1 Elektroautos ökologisch integrieren

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität zu machen, und möchte daher mitwirken, dass bis zum Jahr 2020 eine Millionen und bis 2030 sechs Millionen Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen rollen. Dazu wird beispielsweise im Rahmen des Konjunkturpakets II Forschung und Entwicklung im Bereich Elektromobilität mit insgesamt 500 Millionen Euro gefördert. Unterstützt werden die drei Schwerpunkte „Fahrzeugtechnik und Flottenversuche“, „Ladeverhalten und Ladetechnik“ sowie das „Recycling von Lithium-Ionen-Batterien“. Verschiedene „Modellregionen Elektromobilität“ bilden einen Schwerpunkt, der Ergebnisse aus Forschung und Entwicklung durch breit angelegte Versuche, wie beispielsweise dem Betrieb einer Flotte von batterieelektrischen Elektroautos (BEV), -Rollern oder -Fahrrädern, in den Alltag der Menschen integrieren soll.

Neben rein elektrisch betriebenen Fahrzeugen werden im durch das Bundesumweltministerium geförderten „Flottenversuch Elektromobilität“ sogenannte Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge („PHEV“) weiterentwickelt. Plug-in-Hybride sind Hybridfahrzeuge mit einer vergrößerten Batterie und einer externen Lademöglichkeit. Sie sind mit einem Stecker ausgestattet und können am öffentlichen Stromnetz aufgeladen werden. Somit ist es möglich, teilelektrisch und lokal emissionsfrei zu fahren, ohne auf die gewohnte Reichweite von verbrennungsmotorisch betriebenen Fahrzeugen zu verzichten.

Im Rahmen der Feld- und Flottenversuche zur Elektromobilität untersuchen IFEU, Fraunhofer ISI und ISE, DLR, RWTH Aachen und Karlsruher Institut für Technologie in einer begleitenden Forschungsstudie die Energieversorgung unter Einbezug der Elektromobilität der nächsten Jahrzehnte sowie die ökonomischen und ökologischen Auswirkungen und leiten hieraus Empfehlungen für Ladestrategien und Ladetarife ab. Ein wichtiges Ziel des Projektes ist die verstärkte Integration erneuerbarer Energien bei der Beladung der Fahrzeuge.

2 Der Verkehrssektor: Handlungsfelder CO2 und fossile Energieressourcen

Der Verkehr ist für 28 % des Endenergieverbrauchs und 20 % der energiebedingten CO2-Emissionen in Deutschland verantwortlich. Seit 2000 sind die gesamten CO2-Emissionen des Straßenverkehrs und insbesondere der Pkw trotz gestiegener Personen- und Transportkilometermengen rückläufig. Die Abnahme muss zur Erreichung der Klimaschutz- und Endenergieziele der Bundesregierung zukünftig verstärkt werden.

Der Verbrauch an fossilem Erdöl ist zudem ressourcenseitig begrenzt („Peak Oil“). Seit 1971 hat sich der Ölbedarf von rund 2.000 auf 3.500 Mtoe (2007) nahezu verdoppelt (IEA 2009). Angesichts einer sich verknappenden Rohstoffsituation ist eine sukzessive Abkehr von Rohöl als dominierendem Energieträger des Straßenverkehrs außerordentlich wichtig, aus geopolitischen, ressourcenökonomischen, aber auch ökologischen Gründen, da der Rückgriff auf unkonventionelle Ölvorkommen (z. B. Ölschiefer) mit höheren Umweltbelastungen verbunden ist (Schimpf 2009).

Die CO2-Emissionen von Neufahrzeugen werden mittels der Flottenwertbegrenzung (2015: 130 g/km; 2020: 95 g/km) reguliert, wobei ausschließlich Tank-to-Wheel-Emissionen adressiert werden. Der 95 g-Wert in 2020 und weitere in Diskussion befindliche Ziele für 2025 und sogar 2050 können neben der Weiterentwicklung verbrennungsmotorischer Antriebstechnologie nur durch eine fortschreitende Elektrifizierung und Hybridisierung dargestellt werden, insbesondere unter der wirtschaftlich notwendigen Beibehaltung bzw. des Ausbaus des vielseitigen Produktportfolios der deutschen Hersteller.

Im Elektrizitätserzeugungssektor wird die CO2-Gesamtemission mittels des Instruments des europäischen Emissionshandels reglementiert. Im Zuge der Elektrifizierung der Mobilität wird ein zusätzlicher Strombedarf generiert, wobei die CO2-Deckelung des Energiesektors zumindest bis 2020 unangetastet bleibt. Um die sektorspezifischen Emissionen nicht zu erhöhen, besteht Konsens zwischen Automobil-Industrie und Politik in Deutschland, diesen zusätzlichen Strombedarf über den wachsenden Anteil der erneuerbaren Energieträger – also quasi CO2-frei – zu decken.

Im Rahmen des Projekts wird ermittelt, welche Effekte durch Einführung der Elektromobilität im energiewirtschaftlichen Kontext zu erwarten sind. Durch Elektromobilität wird grundsätzlich die Nutzung sämtlicher erneuerbarer Energieträger ermöglicht, die für die Stromproduktion zur Verfügung stehen. Es stellt sich die Frage, welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es und welche ökologischen Implikationen haben diese? Inwieweit kann beispielsweise ein gesteuertes Laden von Elektrofahrzeugen (Demand Side Management) dazu dienen, Spitzenlasten zu reduzieren und fluktuierenden Strom aus Wind- und Solarenergie nutzbar zu machen, der sonst abgeregelt werden müsste?

3 Elektromobilität als neues Nachfragesegment

Um den „Ladestrommix“, also den Kraftwerkspark, der zur Betankung von Elektrofahrzeugen in Anspruch genommen wird, zu quantifizieren, werden im Rahmen des Projektes Flottenversuch Elektromobilität verschiedene Modelle miteinander gekoppelt (siehe Abb. 1). Im Kern sind dies ein lang- und ein kurzfristiges energiewirtschaftliches Modell (PERSEUS Rosen 2008 und PowerACE Sensfuss 2008), so dass sowohl strukturelle Änderungen im Kraftwerkspark als auch Markteinflüsse modelltechnisch berücksichtigt werden können.

Abb. 1
figure 1

Modellkopplung zur Abbildung der energiewirtschaftlichen und ökologischen Konsequenzen der Elektromobilität

Vom europäischen Energie- und Stoffflussmodell PERSEUS werden die langfristigen Entwicklungen des Kraftwerksparks, der CO2-Zertifiktatspreise und des Stromaustauschs von Deutschland mit seinen Nachbarländern an das deutsche Strommarktmodell PowerACE übergeben.

In beide Modelle gehen eine Vielzahl technischer, ökonomischer und ökologischer Parameter ein (siehe Abb. 2), um das Energiesystem adäquat abbilden zu können, unter anderem auch Kosten-Potenzial-Kurven für erneuerbare Energien (Biomasse, Wind, Solarenergie, Geothermie) aus dem REMIX-Modell des DLR (Scholz 2010). Rein bilanziell existieren in nahezu allen europäischen Ländern ausreichend Potenziale erneuerbarer Energien. Im Jahr 2010 beträgt der Strombedarf in Deutschland ca. 510 TWh, in Europa zuzüglich Mittelmeeranrainerstaaten ca. 3860 TWh. Dem gegenüber steht ein erneuerbares Stromerzeugungspotenzial von ca. 830 TWh in Deutschland und ca. 97.500 TWh im gesamten Untersuchungsgebiet. Damit übersteigt das Stromerzeugungspotenzial in Deutschland den heutigen Strombedarf um das 1,6-fache. Im gesamten Untersuchungsgebiet kann etwa 25-mal so viel Strom mit erneuerbaren Energieträgern erzeugt werden wie im Jahr 2010 voraussichtlich verbraucht wird (Scholz 2010). Allerdings gilt dieser bilanzielle Überschuss nur im Jahresmittel. Bei der Beachtung des zeitaufgelösten Erzeugungsprofils erneuerbarer Energien wird offenbar, dass die Strombereitstellung die Last deutlich überschreiten oder unterschreiten kann. Diesen Überschussstrom zu nutzen, ist eines der im Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität definierten Ziele.

Abb. 2
figure 2

Errechneter Strombedarf von reinen batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) im NEFZ und verschiedenen Fahrzyklen des Handbuch Emissionsfaktoren (Helms 2010)

Um mit Hilfe dieser Modelle abhängig von politischen und energiewirtschaftlichen Parametern den jeweiligen „Ladestrommix“ bis 2030 errechnen zu können, wird die zeitlich aufgelöste Stromnachfrage durch Elektrofahrzeuge benötigt. Diese setzt sich aus der Anzahl an Elektrofahrzeugen, ihren zurückgelegten Distanzen und spezifischen Stromverbräuchen sowie der zeitlichen Struktur der Beladung zusammen.

Der statische Strombedarf wird in sog. Lastgängen abgebildet. Grundlage für die Berechnung sind Wegeprofile von privaten als auch gewerblich zugelassenen Fahrzeugen, welche u.a. aus Untersuchungen zum Mobilitätsverhalten in Deutschland abgeleitet werden. Hierbei ist es notwendig, lediglich die Fahrleistungen derjenigen Fahrzeuge zu betrachten, welche potenziell durch BEVs bzw. PHEVs ersetzt werden können.

Zu diesem Zweck wurde vom Institut für Verkehrsforschung des DLR ein Modell entwickelt, welches in der Lage ist, potenziell durch Elektrofahrzeuge substituierbare Fahrzeuge für die Periode 2010–2030 abzubilden. Dabei wurden im Zeitrahmen der Betrachtung dynamische Grundannahmen bezüglich Einschränkungen des Mobilitätsverhaltens von Haushalten und Unternehmen mit Elektrofahrzeugen getroffen (z.B. elektrische Reichweiten bei BEVs, Stellplatzverfügbarkeit und Fernreisen mit dem Pkw). Anschließend erfolgt eine Analyse der Wirtschaftlichkeit einer Substitution eines Benzin- oder Dieselfahrzeuges durch ein PHEV bzw. BEV für den jeweiligen Haushalt bzw. das Unternehmen (Trommer et al. 2010).

Das Nachfragemodell Elektromobilität bietet eine Vielzahl von variablen Parametern zur Berechnung des zukünftigen Potenzials von Elektrofahrzeugen wie z.B. Kraftstoff- und Strompreisentwicklung, Technologiekostenentwicklung, Steuern und staatliche Zuschüsse. Diese Vorgehensweise ermöglicht auf Grund der zum Teil vagen Belastbarkeit von Aussagen zukünftiger Entwicklungen wie bspw. der Kosten für Energiespeicher die Möglichkeit, mit Szenarien zu arbeiten. Dabei werden mit den Projektpartnern abgestimmte statische Parameter wie z.B. die Gesamtverkehrsleistung oder die Bevölkerungsentwicklung Deutschlands mit dynamischen Parametern wie z.B. der Verfügbarkeit von Ladeinfrastruktur im öffentlichen Raum, elektrischen Reichweiten von PHEVs und BEVs und dem Strompreis in Szenarien abgebildet. Daraus kann die Anzahl potenzieller Elektrofahrzeuge und die damit verbundene Stromnachfrage in regional differenzierten Lastgängen errechnet werden. Erste Analysen ergeben in einem laissez faire Szenario rund 900.000 elektrische Pkw im Jahr 2020, was einem Anteil von ca. 2,3 % am derzeitigen Fahrzeugbestand in Deutschland entspräche. Diese Zahl wird sich auf Grund der zu erwartenden Degression der Technologiekosten und Nutzungseinschränkungen von BEVs auf rund 10 bis 12 Mio. Plug-in-Hybrid- und rein-batterieelektrische Fahrzeuge bzw. ein Viertel des Fahrzeugbestandes bis zum Jahr 2030 erhöhen. Dies entspricht auch Schätzungen in Wietschel et al. (2008) im sogenannten „Dominanzszenario“.

Der Fahrstrombedarf eines Fahrzeuges wird mit dem eLCA-Modell des IFEU berechnet, das basierend auf Fahrzeugparametern (Gewicht, Luft- und Rollwiderstände etc.) und den verschiedenen Nebenverbrauchern den Energiebedarf für verschiedene Fahrsituationen berechnen kann (siehe Beispiele in Abb. 2). Diese Modellrechnungen werden im Lauf der Feldtests mit Praxisdaten validiert.

4 Auswirkungen auf den Kraftwerkspark

Die resultierende Stromnachfrage durch 12 Millionen Elektrofahrzeuge für das Jahr 2030 beträgt 18 TWh pro Jahr oder ungefähr 3,5 % der gesamten heutigen Nachfrage in Deutschland (ca. 7,6 GW installierte Windleistung wäre zur Deckung dieser Energiemenge erforderlich). Bei ungeregeltem Laden, d. h. wenn alle Fahrzeuge nach ihrem letzten Weg aufgeladen werden, steigt die viertelstündlich aufgelöste Spitzenlast trotz der nur geringfügigen Nachfrageerhöhung um bis zu 12 % (Biere et al. 2009).

Zunächst weniger relevant sind die Folgen von Elektromobilität für den Zubau von Kraftwerkskapazität: Erste Modellrechnungen mit dem am KIT Institut für Industriebetriebslehre und Industrielle Produktion (IIP) entwickelten Energiemodell PERSEUS zur Prognose des europäischen Kraftwerksparks bis 2030 lassen erkennen, dass die direkte Auswirkung von Elektrofahrzeugen auf den Zubau von Kraftwerken auch noch im Jahr 2030 gering ist.

In einigen europäischen Ländern, wozu auch Deutschland zählt, kann es infolge der Einführung von Elektromobilität sogar zu einem leichten Rückgang in der installierten Gesamtkapazität kommen, da Elektromobilität einen Einfluss auf die Stromaustauschsalden hat. Deutschland z. B. entwickelt sich je nach Annahmen für den Kernenergieausstieg und dem CO2-Emissionshandel unter den derzeit angenommenen Rahmenbedingungen von einem Stromexporteur hin zu einem Stromimporteur. Dieser Stromimport führt dazu, dass in einer umfassenden CO2-Bilanz die CO2-Emissionen dieser zusätzlichen Stromimporte ebenfalls bewertet werden müssen. Dagegen ist der Einfluss von Elektromobilität auf die CO2-Zertifikatskosten erst ab 2025 festzustellen und beschränkt sich auf eine Erhöhung des Zertifikatspreises um maximal 8 % auf ungefähr 34 €/t\(_{\mathrm{CO}_{2}}\) in 2030. Hierbei ist angenommen, dass die Ziele der Emissionsminderung im Energiesektor unabhängig von der zusätzlichen Stromnachfrage durch Elektromobilität sind, obwohl im Verkehrssektor dadurch direkt Minderungen erzielt werden.

Eine stündlich aufgelöste Grenzkostenbetrachtung des Kraftwerksparks sowie die Einspeisung von erneuerbaren Energien werden im Strommarktmodell PowerACE abgebildet. Hierzu werden drei verschiedene Ladestrategien betrachtet:

  • Ein Szenario, in dem die Fahrzeuge unmittelbar nach ihrem letzten Weg, also beispielsweise abends nach der Heimkehr, aufgeladen werden (Szenario „Letzter Weg“).

  • Ein Szenario, in dem ein Lastmanagementanreiz gegeben wird, der sich an den Börsenpreisen orientiert. Die Börsenpreise werden auch maßgeblich durch die prognostizierte Windstromeinspeisung und die vorhergesagte Last festgelegt. Dadurch werden Ladevorgänge vergleichmäßigt und verlagert in Zeiten, in denen das Windenergieangebot besonders hoch und die Stromnachfrage gering ist („Tanken, wenn der Wind weht“: Szenario „DSM “ für Demand Side Management).

  • Ein Szenario, in dem zusätzlich zu diesem Lastmanagement soviel erneuerbare Energiekapazität zugebaut wird, wie für die jährliche Erzeugung an Fahrstrom erforderlich ist (Szenario „DSM+RES“).

Für die Integration von fluktuierenden erneuerbaren Energien ist die Wirkung der Elektromobilität auf die Residuallast entscheidend. Die Residuallast beschreibt die gesamte Systemlast abzüglich der Einspeisung fluktuierender Energieträger.

Während bei einer unkontrollierten Ladung („Letzter Weg“) der rund 12 Millionen Fahrzeuge die Spitzenlast um 6,2 GW ansteigt (vgl. grüne mit roter Kurve in Abb. 3), kann dieser Anstieg durch intelligentes Laden begrenzt werden (siehe auch Dallinger et al. 2010; Link et al. 2010). Obwohl die Last von Elektrofahrzeugen nur über wenige Stunden verlagert werden kann, wird ein Beitrag für die bessere Integration von erneuerbaren Energien erreicht.Footnote 1 Abb. 3 zeigt die Residuallast ohne Elektrofahrzeuge für 2030 sowie den Einfluss der Elektromobilität beim sofortigen Laden „nach dem letzten Weg“ und dem Laden mittels Lastverlagerungsmechanismus. Bei negativer Residuallast bzw. wenn Energie aus erneuerbaren Energien abgeregelt werden muss, lassen sich im Vergleich zu einem Szenario ohne Elektromobilität ungefähr 30 Prozent der negativen Residuallast nutzen.Footnote 2 Dies entspricht rund 621 GWh der gesamten Strommenge von 1700 GWh, die sonst abgeregelt werden müsste.

Abb. 3
figure 3

(Farbabbildung online) Residuallast (= Systemlast – Einspeisung fluktuierender Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien) in den drei Szenarien „Ohne Elektroautos“ (schwarz), „Letzter Weg“ (rot) und „Lastverlagerung DSM“ (blau)

Mit anderen Worten: rund 3,5 % des gesamten Fahrstrombedarfs lassen sich durch „Überschusswindstrom“ decken, der sonst auf Grund der Lastsituation nicht genutzt worden wäre. Dies berücksichtigt noch keine netzseitigen Restriktionen. Die negative Spitze der Residuallast kann um rund 5 GW reduziert werden. Die intelligente Ladung reduziert also die Spitzenlast und trägt dazu bei, zusätzlichen fluktuierenden Strom aus Windenergie- und Solaranlagen zu integrieren.

Diesem positiven Effekt durch Verlagerung der Ladezeitpunkte steht auf Seiten der Energieträgerstruktur ein anderer Effekt entgegen. Gemäß den PowerACE-Berechnungen wird die Nachfrage der Elektromobilität im Fall einer ungesteuerten Ladung nach dem letzten Weg im Jahr 2030 überwiegend durch moderne Gaskraftwerke (rund 55 %) und, in geringerem Maß, durch Steinkohle-Kraftwerke gedeckt (Tab. 3).

Wenn jedoch Lastmanagementmaßnahmen ergriffen werden, wird nicht nur die Spitzenlast gesenkt und die Menge des abgeregelten Wind- und Solarstroms reduziert, sondern es werden zugleich auch die fossilen Kraftwerke, die in der Nacht als Grenzkraftwerke fungieren, besser ausgelastet. Grenzkraftwerke oder marginale Kraftwerke sind die Kraftwerke, die an- oder abgeschaltet werden, wenn sich die Stromnachfrage erhöht oder erniedrigt. Diese Kraftwerksklasse setzt sich in Deutschland heute und beim zugrunde gelegten Kraftwerkspark aus Kraftwerken mit höheren spezifischen Emissionen zusammen (siehe Tab. 1). So steigt der Anteil des eingesetzten Steinkohlestroms im Szenario DSM deutlich an.

Tab. 1 Marginaler Strommix („Grenzkraftwerkspark“) für den zusätzlichen Ladestrom von Elektrofahrzeugen im Jahr 2030 gemäß der modellierten Szenarien. Berechnung mit Strommarktmodell PowerACE. Kraftwerkspark und CO2-Zertifikatspreis wurden durch PERSEUS ermittelt (siehe Abb. 2). Annahmen: Rohstoffpreise nach (WEO 2008), Fahrverhalten nach (MiD 2002), Penetrationsszenario (Wietschel et al. 2008) im Dominanzszenario, zum Ausgleich der Fluktuation aus Erneuerbaren Energien keine Berücksichtigung von Im-/Export und Pumpspeichen

Dieses Bild ändert sich deutlich, wenn ein vermehrter Einsatz von Kraft-Wärme-Kopplung und ein geringerer Ausbau von Kohlekraftwerken angenommen wird. Wird ein weiterer Ausbau zentraler hocheffizienter Gas- und Dampf-Kraftwerke unterstellt, verschiebt sich der Ladestrommix deutlich zu Gunsten niedrigerer CO2-Emissionen. Mit zunehmender Durchdringung erneuerbarer Energien wird sich die Bedeutung dieses Effekts relativieren.

Erst wenn zusätzliche erneuerbare Energieanlagen in einem für die Abdeckung des Strombedarfs der Elektroautos erforderlichen Umfang zugebaut werden (Szenario „DSM+RES“), ergibt sich ein nahezu ausschließlich aus erneuerbaren Energien bestehender Ladestrommix.

Mit Hilfe dieser Kraftwerkspark-Modellierung kann dieser Kraftwerkspark ökobilanziell abgebildet werden. D. h. es werden mit Hilfe des Ökobilanz-Modells „Umberto“ des IFEU sämtliche Aufwendungen erfasst, die für die Bereitstellung 1 kWh auf Verteilnetzebene anfallen, also inklusive Exploration, Förderung und Aufbereitung der Energieträger und deren Umwandlung.

Während das Ökobilanzmodell verschiedene Umweltwirkungen abbildet, wird in dieser Veröffentlichung auf die Treibhausgas-(THG)-Bilanz fokussiert (Abb. 4). Links dargestellt ist der Strommix 2009 sowie der Strommix, wie er sich aus der Bilanzierung in PERSEUS für das Jahr 2030 ergibt. Deutlich sichtbar ist der sinkende THG-Faktor durch den steigenden erneuerbaren Anteil.

Abb. 4
figure 4

Klimawirkung des Elektroauto-Betankungsstroms auf Verteilnetzebene. Links dargestellt ist der heutige Strommix sowie der zukünftige Strommix 2030 (gemäß PERSEUS-Kraftwerksparkmodellierung), daneben die verschiedenen Grenzkraftwerks-Strommixe gemäß Tab. 1 sowie zum Vergleich die Bilanz einiger Einzelkraftwerke

Die folgenden drei Säulen zeigen den THG-Faktor, der sich ergibt, wenn angenommen wird, dass Elektroautos nicht mit dem deutschen Durchschnittsmix bilanziert werden, sondern ein zusätzliches Lastsegment darstellen, das mit dem Grenzkraftwerkspark versorgt wird. Im Szenario „Letzter Weg“, also dem Szenario mit ungesteuertem Laden, macht sich der vergleichsweise hohe Steinkohle-Anteil bemerkbar. Im gesteuert aufgeladenen Auto gehen die zwei oben geschilderten Aspekte in den Faktor ein: einerseits ein Anteil von „Überschuss“-Wind- und Solarstrom, anderseits aber auch ein noch höherer Anteil von Steinkohle an der Strombereitstellung. Erst im Szenario DSM+RES, in dem zusätzliche Kraftwerkskapazität an Erneuerbaren zugebaut wird, sinkt dieser Faktor auf einen nahezu CO2-freien Ladestrommix. Zum Vergleich sind auch die THG-Faktoren eines modernen Steinkohle-Kraftwerks, eines Gas-GuD-Kraftwerks und einer Windenergieanlage dargestellt.

Diese Bilanzierung zeigt zweierlei:

  1. (1)

    Das intelligente Beladen orientiert am Windangebot trägt zur ökonomischen Optimierung des Kraftwerksparks und zur verbesserten Nutzung von Überschussstrom bei. Dabei muss – in einer Übergangszeit – in Kauf genommen werden, dass auch die Betriebsweise des fossilen Kraftwerkparks verändert wird mit einem tendenziell höheren Einsatz von Kohlekraftwerken.

  2. (2)

    Erst durch zusätzlich geschaffene Kapazitäten an erneuerbaren Energieanlagen kann das Elektrofahrzeug eine optimale Treibhausgas-Bilanz aufweisen.

5 Die Ökobilanz der Elektromobilität: Beispiel Treibhauseffekt

Zur umfassenden ökologischen Bewertung der Elektromobilität gilt es, neben der Strombereitstellung den gesamten Lebensweg eines Fahrzeugs zu erfassen. In einer solchen ganzheitlichen Perspektive auf verschiedene Mobilitätsalternativen müssen auch die Herstellung der Fahrzeuge und Batterien und die Umweltwirkungen der erforderlichen Materialien berücksichtigt werden. IFEU entwickelt hierzu im Rahmen verschiedener Elektromobilitätsprojekte derzeit das hochflexible Modell eLCAr (Electric Car LCA).

Die aktuelle Ökobilanz des IFEU zur Fahrzeugherstellung differenziert dabei zwischen dem Rumpffahrzeug, dem Antriebsstrang (Motor und Zusatzbauteile) und der Batterie. Damit können vergleichbare Ökobilanzen für Fahrzeuge mit verschiedenen Antriebskonzepten erstellt werden. Der Materialieneinsatz beim Rumpffahrzeug orientiert sich dabei am Golf VI und basiert unter anderem auf Daten von Volkswagen. Zusätzlich wurde auf eigene Abschätzungen im Rahmen von Literaturrecherchen, Primärdaten aus Industrieunternehmen und Datenbanken zurückgegriffen. Die Umweltwirkungen der Materialien wurden im Wesentlichen auf Basis von Ecoinvent-Daten ermittelt (Ecoinvent 2008).

Daten zur Batterieherstellung (Materialien und deren Vorketten, Verarbeitung, Energieaufwand etc.) wurden bei vier Lithium-Ionen-Batterieherstellern erhoben. Dabei wurden in Absprache mit den Herstellern Annahmen bezüglich der Entwicklung der ökologischen Aufwendungen einer zukünftigen Serienproduktion getroffen. Die angenommene Batteriekapazität für ein rein batterieelektrisches Fahrzeug beträgt 25 kWh. Unter Berücksichtigung von Fortschritten bei der Dauerhaltbarkeit von Batterien wird angenommen, dass im Jahr 2030 eine Batterie ausreichend für das Fahrzeugleben ist.

Energie- und Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge beruhen auf IFEU-Modellierungen (siehe Abb. 2). Basis bildet der Energiebedarf am Rad, der mittels der Fahrzeugparameter und sekundenfeiner Geschwindigkeitsprofile berechnet wurde (siehe Helms, 2010). Das ermöglicht die Berücksichtigung verschiedener Fahrmuster unter sonst vergleichbaren Randbedingungen. Abgebildet wird hier das dynamische Fahrverhalten auf Basis von Fahrzyklen, die auch dem Handbuch-Emissionsfaktoren 3.1 (HBEFA 2010) zu Grunde liegen. Dabei wird ein Mix der Fahrleistung von 30 % auf Innerorts-, 40 % auf Außerortsstraßen und 30 % auf Autobahnen angenommen. Zudem wurde der Energieverbrauch von Nebenaggregaten (z. B. Klimaanlage, Servolenkung etc.) berücksichtigt. Die Ergebnisse für den neuen europäischen Fahrzyklus sind ebenfalls dargestellt und unterscheiden sich nicht in der Aussage und Ergebnisrichtung, sondern führen im Wesentlichen zu etwas niedrigeren Umweltwirkungen für alle Fahrzeuge.

Der geographische Bezugsrahmen für die in Tab. 1 dargestellten Ökobilanz-Ergebnisse ist Deutschland; zeitlich wird der Stand 2030 abgebildet. Dieser Zeitpunkt trägt der Tatsache Rechnung, dass die Produktion und die technischen Eigenschaften von Elektroautos dann in einem „eingeschwungenen“ Zustand sind und Umweltverbesserungspotenziale durch Serienfertigung und technischen Fortschritt erschlossen werden. Auch die Entwicklung des Verbrennungsmotorfahrzeugs wird dabei fortgeschrieben. Die abgebildeten Neufahrzeuge haben im NEFZ einen Verbrauch von 4,6 Liter Ottokraftstoff und 3,7 Liter Dieselkraftstoff pro 100 km inklusive Nebenverbraucher. Der Verbrauch in den Zyklen des HBEFA liegt mit durchschnittlich gut 5 und etwa 4 Litern pro 100 km inklusive Nebenverbraucher etwas höher. Funktionelle Einheit der Bilanzen ist ein Fahrzeugkilometer eines Kompaktklassenfahrzeugs mit einer Lebenslaufleistung von 150.000 km. Das Ökobilanz-Modell bildet verschiedene Umweltwirkungen ab; in dieser Publikation, die auf die Wechselwirkungen zwischen energiewirtschaftlichem Modell und Elektromobilität fokussiert, wird auf die Klimabilanz fokussiert. Details der Ökobilanz und weitere Umweltwirkungen werden in einem ausführlichen Forschungsbericht dokumentiert.

Das Ziel der Entwicklung ist die Versorgung von Elektroautos mit zusätzlichem Strom aus erneuerbaren Energieanlagen. Das positive Treibhausgas-Bilanzergebnis demonstriert die dritte Säule in Abb. 5. Als Ergebnis der Grenzbetrachtung hängt die Ökobilanz, wie oben beschrieben, davon ab, ob lediglich intelligent geladen wird und damit Überschussstrom eingesetzt wird, oder ob auf zusätzliche Kapazität aus erneuerbaren Energieanlagen zurückgegriffen werden kann. Langfristig werden die steigenden Anteile erneuerbarer Stromerzeugung sowohl in einer Grenzbetrachtung als auch in einer Analyse der durchschnittlichen Situation zu niedrigen CO2-Emissionen konvergieren.

Abb. 5
figure 5

Klimawirkung pro km für einen Kompaktklasse-Pkw in 2030 (Fahrmuster des HBEFA (oben) und des NEFZ (unten)). Links sind die Lebenszyklus-Treibhausgase eines Verbrennungsmotor-Fahrzeugs dargestellt, in der Mitte ein Elektroauto, das mit den verschiedenen Grenzkraftwerks-Strommixen gemäß Tab. 1 geladen wird, und zum Vergleich das mit dem zukünftigen Strommix (gemäß PERSEUS-Modellierung) geladene Elektroauto

Die Treibhausgas-Emissionen von Elektrofahrzeugen bei Verwendung des heutigen deutschen Strommix sind etwa mit denen des konventionellen Verbrennungs-Pkws vergleichbar – Vorteile ergeben sich bei der Nutzung des für 2030 berechneten Strommix aufgrund des höheren Anteils erneuerbarer Energien. Wie erwartet kommt der größte Beitrag aus der Nutzungsphase und wird durch den Kraftstoff- bzw. Energieverbrauch bestimmt. Der hohen Effizienz des Elektrofahrzeugs stehen die höheren Belastungen des „Kraftstoffs“ Strom entgegen. Zudem sind die Aufwendungen der Herstellung des Elektroautos höher.

Ebenfalls dargestellt sind die Ergebnisse der obigen Grenzkraftwerksberechnungen gemäß Tab. 1 sowie die Treibhausgasemissionen, die entstehen würden, wenn zum Vergleich das Elektroauto mit Strom aus einem modernen Steinkohle-, Gas-GuD- oder Windkraftwerk geladen würde. Im Szenario mit einem Zubau an zusätzlichen erneuerbaren Energieanlagen („RES+DSM“) liegen die Treibhausgas-Emissionen bei weniger als der Hälfte des Diesel-Autos.

Im Rahmen des Projekts „Flottenversuch Elektromobilität“ werden zahlreiche weitere Umweltwirkungen, Fahrzeug-, Kraftwerks- und Mobilitätsszenarien abgebildet.

6 Der Ansatz des „Flottenversuchs Elektromobilität“ zur Integration von erneuerbaren Energieträgern

Es stellt sich nun die Frage, wie ein Anreiz, Elektromobilität mit erneuerbaren Energieträgern zu koppeln, instrumentell erfolgen kann. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass bereits einige Wechselwirkungen zwischen existierenden energiepolitischen Instrumenten und Elektroautos auftreten:

  • Elektroautos verlagern einen Teil der CO2-Emissionen, die sonst im nicht vom Emissionshandel erfassten Verkehrssektor angefallen wären, in den Stromsektor. Da dessen CO2-Emissionen nach oben begrenzt sind und der Verlauf der Grenzmenge langfristig festgelegt ist, führt eine zusätzliche Nachfrage zu steigenden Zertifikatspreisen und damit zu steigendem Druck, in vom Emissionshandel abgedeckten Sektoren eine zusätzliche Emissionsminderung zu erzielen. Allerdings ist nicht vollständig gewährleistet, dass keine spätere Anpassung der CO2-Obergrenze um die Mengen erfolgt, die aus dem Verkehrs- in den Stromsektor gewandert sind.Footnote 3 Denn bei höherem Strombedarf sind strengere CO2-Ziele politisch i. d. R. schwieriger durchzusetzen. Auch die von ihrer Klimaschutzwirkung umstrittenen Projekte des „Clean Development Mechanism“, die zu einem gewissen Anteil der Emissionsverpflichtung anerkannt werden, tragen dazu bei, dass durch die Verlagerung von Elektroautos diese nicht per se emissionsfrei sind.

  • Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) definiert das Ziel, mindestens 30 % Stromanteil aus erneuerbaren Energien bis 2020 zu realisieren. Automatisch führt der steigende Strombedarf durch Elektroautos dazu, dass in absoluter Menge mehr Strom aus EE-Anlagen bereitgestellt werden muss, um das EEG-Ziel zu erfüllen, da der Nenner der Zielbestimmung entsprechend steigt. Damit sind im Jahr 2020 mindestens 30 % (nach dem Ziel des Energiekonzeptes 35 %) des Stromverbrauchs von Elektroautos aus zusätzlichen Erneuerbaren, solange das Ziel nicht sowieso übererfüllt wird. Allerdings ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dieses Ziel übererfüllt wird. Alle aktuellen Szenarien gehen von einer Übererfüllung des EEG-Ziels aus, nicht zuletzt der Nationale Aktionsplan Erneuerbare Energien (BMU 2010), der über 38 % EE-Strom für 2020 prognostiziert. In diesem Fall würde sich durch Elektroautos kein neuer Ausbauimpuls ergeben.

  • Eine weitere relevante Wechselwirkung besteht mit der CO2-Pkw-Richtlinie. Für 2015 gibt die EU einen Durchschnittsfaktor von 130 g CO2/km vor, den die Neuwagenflotte erreichen muss. 2020 muss dieser Wert auf 95 g/km absinken. Da Elektroautos unabhängig von der Stromherkunft mit 0 g/km angerechnet werden, erleichtern sie den Herstellern die Erreichung des Zielwertes.

Das Projekt „Flottenversuch Elektromobilität“, in dem von Volkswagen entwickelte Plug-In-Hybride in einem Feldtest untersucht werden, verfolgt zusätzlich zu diesen Wechselwirkungen verschiedene Ansätze, um eine enge Kopplung von Elektromobilität mit erneuerbaren Energien zu realisieren.

  1. 1.

    Die Kunden erhalten einen Tarif, der einen Anreiz schafft, zu Starkwind- und Schwachlastzeiten zu laden. Das oben als „Szenario DSM“ beschriebene intelligente Betanken wird im „Flottenversuch Elektromobilität“ durch einen zeitvariablen Tarif realisiert. Der zugrundeliegende Tarif wird auf Basis von Grenzkosten durch das PowerACE-Modell errechnet. Eine hohe Einspeisung von erneuerbaren Energien führt dabei zu tiefen Preisen (Abb. 6), während bei Flaute und hoher Last mehr für den Strom gezahlt werden muss.

    Abb. 6
    figure 6

    Beispielhafte Wirkung der Einspeisung von erneuerbaren Energien auf den genutzten Tarif

    Durch diesen Tarif wird – siehe oben – die Integrationsfähigkeit für Windstrom erhöht und die Spitzenlast gesenkt; zugleich wird, wie oben berechnet, die Auslastung fossiler „Mittellast“-Kraftwerke erhöht, wenn keine zusätzlichen erneuerbare Energieerzeugungseinheiten installiert werden.

  2. 2.

    Der Betankungstarif enthält außerdem eine lokale Netzkomponente, die bei akuten Überlastungssituationen (siehe Abb.  7 ) eine Tariferhöhung vorsieht. Der aus dem Szenario DSM resultierende zeitvariable Tarif kann allerdings zu einer Synchronisierung der in einem Netzgebiet ladenden bzw. entladenden Elektrofahrzeuge führen und daher lokal erhebliche netztechnische Grenzwertverletzungen hervorrufen oder sogar zu Netzinstabilitäten führen. Daher ist im Rahmen des Flottenversuches eine dynamische lokale Tarifanpassung vorgesehen, die es ermöglicht, unterschiedliche Lastsituationen auf der Verteilnetzebene zu berücksichtigen und gleichzeitig die vorhandenen Netzkapazitäten effizienter zu nutzen. Hierzu wird ausgehend von der globalen Tarifvorgabe eine zusätzliche Tarifkomponente gemäß der aktuellen Netzauslastung hinzugefügt. Die Gewichtung des Tarifs erfolgt entsprechend einer quadratischen Funktion – resultierend aus den steigenden Netzverlustkosten sowie der Überlagerung der heutigen durchschnittlichen Netzentgelte auf Verteilnetzebene, die den Basiswert der Berechnung widerspiegeln. Damit geht eine hohe Netzauslastung mit einer höheren Gewichtung in den Tarif ein.

    Abb. 7
    figure 7

    Exemplarischer Verlauf relativer Netzkosten eines realen Netzes infolge unkoordinierter Ladeprozesse von 20 Elektrofahrzeugen

    Aufgrund einer sehr hohen Diversität von Verteilnetzen erfolgt die Parametrierung der Tariffunktion für jedes betrachtete Gebiet spezifisch und wird im Rahmen des Flottenversuches für einige Netze exemplarisch ausgewertet.

    Abbildung 1 illustriert ein exemplarisches Ergebnis eines Niederspannungsnetzes mit dem resultierenden Kostenverlauf infolge einer variablen Auslastung, die durch unkoordinierte Ladeprozesse von 20 Elektrofahrzeugen hervorgerufen wird. Der ansteigende Verlauf des Tarifes (grün) resultiert aus den jeweiligen Ladeprozessen aufgrund der damit verbundenen Netzauslastung, die dem ursprünglichen DSM Tarif überlagert werden und damit ggf. eine entsprechende Verschiebung des Zeitfensters hin zu niedrigeren Auslastungen erzielen.

    Neben einer automatischen Verlagerung der Ladeprozesse infolge der Netzkomponente hin zu Zeiten mit niedrigerer Auslastung ist gegebenenfalls die Vermeidung konträrer Situationen – resultierend aus einer hohen Einspeisung erneuerbarer Energien, aber bereits hoher Verteilnetzauslastung – möglich, indem der Anreiz zum Laden zeitlich gegeneinander verschoben wird. Weiterhin kann hiermit eine räumlich nahe Erzeugung aufgrund der niedrigeren relativen Netzkosten einer entfernten bevorzugt werden.

  3. 3.

    Versuchsweise wird mittels einer bidirektionalen Ladestation auch die Rückspeisung von in Batterien gespeichertem Strom erprobt. Das Angebot von Regelleistung auf Basis eines Pools an Elektrofahrzeugen könnte mittelfristig an Bedeutung gewinnen. Allerdings stehen dem die Batteriezyklenfestigkeit und die Auf-/Entladekosten sowie die zur Verfügung stehende geringe Fahrzeugzahl in der Einführungszeit entgegen. Als problematisch dürfte sich auch die Akzeptanz der Endkunden für eine Entladung ihrer Batterie erweisen. Dies wird im Rahmen des Feldtests untersucht.

  4. 4.

    Individuell greifen Kunden auch auf Ökostromprodukte zurück.

7 Die Infrastruktur zur Kopplung von Elektroautos mit erneuerbaren Energieträgern

Um eine solche Ladestrategie zu realisieren, ist neben der Anbindung der Fahrzeuge und der Kommunikation zwischen Energieversorger und Fahrzeug eine intelligente Betriebsführung erforderlich, die aus den verschiedenen Randbedingungen (gültige Tarife, Infrastruktur, Fahrerwunsch etc.) eine optimierte Auf- und Entladungsstrategie ermittelt.

Trotz einer gegenwärtig gut ausgebauten Infrastruktur mit vielen technisch verfügbaren Verknüpfungspunkten zum Stromnetz gibt es bei einer hohen Durchdringung von Elektrofahrzeugen große Herausforderungen im Bereich der Schnittstelle zwischen Stromnetz und Fahrzeug. Hinzu kommt der Wunsch des Fahrzeugbesitzers nach einfachen, automatischen und sicheren sowie günstigen, einheitlichen und ökologisch korrekten Lösungen. Leider muss diese Wunschvorstellung derzeit noch fernab der Realität angesiedelt werden, da es keine einheitlichen, auf erneuerbaren Energien basierenden intelligenten und diskriminierungsfreien Auf- bzw. Entladevorgänge der Fahrzeuge gibt.

Die derzeit in den Medien präsentierten Ladestationen und Anbindungskonzepte sind aus pragmatischen Gründen meist proprietäre Lösungen mit einer klaren Trennung zwischen dem Fahrzeug und einer stationären Abrechnungsinfrastruktur. Die bezogene Energiemenge der mobilen Verbraucher wird nur an den jeweiligen Ladestationen erfasst und abgerechnet. Bei einer zunehmenden Marktdurchdringung von Plug-In Fahrzeugen ist die Einbindung mobiler Zähler (wie u.a. in Engel 2010 beschrieben) die flexibelste Möglichkeit, Fahrstrom individuell bzw. bezogen auf ein bestimmtes Fahrzeug abzurechnen (siehe u.a. VDE 2010). Diese Lösung des „mobilen Metering“ ist vollkommen unabhängig davon, ob im privaten, öffentlichen oder halböffentlichen Raum (z. B. Firmenparkplätze) geladen oder zurückgespeist wird. Es ermöglicht die Abrechnung von Systemdienstleistungen an bestehender Infrastruktur ohne aufwendige Installation spezieller Netzanschlusspunkte. Außerdem sind die traditionell kurzen Innovationszyklen der Fahrzeuge im Vergleich zur Ladeinfrastruktur ein wichtiges Argument für eine Integration des komplexeren Systems im Fahrzeug. Dies gilt besonders hinsichtlich möglicher netzstützender Maßnahmen, bei denen Energie vom Fahrzeug dem Netz zeitweise bereit gestellt wird und zur objektiven Abrechnung gemessen werden muss.

Um die oben geschilderte Tarifgestaltung mit gesteuertem Laden realisieren zu können, wird im „Flottenversuch Elektromobilität“ ein vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) entwickeltes mobiles Lademanagementsystem eingesetzt. Es vereint Kommunikations-, Mess- und Optimierungseinheiten, die das Laden bzw. Rückspeisen koordinieren und dokumentieren. Das on-board-Steuergerät ermöglicht eine intelligente Netzanbindung sowohl über die 30 kW DC-Schnellladestation als auch über eine eigens entwickelte kommunikationsfähige Steckdose in der heimischen Garage, der sog. E.ON e-box. Darüber hinaus erlaubt es die Dokumentation und Abrechnung des Ladevorgangs an jeder haushaltsüblichen Steckdose. In Abb. 8 sind die drei im BMU-Flottenversuch realisierten Anschlussmöglichkeiten überblicksartig dargestellt. Zusätzlich zu den Ladestationen werden mit dem Einsatz eines mobilen Zählers zukunftsfähige Anbindungskonzepte der Elektrofahrzeuge im Praxisbetrieb getestet.

Abb. 8
figure 8

Anbindungskonzepte, Kommunikations- und Energiepfade und Komponenten zur Netzintegration des „VW Twin Drives“

Ein wesentliches Alleinstellungsmerkmal des Flottenversuchs Elektromobilität ist die dezentrale Auf- bzw. Entladeentscheidung: Auf Basis der Tarife, örtlicher Begebenheiten (z. B. verfügbare Ladeleistung), des Fahrerwunsches (z. B. nächste Abfahrtszeit) und weiterer Parameter wird „onboard“, also im Fahrzeug, der ideale Zeitpunkt zur Auf- bzw. Entladung des Fahrzeuges berechnet. Dies geschieht auf Basis eines Graphensuchalgorithmus (siehe Heider et al. 2009 und VDE 2010). Neben der auf den Tarifen basierenden dezentralen Ladeentscheidung im Fahrzeug ist durch die zentrale Freigabe und Begrenzung der Ladeleistung dem Netzbetreiber an jeder Ladestation eine Eingriffsmöglichkeit für kritische Netzsituationen gegeben.

Die einfachste Variante ist die Ladung an einer normalen Schutzkontaktsteckdose, wie sie nahezu überall verfügbar ist. Hier wird lediglich der stationäre Einsatz eines Fehlerstromschutzschalters und einer Überstrom-Sicherung vorausgesetzt. Für die Ladung mit einer maximalen Leistung von ∼3,7 kW wird das onboard-Ladegerät des Fahrzeugs über ein Adapterkabel mit einer 230 V Schuko-Steckdose verbunden. In dieser Betriebsart ist gemäß IEC 61851-1:2001 keine Rückspeisung der Energie möglich. Auch nicht möglich ist eine Kommunikation mit dem Fahrzeug, der Ladevorgang läuft folglich rein statisch ab und es werden keine variablen Tarife berücksichtigt. Die Abrechnung dieser Ladung geschieht derzeit über die monatliche Stromrechnung des entsprechenden Anschlussinhabers.

Im mittleren Teil der Abb. 8 ist als weitere Anschlussmöglichkeit die als „intelligente Steckdose“ bezeichnete Ladestation dargestellt (e-box) (Abb. 9). Intelligent bedeutet in diesem Kontext, dass die Ladestation mit Elektrofahrzeugen und einem dediziertem Tarif-Server kommuniziert, um eine optimierte Auf- und Entladestrategie zu entwickeln. Die e-box besteht aus einem Steuergerät, einem bidirektionalen Stromzähler und einer drahtlosen Kommunikationsanbindung über ZigBee. Mit der Umsetzung der drahtlosen Kommunikation werden gleichzeitig Erfahrungen für eine etwaige Einführung induktiver Ladesysteme gesammelt. Die Kommunikation mit dem übergeordneten Server des Ladestationsbetreibers erfolgt über ein GPRS-Modem.

Abb. 9
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Onboard Lademanagementsteuergerät „e-box mobile“

Die dritte Anbindungsmöglichkeit ist die Schnellladestation. Die Traktionsbatterie des Fahrzeugs wird unter Umgehung des fahrzeuginternen Ladegeräts mit einer Spannung bis zu 400 VDC und einer Anschlussleistung bis zu 30 kW geladen. Die Kommunikationsanbindung zum Fahrzeug erfolgt über einen CAN-Bus, dessen Signalleitungen im Ladekabel und Stecker mitgeführt werden. Da das Energiemessgerät (e-box mobile) des Fahrzeugs nicht in den DC-Kreis der Traktionsbatterie integriert ist, erfolgt die Messung der bezogenen Energie beim Laden an der Schnellladestation ausschließlich über den stationären Zähler.