen. Die Leistung muss gerade dazu genügen, den angestrebten Heilerfolg zu erzielen. Der Leistungserbringer bzw. Leistungsveranlasser ist zu mengenmäßigen Betrachtungen seiner Handlungen verpflichtet. Zur Verdeutlichung kann hierbei das Schulnotensystem herangezogen werden.

  • Notwendig ist eine Behandlung, die nicht über den Umfang dessen hinausgeht, was im Einzelfall zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit unentbehrlich ist. Notwendig ist alles, worauf der Arzt bei der Behandlung eines Patienten nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht verzichten darf, andernfalls ist die Behandlung nicht ausreichend.

Zielen die Kriterien zweckmäßig und ausreichend darauf ab, dass nicht weniger geschieht, als zur Erzielung des Heilerfolges geschehen muss, soll mit dem Kriterium notwendig sichergestellt werden, dass nicht mehr geschieht, als diesem Ziel entspricht.