Der Begriff der Anerkennung genießt im Kontext der aktuellen Bildungsdiskussionen immer noch ein relatives Schattendasein. Und auch in den allgemeinpädagogischen Diskursen findet er eher eine bescheidene Berücksichtigung. Das irritiert, denn seit einigen Jahren erfährt die Idee der Anerkennung innerhalb der sozialwissenschaftlichen Diskussionen einen beachtlichen Bedeutungsgewinn. Der Reiz des Anerkennungsbegriffes scheint darin zu liegen, dass Anerkennung ein quasi natürliches Element sozialer Realität darstellt, die sich im menschlichen Miteinander ganz selbstverständlich entwickelt (vgl. u. a. Borst 2003). Dass Anerkennung durch andere für Menschen wichtig ist, diese Erkenntnis erscheint genauso eingängig und selbstverständlich wie die Tatsache, dass entzogene und vorenthaltene Anerkennung eine schmerzhafte Erfahrung darstellt. Darüber hinaus scheint die Popularität auch darin zu bestehen, dass der Begriff der Anerkennung in der Vergangenheit vielfältig und offen interpretiert wird und, wie Axel Honneth (2000, S. 175) festhält, „weder alltagssprachlich noch philosophisch in irgendeiner Weise festgelegt“ ist.

1 Anerkennung im erziehungs- und sozialwissenschaftlichen Diskurs

Wenn, dann findet innerhalb der erziehungswissenschaftlichen und auch der sozialpädagogischen Diskussionen der Begriff insbesondere auf der handlungspraktischen Ebene als Kategorie pädagogischen Handelns sowie zur Relationierung professioneller pädagogischer Beziehungen Beachtung. Herangezogen wird er dann jedoch nicht nur, um „ein weiteres Themenfeld der ohnehin zahlreichen und vielfältigen pädagogischen Diskurse“ abzustecken, sondern eingeführt wird er, um „eine zentrale Dimension pädagogischer Theorie und Praxis“ (Hafeneger et al. 2002, S. 9) zu benennen. Wird Burkhard Müller (2002) gefolgt, dann findet Anerkennung beispielsweise innerhalb der Diskurse und der Praxis der Kinder- und Jugendarbeit bereits seit der „Erfindung“ dieses pädagogischen Handlungsfeldes Resonanz und benennt hier eine „Kernkompetenz“ pädagogischen Handelns. Begründet wird nicht nur davon ausgegangen, dass die Kinder- und Jugendarbeit darauf angewiesen ist, dass Heranwachsende an ihren Projekten und Angeboten freiwillig teilnehmen und schon aus diesem Grund die Professionellen aufgefordert sind, Kindern und Jugendlichen anerkennend zu begegnen. Vielmehr wird auch darauf aufmerksam gemacht, dass sich professionelle Arbeitsbeziehungen zwischen Jugendlichen und SozialpädagogInnen erst über die Konstitution von Anerkennungsbeziehungen initiieren lassen (vgl. auch Cloos et al. 2007 2003).

Während B. Müller Anerkennung insbesondere als eine pädagogische Kompetenz thematisiert, weist Albert Scherr (2002, S. 40) – in Bezug auf eine Pädagogik, die sich am Subjekt orientiert und Prozesse der Subjekt-Bildung forcieren möchte – darauf hin, dass „Anerkennung der Individuen als Subjekte, als selbstbewusstseins- und selbstbestimmungsfähige Personen“ zugleich die Methode wie auch das Ziel pädagogischen Handelns darstellt und Subjekt-Bildung sich im Kontext von Anerkennungskonstellationen vollzieht. In einer anderen Gewichtung, aber durchaus mit einer vergleichbaren Intention, nimmt Annedore Prengel (2006 [1993]) in der von ihr vertretenden „Pädagogik der Vielfalt“ den Begriff der Anerkennung zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen. Ihre Konzeption von pädagogischen Beziehungen zielt auf die Anerkennung von individuellen Differenzen vor dem Hintergrund universeller Gleichheit. A. Prengel unternimmt damit gewissermaßen den Versuch, die Idee von Demokratie auch auf die Ausgestaltung pädagogischer Beziehungen im Kontext von Schule zu denken.

Insgesamt bieten der Begriff der Anerkennung und die mit ihm einhergehenden Konzeptionen zahlreiche Anknüpfungspunkte für die Konzeptualisierung und Reflexion pädagogischer Beziehungen. Anschlussfähig an pädagogische Diskussionen sind den Begriff der Anerkennung operationalisierende Theorien insbesondere über die Konzeptualisierung des Subjektes als soziales, im Rahmen von Interaktion sich herausbildendes Wesen. Das Subjekt ist ohne intersubjektiv hergestellte Formen der Anerkennung nicht vorstellbar und der Andere muss immer mitgedacht werden, wenn vom Einzelnen gesprochen wird. Anders ausgedrückt: Unter anerkennungstheoretischer Perspektive wird das Subjekt erst in sozialen Beziehungen und durch intersubjektive Formen der Anerkennung zum Subjekt. Der Anerkennungsbegriff sensibilisiert dafür, Individuen im Kontext sozialer Beziehungen zu denken. Innerhalb sozialer Beziehungen konstituiert sich die Individualität und Identität des Einzelnen. Angestoßen wird damit die theoretische Grundlegung eines Bildungsbegriffes, der nicht nur davon ausgeht, dass Menschen grundsätzlich als bildsame Wesen zu denken sind, sondern Bildung als ein intersubjektiver Prozess zu konzipieren ist, als ein Prozess, der sich durch und in Auseinandersetzung mit Anderen vollzieht (vgl. hierzu u. a. Brumlik 2002; vgl. auch den Beitrag von Bärbel Frischmann in diesem Heft).

Über die Thematisierung von Anerkennung innerhalb formeller und non-formaler Bildungsorte und -szenarien hinaus kommt Fragen der Anerkennung jedoch auch innerhalb von informellen Settings erhebliche Bedeutung zu. Viele Kinder und Jugendliche sind heute in der Lage, eine Alltagspraxis zu leben und auszugestalten, die den Anforderungen und Möglichkeiten der modernisierten Gesellschaft mehr oder weniger – wenn auch zuweilen in äußerst gebrochenen Formen – entspricht. Möglich werden die alltagspraktischen Gestaltungen durch einen deutlich ausgeprägten Eigensinn und durch einen Zugewinn an reflexiver Kompetenz. Heranwachsende – aber auch Erwachsene – suchen und finden ihre Themen und setzen sich mit ihnen auseinander, die für sie von Interesse sind, lernen und üben die Tätigkeiten, die sie zur Realisierung eines ausgefüllten Alltags meinen beherrschen zu können, zelebrieren und inszenieren die Kultur-, Sozial- und Sportpraxen, die ihnen nahe erscheinen und ihnen im Kontext ihres sozialen Gefüges Anerkennung versprechen (vgl. Thole & Höblich 2008; vgl. auch den Beitrag von Hans Oswald in diesem Heft). Anerkennung präsentiert sich hier als eine Grundkategorie der Herstellung von Gemeinsamkeit, Gemeinschaft und Zugehörigkeitsgefühlen und damit des gesellschaftlichen Zusammenlebens (vgl. u. a. Anhut & Heitmeyer 2005).

Die Reichweite des hier diskutierten Begriffes und die mit ihm einhergehenden Konzeptionen weisen jedoch über die individuelle Bedeutung im Kontext der Mikrostrukturen sozialer Beziehungen deutlich hinaus. Bereits die anerkennungstheoretischen Klassiker legen nahe, auch gesellschaftliche Dimensionen in den Blick zu nehmen. Jüngere sozialwissenschaftliche Debatten greifen diese Überlegungen auf (vgl. hierzu auch den Beitrag von Emil A. Sobottka & Giovani A. Saavedra in diesem Heft) und wenden sie beispielsweise auf die Frage von Identitätskonstruktionen im Kontext multikultureller Gesellschaften an. Identitätskonstruktion vollzieht sich im Austausch und in Abgrenzung mit signifikanten Anderen und im Gefüge kulturell vermittelter Werte und Normen. Die Herausbildung und Stabilität der Identität des Einzelnen wird demnach durch die jeweilige Gruppe und deren Kultur und Modalitäten des Sozialen bedingt – gerade auch weil nach dem Implodieren der großen religiösen, politischen und ethischen Metaerzählungen der Moderne die Subjekte vermehrt gefordert sind, aus dem sozialen und kulturellen „Sortiment des gesellschaftlichen Baumarktes“ und den hier angebotenen „vorgefertigten Identitätsbausätzen“ ihre eigenen Identitätskonstruktion zu kreieren (vgl. Keupp et al. 1999, S. 289). Die strukturelle Marginalisierung bestimmter gesellschaftlicher Gruppen im Gefüge multikultureller Gesellschaften, beispielsweise in Form der Vorenthaltung bestimmter Rechte, ist aus dieser Perspektive immer auch als Missachtung der jeweiligen Individuen zu verstehen und geht mit der Gefährdung der Identität des Einzelnen einher. Die Forderungen zur Anerkennung der jeweiligen Gruppe und deren Kultur dienen dann auch der Sicherung der Identität des Einzelnen. In diesem Zusammenhang fragen beispielsweise Charles Taylor (1993) und Jürgen Habermas (1993) danach, in welcher Form innerhalb des demokratischen Rechtsstaats Kulturen durch Politiken der Anerkennung geschützt werden müssen und können. In ähnlicher Weise beschäftigt sich die Migrationsforschung mit Fragen der Anerkennung vor dem Hintergrund von Migration, Integration und Assimilation (vgl. u. a. die Beiträge in Otto & Schrödter 2006).

Den in den letzten Jahren wohl prominentesten theoretischen Vorstoß, den Anerkennungsbegriff in das Zentrum einer Gesellschaftstheorie zu stellen, hat A. Honneth vorgelegt (2003 [1994]). Er begreift Anerkennung nicht nur als Grundbegriff des Sozialen, sondern wendet ihn auch auf die Frage gesellschaftlicher Konflikte an und interpretiert diese als gesellschaftliche Kämpfe um Anerkennung. Das Grundmodell A. Honneths besteht aus einer phänomenologisch angelegten Typologie, in der er in Bezug auf moderne, rechtsstaatlich verfasste Gesellschaften drei unterschiedliche Anerkennungsebenen unterscheidet: Liebe, Recht und Solidarität. Innerhalb dieser Ebenen verortet A. Honneth verschiedene Anerkennungsformen, die in Verbindung zum jeweiligen Subjekt und dessen Selbstbeziehung gedacht werden. Den Anerkennungsformen stehen entsprechende Missachtungsformen entgegen, die für das betroffene Subjekt mit negativen Konsequenzen einhergehen und dessen Selbstbeziehung gefährden. Auf der ersten Ebene – die von A. Honneth als Anerkennungsebene der „Liebe“ bezeichnet wird – bezieht sich Anerkennung auf jene konkreten Bedürfnisse, die in direkter Verbindung zum Körperlichen eines Individuums stehen, worunter sowohl das Bedürfnis nach emotionaler Zuwendung, als auch der Anerkennung der physischen Integrität eines Subjekts zu verstehen ist. Die Anerkennung zielt darauf, dass sich der Betroffene als ein Individuum begreifen kann, dass autonom über sich und seinen Körper verfügt. Dem entgegen stehen Missachtungsformen, die A. Honneth als Vergewaltigungen und Misshandlungen bezeichnet. Auf der zweiten Ebene – der Ebene des „Rechts“ – siedelt A. Honneth Anerkennungsformen an, die in Form von kognitiver Achtung das Subjekt als Träger universalisierter Rechte anerkennen. Diese Form der Anerkennung realisiert sich im Gefüge des modernen Rechtstaats und begreift das Subjekt als vollwertiges Mitglied der Rechtsgemeinschaft. Vorenthaltene Anerkennung versteht A. Honneth hier als Entrechtungen. Schließlich geht A. Honneth davon aus, dass sich innerhalb moderner Gesellschaften „Solidarität“ als eine dritte Anerkennungsform identifizieren lässt und diese sich auf die individuelle Leistung einer Person bezieht. Die jeweilige Person und deren Leistung werden hier vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Leistungs- und Wertmaßstäbe sozial wertgeschätzt. Vorenthaltene Anerkennungen stellen für A. Honneth auf dieser Ebene Entwürdigungen und soziale Entwertungen dar.

A. Honneth versteht Anerkennung in intersubjektiven Beziehungen als Voraussetzung der Personwerdung eines Individuums. Erst über die Anerkennung durch andere Personen können Menschen eine positive Beziehung zu sich selbst aufbauen. So wird erst durch Anerkennung in Form von emotionaler Zuwendung innerhalb von Primärbeziehungen das Individuum zum Subjekt. Durch die kognitive Achtung wird dieses Subjekt wiederum zur Person, welche im Sinne generalisierter Rechte einen rechtlich anerkannten Teil einer Gesellschaft darstellt. Schließlich wird die Person durch soziale Wertschätzung ihrer individuellen Leistung für die Gesellschaft – und damit als ein für die Gesellschaft nützlicher Teil – anerkannt und kann sich hierdurch positiv auf ihre konkreten Eigenschaften und Fähigkeiten beziehen. Werden Personen in ihren Anerkennungsansprüchen missachtet, stellen dies für die betroffenen Subjekte schmerzhafte Erfahrungen dar, die potenziell mit negativen Einflüssen auf die Identitätsentwicklung der Subjekte einhergehen und die jeweiligen Selbstbeziehungen gefährden. Die individuellen und kollektiven Bemühungen, sich vor Missachtungen zu schützen und Anerkennung zu erfahren, begreift A. Honneth als einen Kampf um Anerkennung. Gesellschaftliche Gruppen, die sich in ihren Anerkennungsansprüchen missachtet sehen, treten im Kontext gesellschaftlicher Diskurse und unterschiedlicher gesellschaftlicher Institutionen für ihre Anerkennung ein. Hier lassen sich zwei unterschiedliche Bewegungen unterscheiden: Zum einen betrifft dies Ansprüche, die vor dem Hintergrund der jeweiligen gesellschaftlichen Normen und Konventionen in illegitimer Weise missachtet wurden, wie dies beispielsweise in Fällen von Körperverletzungen der Fall wäre. Ein rechtsstaatliches Verfahren stellt in diesem Kontext vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Normen möglicherweise fest, dass es sich tatsächlich um illegitime Missachtungen der Anerkennungsansprüche handelt (hier beispielsweise die physische Integrität) und wird gegebenenfalls auch dafür Sorge tragen, dass es zukünftig zu keiner weiteren Missachtung kommt, etwa indem ein Gericht ein Kontaktverbot ausspricht. Von dieser Form des Kampfes um Anerkennung vor dem Hintergrund der illegitimen Missachtung von Anerkennungsansprüchen Einzelner – aber auch von Gruppen – ist eine zweite Form zu unterscheiden, die für den Gesellschaftsbegriff der von A. Honneth vorlegten Theorie konstitutiv erscheint. Der gesellschaftliche Kampf um Anerkennung bezieht sich weniger auf die Einlösung der bereits als gesellschaftlich legitim angesehenen Ansprüche, sondern zielt vielmehr auf die Anerkennung von Ansprüchen, die vor dem Hintergrund der jeweiligen gesellschaftlichen Wert- und Normvorstellungen nicht anerkannt werden. A. Honneth bezieht sich hier auf die gesellschaftlichen Forderungen wie sie in der Vergangenheit und Gegenwart etwa durch unterschiedliche soziale Bewegungen, wie der Frauenbewegung und der Bürgerrechtsbewegung, geäußert wurden. Diese Anerkennungsbestrebungen versuchen auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Normen und Werte und der gesellschaftlich als legitim erachteten Anerkennungsmaßstäbe hinzuwirken. Diese Form gesellschaftlicher Anerkennungskämpfe fundiert die Dynamisierung gesellschaftlicher Normen und Werte und damit der Gesellschaft insgesamt.

Die vorgetragenen Verortungen und Debatten, die sich in Erweiterung, aber auch in kritischer Abgrenzung zu diesem Entwurf entwickeln (vgl. u. a. Fraser & Honneth 2003; vgl. Ricoeur 2006), stellen für die Analyse moderner Gesellschaften veränderte Sichtweisen zur Verfügung. Formen sozialer Ungleichheit können nun auch danach angefragt werden, ob und in welcher Weise sie für die betroffenen Individuen mit strukturellen Missachtungen und entsprechenden Erfahrungen einhergehen. Der Anerkennungsbegriff sensibilisiert diesbezüglich für die schmerzhaften Erfahrungen verhinderter und blockierter sozialer Teilhabe. Erwünscht erscheinen aus dieser Perspektive insbesondere Anerkennungsforderungen, die nicht nur auf die individuelle Ausweitung der Autonomie des Einzelnen und der persönlichen Identitätsentwicklung zielen, sondern auch gesamtgesellschaftlich zur Erweiterung sozialer Teilhabe führen und mehr Menschen in vollem Maß an den unterschiedlichen Anerkennungsformen partizipieren lassen.

2 Soziale Arbeit als Ort der Herstellung von Anerkennung

Für die Soziale Arbeit ist die angedeutete Perspektive sowohl hinsichtlich ihrer theoretischen Verankerung als auch hinsichtlich ihrer empirischen Orientierung und der Entwicklung von Praxiskonzepten interessant und anschlussfähig. Soziale Arbeit ist – vereinfacht formuliert – ein gesellschaftlich vorgehaltenes Angebot der Hilfe, Unterstützung, Begleitung und Betreuung für diejenigen Gesellschaftsmitglieder, denen die Ressourcen für ein „gelungenes“ und „zufriedenstellendes“ Leben nicht hinreichend zur Verfügung stehen oder denen diese Ressourcen vorenthalten werden, sowie der Initiierung von Bildungsprozessen vornehmlich außerhalb des formalen Bildungssektors. Erfahren Menschen in ihren lebensweltlichen Zusammenhängen keine oder keine ausreichende affektive, zuneigende Unterstützung und Anerkennung, derer sie beispielsweise zur Bewältigung von Risiken und Krisen bedürfen, wird ihnen also emotionale Zuwendung – „Liebe“ – nicht zuteil, ist die Soziale Arbeit ebenso zum Handeln aufgerufen wie in den Fällen, wo grundlegende soziale Rechte, Gerechtigkeit, einzelnen Menschen, Gruppen oder Milieus vorenthalten werden oder soziale und kulturelle Netzwerke und lebensweltliche Kontexte sich so unsicher und instabil präsentieren, dass gesellschaftliche Solidarität und Zusammenhalt Prozesse der Desintegration, Ausgrenzung und Marginalisierung hervorrufen (vgl. hierzu u. a. Anderson 2000; vgl. auch den Beitrag von Stephan Lessenich in diesem Heft). Aus einer anerkennungstheoretischen Perspektive konstituiert und kommuniziert erfolgreiche und gelungene Soziale Arbeit zum einen Anerkennung in Fällen und Situationen, in denen die „natürlichen“ Formen der Herstellung von Anerkennung versagen oder implodieren, so beispielsweise in den erzieherischen Hilfen, in familien- oder gemeinwesenorientierten Projekten. Zudem realisiert Soziale Arbeit Praxen der Anerkennung, wo ihr aufgrund der gesellschaftlichen Aufgaben und Mandatserteilung eine Zuständigkeit für die Initiierung von Bildungsprozessen obliegt, beispielsweise in der Pädagogik der Kindheit oder auch in der Kinder- und Jugendarbeit. Die dabei aktivierten Formen der Anerkennung müssen nicht ungebrochen die partiell doch recht problematischen Formen der Aktivierung von Anerkennung in den einzelnen sozialen Welten reproduzieren (vgl. hierzu auch Beiträge in Kessl & Otto 2004). Sie können – und sollten – in einer nicht affirmativen Form Beispiele und Gegenentwürfe für andere, sozial ausbalancierte Weisen der Mitteilung von Anerkennung favorisieren. Beispielsweise kann es in Bezug auf xenophobisch, rechtsnational orientierte Jugendliche nicht darum gehen, die dort akzeptierten und tolerierten menschheitsfeindlichen, selbst- und fremdzerstörerischen Formen des Respekts zu duplizieren. Diesen Formen der Anerkennung sind humanere, sozial gerechtere, nicht über Stigmatisierung und Ausgrenzung gesteuerte Weisen der Herstellung von Anerkennung gegenüber zu stellen. Erfolgreiche und gelungene Soziale Arbeit baut, und hierauf zielt die Überlegung ab, auf die Kommunikation von Anerkennung als Modus ihrer Intention, Subjekte dabei zu unterstützen, autonome Lebensführungs- und Lebensgestaltungskompetenzen über bildsame Prozesse zu erobern und weiter auszugestalten.

Über diese, die praktische Soziale Arbeit anerkennungs- wie auch bildungstheoretisch neu justierende Perspektive liegt auch ein Impuls für die Generierung von Forschungsfragen vor. Im Kontext der empirischen Forschung kann über den Anerkennungsbegriff Interesse für Studien geweckt werden, die sich beispielsweise danach erkundigen, ob und in welcher Weise es den Professionellen innerhalb der Sozialen Arbeit gelingt, tragfähige Beziehungen herzustellen, die über die Herstellung von Arbeitsformen und -bündnissen soziale Anerkennung vermitteln. Hinsichtlich einer stärker adressatInnenorientierten Forschung wird für Fragestellungen sensibilisiert, die danach fragen, in welcher Weise es innerhalb sozialpädagogischer Bemühungen gelingt, Orte, Situationen und Projekte herzustellen, in denen Professionelle AdressatInnen, NutzerInnen und KlientInnen in anerkennenden Formen begegnen können. Schließlich werden nicht nur Formen gesellschaftlicher Ungleichheit in den Blick gerückt, sondern auch für die möglicherweise schmerzhaften lebensweltlichen Erfahrungen der jeweiligen Betroffenen sensibilisiert.

Für die theoretischen Orientierungen einer Sozialen Arbeit, die sich der Unterstützung der Subjekte bei Gewinnung oder Wiederherstellung ihrer Autonomie in der Lebensgestaltung verpflichtet fühlt, weist der Begriff der Anerkennung auf eine Verbindung zwischen dem Individuum und gesellschaftlicher Phänomene und Strukturen hin. Die möglicherweise schwierigen Identitätskonstruktionen, die erschwerten Bedingungen der Subjekt-Bildung, das Leid des Einzelnen kann so in Verbindung zu Missachtungserfahrungen in intersubjektiven Bezügen und gesellschaftlichen Ungleichheitsstrukturen verstanden werden. Insbesondere vor dem Hintergrund der Beobachtung, dass sich gegenwärtig am „unteren Rand“ der Gesellschaft dynamisch neue Spaltungen herausbilden und die Kontur der „klassischen“ Problem- und Ungleichheitslagen verschärfen (vgl. Groh-Samberg 2005; Rieger & Leisering 2001), erhält diese Perspektive Bedeutung. Marginalisierungen und Formen der Desintegration zeigen immer deutlicher auch Formen von ausgewiesenen Exklusionen, von Ausschließungen, die sich immer noch, aber nicht mehr nur und ausschließlich über die Verfügbarkeit über geringe materielle Ressourcen bedingen, sondern die sich über „reine“ Formen der Einkommensarmut hinaus oder sogar unabhängig von diesen über sozial-kulturelle Marginalisierungen beziehungsweise aufgrund des Empfindens solcher (vgl. Bude & Lantermann 2006) herstellen – beispielsweise weil die Anerkennungspotenziale der Gesellschaft (vgl. Anhut & Heitmeyer 2005; vgl. u. a. auch die Beiträge in Lessenich & Nullmeier 2006) nicht mehr hinreichen, um Zugehörigkeit erlebbar zu machen. Soziale Arbeit ist heute ein gesellschaftliches Allgemeinangebot und zugleich weiterhin die gesellschaftlich mandatierte Ressource, die die Verschärfung von materiellen, kulturellen und sozialen Problemlagen bei denjenigen gesellschaftlichen Teilgruppen mittels Hilfs-, Unterstützungs- und Bildungsangebote abzufedern hat, die unter den kapitalistischen Reproduktionsbedingungen aufgrund ihrer strukturellen Marginalisierung oder einer auch nur temporären „Prekarisierung“ ihrer Lebenssituation zu leiden haben. Die zuvor entwickelten Überlegungen können hieran anknüpfend präzisiert werden.

Wenn Soziale Arbeit als Anerkennungsarbeit gedacht wird (vgl. Sauerwald et al. 2002; Heite 2008, S. 98 ff.) kommt ihr die Aufgabe zu, soziale Orte „zu institutionalisieren“, innerhalb derer anerkennende Beziehungen aufgebaut werden können. Diese können beispielsweise Orte des Schutzes vor möglichen Missachtungen darstellen – wie dies beispielsweise bei Fremdunterbringung von Kindern in Fällen von Kindeswohlgefährdungen oder Frauenhäusern der Fall wäre –, aber auch Orte sein, in denen Leistungen von Kindern und Jugendlichen in besonderer Weise die Möglichkeit erhalten, soziale Wertschätzung zu erfahren. Wenn die intersubjektiven Beziehungen zwischen Professionellen und AdressatInnen innerhalb dieser sozialen Orte in hohem Maße durch Anerkennung geprägt sind, dann nicht nur weil ansonsten keine Möglichkeit besteht, Arbeitsbündnisse herzustellen, sondern insbesondere auch deshalb, weil nur in dieser Form sozialpädagogische Professionalität tatsächlich ihrem gesellschaftlichen Mandat nachkommen kann, soziale Teilhabe zu ermöglichen respektive herzustellen. Hinsichtlich des gesellschaftlichen Kampfes um Anerkennung unterschiedlicher Individuen und Gruppen sieht sich Soziale Arbeit dann sowohl mit der Aufgabe konfrontiert, AdressatInnen darin zu unterstützen, ihre Anliegen zu artikulieren, als auch in advokatorischer Absicht für die Anliegen ihrer AdressatInnen einzutreten.

3 Anerkennung im Focus unterschiedlicher wissenschaftlicher Blicke – zu den Beiträgen

Die Beiträge in dieser Ausgabe der Sozialen Passagen unterfüttern theoretisch und empirisch die zuvor vorgestellten Überlegungen und gehen ihnen aus unterschiedlichen Perspektiven nach. Bärbel Frischmann begibt sich in ihrem Beitrag auf die Spur der philosophischen Ursprünge des Anerkennungsbegriffs. Während in den aktuellen Konzeptionen insbesondere G.W.F. Hegel als Urvater des Anerkennungsbegriffs gelesen wird, legt B. Frischmann Widerspruch ein. Sie weist darauf hin, dass J. G. Fichte deutlich vor G.W.F. Hegel den Begriff einführte und ein ausgewiesenes Anerkennungskonzept vorlegte, das die Konzeption des Hegelschen Anerkennungsbegriffes beeinflusste, in den vorliegenden Diskursen aber kaum rezipiert wird.

B. Frischmann leuchtet dabei die Konzeption J. G. Fichtes in verschiedenen Dimensionen aus und weist darauf hin, dass der Anerkennungsbegriff J. G. Fichtes eine Theorie der Bildung in Anerkennungsbeziehungen beinhaltet, die für pädagogische Fragen Relevanz beanspruchen kann.

Die Idee der klassischen Anerkennungskonzeptionen – hier insbesondere die von G.W.F. Hegel – weiterführend, hat sich um den Anerkennungsbegriff in den letzten Jahren ein lebhafter sozialwissenschaftlicher Diskurs entwickelt. Emil A. Sobottka & Giovani A. Saavedra beleuchten drei Positionen, die in den aktuellen Debatten den Anerkennungsbegriff prominent konzeptualisieren. Im Zentrum ihrer Beschäftigung steht dabei die Frage, in welcher Form die unterschiedlichen Ansätze das zentrale Problem definieren und ob sie eine normative Begründung für Anerkennungsansprüche formulieren können.

Vor dem Hintergrund jüngerer Überlegungen innerhalb der soziologischen Wohlfahrtsstaatsforschung schlägt Stephan Lessenich in seinem Beitrag vor, den Wohlfahrtsstaat aus einer anerkennungstheoretischen Perspektive zu betrachten und als einen „sozialen Raum wechselseitig anerkannter und staatlich garantierter Ansprüche aller Gesellschaftsmitglieder auf gleiche Teilhabe“ zu verstehen. Der Umbau des Sozialstaates im Gefüge „aktivierender“ Sozialpolitiken gehe mit einem Wandel des Sozialen einher und resultiere in einem gesellschaftlichen Anerkennungsdefizitsyndrom. Vor dem Hintergrund dieser Diagnose votiert Stephan Lessenich schließlich für einen sozialpolitischen Wandel, der die Anerkennungsansprüche der Gesellschaftsmitglieder ernst nimmt.

Im Beitrag von Hans Oswald steht die Bedeutung von Anerkennung im Kindes- und Jugendalter im Zentrum. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Studien fragt er danach, in welcher Weise unterschiedliche Anerkennungsformen innerhalb der Peer-Welt der Kinder und Jugendlichen realisiert werden und welche Bedeutung ihnen zukommt. Er kann dabei nicht nur zeigen, dass anerkennende Beziehungen sich auf die einzelnen Kinder und Jugendlichen und deren Schulerfolg auswirken, sondern weist auch darauf hin, dass sich innerhalb der Peer-Welten Anerkennungskonstellationen herausbilden, die zur Konstitution sozialer Ungleichheiten unter den Kindern und Jugendlichen führen.

4 Anerkennung als Theorie- und Praxiskategorie der Sozialen Arbeit

Die Beiträge in der Rubrik „Im Blickpunkt“ dieser Ausgabe der Sozialen Passagen möchten anregen, in den theoretischen Konzeptualisierungen und in den reflexiven Formulierung der handlungspraktischen Aufgaben der Sozialen Arbeit Fragen der Anerkennung eine deutlich stärkere Aufmerksamkeit zu schenken. Wenn die Beobachtungen empirisch belastbar sind, dass wir gegenwärtig erstens eine verstärkte Gefährdung der Herstellung von Subjektivität und Identität, zweitens ein dynamisches Implodieren sozial gerechter Formen der Vergemeinschaftung, von tradierten sozialen Verkehrsformen und Netzwerken sowie drittens eine zugespitzte Reduktion bürgerlicher Rechte und Möglichkeiten der sozialen, kulturellen und politischen Teilhabe erleben, dann ist das Projekt der Sozialen Arbeit nicht zu denken ohne deutliche Verweise auf den Begriff der Anerkennung.