1 Einleitung

Die Erhebung von professionellem Wissen im Bereich der Lehrerausbildung hat in den letzten Jahren vermehrt an Bedeutung gewonnen und ist auch für die Mathematikdidaktik ein zentrales Thema. Einschlägige empirische Untersuchungen können einen Beitrag zu immer wieder geforderten Umgestaltungen der Mathematiklehrerausbildung leisten und empirisch gestützt deutlich machen, welche Maßnahmen nötig sind bzw. welche Effekte sie ggf. ausüben. Dazu ist nötig, die zugrundeliegenden theoretischen Konstrukte des professionellen Wissens von Mathematiklehrkräften fachlich zu fundieren und inhaltlich gut zu begründen. Dies stellt die Mathematikdidaktik insbesondere vor die Herausforderung, mathematisches Fachwissen und fachdidaktisches Wissen genauer zu beschreiben und auf der Basis von Testitems zu operationalisieren.

Für den Bereich der Fachwissenschaft scheint dies mittlerweile in Deutschland durch die Erfahrungen mit TIMSS (u.a. Baumert et al. 2000a, 2000b) und PISA (u.a. Baumert et al. 2001) und im Bereich der Lehrerbildung durch COACTIV (Kunter et al. 2011) trotz behände geübter Kritik (z.B. Jahnke und Meyerhöfer 2006) zur gängigen Forschungspraxis zu gehören. Auch im internationalen Bereich finden sich mit MT21 (Blömeke et al. 2008; Schmidt et al. 2011), TEDS-M 2008 (Blömeke et al. 2010a, 2010b; Tatto et al. 2012) und der LMT-Studie der Michigan Gruppe (Hill et al. 2008) prominente Vertreter von Large-Scale-Assessments, die das professionelle Wissen von (zukünftigen) Lehrkräften analysieren. Mittlerweile sind hierzulande eine Vielzahl weiterer Studien entstanden, die das fachmathematische Wissen – oder Facetten von diesem – der Lehrkräfte bzw. Lehramtsstudierenden in verschiedenen Ausbildungsgängen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Form von schriftlichen Leistungstests untersuchen (u.a. Rach und Heinze 2011; Buchholtz und Kaiser 2013b; Eilerts et al. 2012).

Wenn es um die Frage der Konzeptualisierung fachdidaktischen Wissens innerhalb von Large-Scale-Assessments geht, gelingt dies weniger leicht, da das Wissen wenig homogen erscheint und seine Messbarkeit in schriftlichen Leistungstests Psychometrie und Fachdidaktik vor Herausforderungen stellt. Die Folgen der theoretischen Frage, was zu messen beansprucht wird, schlagen sich in der Operationalisierung auf Itemebene nieder. So konzeptualisieren bisherige einschlägige Studien das fachdidaktische Wissen in erster Linie stark mathematisch orientiert, so dass es nicht verwunderlich scheint, dass empirisch in der Regel starke Zusammenhänge zum fachlichen Wissen diagnostiziert werden. Es finden sich etwa in COACTIV, MT21 und TEDS-M 2008 jeweils latente Korrelationen zwischen Fachwissen und fachdidaktischem Wissen im Bereich zwischen 0,63 und 0,81 (vgl. Kunter et al. 2011, S. 150; Blömeke et al. 2008, S. 71, 2010b, S. 212). Aus den Indizien, dass „reine“ Mathematiker(innen) in ihrem fachdidaktischen Können durchaus an Mathematik-Lehrer(innen) heranreichen (Krauss et al. 2008), folgert Neuweg (2011) sogar, dass das fachdidaktische Wissen als eine Funktion des Fachwissens und anderer, nicht-ausbildungsgebundener Faktoren interpretiert werden könnte. Aus mathematikdidaktischer Sicht und auch aus Sicht der Lehrerausbildung sollten diese Schlüsse alarmieren und den Blick für die Inhalte schärfen, die in den eingesetzten Skalen zum fachdidaktischen Wissen erfasst werden. Problematisch kann das enge Verhältnis zwischen dem in den einschlägigen Studien oft als „stoffdidaktisch“ bezeichneten fachdidaktischen Wissen und der Mathematik nämlich dann werden, wenn sich hinter intendiert fachdidaktischen Testaufgaben lediglich in den Schulkontext eingekleidete mathematische Aufgaben verbergen oder wesentliche fachdidaktische Wissensinhalte wie z.B. der Umgang mit Leistungsmessung, Heterogenität oder curricularen Gegebenheiten vernachlässigt werden.

Im vorliegenden Beitrag hinterfragen wir den starken Zusammenhang zwischen mathematischem und mathematikdidaktischem Wissen und formulieren die These, dass für die hohen Korrelationen auch eine einseitige Operationalisierung des fachdidaktischen Wissens mitverantwortlich sein könnte. Individuelle Stärken und Schwächen von Lehrkräften im Fachwissen träten in diesem Falle gleichermaßen im fachdidaktischen Wissen auf, verdeckten aber einen differenzierten Blick auf fachdidaktische Leistungen. In der Teacher Education and Development StudyLearning to Teach (TEDS-LT; Blömeke et al. 2011a, 2013), in der das Professionswissen angehender Lehrkräfte im interdisziplinären Vergleich zwischen den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik untersucht wurde (vgl. Abschn. 5.), verfolgen wir daher eine alternative Konzeptualisierung des mathematikdidaktischen Wissens, die seiner Position zwischen Erziehungswissenschaft, Allgemeiner Didaktik, Pädagogischer Psychologie und Mathematik besser gerecht wird – metaphorisch gesprochen den Fokus also von der bisherigen ausschließlichen Nähe zur Mathematik in die Mitte setzt.

In diesem Beitrag soll der in TEDS-LT gewählte Konzeptualisierungsansatz in seiner inhaltlichen Breite vorgestellt werden. Um darüber hinaus einen konzeptionellen Beitrag zur Diskussion um die Messbarkeit fachdidaktischen Wissens zu leisten, erfolgt eine theoretische Begründung des neuen Ansatzes, was in den bisher empirisch ausgerichteten Beiträgen unterblieben ist. Unser Anliegen besteht in diesem Zusammenhang auch darin, kritisch die vorausgegangenen Studien zu diskutieren und auf methodologische Schwierigkeiten hinzuweisen, die sich angesichts der Komplexität der Domäne Mathematikdidaktik ergeben. Der Beitrag greift dazu im Rahmen einer empiriegestützten Theorieentwicklung in Teilen auf die bereits erschienenen Ergebnisse von Buchholtz und Kaiser (2013a) zurück, die für die empirische Überprüfung des Konzeptionalisierungsansatzes essentiell sind, verwendet diese jedoch mit einem theoretischen Fokus.

Im Folgenden stellen wir zunächst den theoretischen Ansatz für die Erfassung von mathematikdidaktischem Wissen vor, der die Arbeiten in TEDS-LT beeinflusst hat. Anhand der Präsentation ausgewählter Studien und deren Konzeptualisierung des fachdidaktischen Wissens von angehenden oder praktizierenden Lehrkräften verdeutlichen wir anschließend unsere These zum jeweils zugrundeliegenden Zusammenhang von mathematischem und fachdidaktischem Wissen, bevor wir eine neue Konzeptualisierung vorstellen, die mathematikdidaktisches Wissen stärker als eigenständige Wissensdomäne im Spannungsfeld zwischen Mathematik, Erziehungswissenschaft und Psychologie profiliert. Diese Konzeptualisierung wird anschließend in einen Test geprüft. Im Ergebnisteil präsentieren wir die empirischen Ergebnisse zur Überprüfung unserer Strukturannahmen und validieren unsere Konzeption anhand studiengangspezifischer Leistungen.

2 Die theoretische Diskussion um mathematikdidaktisches Wissen

Die Frage, was mathematikdidaktisches Wissen sei und welche Rolle es im Rahmen der Mathematiklehrerausbildung einnehme, lässt sich nicht eindeutig beantworten (zur Aktualität der Frage vgl. z.B. Hefendehl-Hebeker 2013). Sie wird allerdings verständlicher, betrachtet man die umfangreiche Diskussion über Sinn und Bedeutung der Didaktik der Mathematik als Wissenschaft, da die Bestimmung des Forschungsgegenstands gewissermaßen den Charakter mathematikdidaktischen Wissens impliziert. Schon in den 1970er Jahren wurde aufgrund der eigenen Ziele, Inhalte und Forschungsmethoden die Mathematikdidaktik als eine „eigenständige interdisziplinäre Wissenschaft [angesehen], die zwischen den etablierten Wissenschaften Mathematik, Erziehungswissenschaften, Psychologie, Soziologie und Philosophie steht“ (Bigalke 1974, S. 114). Dabei wurde bei der Verortung der Mathematikdidaktik als Wissenschaft aufgrund ihrer systemisch bedingten Abhängigkeit von der Mathematik nicht zuletzt auf die Gefahr von eklektischen Auffassungen über ihren Forschungsgegenstand hingewiesen, „die in der konkreten Forschungsarbeit dann immer auf das Zurückfallen in das einseitige Hervorheben einer Disziplin als des absoluten Bezugspunktes hinauslaufen“ (Otte 1974, S. 127). Auch aus diesem Grund wurde auf die Verschiedenheit von Mathematik und Mathematikdidaktik immer wieder hingewiesen (z.B. Wittmann 1974).

Die Gegenstandsbestimmung der Mathematikdidaktik wurde in den 1980er und 1990er Jahren weitergeführt (u.a. Burscheid 1983; Bauersfeld 1988). Hier wurden insbesondere Befürchtungen einer fehlenden Profilierung der Mathematikdidaktik durch die Übernahme konkreter Forschungsmethoden und Theorien aus den Bezugswissenschaften ohne die Entwicklung einer eigenen „mathematikdidaktischen“ Forschungsmethodik oder Theoriebildung diskutiert. Steiner (1985) wies in seiner „Theorie der Mathematikdidaktik“ aus diesem Grund auf die regulierende und organisierende Funktion der Mathematikdidaktik hinsichtlich der Bezugswissenschaften und das Bestreben um mathematikdidaktische Metatheorien hin. Auch Wittmann (1992) verortete die spezifisch mathematikdidaktische Forschung innerhalb eines didaktischen, von den Bezugswissenschaften zu unterscheidenden Kernbereichs.

Die systemtheoretische Sichtweise auf Mathematikunterricht als ein komplexes Gefüge interagierender Instanzen „Mathematik“, „Lehrer/in“ und „Schüler/in“ lenkte den Blick dabei auf eine Vielzahl von Zusammenhängen und Interdependenzen sowie ferner auf den Theorie-Praxis-Bezug der Disziplin: Die mathematikdidaktische Erkenntnisgewinnung vollziehe sich demnach gerade nicht allein in einem formal-methodischen Zusammenspiel der Bezugswissenschaften, vielmehr mache die Komplexität des Forschungsgegenstands Mathematikunterricht einen synthetisierenden Forschungsprozess notwendig, in dem „konstruktiv“ entwickelte spezifische mathematikdidaktische Theorien in der Praxis empirisch überprüft und analysiert werden (vgl. Steinbring 1998; Wittmann 1992).

Innerhalb dieses Forschungsprozesses lassen sich zwei – auch mit schulischen Traditionen zusammenhängende – fachdidaktische Perspektiven unterscheiden, die sich der konstruktiven und analytischen Forschungsdimension gleichermaßen annehmen (vgl. Steinbring 1998, 2011): „zum einen eine stark gymnasial orientierte stoffbezogene Mathematikdidaktik, zum anderen in enger Beziehung zur Volksschullehrerbildung an den pädagogischen Hochschulen […] eine pädagogische Mathematikdidaktik“ (Steinbring 1998, S. 165). Die die ersten Jahrzehnte mathematikdidaktischer Forschung stark beherrschende Stoffdidaktik besteht dabei aus didaktisch orientierten Sachanalysen bzw. einer fachwissenschaftlichen Fundierung, Aufbereitung und Analyse von Fachinhalten im Hinblick auf deren Lehrbarkeit in der Schule, wobei der Bezug eindeutig bei der Mathematik liegt (vgl. auch Griesel 1974; Blum 1985; Jahnke 1998; Blum und Henn 2003; Steinbring 2011).

Im Zuge der stärkeren Orientierung an Unterrichtsprozessen und den Lernenden vor allem im Grundschulbereich gewannen in den 1970er Jahren neben der stoffdidaktischen Forschung auch psychologische und sozialwissenschaftliche didaktische Untersuchungen zu den kognitiven und schulischen Bedingungen des Lernens und zur Organisation von Mathematikunterricht an Bedeutung. Otte beschreibt die Problematik dieser ausgeweiteten Auffassung der Mathematikdidaktik wie folgt: „Es ist aber meine These, daß die mangelnde Berücksichtigung des inhaltlichen Aspekts mathematischer Lernprozesse die fruchtbare Aufarbeitung gesellschaftswissenschaftlicher Einsichten genauso behindert, wie umgekehrt ein Ausblenden der psychischen und sozialen Voraussetzungen solcher Lernprozesse nur zu einer Fetischierung der Fachinhalte und damit nicht zu ihrer Aufarbeitung für den Zweck des Mathematikunterrichts führt“ (Otte 1974, S. 128). Die beiden fachdidaktischen Orientierungen sollten demnach auch nicht als eine Dichotomie missverstanden werden, sondern eher als unterschiedliche, sich ergänzende Perspektiven mathematikdidaktischer Erkenntnisgewinnung.

Im internationalen Bereich sorgten hinsichtlich der Diskussion um fachdidaktisches Wissen vor allem die auf das professionelle Wissen von Lehrkräften fokussierten Arbeiten von Shulman (1986, 1987) für Aufsehen. Er unterscheidet innerhalb des fachbezogenen Wissens neben dem Fachwissen das „curricular knowledge“ sowie das „pedagogical content knowledge“ (PCK). Während das curricular knowledge die Auswahl und Anordnung von Themen im Unterricht umfasst, versteht Shulman unter dem pedagogical content knowledge das für Lehrkräfte relevante stofflich geprägte Wissen über „the ways of representing and formulating the subject that makes it comprehensible to others“ (Shulman 1986, S. 9). Interessanterweise schließt dies aber ebenso die pädagogisch-didaktischen Inhalte mit ein: „Pedagogical content knowledge also includes an understanding of what makes the learning of specific topics easy or difficult: the conceptions and preconceptions that students of different ages and backgrounds bring with them to the learning of the most frequently taught topics and lessons. If those preconceptions are misconceptions, which they so often are, teachers need knowledge of the strategies most likely to be fruitful in recognizing the understanding of learners […]“ (ebd., S. 9 f.).

Auch hier sollen die beiden unterschiedlichen Perspektiven der Aufbereitung der Fachinhalte und des Lehrens und Lernens also nicht getrennt, sondern in gegenseitiger Ergänzung wahrgenommen werden, was Shulman in seiner Definition von pedagogical content knowledge as specific amalgam zum Ausdruck gebracht hat (Shulman 1987, S. 8). Eine ähnliche Sicht vertritt auch Bromme (1995, 1997) der darüber hinaus die Verbindung zwischen fachdidaktischem Wissen und Shulmans curricular knowledge herstellt: „Um geeignete Formen der Darstellung des Stoffes zu finden, um die zeitliche Abfolge der Behandlung von Themen zu bestimmen und um zu gewichten, welche Stoffe intensiver behandelt werden, ist fachspezifisch-pädagogisches Wissen notwendig“ (Bromme 1997, S. 197). Einschlägige Studien zum professionellen Wissen von Lehrkräften nationaler und internationaler Art beziehen sich mittlerweile auf diese Shulman’sche Terminologie, wenn es um die theoretische Fundierung des untersuchten Wissens geht.

Diesen Argumentationen folgend, vertreten wir die Auffassung, dass es sich bei dem fachdidaktischen Wissen innerhalb der Lehrerbildung um ein Wissen sui generis handelt, welches entsprechend einer vom reinen Fachwissen differenzierten Analyse bedarf (siehe auch Baumert und Kunter 2006). Wir sehen damit als Ausgangspunkt unserer Überlegungen zu einer adäquaten Konzeptualisierung und Operationalisierung des mathematikdidaktischen Wissens (vgl. Abschn. 4.) dieses als eigenständiges stoffdidaktisch und pädagogisch-didaktisch geprägtes Wissen “im Bezugsfeld zwischen der zugehörigen Fachwissenschaft, den Humanwissenschaften und der Lehr-/Lernpraxis“ (Blum und Henn 2003, S. 68), also als interdisziplinäres Wissen mit Bezug auf den Mathematikunterricht.

3 Konzeptualisierung des mathematikdidaktischen Wissens in bisherigen Studien

In bisherigen Studien zum Professionswissen bei (zukünftigen) Mathematiklehrkräften wie COACTIV, MT21 und TEDS-M 2008 wird – analog zum Vorgehen bei der Konzeptualisierung des mathematischen Fachwissens – das mathematikdidaktische Wissen inhaltlich in mehrere Inhaltsbereiche ausdifferenziert. Diese können im Rahmen der Skalierung bei hinreichender Reliabilität als eigenständige Subdimensionen modelliert werden.

Die Studie COACTIV differenziert das mathematikdidaktische Wissen in drei Subdimensionen (vgl. Abb. 1). Sie unterscheidet die Subdimensionen des Erklärens und Repräsentierens, worunter in diesem Fall das „Zugänglichmachen mathematischer Inhalte für Schüler“ im Sinne von Kirsch (1977) verstanden wird, und die Subdimension des Wissens über Schülerkognitionen wie etwa typische Fehler und Schwierigkeiten. Die Konzeptualisierung wird darüber hinaus um den Aspekt des didaktischen Wissens über Mathematikaufgaben erweitert, das auf Itemebene beispielsweise in Form des Angebens einer variablen Anzahl von Lösungswegen realisiert ist (vgl. Kunter et al. 2011, S. 136 ff.).

Abb. 1
figure 1

Konzeptualisierung des mathematikdidaktischen Wissens in COACTIV

Die Studie TEDS-M 2008 und ihre Vorläuferstudie MT21 differenzieren das mathematikdidaktische Wissen zweidimensional aus, und zwar inhaltlich entlang der Anforderungen an Lehrpersonen. Sie unterscheiden zwischen „lehrbezogenen Anforderungen“ bzw. „curricularem und planungsbezogenem Wissen“ und „lernprozessbezogenen“ Anforderungen bzw. „interaktionsbezogenem Wissen“ (vgl. für TEDS-M Abb. 2). Unter curricularen und unterrichtsplanerischen Anforderungen werden beispielsweise das Auswählen fachlicher Lehrinhalte für Schülerinnen und Schüler gesehen sowie deren Begründung, Vereinfachung und Aufbereitung unter Gebrauch verschiedener Repräsentationen. Hierunter fallen daher auch Kenntnisse von Mathematiklehrplänen, Bewertungsmethoden und Unterrichtsmethoden. Unter interaktionsbezogenen Anforderungen, die das unterrichtliche Handeln der Lehrkraft während des Unterrichts widerspiegeln, werden etwa das Einordnen von Schülerantworten vor dem Hintergrund kognitiver Niveaus sowie eventueller Fehler und Fehlermuster verstanden. Hierbei handelt es sich also um Analyse- und Diagnosefähigkeiten, über die angehende Lehrer und Lehrerinnen verfügen sollen (vgl. Blömeke et al. 2008, S. 51, 2010b, S. 175).

Abb. 2
figure 2

Konzeptualisierung des mathematikdidaktischen Wissens in TEDS-M

Der Schritt zwischen der Konzeptualisierung von zu erfassenden Konstrukten und deren Operationalisierung auf Itemebene wirft in Leistungstests aufgrund der knappen zur Verfügung stehenden Testzeit und der Begrenztheit des Itemspektrums häufig Validitätsprobleme auf. Im Folgenden betrachten wir die Operationalisierung der dargestellten mathematikdidaktischen Konzeptualisierungen, wohlwissend um die Problematik der Analyse von Einzelitems. Die im Folgenden angeführten Items stehen zwar beispielhaft für die in den Studien untersuchten Konstrukte, spiegeln jedoch immer nur einzelne Facetten wider.

Zunächst werden zwei mathematikdidaktische Items aus COACTIV betrachtet, die dem Bereich „Schülerkognitionen“ und „Multiples Lösungspotential von Aufgaben“ entnommen sind (Abb. 3).

Abb. 3
figure 3

Beispielaufgaben aus COACTIV (s. Krauss et al. 2011, S. 140)

In diesen beiden Items ist ein deutlicher Einfluss mathematischen Wissens erkennbar, denn stets müssen die relevanten Berechnungen zum Lösen der Aufgaben selbst durchgeführt werden. So ist es, ggf. durch die Fragestellung bedingt, in der Gleichungs-Aufgabe nicht erforderlich, eine didaktische Fehleranalyse (in diesem Fall die fehlerhafte Übergeneralisierung eines bekannten nur für die Zahl 0 richtigen Schemas) zu explizieren, obwohl dies anscheinend für eine korrekte Lösung erwartet wird (Krauss et al. 2011, S. 141). Vielmehr lässt sich die Frage, was die Schülerin vermutlich gerechnet hat, auch durch Imitieren der fehlerhaften Strategie ohne ihre didaktische Einordnung beantworten („Vermutlich x−3=2 und x−4=2.“) Die Aufgabe zu Gleichungen erhebt also implizit zwar fachdidaktisches Wissen über typische Fehlermuster, allerdings können diese Fehler mathematisch herausgearbeitet werden, ohne dass die fehlerhafte Lösungsstrategie didaktisch beschrieben wird.

Bei der Aufgabe zum Quadrat werden für korrekte Lösungen verschiedene mathematische Lösungsmöglichkeiten wie beispielsweise ein algebraischer Ansatz in Form von Gleichung und Variablen oder ein geometrischer (präformaler) Ansatz (etwa in Form eines Plättchenbeweises) erwartet (vgl. Krauss et al. 2011, S. 146). Da das Item sich gemäß der Konzeptualisierung des mathematikdidaktischen Wissens in diesem Fall rein auf die Mathematikaufgabe und die Darstellung des mathematischen Sachverhaltes der Beziehung zwischen Flächeninhalt und variabler Seitenlänge eines Quadrats konzentriert, werden keine Ausführungen zu schulischem Kontext, Erklärungsmuster oder eine didaktische Reflexion über Vor- und Nachteile der verschiedenen Lösungsansätze erwartet.

Gleichermaßen ist das in Abb. 4 dargestellte Item aus TEDS-M 2008 aus dem mathematikdidaktischen Bereich „Interaktionsbezogenes Wissen“ zu betrachten:

Abb. 4
figure 4

Beispielaufgabe aus TEDS-M 2008 (s. Tatto et al. 2012, S. 141)

Die Lösung der Aufgabe A) erfordert die Identifikation der Fehlvorstellung, dass die Multiplikation immer ein größeres Ergebnis liefert und die Division immer ein kleineres Ergebnis. Bei Aufgabe B) wird im Rahmen einer korrekten Lösung erwartet, dass eine angemessene visuelle Repräsentation wiedergegeben wird, aus der ersichtlich hervorgeht, warum 0,2×6=1,2 ergibt (wie z.B. ein Block bei dem zwei von zehn Unterteilungen gefärbt sind, der in sechsfacher Ausführung zu einem voll gefärbten und einem 2/10-Block zusammengeführt wird). Zwar behandelt dieses Item fachdidaktische Inhalte wie die Identifikation von Fehlern und alternative Repräsentationsformen, allerdings stehen auch bei diesem Item eher stoffliche Aspekte im Vordergrund, da mathematisches Wissen über die Multiplikation natürlicher Zahlen mit reellen Zahlen aus dem Intervall (0,1) erforderlich ist.

Die veröffentlichten mathematikdidaktischen Items beider Studien legen die Vermutung nahe, dass fachdidaktisches Wissen vor allem stoffdidaktisch operationalisiert wird (vgl. auch Döhrmann et al. 2012). Selbst unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Konzeptualisierung mathematikdidaktischen Wissens zwischen den Studien fällt jeweils der Einfluss des mathematischen Wissens auf die Lösung der Aufgaben auf. Auch Krauss et al. (2011, S. 142) merken an, dass ihre vorgestellten Beispielitems deutlich machen, „dass die Konzeptualisierung sehr fachnah umgesetzt wurde und somit ganz in der Tradition der deutschsprachigen ‚Stoffdidaktik‘ steht.“ Unsere These ist, dass diese stoffdidaktische Operationalisierung für die starken empirischen Zusammenhänge zwischen mathematischem und mathematikdidaktischem Wissen ursächlich ist. Zwar gehört die Stoffdidaktik zum Gegenstandsbereich der Mathematikdidaktik und besitzt im Rahmen von Untersuchungen des mathematikdidaktischen Wissens ihre Berechtigung, jedoch greift eine Operationalisierung von Mathematikdidaktik als Stoffdidaktik allein zu kurz. Es wird der zentrale Bereich der spezifisch mathematikunterrichtlichen Fragestellungen nur unzureichend berücksichtigt.Footnote 1

4 Konzeptualisierung und Operationalisierung des mathematikdidaktischen Wissens in TEDS-LT

Ziel der Studie TEDS-LT ist demgegenüber, das mathematikdidaktische Wissen gezielt als eine eigenständige Domäne zu konzeptualisieren, die beiden Forschungsperspektiven der Mathematikdidaktik gerecht wird. Bewusst wurde darauf geachtet, stoffdidaktische Anteile (die in MT21 und TEDS-M 2008 selbst die lernprozessbezogenen Anforderungen bzw. das interaktionsbezogene Wissen charakterisieren) zu separieren, um Erkenntnisse über mathematikdidaktisches Wissen „jenseits“ der Stoffdidaktik zu erhalten. Für erfolgreiches unterrichtliches Handeln ist solides mathematisches Wissen zwar unverzichtbar und müssen mathematisches und fachdidaktisches Wissen eng miteinander verzahnt werden, in bisherigen Erhebungen des fachdidaktischen Wissens liegt der Schwergewicht allerdings einseitig auf dem stark mathematisch geprägten stoffdidaktischen Wissen.

Für den ersten und zweiten Messzeitpunkt der Studie TEDS-LT wurde die Konzeptualisierung des mathematikdidaktischen Wissens an vier allgemeinen Perspektiven der Bezugswissenschaften der Disziplin orientiert (vgl. Bigalke 1974). Folgende PerspektivenFootnote 2 werden unterschieden (vgl. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 110):

  • eine mathematisch geprägte Perspektive auf mathematikdidaktische Fragen; diese bezieht sich auf stofflich geprägte Fragen wie Stufen der begrifflichen Strenge und Formalisierung oder durch die Fachsystematik beeinflusste Konzepte mathematischer Grund- oder Fehlvorstellungen;

  • eine psychologisch geprägte Perspektive auf mathematikdidaktische Fragen; diese umfasst Aspekte der psychologischen Beschreibung und psychologisch fundierten Diagnose von mathematischen Denkhandlungen oder der Ursache von Fehlvorstellungen;

  • eine erziehungswissenschaftlich geprägte Perspektive auf mathematikdidaktische Fragen; diese bezieht sich auf erziehungswissenschaftlich geprägte Konzepte mathematischer Bildung, pädagogisch geprägte Aspekte von Leistungsbewertung im Mathematikunterricht, pädagogisch motivierte Interventionsmöglichkeiten bei Fehlern und Fragen der Heterogenität im Mathematikunterricht;

  • eine allgemein-didaktisch geprägte Perspektive auf mathematikdidaktische Fragen, diese umfasst Aspekte von Lehr- und Lernformen und Unterrichtsarrangements, die spezifisch für den Mathematikunterricht sind, sowie Fragen mathematischer Curricula und Bildungsstandards für den Mathematikunterricht.

Zum ersten Messzeitpunkt von TEDS-LT stellten diese Perspektiven eine Heuristik für die Itementwicklung dar, um ihre Repräsentanz zu sichern. Da der Schwerpunkt der Untersuchung angesichts des Ausbildungsstands der Studierenden (3. bis 5. Fachsemester) aber auf dem Fachwissen lag, und entsprechend weniger fachdidaktische Items eingesetzt wurden um empirisch zwischen diesen Perspektiven zu unterscheiden, fand nur eine eindimensionale Skalierung statt (vgl. Buchholtz et al. 2011b). Zum zweiten Messzeitpunkt, bei dem die Untersuchung des fachdidaktischen Wissens den Schwerpunkt bildete, konnte das mathematikdidaktische Wissen anhand dieser Konzeptualisierung zweidimensional skaliert werden (vgl. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 110). Die erste Subdimension griff mit dem stoffbezogenen mathematikdidaktischen Wissen (kurz: „stoffdidaktisches Wissen“) die erste der genannten Perspektiven auf:

  • stofflich geprägte Fragestellungen des Lehrens und Lehrens von Mathematik (z.B. Grundvorstellungen, fachliche Analyse von Fehlern, fundamentale Ideen, fachlich motivierte Zugänge zu mathematischen Inhalten)

  • fachlich geprägte Diagnostik von Schülerlösungen (z.B. fachliche Angemessenheit, Nutzen von Aufgaben als Ausgangspunkt für Lernprozesse).

Die zweite Subdimension unterrichtsbezogenes mathematikdidaktisches Wissen (kurz: MU-didaktisches Wissen) griff die Perspektiven jenseits des mathematischen Fachwissens auf, das sich mehr auf erziehungswissenschaftlich-psychologische Footnote 3 Inhaltsbereiche konzentriert. Hierunter fallen etwa (vgl. ebd., S.110 f.):

  • Konzepte mathematischer Bildung (z.B. Grunderfahrungen, mathematische Denkhandlungen)

  • Leistungsbewertung im Mathematikunterricht (z.B. Bezugsnormen, Auswahl von Methoden zur Leistungsbewertung, Heterogenität)

  • psychologisch geprägte Diagnostik der Ursachen von Fehlvorstellungen (z.B. Rechenschwäche, Interventionsmöglichkeiten, Erstellen von Förderplänen)

  • Lehr- und Lernformen und Unterrichtsarrangements (z.B. Genetisches Lernen, Begriffslernen)

  • Curricula und Bildungsstandards für den Mathematikunterricht (z.B. Lehrpläne, Schulbücher, Bildungsstandards)

Der Stoffdidaktik wird mit dieser Aufteilung zwar eine stärkere Gewichtung verliehen als den anderen drei Bezugswissenschaften. Sie dominiert jedoch nicht länger das Gesamtkonstrukt.

Das unterrichtsbezogene mathematikdidaktische Wissen lässt sich konzeptionell zugleich eindeutig von dem ebenfalls in TEDS-LT getesteten domänenübergreifenden pädagogischen Wissen unterscheiden. Ausgehend von Diskursen zu beruflichen Anforderungen, mit denen sich Lehrpersonen aus pädagogischer Perspektive beim Unterrichten konfrontiert sehen (siehe z.B. die Standards für die Lehrerausbildung; KMK 2004b), wurden wie in TEDS-M 2008 fünf Basisdimensionen ausdifferenziert: das Strukturieren von Unterricht, das Motivieren von Schülerinnen und Schülern, der Umgang mit Heterogenität, die Klassenführung und die Leistungsbeurteilung. Diese fünf Dimensionen wurden mithilfe einer Verschränkung von empirischen Erkenntnissen der Unterrichtsforschung mit Anforderungen der Allgemeinen Didaktik an die Gestaltung von Unterricht jeweils über mehrere komplexe Testaufgaben operationalisiert. In TEDS-LT wurde die Testung aus zeitpragmatischen Gründen und prinzipiellen Überlegungen auf drei dieser fünf Basisdimensionen – Strukturierung von Unterricht, Klassenführung und Motivation – beschränkt.

Die Ausdifferenzierung des mathematikdidaktischen Wissens in zwei Subdimensionen stellt einen ersten Versuch dar, seiner Natur näher zu kommen, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass sich empirisch aufgrund der Heterogenität der nicht-stoffdidaktischen Anteile weitere Subdimensionen identifizieren lassen. Auf der Ebene der eingesetzten Testaufgaben fließen (besonders bei den Aufgaben zum unterrichtsbezogenen mathematikdidaktischen Wissen) folgende Aspekte ein:

  • stärkere Einbindung kanonischer, spezifisch methodisch-didaktischer Inhalte und pädagogischer Fragestellungen,

  • Vermeidung fachdidaktischer „Einkleidungen“ mathematischer Aufgaben,

  • Realisierung einer stärkeren Differenzierung der Testitems anhand der Bezugswissenschaften für eine differenzielle Diagnostik.

Für die weitere Operationalisierung des mathematikdidaktischen Wissens wurde das Kognitionsmodell von Anderson und Krathwohl (2001) herangezogen, welches einen geeigneten Ansatzpunkt für die Unterscheidung kognitiver Prozesse bietet. Eine Übersicht über den Umfang der in TEDS-LT auf Testebene erfassten mathematikdidaktischen Inhalte findet sich in Tab. 1. Im Folgenden betrachten wir die Operationalisierung anhand dreier Beispiele. Abbildungs 5 und 6 zeigen Beispielitems aus dem Bereich des unterrichtsbezogenen mathematikdidaktischen Wissens, in Abb. 7 führen wir zur Kontrastierung noch einmal ein stoffdidaktisches Item aus TEDS-LT an, das ursprünglich Kaiser-Meßmer (1986) entstammt (für Details und weitere Items).

Abb. 5
figure 5

Beispielaufgabe aus TEDS-LT

Abb. 6
figure 6

Beispielaufgabe aus TEDS-LT

Abb. 7
figure 7

Beispielaufgabe aus TEDS-LT (s. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 121)

Tab. 1 Mathematikdidaktische Inhalte in TEDS-LT (vgl. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 113)

Die Aufgabe fokussiert das Wissen über den Bildungsgehalt des Mathematikunterrichts. Die von Winter (1995) formulierten Grunderfahrungen, die mittlerweile vielfach in den Rahmenplänen der Länder fest verankert sind und den Weg in die Bildungsstandards der KMK (z.B. KMK 2004a) gefunden haben, sehen wir als einen zentralen Lehrinhalt fachdidaktischer Veranstaltungen an. Dabei kommt es nicht darauf an, den Wortlaut dieser Grunderfahrungen exakt wiedergeben zu können, sondern die Grunderfahrungen inhaltlich unterscheiden zu können. Die richtige Antwort ist in diesem Fall Option C.Footnote 4

Auch die Bildungsstandards sind im Zuge der zunehmenden Kompetenzorientierung des Mathematikunterrichts zentraler Ausbildungsinhalt in mathematikdidaktischen Lehrveranstaltungen. Wenngleich auch hier die Bildungsstandards nicht im Wortlaut abgefragt werden sollen, so fokussiert das Item doch zumindest die dreifache Konzeption der Bildungsstandards anhand der nach Leitideen geordneten inhaltsbezogenen mathematischen Kompetenzen, allgemeinen Kompetenzen und Anforderungsbereichen (KMK 2004a; Blum et al. 2006). Die allgemeinen Ideen von Raum und Form sowie des funktionalen Zusammenhangs sind dabei Leitideen innerhalb der Bildungsstandards, wohingegen es sich beim Beweisen und Modellieren um Formen der allgemeinen Kompetenzen handelt.Footnote 5

Die Grenzen zwischen der Itemklassifikation „Stoffdidaktisches Wissen“ und „Unterrichtsbezogenes mathematikdidaktisches Wissen“ verlaufen trotz der gezielten Neuentwicklung vieler Items fließend und hängen zudem bei der Item-Evaluierung von der jeweiligen mathematikdidaktischen Perspektive der Expertinnen oder Experten ab. Bei einigen mathematikdidaktischen Items, die sich in vorangegangenen Studien bewährt hatten, war es kaum möglich, die beiden Wissensdomänen zu separieren, was dafür spricht, dass das mathematikdidaktische Wissen zwar einerseits von inhaltlicher Heterogenität, andererseits aber auch von Vernetzung geprägt ist. Items, die sich nicht eindeutig einer der beiden Subdimensionen zuordnen ließen, wurden daher sowohl dem Bereich des stoffdidaktischen Wissens als auch dem Bereich des unterrichtsbezogenen mathematikdidaktischen Wissens zugeordnet.

5 Ziele und Anlage der Studie TEDS-LT

Um diese alternative Konzeptualisierung des mathematikdidaktischen Wissens besser vor dem Hintergrund der Studie einordnen zu können, beschrieben wir im Folgenden Studiendesign, Anlage und Details zur Stichprobe von TEDS-LT. Ziel der von 2008 bis 2011 vom BMBF geförderten Studie TEDS-LT war es, die im Bereich der Mathematik fortgeschrittene Forschung zur Kompetenzentwicklung im Lehramtsbereich auf die Fächer Deutsch und Englisch zu übertragen sowie den Wissenserwerb der Studierenden unter den neuen Studienbedingungen Bachelor und Master zu untersuchen. Die Studie wurde unter Federführung von Sigrid Blömeke von einem Konsortium aus Fachdidaktikerinnen und Fachdidaktikern der Fächer Deutsch, Englisch und Mathematik sowie Erziehungswissenschaftlerinnen und Erziehungswissenschaftlern durchgeführt.

Die in Form einer Quasi-Längsschnittstudie bzw. Trendstudie mit zwei Messzeitpunkten und additiven Querschnitten angelegte Studie untersucht Studierende verschiedener Sekundarstufen-I-Lehramtsstudiengänge an acht deutschen Hochschulen. Die Zielgruppe des ersten Messzeitpunktes im WS 2009/10 lag bei Studierenden der Fächer Deutsch, Englisch und Mathematik, die sich im dritten bis fünften Semester in Lehramtsstudiengängen mit angestrebter Lehrbefähigung für die Sekundarstufe I befanden. Insgesamt nahmen 1.568 Studierende an der Studie teil, davon 500 im Fach Mathematik. Am zweiten Messzeitpunkt im SS 2011 mit der Zielgruppe der Lehramtsstudierenden des sechsten bis achten Semesters nahmen insgesamt 1.856 Studierende teil, 602 davon im Fach Mathematik. Für etwa 10 % der Lehramtsstudierenden liegen echte längsschnittliche Daten vor. Die Studierenden wurden größtenteils über die fachdidaktischen Kollegen bzw. die fachdidaktischen Lehrveranstaltungen an den entsprechenden Hochschulen zu separaten Testveranstaltungen eingeladen. Die freiwillige Teilnahme an diesen Veranstaltungen wurde vergütet (für Details zur Stichprobengewinnung siehe Buchholtz et al. 2011a).

Im Hinblick auf eine studiengangbezogene Auswertung der TEDS-LT-Daten wurden verschiedene Studiengänge aggregiert. So wird in TEDS-LT zwischen Lehramtsstudierenden der Sekundarstufen II und I (Studierende für das gymnasiale Lehramt, das Berufsschullehramt sowie das Lehramt an Gesamtschulen, im Folgenden abgekürzt durch GyGS) und Lehramtsstudierenden der Primar- und Sekundarstufe I (Studierende für das Lehramt an Grund-, Haupt- und Realschulen sowie für die Sonderschule, im Folgenden abgekürzt durch GHR) unterschieden (vgl. Tab. 2).

Tab. 2 Verteilung der Stichproben zu beiden Messzeitpunkten auf die Studiengänge (s. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 125)

Der Schwerpunkt der Studie lag bei der Untersuchung der Studierenden im Bachelor-/Grundstudium zum ersten Messzeitpunkt auf dem mathematischen Fachwissen, während bei der Untersuchung der Studierenden im Master-/Hauptstudium zum zweiten Messzeitpunkt das fachdidaktische Wissen im Zentrum der Untersuchung stand. Die Studie trägt hier den curricularen Gegebenheiten des Studienverlaufs im Mathematiklehramtsstudium in Deutschland Rechnung, da die mathematikdidaktischen Studieninhalte an den meisten Universitäten erst im Masterstudiengang bzw. im Hauptstudium vermittelt werden und die fachliche Ausbildung in Mathematik den Schwerpunkt des Bachelorstudiums bzw. der ersten Studienphase ausmacht. Das Fachwissen wurde in zwei grundlegenden Inhaltsbereichen erfasst: Algebra und Arithmetik. Um den Einfluss des Standortes der Hochschulen dabei so gering wie möglich zu halten, konzentrierte sich das getestete Wissen jeweils auf kanonische Fachinhalte.

Der Studie lag ein Multi-Matrix-Testdesign zugrunde. Zum ersten Messzeitpunkt bearbeiteten die GyGS- und die GHR-Studierenden zum Fachwissen und zum mathematikdidaktischen Wissen jeweils unterschiedliche studiengangspezifische Fragebögen, um den verschiedenen Studienschwerpunkten im Bachelor-/Grundstudium gerecht zu werden. Allerdings konnten diese Fragebögen über einen gemeinsamen Item-Kern miteinander verankert werden, sodass eine gemeinsame Rasch-Skalierung sowie Vergleiche der Testergebnisse zwischen den Studiengängen möglich wurden. Zum zweiten Messzeitpunkt bearbeiteten aufgrund des didaktischen Schwerpunktes beide Gruppen von Studierenden die gleichen Fragebögen, da in der Regel die mathematikdidaktischen Lehrveranstaltungen von Studierenden aller Studiengänge gemeinsam besucht werden und sich der inhaltliche Schwerpunkt auf die Sekundarstufe I konzentrierte. Die Bearbeitung des Fragebogens zum Fachwissen wurde dafür um 20 Minuten zu Gunsten des mathematikdidaktischen Wissens gekürzt. Der Fragebogenteil zum mathematischen Fachwissen wurde dabei hauptsächlich aus den gemeinsamen Items des ersten Messzeitpunktes erstellt. Einen Überblick über das Testdesign zu beiden Messzeitpunkten zeigt Abb. 8.

Abb. 8
figure 8

Test- bzw. Fragebogendesign der Studie TEDS-LT im Fach Mathematik (s. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 115)

Für Informationen über die Anlage der Studie TEDS-LT, die Auswahl der getesteten Fachinhalte sowie detaillierte Ergebnisse des ersten und zweiten Messzeitpunkts verweisen wir auf Blömeke et al. (2011a) sowie Blömeke et al. (2013).

6 Messung des mathematikdidaktischen Wissens in TEDS-LT

Das mathematikdidaktische Wissen wurde im Hinblick auf eine differenzierte Diagnostik zum zweiten Messzeitpunkt in zwei Subdimensionen erfasst. Für die Auswertung des zweiten Messzeitpunkts wurden die Items des ersten und zweiten Messzeitpunkts einem neuen gemeinsamen Rasch-Skalierungsverfahren unterzogen, um die Teilnehmer und Teilnehmerinnen des ersten Messzeitpunktes und des zweiten Messzeitpunktes direkt miteinander vergleichen und die Schwierigkeiten der Testitems im Kontext des Gesamttests beurteilen zu können (zum detaillierten Vorgehen der Skalierung s. Stancel-Piątak et al. 2013).

Die Skalierung der Testitems und anschließende Generierung von Personenfähigkeiten erfolgte mit Hilfe von mehrdimensionalen IRT-Modellen (MIRT; Adams et al. 1997; Reckase 2009; Hartig und Höhler 2010). Diese Modelle besitzen den Vorteil des Spezifizierens eines Messmodells auf der Ebene von Subdimensionen innerhalb einer Wissensdimension, was eine differenzierte Diagnostik sowie Aussagen über den Zusammenhang dieser Wissensfacetten ermöglicht (Walker und Beretvas 2003). In der Regel sind die in Vergleichsstudien eingesetzten MIRT-Modelle dabei durch die sog. Between-Item-Mehrdimensionalität (Adams et al. 1997; McDonald 2000) gekennzeichnet, die besagt, dass jedes Testitem nur auf eine Wissensdimension lädt, bzw. umgekehrt, dass jedes Testitem eine Manifestation nur einer latenten Variablen ist. Da gemäß unserer Konzeptualisierung des mathematikdidaktischen Wissens unsere zentrale theoretische Annahme war, dass zum Lösen der mathematikdidaktischen Aufgaben in TEDS-LT stoffdidaktisches Wissen oder unterrichtsbezogenes mathematikdidaktisches Wissen benötigt wird, in vielen Fällen aber auch beide Wissensformen, verwendeten wir einen alternativen Skalierungsansatz. In mehrdimensionalen Modellen kann aufgrund einer starken Vernetzung der Konstrukte auf Itemebene eine höhere Komplexität der Ladungsstruktur angenommen werden (Within-Item-Mehrdimensionalität; Adams et al. 1997; McDonald 2000), bei der Items gleichzeitig durch mehrere latente Wissensdimensionen beeinflusst werden (vgl. Hartig und Höhler 2010).Footnote 6 Abbildung 9 zeigt schematisch das für das mathematikdidaktische Wissen in TEDS-LT angenommene Within-Modell.

Abb. 9
figure 9

Within-Item-Modell des mathematikdidaktischen Wissen in TEDS-LT (vgl. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 129)

Um Klassifikationsfehler zu vermeiden, wurden alle im Bereich Mathematikdidaktik eingesetzten Items von zwei unabhängigen Ratern auf einer dreistufigen Nominalskala (eher stoffdidaktisch – eher unterrichtsbezogen mathematikdidaktisch – sowohl stoffdidaktisch als auch unterrichtsbezogen mathematikdidaktisch) mit einer hinreichenden Iterraterreliabilität von κ=0,80 (Cohen‘s Kappa) entweder der einen oder der anderen oder beiden Wissensdimensionen zugeordnet. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die Anzahl der zu beiden Messzeitpunkten von TEDS-LT eingesetzten Items in der mathematikdidaktischen Wissensdimension. Einige Items des ersten und zweiten Messzeitpunkts mussten aufgrund zu geringer Trennschärfte oder schlechter Fitwerte bei der Skalierung ausgeschlossen werden, sodass insgesamt 59 Items in die Gesamtskalierung beider Messzeitpunkte eingingen.

Tab. 3 Übersicht über die Anzahlen der eingesetzten Items (vgl. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 116)

Den Auswertungen zum ersten und zum zweiten Messzeitpunkt liegen damit unterschiedliche Itemanzahlen und unterschiedliche Skalierungen zugrunde, weshalb bei der Präsentation der Ergebnisse beider Messzeitpunkte die bereits publizierten Befunde zum ersten Messzeitpunkt neu interpretiert wurden. Zu beiden Messzeitpunkten wurden zur Erfassung des mathematikdidaktischen Wissens sowohl Multiple-Choice-Items als auch offene Items eingesetzt. Die offenen Items wurden mit Hilfe von Manualen von jeweils zwei erfahrenen Kodiererinnen kodiert. Dabei ergaben sich für die Items im mathematikdidaktischen Wissen gute Cohen’s Kappa-Werte für die Interraterreliabilität im Bereich zwischen κ=0,69 und κ=0,83.

Die stoffdidaktisch geprägte Subdimension konnte reliabel skaliert werden, die unterrichtsbezogene mathematikdidaktische Subdimension wies dagegen eine niedrige Reliabilität auf (vgl. Tab. 4). Wir führen dies auf die deutlich geringere Itemzahl bei gleichzeitig größerer inhaltlicher Heterogenität dieser Skala sowie die geringere Trennschärfe nicht-mathematisch orientierter Items zurück. Der Bereich des mathematikunterrichtlich orientierten fachdidaktischen Wissens ist möglicherweise schwieriger zu erfassen, weil hier deklarative Wissensinhalte – die in schriftlichen Leistungstests einen Schwerpunkt bilden – weniger eindeutig und relevant sind als etwa im Bereich der Mathematik oder der Stoffdidaktik. Die in TEDS-LT gemachten Erfahrungen mit Items zum mathematikdidaktischen Wissen, das nicht durch stoffdidaktische Ansätze beeinflusst ist, stellen für uns aber erste Ansätze dar, dem Forschungsdesiderat einer reliablen Messung des fachdidaktischen Wissens jenseits reiner Stoffdidaktik zu begegnen (vgl. z.B. Brunner und Krauss 2010, S. 122). In Fortführungen sind neben einer deutlichen Erhöhung der Itemzahl bislang noch nicht erfolgte alternative Skalierungen zu prüfen, die ggf. zu homogeneren Subdimensionen führen. Möglicherweise ist hier aber auch auf andere Erhebungsformate zu verweisen (vgl. die Diskussion in Abschn. 8).

Tab. 4 Reliabilität der untersuchten Wissensdimensionen in TEDS-LT (vgl. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 130)

7 Ergebnisse

Im Folgenden führen wir zur Überprüfung unserer konzeptuellen Strukturannahmen die empirisch ermittelten Zusammenhänge zwischen den Wissensdimensionen an, wobei erstmals die gesamte Breite des Lehrerwissens betrachtet wird. Im Anschluss stellen wir als zweiten Validierungsschritt studiengangspezifische Ergebnisse der Datenauswertung der mathematikdidaktischen Wissensdimensionen vor.Footnote 7 Grundlage dafür sind die Daten des ersten und zweiten Messzeitpunkts von TEDS-LT, die durch den gewählten Skalierungsansatz gleichermaßen in die Auswertung eingingen. Tabelle 5 gibt einen Überblick über die manifesten Korrelationen zwischen den unterschiedlichen Wissensdimensionen für die Gesamtstichprobe.Footnote 8

Tab. 5 Manifeste Korrelationen der Skalen der einzelnen Wissensdimensionen (vgl. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 134)

Erwartungsgemäß fallen die Korrelationen zwischen den beiden fachmathematischen Subdimensionen am höchsten aus. Die manifesten Korrelationen zwischen dem stoffdidaktisch geprägten Wissen und den beiden fachmathematischen Wissensdimensionen fallen geringer, erwartungsgemäß aber noch immer mittelhoch aus. Hier spiegeln sich die bisherigen Ergebnisse der oben beschriebenen Studien wider, die ebenfalls einen hohen (latenten) Zusammenhang zwischen diesen Wissensdimensionen feststellten.Footnote 9 Die Zusammenhänge zwischen dem unterrichtsbezogenen mathematikdidaktischen Wissen und dem mathematischen Fachwissen fallen dagegen deutlich geringer aus. Gemäß unserer Operationalisierung hängt das unterrichtsbezogene mathematikdidaktische Wissen weniger mit dem Fachwissen zusammen, als dies im Bereich der Stoffdidaktik der Fall ist. Die Ergebnisse stellen somit einen ersten Hinweis darauf dar, dass es sich bei dem in unserem Test konzeptualisierten unterrichtsbezogen mathematikdidaktischen Wissen um eine vom mathematischen Fachwissen relativ unabhängige didaktische Wissensdimension handelt.Footnote 10

Überraschenderweise korreliert das pädagogische Wissen der Mathematiklehramtsstudierenden ebenfalls nur äußerst schwach mit dem unterrichtsbezogenen mathematikdidaktischen Wissen. Hier war unsere Erwartung aufgrund der konzeptionellen Überlegungen ein stärkerer Zusammenhang gewesen. Allerdings ist einschränkend zu berücksichtigen, dass das unterrichtsbezogene mathematikdidaktische Wissen deutlich niedrigere Reliabilitätswerte aufweist, was den Zusammenhang vermutlich schwächt. Der schwache Zusammenhang kann überdies durch die inhaltliche Unterschiedlichkeit der eingesetzten Tests erklärt werden, die unsere Konzeptualisierung insofern stützt, dass sich hinter dem unterrichtsbezogenen mathematikdidaktischen Wissen auch kein in den mathematikunterrichtlichen Kontext eingekleidetes pädagogisches Wissen verbirgt, sondern spezifisch unterrichtsbezogene mathematikdidaktische Inhaltsbereiche erhebt. Insofern kann das Ergebnis als weiteres Indiz dafür gewertet werden, dass es gelungen ist, das unterrichtsbezogene mathematikdidaktische Wissen eigenständig zu konzeptualisieren.

An den verschiedenen an TEDS-LT beteiligten Hochschulen gestalten sich die Modalitäten des Lehramtsstudiums sehr unterschiedlich. So unterscheidet sich üblicherweise die fachliche Mathematikausbildung der Lehramtsstudierenden der Sekundarstufen II und I (GyGS), die in der Regel zusammen mit den Bachelorstudierenden des Faches Mathematik erfolgt, inhaltlich und vom Umfang her von der fachlichen Ausbildung der Lehramtsstudierenden der Primar- und Sekundarstufe I (GHR). Letztere haben erheblich weniger Lerngelegenheiten als Erstere. Die mathematikdidaktische Ausbildung verläuft jedoch an vielen Hochschulen in gemeinsamen Lehrveranstaltungen. Studiengangspezifische Unterschiede lassen sich hier entsprechend weniger inhaltlich, sondern vor allem hinsichtlich des Umfangs der zu belegenden Lehrveranstaltungen feststellen. So haben GHR-Studierende der an TEDS-LT beteiligten Hochschulen im Vergleich der Prüfungsordnungen und Studienpläne beispielsweise in den ersten sechs Semestern einen größeren Mindestumfang an fachdidaktischen Lehrveranstaltungen zu besuchen als GyGS-Studierende (vgl. Buchholtz et al. 2011b).

Für die Untersuchung der Leistungsunterschiede zwischen den GHR- und GyGS-Studierenden wurden nur die Teilstichproben von jenen fünf Hochschulen herangezogen, in denen sich Studierende beider Studiengänge in hinreichender Anzahl befanden. Bei den vorbereitenden zweifaktoriellen Varianzanalysen, die zur Absicherung der in Tab. 6 dokumentierten deskriptiven Ergebnisse durchgeführt wurden, zeigte sich für das stoffdidaktische Wissen ein schwacher signifikanter Einfluss der Standortvariablen (F=2,481; df=4; p<0,05; part. η 2=0,014), überraschenderweise jedoch nicht für die Semesterzahl (F=1,757; df=9; p>0,05; part. η 2=0,022). Auch die Interaktion zwischen Standort und Semesterzahl war nicht signifikant, d.h. letztere war auch innerhalb der Standorte nicht relevant. Für das unterrichtsbezogene mathematikdidaktische Wissen zeigten sich gar keine signifikanten Effekte bzw. Interaktionen von Standort und Semesteranzahl. Inhaltlich bedeutet dies, dass Standort und Semesterzahl weder allein noch kombiniert einen signifikanten Einfluss auf die interindividuellen Unterschiede in den Leistungen der Studierenden ausüben. Die mathematikdidaktischen Studienordnungen lassen es offensichtlich zu bzw. die Bedingungen vor Ort erzwingen es möglicherweise sogar, dass mathematikdidaktische Lerngelegenheiten zu unterschiedlichen Zeitpunkten und im unterschiedlichen Umfang belegt werden, sodass zeitlicher Fortschritt im Studium nicht unbedingt deckungsgleich ist mit inhaltlichen Fortschritten. Anzunehmen ist allerdings, dass diese Unschärfe bis zum Ende der Universitätsausbildung verschwindet, da dann alle Studierenden die vorgesehenen Lerngelegenheiten belegt haben.

Tab. 6 Studiengangspezifischer Vergleich der mittleren Testleitungen (vgl. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 136)

In einem nächsten Schritt wurde der Einfluss der Hochschulen aus den Testergebnissen herauspartialisiert, um etwaigen statistischen Verzerrungen durch ungleichmäßige Fallzahlen und inhomogene Varianzen vorzubeugen. Mit t-Tests für unabhängige Stichproben wurden die Gruppen der GHR-Studierenden und der GyGS-Studierenden dann auf systematische Unterschiede hin untersucht. Es ergaben sich für den Bereich des stoffdidaktischen Wissens erwartungsgemäß signifikante Leistungsunterschiede zugunsten der GyGS-Studierenden (T=10,179; df=422,029; p<0,001), aber keine signifikanten Leistungsunterschiede im Bereich des unterrichtsbezogenen mathematikdidaktischen Wissens (T=0,058; df=755; p=0,954). Diese Ergebnisse weisen darauf hin, dass es für das in der Mitte der Lehrerausbildung erreichte stoffdidaktische Wissen bedeutsamer zu sein scheint, in welchem Studiengang jemand studiert, als in welchem Semester der oder die Studierende sich befindet.

Auskunft über die praktische Relevanz der Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Studiengängen gibt das Effektstärkemaß Cohens d, das Mittelwertdifferenzen in Relation zur Standardabweichung der jeweiligen Gesamtstichprobe setzt. Im stoffdidaktischen Wissen ließ sich ein Unterschied mit einer hohen Effektstärke beobachten. Im Bereich des unterrichtsbezogenen mathematikdidaktischen Wissens erzielen die GHR-Studierenden im Vergleich zu den GyGS-Studierenden ähnliche Ergebnisse, d.h. in dem Bereich des von unserem Test abgedeckten Wissens finden sich keine generellen Leistungsunterschiede zwischen diesen Gruppen.Footnote 11 Dass GHR-Studierende im unterrichtsdidaktischen Bereich nicht zwingend schwächer abschneiden als GyGS-Studierende, zeigte sich bereits in gesonderten Analysen im Rahmen der Studie MT21 (Blömeke et al. 2009) oder in den Ergebnissen einer Ergänzungsstudie zu MT21 von Schwarz (2013) (s. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 136).

Offensichtlich beziehen sich bisher identifizierte fachdidaktische Stärken der GyGS-Studierenden (s. Buchholtz et al. 2011b) eher auf den Bereich der Stoffdidaktik. Da bisherige Studien die Mathematikdidaktik stärker stoffdidaktisch operationalisiert haben, könnten sich die Stärken der GyGS-Studierenden im mathematischen Wissen auch in der Fachdidaktik manifestiert und so die Stärken der GHR-Studierenden überdeckt haben. Die beschriebenen Korrelationen zwischen den mathematischen Subdimensionen und dem stoffdidaktischen Wissen unterstreichen diese Interpretation. Damit wird der in vielen Studien formulierten These widersprochen, dass es durchgängig prinzipielle Leistungsunterschiede zugunsten der GyGS-Studierenden gäbe (siehe entsprechend auch Blömeke et al. 2009; vgl. Buchholtz und Kaiser 2013a, S. 139).

8 Zusammenfassung und Diskussion

Im vorliegenden Beitrag wurde im Vergleich zu früheren Studien zum Professionswissen von Mathematiklehrkräften eine neue Konzeptualisierung mathematikdidaktischen Wissens entwickelt und diskutiert, die stärker die Eigenständigkeit der Disziplin betont und ausgewogener die Breite der typischerweise vorhandenen Perspektiven auf das Lehren und Lernen von Mathematik einbezieht. Die stoffdidaktisch geprägte Subdimension der Mathematikdidaktik konnte in der Studie TEDS-LT reliabel skaliert werden, während die mathematikunterrichtlich geprägte Subdimension noch Reliabilitätsprobleme aufwies. Dennoch deuten die von uns gefundenen Zusammenhangsmuster zwischen den mathematischen Subdimensionen, dem fachdidaktischen und dem pädagogischen Wissen auf eine spezifische Unabhängigkeit der gezeigten unterrichtsbezogenen mathematikdidaktischen Leistungen sowohl vom mathematischen als auch vom pädagogischen Wissen hin.Footnote 12

Aufgrund der neuen Konzeptualisierung deutet sich ferner an, dass angehende GHR-Studierende mathematikdidaktisch nicht prinzipiell leistungsschwächer sind als GyGS-Studierende, sondern dass sich Defizite im mathematikdidaktischen Wissen bei ihnen lediglich im Bereich der Stoffdidaktik zeigen, die enger mit dem mathematischen Wissen verbunden ist. In der mit Erziehungswissenschaft/Psychologie verbundenen mathematikdidaktischen Wissensfacette ist dies weniger der Fall. Wir sehen in diesen Ergebnissen – trotz ihrer Abhängigkeit von der konkret getesteten Stichprobe, d.h. insbesondere der Abhängigkeit von den beteiligten Hochschulen – als empirische Validierungen unseres Herangehens und die Chance für eine zukünftig differenziertere Konzeptualisierung und Messung des mathematikdidaktischen Wissens.

Nachfolgestudien erscheinen nötig, die Nicht-Lehramtsstudierende mit Studienfach Mathematik mit dem entwickelten Instrument untersuchen, um zu klären, ob das unterrichtsbezogene mathematikdidaktische Wissen hinreichend zwischen Lehramtsstudierenden und Nicht-Lehramtsstudierenden diskriminiert, es sich hier also tatsächlich um eine Kompetenzfacette handelt, die „typisch“ für Lehramtsstudierende ist. Die bisherigen, enger konzeptualisierten Untersuchungen zeigten nämlich gerade auch im Bereich der Fachdidaktik hohe Leistungen bei Nicht-Lehramtsstudierenden (Buchholtz und Kaiser 2013b), so dass es wünschenswert erscheint, hier differenzierter diagnostizieren zu können.

Einschränkend ist zu sagen, dass sich die im vorliegenden Beitrag getroffenen Aussagen nur auf die Definition des unterrichtsbezogenen mathematikdidaktischen Wissens beziehen, wie es durch die Items operationalisiert wurde. Die niedrige Reliabilität dieser Skala weist hierbei auf noch starken Entwicklungsbedarf hin. Während der Arbeiten an TEDS-LT zeigte sich ferner, dass eine methodische Schwierigkeit darin liegt, Testitems in einem vom mathematischen Wissen relativ unabhängigen Bereich zu entwickeln und skalieren, da hier insbesondere die Trennschärfe der Items Probleme bereitet. Unterscheiden sich GHR- und GyGS-Studierende nicht mehr durch ihre mathematischen Fähigkeiten, können die Items schlechter zwischen leistungsstärkeren und leistungsschwächeren Studierenden diskriminieren, was ggf. mit der Heterogenität der Lerngelegenheiten in diesem Bereich zusammenhängt. Wir sehen dies auch als eine der Ursachen für die Reliabilitätsprobleme an.

Um Erkenntnisse über ein „kanonisches“ mathematikdidaktisches Wissen zu erhalten, das sich ggf. trennschärfer skalieren lässt, könnten Delphi-Studien ein hilfreiches Instrument sein, zumal sich über solche Studien zusätzlich ein aktualisiertes Verständnis der Bedeutung und der Inhalte von Fachdidaktik in der Mathematiklehrerausbildung in Erfahrung bringen lässt. Möglicherweise kann auch durch eine weitere Strukturierung die Güte der Erhebung fachdidaktischen Wissens zukünftig weiter verbessert werden.

TEDS-LT bildet in erster Linie theoretisch-deklaratives mathematikdidaktisches Wissen ab. Eine weitere Herausforderung besteht für nötige Folgestudien darin, auch den prozeduralen Anteilen des Wissens – also dem situationsbezogen und unmittelbar handlungsrelevanten mathematikdidaktischem Wissen – gerecht zu werden sowie das Verhältnis dieser Wissensarten aufzuklären. Ergebnisreich ist in diesem Zusammenhang beispielsweise die Untersuchung von deutschen und australischen Mathematiklehramtsstudierenden hinsichtlich ihres fachdidaktischen Wissens zur Unterrichtsplanung von Prescott (2013), die verschiedene persönliche fachdidaktische Konstrukte bei der Bewertung von Unterrichtsentwürfen identifizieren konnten. Aber diese Überlegungen führen auch zur Frage nach Alternativen zu schriftlichen Leistungstests, einem aktuellen Forschungsgegenstand der mathematikdidaktischen Forschung. Aktionsbezogene Kompetenzen von Lehrkräften praxisnah mit Hilfe der Beurteilung von Video-Vignetten zu untersuchen, wie sie beispielsweise von Lindmeier (2013), Knievel und Heinze (2012) oder in der Studie TEDS-FU (Kaiser et al. 2012) vorgeschlagen bzw. umgesetzt werden, erscheinen hier vielversprechend.

Schlussbemerkung

Abschließend möchten wir die neuen Erkenntnisse des Beitrags gegenüber vorherigen Publikationen, insbesondere Buchholtz und Kaiser (2013a), resümieren: In der vorliegenden Arbeit wird die Konzeptualisierung des in TEDS-LT erhobenen mathematikdidaktischen Wissens zum ersten Mal ausführlich anhand der theoretischen Diskussion zu Vorstellungen von mathematikbezogener Fachdidaktik vorgestellt und bisherigen Konzeptualisierungen gegenübergestellt. Ziel des Beitrags ist eine empiriegestützte Fortführung dieser Diskussion. Dabei wird eine Subdimension des Professionswissens (zukünftiger) Mathematiklehrkräfte, die Dimension „unterrichtsbezogenes mathematikdidaktisches Wissen“ begrifflich ausgeschärft und anhand bislang noch unveröffentlichter Items („Grunderfahrungen“ und „Bildungsstandards“) konkretisiert. Des Weiteren werden erstmals Beziehungen zwischen den in TEDS-LT erhobenen Wissensdimensionen und dem pädagogischen Wissen hergestellt. Damit intendiert der Artikel, einen Beitrag zur Klärung der Frage zu liefern, aus welchen zentralen Dimensionen und Facetten das Professionswissen von (zukünftigen) Mathematiklehrkräften eigentlich besteht und welche Beziehungen zwischen den Subfacetten bestehen. Insbesondere soll damit ein Beitrag zum besseren Verständnis der zentralen Rolle des fachdidaktischen Wissens im Rahmen des Professionswissens von (zukünftigen) Mathematiklehrkräften geleistet werden.