1 1 Hintergrund und Ziele

Technische Ansätze zur Verringerung und Vermeidung von Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser können auf drei Strategieebenen zum Einsatz kommen:

  1. Abwasserbehandlung in den Kläranlagen (middle of pipe),

  2. Trinkwasseraufbereitung in den Wasserwerken (end of pipe),

  3. Maßnahmen zur Verringerung und Vermeidung von Stoffeinträgen in die Abwässer.

Im vorliegenden Übersichtsbeitrag werden bereits vorhandene bzw. in der Erprobung befindliche Verfahren zur Verringerung und Vermeidung von Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser hinsichtlich ihrer Leistungsfähigkeit diskutiert. Möglichkeiten der Erweiterung oder Nachrüstung von Kläranlagen durch Membranfiltration, Aktivkohlefiltration, Photooxidation, Ozonierung und weitere Oxidationsmethoden werden vorgestellt. Dabei wird auch die Modifikation bestehender Systeme (z. B. durch Erhöhung des Schlammalters im Belebtschlammbecken der Kläranlagen) berücksichtigt. Da sich die Aufbreitung von Trinkwasser in den Wasserwerken von der Aufbereitung des Abwassers in den kommunalen Kläranlagen in wesentlichen Punkten unterscheidet, wird auf die Verfahren, die bei der Aufbereitung von Trinkwasser Anwendung finden, gesondert eingegangen. Darüber hinaus werden innovative dezentrale Komponenten in der Abwasserbehandlung vorgestellt. Diese zielen hauptsächlich auf bauliche Maßnahmen zur Separation von Stoffströmen, z. B. in Krankenhäusern, Senioren- und Pflegeeinrichtungen, neuen Siedlungsgebieten, großen Hotel- und Freizeitanlagen ab. Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten werden diskutiert und daraus abschließend ein Vorschlag entwickelt, mit dem durch Kombination verschiedener Verfahrensvarianten das Trinkwasser vor einem Eintrag von Arzneimittelwirkstoffen nachhaltig geschützt und darüber hinaus mittel- bis langfristig die Arzneimittelproblematik für die aquatische Umwelt entschärft werden kann.

2 2 Ergebnisse

2.1 2.1 Technische Verfahren zur Elimination von Arzneimittelwirkstoffen

Obwohl sich die für diesen Beitrag recherchierten Daten ausschließlich auf Humanarzneimittelwirkstoffe beziehen, sind die nachfolgend vorgestellten technischen Maßnahmen ebenso geeignet, Tierarzneimittelrückstände aus dem aquatischen Milieu zu entfernen.

2.1.1 2.1.1 Erhöhung des Schlammalters im Belebtschlammbecken

Kläranlagen verfügen in der Regel über eine mechanische und eine biologische Klärstufe und die Anlagen der Größenklassen 4 und 5 zudem über eine Nitrat- und Phosphat-Eliminierung. Die mechanische Klärstufe besteht dabei meist aus einem Grob- und Feinrechen, einem Sandfang und einem Vorklärbecken. In der biologischen Reinigungsstufe kommt bei den meisten kommunalen Kläranlagen in Mitteleuropa das Belebtschlammverfahren zum Einsatz, wobei die organische Substanz im Abwasser überwiegend zu Kohlendioxid und Biomasse umgesetzt wird. Der im Abwasser vorhandene Stickstoff wird in Nitrat umgewandelt (Nitrifikation). In einem Nachklärbecken wird der Belebtschlamm aus dem Abwasser abgesetzt und zum Teil in das Belebungsbecken zurückgeführt (Rücklaufschlamm). Der überschüssige Belebtschlamm geht in die Klärschlammbehandlung. Die Entfernung der Arzneimittelrückstände (und anderer Fremdstoffe) aus dem Abwasser basiert überwiegend auf deren Sorption an Schwebstoffen und auf biologischer Degradation. Die Sorption ist für hydrophobe Substanzen und für Substanzen mit positiv geladenen funktionellen Gruppen von besonderer Bedeutung (Ternes et al. 2004). So wird z. B. das Antibiotikum Ciprofloxacin in der Kläranlage mit einem Anteil von 67 % am sekundären Schlamm adsorbiert, während 17α-Ethinylöstradiol lediglich mit einem Anteil von 3 % sorbiert wird. Saure Pharmazeutika wie Ibuprofen, Clofibrinsäure und Bezafibrat tragen negative Ladungen bei einem neutralen pH-Wert, so dass ihre Sorption am Klärschlamm vernachlässigt werden kann (Ternes et al. 2004).

Die biologische Transformation von Pharmazeutika und anderen Chemikalien ist ein wichtiger Prozess bei der Behandlung des Abwassers und hängt vom Alter des Belebtschlamms ab, da die Affinität der Substanzen gegenüber den bakteriellen Enzymen im Schlamm entscheidend für ihre Transformation ist. Ternes et al. (2004) berichten, dass Ibuprofen, Bezafibrat und Sulfamethoxazol bei einem Belebtschlammalter von zwei bis fünf Tagen weitgehend aus dem Abwasser entfernt werden, während Pharmazeutika wie Carbamazepin und Diazepam selbst bei einem Belebtschlammalter von über 20 Tagen keinen signifikanten Abbau vorweisen.

In weiteren Versuchen wurde Abwasser nach dem Schlammfang einer Kläranlage entnommen und zunächst auf Arzneimittelwirkstoffe analysiert. Die Konzentrationen schwankten je nach Substanz zwischen 5 ng/l und 5 µg/l. Mit diesem Abwasser wurden Abbauversuche bei einem variierenden Alter des Belebtschlamms von 10 bis 80 Tagen durchgeführt, ohne dabei die Abbauraten für die meisten der untersuchten Pharmazeutika signifikant über den nach 10 Tagen festgestellten Abbau hinaus steigern zu können. Auch hier konnte für Carbamazepin nahezu kein Abbau ermittelt werden (Joss et al. 2005). Von Clara et al. (2005) wurde ebenfalls festgestellt, dass eine Erhöhung des Alters des Belebtschlamms für die Transformation vieler Pharmazeutika günstig ist, allerdings nicht für Carbamazepin.

2.1.2 2.1.2 Membran-Bioreaktoren (MBR)

Ein Membran-Bioreaktor (MBR) ist ein System, das die biologische Umwandlung von Bestandteilen des Abwassers mit der Membranfiltration kombiniert (Cicek et al. 1999). MBRs sind in der Lage, eine Vielzahl von organischen und anorganischen Kontaminationen sowie biologische Inhaltsstoffe aus dem Abwasser zu entfernen. Die möglichen Anwendungen der MBRs zur Behandlung von landwirtschaftlichen Abwässern wurden von Cicek (2003) im Überblick dargestellt. Membran-Module werden überwiegend als tertiäre Systeme der Abwasserbehandlung (z. B. Filtration, Aktivkohle-Adsorption, Koagulation) in Kombination mit der sekundären Abwasserbehandlung (z. B. Belebtschlammverfahren) eingesetzt. Daneben werden auch Pilotanlagen betrieben, bei denen MBRs nicht mehr dem Belebtschlammverfahren nachgeschaltet sind, sondern parallel dazu oder alleine betrieben werden (Melin 2004, Joss et al. 2005). In den letzten Jahren sind im Rahmen von zwei EU-Projekten (POSEIDON und P-THREE) zahlreiche Studien durchgeführt worden, um die Leistungsfähigkeit von MBRs bei der Entfernung von polaren Xenobiotika (u. a. Pharmazeutika) aus dem Abwasser zu dokumentieren (Clara et al. 2005; Knepper et al. 2004).

Clara et al. (2005) haben die Elimination von pharmazeutischen Wirkstoffen aus dem Abwasser durch konventionelle Kläranlagen und Membran-Bioreaktoren verglichen. Die Konzentrationen der Substanzen in den Zuläufen der Kläranlagen und der MBR-Pilotanlage waren je nach Abwasser unterschiedlich und betrugen bei Diclofenac 905–4.114 ng/l, bei Ibuprofen 1.200–2.679 ng/l, bei Bezafibrat 1.960–7.600 ng/l, bei Carbamazepin 325–1.850 ng/l, bei Iopromid 26 bis 3.840 ng/l, bei Roxithromycin 25–117 ng/l und bei Sulfamethoxazol 24–145 µg/l. Die MBR-Pilotanlage war mit einer nicht näher spezifizierten Ultrafiltrationsmembran ausgestattet. Die Ergebnisse zeigten, dass beide Systeme vergleichbare Abbauraten erzielten. In allen getesteten Anlagen wurden für Ibuprofen und Bezafibrat Eliminierungsraten von über 90 % festgestellt, während Carbamazepin nicht und Diclofenac nur zum Teil aus dem Abwasser entfernt wurden. Bei einer Messkampagne wurde im MBR keine Eliminierung von Diclofenac bei einer Verweilzeit des Schlamms von 10 Tagen festgestellt, während bei höheren Verweilzeiten Abbauraten von 40–60 % gemessen wurden. Zwiener et al. (2001) konnten für Diclofenac in einer Biofilm-Pilotanlage lediglich eine Eliminierung von 1–5 % feststellen. Gonzalez et al. (2006) ermittelten in einer MBR-Pilotanlage für Diclofenac eine Eliminierungsrate von über 44 %, während auch hier für Carbamazepin kein Abbau festgestellt werden konnte. Untersuchungen von Joss et al. (2005) zur biologischen Eliminierung mehrerer pharmazeutischer Wirkstoffe in Kläranlagen, die mit einer MBR-Pilotanlage oder einem Festbett-Bioreaktor gekoppelt waren, lieferten dagegen Eliminationsraten für Diclofenac im Bereich von 20–40 %, für Ibuprofen von über 90 % sowie für Naxopren von 50–80 %. Auch hierbei wurde keine Elimination von Carbamazepin beobachtet. Carbamazepin wird weder im MBR-System abgebaut, noch wird es im Porensystem der Membran bzw. im Klärschlamm sorbiert, so dass übereinstimmend in allen Studien keine Eliminierung des Wirkstoffs in Kläranlagen, auch bei Kopplung mit MBR-Systemen, festgestellt wurde. Zur Bewertung des Potenzials einer Eliminierung von Pharmakawirkstoffen in konventionellen Kläranlagen haben Joss et al. (2006) eine Klassifizierung auf Basis von Degradationskinetiken vorgeschlagen. Die Ergebnisse lassen erkennen, dass eine Verdünnung des Abwassers die Effizienz der biologischen Entfernung von Xenobiotika beim Klärprozess verringert. Die biologische Elimination von pharmazeutischen Wirkstoffen aus Abwässern ist folglich leichter möglich, wenn die Konzentrationen der Wirkstoffe in den Abwässern vergleichsweise hoch sind (z. B. Krankenhaus-Abwässer).

Sofern diese Abwässer unbehandelt in die Kanalisation gelangen, wird der biologische Abbau der Pharmazeutika aufgrund der Verdünnung kinetisch ungünstiger. Joss et al. (2006) klassifizieren Arzneimittelwirkstoffe entsprechend ihrer Eliminierbarkeit in drei Gruppen. Verbindungen mit einer biologischen Abbaukonstante Kbiol < 0,1 Lgss–1d–1 sind zu weniger als 20 % abbaubar, Verbindungen mit Kbiol > 10 Lgss–1d–1 sind zu mehr als 90 % biologisch abbaubar und Substanzen mit 0,1 Lgss–1d–1 < Kbiol < 10 Lgss–1d–1 nehmen eine Mittelstellung bezüglich der Abbaubarkeit ein. Von den 33 untersuchten pharmazeutischen Wirkstoffen wird für Ibuprofen, Paracetamol, Östron und 17ß-Östradiol eine Eliminationsrate von über 90 % erwartet. Von den Verbindungen werden 16 teilweise entfernt und für 15 Wirkstoffe wird keine signifikante Elimination (größer 50 %) durch die biologische Behandlung des Abwassers erwartet.

Für die meisten Pharmakawirkstoffe liegen die Abbauraten, in MBRs und konventionellen Kläranlagen in einer vergleichbaren Größenordnung, sofern sie auch bei vergleichbarer Verweilzeit des Schlamms betrieben werden. Für Substanzen, die bei längeren Verweilzeiten des Schlamms besser eliminiert werden, kann die Anwendung von MBRs einen Vorteil bieten, da diese in der Regel mit Verweilzeiten des Schlamms von über 20 Tagen betrieben werden (Ternes et al. 2005).

2.1.3 2.1.3 Adsorptionsverfahren (Pulveraktivkohle)

In der Kläranlagentechnik kommt für die Reinigung kommunaler Abwässer die in der Trinkwasserbehandlung vielfältig eingesetzte Aktivkohlefiltration wegen der damit verbundenen Kosten derzeit nicht zum Einsatz. Vor diesem Hintergrund sind seit einigen Jahren Verfahren in der Erprobung, bei denen die Aktivkohle nicht als stationärer Reaktor, sondern pulverförmig dem gesamten Abwasserstrom nach der biologischen Behandlung zugesetzt wird, um daran organische Reststoffe zu adsorbieren und letztlich in den Klärschlamm zu verlagern. Dieser muss dann allerdings einer thermischen Verwertung (Verbrennung oder Vergasung) zugeführt werden, um auf diesem Wege die Fremdstoffe endgültig eliminieren zu können.

Seit dem Jahr 2004 wird beim Zweckverband Klärwerk Steinhäule, dem u. a. die Städte Ulm und Neu-Ulm angehören, eine Versuchsanlage betrieben, bei der einer biologischen Abwasserreinigung eine physikalische Reinigungsstufe nachgeschaltet ist. Dabei wird Pulveraktivkohle mit einer hohen spezifischen Oberfläche eingesetzt, um organische Restverunreinigungen aus dem bereits biologisch gereinigten Abwasser zu entfernen. Die ersten Versuche zeigten, dass Arzneimittelrückstände durch die Aktivkohlebehandlung um ca. 80 % verringert werden konnten. Bei einem Zusatz von 10 mg/l Pulveraktivkohle in der Nachklärung wurden auch Röntgenkontrastmittel mit bis zu 75 % aus dem Abwasser eliminiert. Bei einem Zusatz von 20 mg/l Pulveraktivkohle betrug die Eliminierungsrate für Röntgenkontrastmittel etwa 90 % (Metzger et al. 2005). Der Einsatz des Verfahrens erfordert Investitionskosten für einen Flockungsreaktor und für eine nachgeschaltete Sedimentation und Filtration und führt darüber hinaus zu einer Erhöhung des Schlammaufkommens um 5−15 %. Die bisherigen Ergebnisse aus der Erprobung dieses Verfahrens sind auf Tagungen vorgestellt worden (z. B. Kapp 2006; Metzger und Kapp 2006). Publikationen der Ergebnisse in wissenschaftlichen Zeitschriften liegen bisher nur in geringer Zahl vor (vgl. Metzger et al. 2005).

Eine Entscheidung für einen verstärkten Einsatz von Pulveraktivkohle in der Abwassertechnik kann zudem nicht ohne Berücksichtigung der zurzeit kontrovers diskutierten Frage nach der Verwertung der Klärschlämme getroffen werden. Der Umgang mit Klärschlamm erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland regional mit unterschiedlichen Prioritäten. Eine Bundesratsinitiative für ein Klärschlamm-Verbot zur Reinhaltung von Böden im Jahr 2001 auf Initiative des Bayrischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (http://www.stmugv.bayern.de/global/script/xxl.php?url=aktuell/presse/detailansicht.htm?tid=939) scheiterte. Am 13. Juni 2001 erklärten die Agrar- und Umweltminister des Bundes und der Länder, dass es aus Gründen des vorsorgenden Gesundheitsschutzes zu keiner Anreicherung von Schadstoffen (u. a. aus Klärschlamm) im Boden kommen darf. Die Ministerien für Ernährung und Ländlichen Raum sowie für Umwelt und Verkehr des Landes Baden-Württemberg wiesen im selben Jahr ihre Dienststellen an, aus Vorsorgegründen von einer Klärschlammverwertung in der Landwirtschaft abzuraten (Ministerium für Umwelt und Verkehr Baden-Württemberg 2002). Die Bundesregierung räumt ein, dass die Klärschlammverordnung aus dem Jahr 1992 nicht mehr in allen Punkten dem aktuellen Stand der tatsächlich realisierbaren Klärschlammqualität entspricht, weshalb Schwermetallgrenzwerte und Grenzwerte für organische Schadstoffe novelliert werden. Im Hinblick auf die Berücksichtigung von Pharmakawirkstoffen bei der Neufassung der Klärschlammverordnung verweist sie auf Vorträge im Rahmen einer BMU Expertentagung (‚Perspektiven der Klärschlammverwertung‘ am 6. und 7. Dezember 2006 in Bonn), die keinen akuten Handlungsbedarf hätten erkennen lassen (Deutscher Bundestag 2007).

In Niedersachen wurden im Jahr 2005 allerdings noch 69 % der anfallenden Klärschlämme landwirtschaftlich verwertet und lediglich 15 % einer thermischen Verwertung zugeführt. In diesem Bundesland besteht ein starkes Interesse, Klärschlamm weiter in der Landwirtschaft zu verwerten und dadurch den Bedarf an einer Verwendung teurer (und häufig cadmiumhaltiger) Kunstdünger zu vermeiden. Im Vergleich dazu wurden z. B. in Baden-Württemberg im Jahr 2006 bereits 68 % der Klärschlämme einer Verbrennung zugeführt und lediglich etwa 10 % noch landwirtschaftlich verwertet (BMU 2006).

Auf eine effiziente thermische Verwertung von Klärschlamm zielen einige technische Entwicklungen der letzten Jahre ab. Im Sekundärrohstoff-Verwertungszentrum Schwarze Pumpe GmbH (SVZ) wurde die für die Vergasung von Stein- und Braunkohlen entwickelte Festbettdruckvergasung modifiziert, um eine kombinierte Vergasung von Abfall- und Kohle-Gemischen zu ermöglichen. Für die Klärschlammvergasung stehen eine Aufbereitungs-, Vergasungs- und Gasverwertungsanlage (Methanolanlage, Gas- und Dampfturbinenkraftwerk) zur Verfügung. Das erzeugte Synthesegas wird für die Methanolerzeugung und die Gewinnung von Hochdruckvergasungsdampf und Strom in einem GuD-Block (Gas- und Dampfturbinen-Block) eingesetzt. Das ‚KOPF‘-Verfahren ermöglicht eine nachhaltige Verwertung von getrocknetem Klärschlamm, der zur Strom- und Wärmegewinnung auf dem Gelände der Kläranlage eingesetzt wird. Hierbei entsteht aus dem getrockneten Klärschlamm durch Pyrolyse ein brennbares Gas, aus dem in einem Blockheizkraftwerk Strom und Wärme erzeugt werden. Vom Klärschlamm verbleibt ein mineralisches Granulat mit hohem Gehalt an Phosphor, der über das ‚SEPHOS-Verfahren‘ (sequentielle Fällung von Phosphat), aus dem verbrannten Klärschlamm recycelt werden könnte. Das innovative Verfahren wurde von der TU Darmstadt und dem Ruhrverband mit Unterstützung des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Umwelt und Naturschutz entwickelt. Phosphat kann auf bis zu zehn Prozent ‚aufkonzentriert‘ aus verbranntem Klärschlamm gewonnen werden. Das Phosphor-Recycling aus Klärschlamm-Asche hat den Vorteil, dass auch organische Schadstoffe und Krankheitserreger durch den Verbrennungsvorgang eliminiert werden (TU Darmstadt 2006).

2.1.4 2.1.4 Ozonierung

In der Abwasserbehandlung wird die Ozonierung bisher nur sehr begrenzt eingesetzt, während das Verfahren in der Trinkwasseraufbereitung weiter verbreitet ist. Die meisten Anlagen mit Ozonierung werden in Japan, Korea, den USA und Deutschland betrieben (Paraskeva und Graham 2002; Huber 2004). Das primäre Ziel der Ozonierung ist die Desinfektion des Trinkwassers. Da Ozon aber nicht nur ein Desinfektionsmittel, sondern auch ein starkes Oxidationsmittel für Chemikalien ist, wird die Ozonierung zunehmend auch als geeignetes Mittel zur Entfernung von Xenobiotika aus dem Abwasser in Erwägung gezogen. Weitgehend ungeklärt ist jedoch das Verhalten der Oxidationsprodukte, die über die Ozonolyse gebildet werden, da Ozon nicht in der Lage ist, die Xenobiotika direkt zu Kohlendioxid zu oxidieren. Erste Ansätze zur Identifizierung von Produkten aus der Ozonbehandlung von Carbamazepin wurden von McDowell et al. (2005) präsentiert. Über die biologischen Effekte der Oxidationsprodukte können noch keine Aussagen getroffen werden. Diese werden momentan z. B. in dem EU-Projekt NEPTUNE (www.eu-neptune.org) oder durch das Schweizer Bundesamt für Umwelt im Rahmen des Projekts ‚Strategie MicroPoll‘ (http://www.bafu.admin.ch/gewaesserschutz/03716/03720/index.html?lang=de) überprüft.

Huber et al. (2003) haben das Verhalten von Arzneimittelwirkstoffen bei der Ozonierung untersucht. Für fünf der untersuchten Substanzen (Carbamazepin, Diclofenac, 17α-Ethinylöstradiol, Sulfamethoxazol und Roxithromycin) konnte eine vollständige Transformation während der Ozonierung dokumentiert werden. Ibuprofen und Iopromid lieferten niedrigere Reaktionskonstanten, weil diese Substanzen nicht über entsprechend reaktive funktionelle Gruppen verfügen, so dass die direkte Reaktion mit Ozon erschwert ist. Bezafibrat wurde in allen Ozonierungsexperimenten zu mehr als 95 % oxidiert, während die Oxidation von Diazepam, Iopromid und Ibuprofen in der Größenordnung von 24 % (Diazepam und Iopromid) bis 77 % (Ibuprofen) lag. Die Oxidation dieser Substanzen wird weitgehend kontrolliert durch die Reaktion mit OH-Radikalen.

In einer neueren Untersuchung haben Huber et al. (2005) die Oxidation von Arzneimittelwirkstoffen durch Ozonierung an den Abläufen verschiedener kommunaler Kläranlagen mit konventionellem Belebtschlamm-System, mit konventionellem Belebtschlamm-Verfahren bei suboptimaler Reinigung und mit einem Membran-Bioreaktor untersucht. Das Ausmaß der Oxidation aller Substanzen stieg mit zunehmender O3-Dosierung, die Unterschiede beim Vergleich verschiedener Substanzklassen waren jedoch erheblich. Für Iopromid und andere Röntgenkontrastmittel betrug die Umsetzungsrate selbst bei der höchsten O3-Dosierung (5 mg/l–1) nur etwa 60 %. Im Gegensatz dazu wurden Roxithromycin, Sulfamethoxazol und 17α-Ethinylöstradiol in allen Versuchen mit einer O3-Dosierung von über 2 mg/l–1 zu über 90 % umgesetzt.

2.1.5 2.1.5 Photooxidation

Photodegradation von Pharmazeutika durch direkte und indirekte Photolyse könnte ein relevanter natürlicher Eliminationsprozess sein, der allerdings bisher weitgehend unerforscht ist. Die direkte Photolyse wird wirksam, wenn eine Substanz Licht absorbiert, dadurch instabil wird und sich zersetzt. Die indirekte Photolyse einer Substanz tritt durch die Reaktion mit reaktiven Zwischenprodukten ein, die aus anderen Molekülen durch Lichtabsorption gebildet werden (Lam et al. 2005; Latch et al. 2003).

Die Photodegradation von Xenobiotika ist ein natürlicher Prozess, der unter Einwirkung der Sonnenstrahlung in den Gewässern sowie in den Kläranlagen abläuft. Die Umsetzungsraten sind für die meisten Stoffe jedoch gering. In zahlreichen Forschungsprojekten ist untersucht worden, ob sich die Photodegradation durch Photokatalyse mit Titandioxid oder mit Fentons Reagenz (Gemisch aus Wasserstoffperoxid und Eisen(II)-Salzen) steigern lässt. Diese beiden Verfahren werden (neben der Ozonierung) zu den ‚Advanced Oxidation Processes‘ (AOPs) gezählt und basieren darauf, dass freie Hydroxylradikale zur Verbesserung der Oxidation von Organika generiert werden. Pilotanlagen unter Anwendung dieser beiden AOPs werden im Rahmen des EU-Projekts CADOX (A Coupled Advanced Oxidation-Biological Process For Recycling Of Industrial Wastewater Containing Persistent Organic Contaminants) betrieben. Ergebnisse aus diesem Projekt sind unter der Projekt-Homepage (http://www.psa.es/webeng/projects/cadox/index.html) gelistet, beziehen sich aber überwiegend auf Chemikalien, die nicht zur Gruppe der Arzneimittelwirkstoffe gehören. Ein erfolgreicher Einsatz dieser Methode konnte z. B. für die Behandlung stark belasteter Abwässer aus der Textilindustrie (Farbstoffe) nachgewiesen werden (vgl. z. B. Al-Kdasi et al. 2004).

Im Folgenden werden einige Ergebnisse aus Laborversuchen zum photochemischen Abbau von Pharmazeutika beschrieben. Doll und Frimmel (2003) haben für ausgewählte Arzneimittelwirkstoffe (Clofibrinsäure, Iomeprol, Carbamazepin) im Labor die Photodegradationsrate unter Einfluss von simuliertem solarem UV-Licht (λ < 320 nm) untersucht. Die Versuche zeigten, dass die Konzentration von Clofibrinsäure bei einer Bestrahlungsdauer von 70 h von 0,94 mmol/L auf 0,67 mmol/L sank. Dabei werden vermutlich Phenol, Hydrochinon und p-Benzochinon als Intermediate gebildet, die dann weiteren Abbauprozessen unterliegen können. Die Photodegradation von Iomeprol lieferte überwiegend nicht identifizierbare Intermediate, bei denen zum Teil kein Jod mehr im Fragment nachweisbar war. Carbamazepin zeigte zwar eine stärkere Absorption des UV-Lichtes, aber eine geringere Degradationsrate als die beiden anderen Substanzen. Zudem wurde die Degradation von Carbamazepin bei gleichzeitiger Anwesenheit von Clofibrinsäure zusätzlich inhibiert. Die Dynamik der Photodegradation von Pharmazeutika kann durch eine Kinetik pseudo-erster Ordnung beschrieben werden (Schindelin et al. 1997). Die gemessenen Abbaukonstanten betrugen für Carbamazepin 1,9×10–4 min–1 und für Clofibrinsäure 0,9×10–4 min–1. Die Abbaukonstanten nahmen mit zunehmender Initialkonzentration der jeweiligen Substanz bzw. der kompetitiven Substanz ab (Doll and Frimmel 2003). Die Befunde wurden von Andreozzi et al. (2003) bestätigt. Zudem wurde festgestellt, dass die Huminstoffe in den Gewässern die Photodegradation dadurch beeinflussen, dass sie UV-Licht in einem breiten Wellenlängenbereich absorbieren und dadurch die für andere Substanzen verfügbare Energie verringern (Stangroom et al. 1998).

Andererseits werden Huminsäuren durch die UV-Strahlung in einen angeregten Zustand überführt, in dem sie mit Sauerstoff regieren können und dadurch reaktive Spezies bilden, die mit anderen Stoffen reagieren können und auf diese Weise deren Transformation in Gang setzen (Andreozzi et al. 2003). Welcher Effekt jeweils überwiegt, lässt sich nicht vorhersagen. In den Experimenten von Andreozzi et al. (2003) wurde für Carbamazepin und Diclofenac die Photodegradationsrate bei Anwesenheit von Huminsäuren verringert, während sie für Ofloxacin, Sulfamethoxazol, Propranolol und Clofibrinsäure gesteigert wurde. Auch für mehrere Sulfa-Pharmazeutika wurden die Möglichkeiten der Photodegradation in Wasser und der Mechanismus weitgehend geklärt, wobei Sulfanilamid und Sulfanilsäure als die wichtigsten Reaktionsprodukte erkannt wurden (Boreen et al. 2004). Der weitere biologische Abbau dieser Zwischenprodukte wurde nicht untersucht. Die Photodegradationsrate ist für die verschiedenen Sulfa-Pharmazeutika allerdings unterschiedlich. Trotz ähnlicher chemischer Strukturen dieser Antibiotika ist die Bandbreite der Photodegradationsraten sehr hoch. Während Sulfathiazol rasch photolysiert wird, erfolgt die Umsetzung des Sulfamethoxazols deutlich langsamer. Die Autoren gelangen zu der Schlussfolgerung, dass die Photolabilität bei Substanzen mit vergleichbaren pharmakologischen Wirkungen als wichtiges Kriterium bei der Verschreibung von Medikamenten berücksichtigt werden sollte (Boreen et al. 2004).

2.1.6 2.1.6 Stoffstromseparation und Aufrüstung/Modernisierung dezentraler Systeme

Vor dem Hintergrund, dass ca. 70 bis 80 % der Humanpharmakarückstände im Abwasser auf Ausscheidungen via Urin zurückzuführen sind (Rakelmann 2002; Larsen und Lienert 2003), sind alternative Sanitärkonzepte und Weiterentwicklungen bestehender Abwasserbeseitigungssysteme sinnvoll, die über die Separierung verschiedener Stoffströme auf eine Minderung des Eintrags von Pharmakawirkstoffen in das aquatische Milieu zielen.

Derzeit bestehende Technologien und Strategien zur Stoffstromseparation werden vor allem im Rahmen von Entwicklungshilfeprojekten (in Ländern mit Wasserknappheit und mangelnden hygienischen Einrichtungen) sowie durch die Debatte um die Schaffung nachhaltiger Siedlungswasserwirtschaftskonzepte und das Recycling von Nährstoffen (Phosphat, Kalium, Ammonium) aus dem Abwasserstrom vorangetrieben (Larsen und Gujer 1996; WHO und UNICEF 2000; Johansson 2001; Matsui 2002; Maurer et al. 2003; Winblad 2006). Einige Erkenntnisse und Konzepte könnten, nach heutigem Kenntnisstand, bei der Suche nach praktikablen Lösungen, die zu einer Verringerung von Arzneimittelwirkstoffen in der aquatischen Umwelt führen, umgesetzt werden (vgl. Ternes und Joss 2006). Ein Systemwechsel in der Abwasserbeseitigung setzt auf die Dezentralisierung (weg von ‚Middle/End-of-Pipe-Techniken‘), die Schließung von Kreisläufen am Ort des Abfall-/Wertstoffanfalls und einen Transport in die Entsorgungssysteme über Vakuumvorrichtungen anstelle einer Spülung mit Trinkwasser. Unter den sogenannten dezentralen Komponenten einer Abwasserbehandlung wird vor allem die Umgestaltung der kommunalen Abwasserbeseitigung, die zu einer Entmischung und Separation von Teilstoffströmen führen würde, verstanden. Letzteres zielt hauptsächlich auf eine Gelb-, Braun- und Grauwassertrennung und ist effizient, da ein Mensch im Laufe eines Jahres lediglich 500 Liter Urin und 50 Liter Faeces, aber in unseren Breiten im gleichen Zeitraum – je nach Lebensweise – die Entstehung von 20.000 bis 100.000 Liter Abwasser (Otterpohl 2002) verursacht. Angestrebt wird ferner eine Modifikation der Mischkanalisation über die Einführung trennkanalisierter Einzugsgebiete für Niederschlagswasser, die Substitution von Trinkwasser (als Transportmittel für die Abwasserfracht) durch Brauchwasser (unter Berücksichtigung gesonderter Trinkwasserringleitungen) sowie die Installation moderner Klein- und Pflanzenkläranlagen (z. B. in Siedlungsrandgebieten).

Dieser Maßnahmenkatalog würde dem Umstand entgegenwirken, dass Problemstoffe in extremer Verdünnung im kommunalen Abwasser vorliegen (Rakelmann 2002; Larsen und Lienert 2003; Wilsenach et al. 2003). Die Verdünnung der Arzneimittelbelastung in der konventionellen zentralen Kanalisation erschwert die anschließende Verminderung der Kontamination im Abwasser unter Einsatz technischer Maßnahmen. Dagegen können für die bei der Stoffstromseparation angereicherten, geringeren Volumina effektivere und für bestimmte Stoffklassen besser angepasste Aufbereitungsverfahren eingesetzt werden. Die Problematik einer nicht erwünschten Verunreinigung des Trinkwassers mit Arzneimittelwirkstoffen kann über dezentrale Konzepte vor allem für ländliche Gemeinden und Neubaugebiete, Industrie- und Gewerbegebiete, Bürogebäude, Hotelkomplexe, Gebäude mit öffentlichen Toiletten, Autobahnraststätten, Flughäfen und Krankenhäuser angegangen werden. Innovative Sanitärkonzepte befinden sich bereits im Rahmen von Pilotstudien in Städten und Arealen mehrerer Länder in der Umsetzungs- und Erprobungsphase (Skjelhaugen 1998; Lange und Otterpohl 2000; Jönsson 2001; Otterpohl und Oldenburg 2002; Larsen und Lienert 2007). ‚No-Mix-Toiletten‘ oder Separations-Toiletten fanden ihren Ursprung in Schweden (Jönsson 2001) und sind dort bereits recht weit verbreitet. Im Rahmen der Erweiterung der Stadt Linz (Österreich) ist für den Stadtteil ‚SolarCity Piching‘ (106 Wohnungen, eine Schule, 3.000 Bewohner) die Installation eines urinseparierten Abwassersystems, gekoppelt mit agrarwirtschaftlicher Nutzung anfallender Nährstoffe, realisiert worden (vgl. http://www.linz.at/solarcity). Das Grauwasser der Siedlung wird in einem bepflanzten Sandbettfilter vor Ort gereinigt und dem nächsten Fließgewässer zugeführt. Ein Regenwasserbewirtschaftungssystem mit Mulden, Rigolen und Rückhaltebecken gewährleistet ein Versickern des Regenwassers vor Ort. Durch das Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen wurde von 2001–2003 ein Forschungsprojekt ‚Zukunftsfähiges Abwassermanagement im ländlichen Raum‘ gefördert. Am Beispiel eines nachhaltigen Abwasserkonzepts für die ‚Lambertsmühle‘ sollte das Vorhaben die technische, wirtschaftliche und soziale Machbarkeit von Teilstrombehandlungen und getrennter Schließung der Wasser- und Nährstoffkreisläufe sowie den Umgang mit der Problematik von Pharmakawirkstoffen und Hormonmimetika im Abwasser untersuchen (Oldenburg et al. 2002, Wupperverband 2003). Zu den Resultaten des Pilotprojektes wurde bereits in einer früheren Ausgabe von Umweltwissenschaften und Schadstoff-Forschung berichtet (Schulte-Oehlmann et al. 2007).

Einen guten Überblick hinsichtlich unterschiedlicher Abwasserentsorgungsszenarien unter Berücksichtigung alternativer Sanitärtechniken geben Wilderer und Paris (2001). Neben dem konventionellen System (Abwasserableitung im Mischsystem und Behandlung in zentraler Kläranlage) zeigen die Autoren weitere Gestaltungsmöglichkeiten für die urbane Abwasserentsorgung auf.

2.1.7 2.1.7 Trinkwasseraufbereitung in den Wasserwerken

Trotz z. T. sehr guter Rohwasserqualität ist je nach Region eine technische Aufbereitung des Wassers in den Wasserwerken erforderlich. Entsprechend der jeweiligen Ausgangssituation können unterschiedliche technische Maßnahmen zum Einsatz kommen, um den Anforderungen der Trinkwasserverordnung gerecht zu werden.

Letztere umfassen in der Regel die Entfernung von Partikeln (Rückhaltung von Sand und Plankton über Mikrosiebe) sowie eine Flockung und Filtration zur Entfernung von Schwebstoffen und Ausfällprodukten (z. B. aus der Entmanganung, Entsäuerung und Enthärtung). Schwer abbaubare organische Substanzen werden in der Regel über Oxidationsreaktionen (Chlor, Chlordioxid, Ozon und Kaliumpermanganat) sowie eine Aktivkohlefiltration entfernt. Ufer- und Langsamsandfiltration stellen ferner umweltfreundliche und chemikalienfreie Techniken zur Trinkwasseraufbereitung dar. Partikelentfernung und Schadstoffabbau werden über den Sandfilter und die darin enthaltenen Mikroorganismen im Sediment geleistet. Ferner ist teilweise eine Desinfektion über Chlorung, Ozonierung oder UV-Bestrahlung erforderlich. Oberflächenwasser muss grundsätzlich für die Trinkwassergewinnung aufbereitet werden. Für Grund- und Quellwasser besteht zwar ein Gebot zur Prüfung des Aufbereitungsbedarfs nach § 5 (4) der Trinkwasserverordnung 2001, in der Regel beschränkt sich die Aufbereitung dieser Wässer aber auf eine Sicherheitsdesinfektion.

Einer IAWR (Internationale Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke im Rheineinzugsgebiet)-Erhebung aus dem Jahr 2000 zufolge ergibt sich bezüglich des Umgangs mit Uferfiltrat bei den Wasserwerken am Rhein in Deutschland folgendes Gesamtbild: Die Rheinwasserwerke, die ihre Daten offen legten, haben 1998 insgesamt ca. 175 Mio. m³ Uferfiltrat für die Trinkwassergewinnung gefördert. Davon wurden 151 Mio. m³ über Aktivkohle gereinigt (IAWR 2000). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gelsenwasser AG, die offenbar beim IAWR organisiert ist, aber ihr Wasser aus der Ruhr bezieht, 13 Mio. m³ Uferfiltrat im Jahr 1998 nicht über Aktivkohle filtriert hat. Aus der verbleibenden Differenz ergibt sich, dass bereits 1998 über 93 % des Uferfiltrats vom Rhein über Aktivkohle gereinigt wurde (entspricht etwa 80 % der Wasserwerke). Für 123 Mio. m³/a des Uferfiltrats vom Rhein wurde zusätzlich die Ozonierung durchgeführt (Düsseldorfer Verfahren). Die Ozonierung dient aber primär der Desinfektion und nicht vorrangig der Entfernung organischer Fremdstoffe. Gekoppelt mit der Aktivkohlefiltration wurde die Ozonierung 1998 bereits bei ca. 70 % des produzierten Trinkwassers der Wasserwerke am Rhein betrieben.

Die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) hat eine mit der IAWR vergleichbare Studie bisher nicht veröffentlicht. Der AWWR ist ein Zusammenschluss von 12 Unternehmen der öffentlichen Wasserversorgung, die ca. 350 Mio. m³ Wasser für Privathaushalte, Gewerbe und Industrie produzieren. Die Trinkwassergewinnung erfolgt bei diesen Unternehmen überwiegend durch Grundwasseranreicherung mit Oberflächenwasser. Dabei wird Rohwasser der Ruhr (zum Teil auch nach vorheriger Aufbereitung) entnommen und über große Sandfilterbecken in den Untergrund infiltriert. Das so angereicherte Grundwasser wird nach seiner Förderung in den Wasserwerken nur zum Teil mit Ozonierung und/oder Aktivkohlefiltration weiter behandelt. Über die Menge des nicht durch Ozonierung/Aktivkohlefiltration behandelten Wassers besteht Unklarheit.

Ein Gesamtbild für Deutschland lässt sich mangels entsprechender Daten nur schwer darstellen. Die Schwerpunkte der direkten oder indirekten Nutzung von Oberflächenwasser liegen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen (Statistisches Bundesamt 2006). In Nordrhein-Westfalen nutzen 112 Wassergewinnungsanlagen entweder Uferfiltrat bzw. angereichertes Grundwasser oder direkt Fluss-, See oder Talsperrenwasser (LDS NRW 2006). In Sachsen handelt es sich um 43 (Landesamt für Umwelt und Geologie Sachsen 2007), in Sachsen-Anhalt um 40 (Statistisches Landesamt Sachsen-Anhalt 2007) und in Thüringen um 358 (Thüringer Landesamt für Statistik 2007) entsprechende Anlagen. Statistische Angaben über die in diesen Wassergewinnungsanlagen eingesetzten Aufbereitungstechniken waren jedoch weder bei den Landesämtern noch beim Deutschen Verband der Gas- und Wasserwirtschaft (DVGW) oder dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) auf Anfrage verfügbar. Legt man jedoch die Statistik der IAWR-Studie als günstigste Abschätzung zugrunde, ergibt sich, dass deutschlandweit rund 100 Wassergewinnungsanlagen keine Aktivkohlefiltration zur Aufbereitung ihres Rohwassers einsetzen.

Da die Gewinnung von Trinkwasser aus Uferfiltrat unter Anwendung der Aktivkohlefiltration weit verbreitet ist, ist die Wirksamkeit von Aktivkohle zur Retardation von Arzneimittelwirkstoffen in mehreren Studien getestet worden. Ternes et al. (2002) haben Laborexperimente und Experimente im Pilotmaßstab zur Entfernung ausgewählter Pharmazeutika (Bezafibrat, Clofibrinsäure, Diclofenac, Carbamazepin und Primidon) durch Aktivkohlefiltration von Grundwasser aus Uferfiltration durchgeführt. Die Ausgangskonzentrationen der eingesetzten Stoffe lagen bei 0,1 µg/l und 100 µg/l. Dazu wurden zunächst die Adsorptions-Isothermen der Pharmazeutika auf Aktivkohle im Batch-Experiment bestimmt, wobei Clofibrinsäure die geringste Affinität zur Aktivkohle zeigte. Da die Sorptionseffizienz für einen bestimmten Stoff immer von der Konkurrenz mit anderen verfügbaren Stoffen bestimmt wird, wurden die Versuche vergleichend mit deionisiertem Wasser sowie mit Grundwasser aus Uferfiltration durchgeführt. Erwartungsgemäß wurde mit Grundwasser eine Verschiebung zu niedrigeren Sorptionskoeffizienten aufgrund der verringerten Sorptionskapazität festgestellt. In einer Pilotanlage mit Aktivkohleadsorber wurden die Durchbruchkurven für die verschiedenen Pharmazeutika ermittelt. Dabei wies Carbamazepin von den untersuchten Stoffen die höchste und Clofibrinsäure die niedrigste Sorptionskapazität auf. Die anderen Stoffe nahmen bezüglich der Sorptionkapazität eine Mittelstellung ein, obwohl nach den Batch-Experimenten (Isothermen-Bestimmung) Bezafibrat und Diclofenac eine bessere Adsorptionskapazität im Vergleich zu Carbamazepin zeigen sollten. Die Befunde lassen erkennen, dass Carbamazepin durch Aktivkohlefiltration aus Grundwasser (Uferfiltrat) weitgehend entfernt werden kann.

Bestätigt wird dies im Wesentlichen durch die Ergebnisse aus der Dissertation von Marcus (2005), in der ein Labor-Schnelltest zur Beurteilung der Adsorbierbarkeit von organischen Einzelstoffen an Aktivkohle entwickelt wurde. Dabei hat sich ebenfalls gezeigt, das Diclofenac, Bezafibrat und Carbamacepin von Aktivkohle gut retardiert werden. Dies trifft für die Röntgenkontrastmittel Amidotrizoesäure und Iopamidol nicht zu. Für diese ist das Rückhaltevermögen der Aktivkohlefilter deutlich geringer. Von Schmidt et al. (2006) wurde unter Praxisbedingungen das Rückhaltevermögen der Aktivkohlefilterstufe für Amidotrizoesäure in Abhängigkeit von der Filterlaufzeit bestimmt. Dabei wurde ermittelt, dass bei einer Konzentration der Amidotrizoesäure von ca. 120 ng/l im Wasser die Kapazität der Aktivkohle ab einem spezifischen Durchsatz von 15 m³/kg erschöpft war und es zum Durchbruch kam. Röntgenkontrastmittel können folglich nur bei Verwendung relativ frischer oder reaktivierter Kohle bzw. über eine begrenzte Filterlaufzeit hinweg mit einem hohen Wirkungsgrad zurückgehalten werden, während für alle anderen bisher untersuchten Arzneimittelrückstände die Aktivkohlefiltration im Zuge der Trinkwasseraufbereitung sehr wirkungsvoll ist (Schmidt et al. 2006). Wenn Flusswasser zunächst einer Ozonierung unterzogen wird, werden damit die meisten Arzneimittelwirkstoffe nur zum Teil entfernt; auf eine anschließende Aktivkohlefiltration kann nicht verzichtet werden (Schmidt et al. 2006). Darüber hinaus ist die Aktivkohlenfiltration als Sicherheitsstufe zu betrachten, um nicht analytisch erfassbare Produkte aus der Ozonolyse entfernen zu können. Von zahlreichen Wasserwerken wird das Uferfiltrat keiner Ozonierung, sondern nur einer Aktivkohlefiltration mit einer anschließenden Desinfektion unterzogen. Die Ozonierung unterstützt zwar die Eliminierung der Arzneimittelwirkstoffe aus dem Uferfiltrat, ist aber nicht zwingend erforderlich. Auch die bei der Aktivkohlefiltration besonders kritische Amidotrizoesäure kann durch Vorschaltung einer Ozonierung nicht wesentlich besser eliminiert werden als ohne Ozonierung (Schmidt et al. 2006). Vor diesem Hintergrund wird heute die Amiditrizoesäure bei den Wasserwerken häufig als Leitsubstanz verwendet, welche über die Standzeit der Aktivkohlefilter entscheidet.

3 3 Diskussion der Ergebnisse aus der Recherche

Die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen methodischen Verfahren betreffen unter anderem die Wirksamkeit im Hinblick auf besonders persistente Arzneimittelwirkstoffe, die Erzeugung problematischer Metabolite und zusätzlicher Abfallprodukte, hygienische Probleme, den Energiebedarf und die Notwendigkeit zum Einsatz von Fachpersonal beim Betrieb der Anlagen (Tabelle 1). Einige diskussionswürdige Aspekte werden im Folgenden dargestellt.

Tabelle 1 Relevante Parameter im Hinblick auf die Einordnung der ausgewählten technischen Reinigungsverfahren.

3.1 3.1 Erhöhung des Schlammalters im Belebtschlammbecken

In Deutschland werden ca. 10.000 kommunale Kläranlagen betrieben. Dabei entfallen ca. 3.000 Anlagen auf die Größenklassen (GK) 3–5 (GK3 = 5.000–10.000 und GK4 = 10.000–100.000 Einwohner, GK5 >100.000 Einwohner). Nach dem Arbeitsblatt A 131 der DWA (Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V.) müssen Kläranlagen der GK 3 bei einer Bemessungstemperatur von 12 °C ein aerobes Schlammalter (anfallend bei der Nitrifikation) von mindestens 8,2 Tagen, Anlagen der GK 4 zwischen 6,6–8,2 Tagen und Anlagen der GK 5 von mindestens 6,6 Tagen haben. Das tatsächliche Schlammalter wird von Experten der Abwasserwirtschaft bei einer Kläranlagenbelastung, die geringer als die Bemessungsbelastung ist, im Jahresmittel höher als 6–8 Tage eingestuft.

Die Wirksamkeit der Erhöhung des Belebtschlammalters sollte auch in Deutschland als relevante Maßnahme zur Verringerung der Konzentrationen von Arzneimittelwirkstoffen in den Abläufen von Kläranlagen betrachtet werden. Es ist zu erwarten, dass sich die Abbaubarkeit einzelner organischer Spurenstoffe (incl. einiger Arzneimittelwirkstoffe) allein dadurch verbessern lässt, dass das Alter des Belebtschlamms (aerober Klärschlamm) in den Kläranlagen auf 8−10 Tage erhöht wird. Eine weitere Verlängerung der Verweilzeit führt dagegen zu keiner weiteren Steigerung des Abbaus bei den meisten der bisher getesteten Arzneimittelwirkstoffe. Ferner gibt es einige Arzneimittelwirkstoffe, deren Metabolisierbarkeit durch diese Methodik nicht verbessert wird (z. B. Carbamazepin). Eine Erhöhung der Verweilzeit des Belebtschlamms auf bis zu 10 Tage in den Kläranlagen, die derzeit mit kürzeren Verweilzeiten des Belebtschlamms betrieben werden, dürfte eine kostengünstige Maßnahme darstellen, da hierfür keine größeren Investitionen erforderlich sind.

3.2 3.2 Membran-Bioreaktoren (MBRs)

MBRs haben im Vergleich zu konventionellen Kläranlagen den Vorteil einer besseren Kontrolle der biologischen Aktivität, einer geringeren Anlagengröße, einer höheren Beladung mit organischer Substanz und einem vollständigen Rückhalt von Schwebstoffen (Cicek et al. 1998; Clara et al. 2005). Der Nachteil von MBRs liegt in den hohen (Nachrüstungs-)Kosten. Neben den hohen Investitionskosten für die Membranen stellt der Energieverbrauch für die Pumpsysteme einen zusätzlichen Kostenfaktor dar (Cicek et al. 1999; Clara et al. 2005).

Das im Rahmen des EU-Projekts P-THREE durchgeführte ‚Life Cycle Assessment‘ (LCA) für Membran-Bioreaktoren ist aufgrund des hohen Energieverbrauchs dieser Anlagen ungünstiger ausgefallen als der Einsatz von Advanced Oxidation Processes (AOPs) wie z. B. der Ozonierung. Zudem werden mit Membran-Bioreaktoren die kritischen Pharmakawirkstoffe bei hohen Verweilzeiten des Klärschlamms z. T. zwar besser als bei der konventionellen Technik, aber trotzdem nicht vollständig zurückgehalten. Hier stellt sich die Frage, ob eine Reduktion der Pharmakawirkstoffe um etwa 50 % gegenüber der konventionellen Technik den hohen Kostenaufwand rechtfertigt. MBRs mögen bezogen auf andere Stoffklassen für die Abwasserreinigung erhebliche Vorteile bringen, bezogen auf einige Pharmakawirkstoffe sind diese Vorteile allerdings gering. In diesem Zusammenhang stellt das sogenannte Fouling an den Membranen ein zentrales Problem dar, denn bei der Adsorption von gelösten Substanzen und der Anlagerung von Partikeln kann es zum Aufbau von Deckschichten auf der Membranoberfläche kommen, welche den Durchbruch von Bakterien und Viren zur Folge haben können.

Theoretisch müsste sich bei der Auswahl einer entsprechenden Membran mit einer Porenweite von 0,04 mm (Mikrofiltration, zur Selektion ausgewählter Bakterienspezies geeignet) bis 0,000005 mm (Nanofiltration, zur Selektion von Bakterien und Viren geeignet) Viren- und Keimfreiheit erzielen lassen. Da Angaben zu Nennporenweiten nur Zielwerte mit einer statistischen Streuung darstellen, muss davon ausgegangen werden, dass einige Bakterien und Viren trotzdem einen Membranfilter passieren können (Dorau 1992). Aus diesem Grund empfiehlt der DVGW für die Aufbereitung mikrobiell belasteter Wässer zu Trinkwässern durch Einsatz einer einstufigen Partikelabtrennung über Membranfiltration, auf eine abschließende Desinfektion nicht zu verzichten (DVGW 2006). Für die Abwasserreinigung können Membran-Bioreaktoren jedoch durchaus einen Beitrag zur Hygienisierung leisten (Dorau 1996).

3.3 3.3 Adsorptionsverfahren

Verfahren, die über die Aktivkohleadsorption auf die Reduktion von Arzneimittelwirkstoffen in das Wasser zielen, kommen vor allem aus ökonomischen Erwägungen bisher in erster Linie nur für die Trinkwasseraufbereitung aus Uferfiltrat und Oberflächenwasser zum Einsatz. Der Wirkungsgrad dieser Maßnahme ist hoch und vergleichsweise einfach analytisch zu überprüfen. Das bei der Trinkwasserbehandlung eingesetzte Verfahren einer kontinuierlichen Reinigung des Wassers über stationäre Aktivkohlefilter ist aus Kostengründen nicht auf die Behandlung des Ablaufs von Kläranlagen übertragbar. Aufgrund der im Vergleich zum Uferfiltrat deutlich erhöhten organischen Fracht des Kläranlagenablaufs wären nur relativ kurze Standzeiten der Filter zu erwarten.

Der Einsatz von Pulveraktivkohle als fester Bestandteil der Abwasserbehandlung würde eine bevorzugt thermische Verwertung der Klärschlämme erforderlich machen. Dies ist zumindest in einigen Bundesländern derzeit nicht konsensfähig. Neben der Kostenfrage in Zusammenhang mit der Abwasserbehandlung würden weitere Kosten entstehen, weil der Düngewert des Klärschlamms durch andere Dünger (vorwiegend Kunstdünger) ersetzt werden müsste.

Da sich, wie das ‚KOPF-Verfahren‘ zeigt, aus Klärschlamm Energie gewinnen lässt, ist das Interesse an diesem Material bei Betreibern thermischer Anlagen nachvollziehbar. Insofern stellt sich die grundsätzliche Frage, ob der Klärschlamm heute primär als Brennstoff und nicht mehr als Düngemittel betrachtet werden sollte. Diese Frage sollte – wie in der Vergangenheit auch – unter Berücksichtigung regionaler Aspekte angegangen werden. Klärschlämme aus Ballungsräumen sind sicherlich anders zu bewerten und zu verwerten als Klärschlämme aus ländlichen Regionen. Der Vorrang einer Verwertung von Klärschlämmen in der Landwirtschaft hätte zur Folge, dass die Minimierung des Eintrags jedweder Fremdstoffe in den Klärschlamm im Fokus bleibt. Wenn dagegen Klärschlamm als Brennstoff betrachtet wird, ist der Gehalt an Fremdstoffen weitgehend unerheblich und damit die Vermeidung des Eintrags von Fremdstoffen in das Abwasser und in den Klärschlamm von sinkender Bedeutung. Die Frage des zukünftigen Umgangs mit Klärschlamm bedarf weiterhin einer intensiven Diskussion, zumal diese Frage eng mit den jeweiligen Abwasserbehandlungsstrategien verknüpft ist. Der in der Erprobung befindliche Einsatz von Pulveraktivkohle zur Entfernung vor organischen Fremdstoffen aus dem Abwasser sollte daher nicht losgelöst von der Klärschlammproblematik diskutiert werden.

3.4 3.4 Ozonierung

Nach einer Ozonierung sind im Wasser die Konzentrationen der Ausgangsverbindungen der Arzneimittelwirkstoffe meist deutlich verringert. Es besteht die Möglichkeit der Bildung von Metaboliten, die durch analytische Methoden im Wasserwerk nicht mehr erfasst werden und über deren Toxizität wenig bekannt ist. Bei der Trinkwasseraufbereitung werden die Metabolite durch die nachgeschaltete Aktivkohlefiltration weitgehend entfernt. Wegen der Toxizität des Ozons sind hohe Anforderungen an die Sicherheitseinrichtungen einer Anlage zu stellen.

3.5 3.5 Photooxidation

Die Anwendung dieses Verfahrens ist für stark belastete Industrieabwässer in der Erprobung, und die Ergebnisse sind zum Teil vielversprechend. Eine Anwendung bei der Behandlung kommunaler Abwässer im größeren Maßstab steht zurzeit nicht zur Debatte. Das Verfahren könnte eventuell in Kopplung mit der biologischen Abwasser-Behandlung eine Option für die Reinigung der Abwässer aus Krankenhäusern darstellen. Wasserstoffperoxid ist gut mit Wasser mischbar, so dass die Kosten für technische Vorrichtungen zur Beimischung von Wasserstoffperoxid z. B. in den Abwasserstrom relativ gering gehalten werden könnten. Da die Verwendung des Oxidationsmittels in Kombination mit UV-Licht erfolgt, muss die Strahlungsfrequenz auf die Anregung des Wasserstoffperoxids oder der zu oxidierenden Substanzen im Einzelfall überprüft werden. Die Effektivität der UV-Bestrahlung und somit auch des Oxidationsvorgangs wird durch Ablagerungen von trübem Abwasser negativ beeinflusst. Carbonate, Hydrogencarbonate und Alkylverbindungen im Wasser/Abwasser agieren als Radikalfänger und setzen die Effektivität der Methode herab.

3.6 3.6 Stoffstromseparation und Aufrüstung/Modernisierung dezentraler Systeme

Aus ökonomischer Sicht liegen die Vorteile einer dezentralen Abwasserbehandlung (im Vergleich zu zentralen Konzepten) vor allem bei der kurzen Installationszeit sowie den überschaubaren Bau- und Unterhaltskosten. Ferner sind die Möglichkeiten der Wiederverwendung von gereinigtem Abwasser und der Produktion von Dünger, Kompost und Biogas am Ort der Entstehung gegeben. Zusätzlicher Aufwand durch den Einsatz von Fäll- und Flockungsmitteln, auf die ‚Middle/End-of-Pipe-Techniken‘ systembedingt zur Abwasserreinigung zurückgreifen müssen, würde ebenfalls minimiert. Separat anfallender Urin stellt wegen seiner hohen Konzentration an Nährstoffen eine ideale Ressource zur Gewinnung von Düngungsstoffen dar, zumal die weltweiten Vorkommen von Phosphor als nahezu ausgeschöpft betrachtet werden (Chassot und Mühlentaler 2001; Schmitt 2005). Unabhängig von der Tatsache, dass Gelbwasser über Separation getrennt entsorgt bzw. aufbereitet und auf diese Weise von Arzneimittelwirkstoffen befreit werden könnte, bietet sich an, bei diesen Prozessen Stickstoff, Phosphor, Schwefel, Kalium und Magnesium aus den Exkrementen zu recyceln. Wegen der starken Verdünnung der im Abwasser enthaltenen prinzipiell wertvollen Inhaltsstoffe ist dies im konventionellen Abwassersystem zwar möglich, die Nährstoffe sind dann aber überwiegend an Fällungsmittel gebunden und somit nur nach weiteren Aufarbeitungsschritten als Düngungsmittel einsetzbar.

Auf der anderen Seite beruht das in industrialisierten Ländern implementierte Abwasserbeseitigungssystem auf einem zumeist perfekten und nahezu ausgereiftem Technikeinsatz in großräumigen Systemen, das Nutzern ein hohes Maß an Komfort bietet, hohe Akzeptanz in der Bevölkerung besitzt und bereits hohe Investitionskosten erfordert hat, welche den Erhalt der bestehenden Infrastruktur nahe legen. Ob alternative, dezentrale Konzepte hingegen im gleichen Maße angenommen werden, wird wahrscheinlich wesentlich von den persönlichen Vorteilen (z. B. finanzielle Vorteile, keine Zusatzkosten, Notwendigkeit zu Alternativen im Hinblick auf potentielle gesundheitliche Bedrohung) abhängen, die mit der Benutzung dieser Systeme verbunden sein könnten.

Ferner besteht beim Betrieb und der Wartung dezentraler/semizentraler (Abwassersammlung und -behandlung für mehrere Wohneinheiten gemeinsam) Abwasserreinigungsanlagen oftmals das Problem, dass private BetreiberInnen nicht entsprechende Fachkenntnisse besitzen, um einen störungsfreien Betrieb der Anlagen zu gewährleisten. Aus diesem Grund sollten zentrale Überwachungs- und Steuerungseinheiten der Systeme, die durch fachkundiges Personal überprüft werden, Berücksichtigung finden.

Als logistisches Problem medizinischer Einrichtungen könnten sich die unterschiedlichen Halbwertzeiten von Arzneimittelwirkstoffen bei Anwendung der Stoffstromseparation erweisen. Werden dem Patienten Medikamente mit mehrtägigen Halbwertzeiten im Rahmen von ambulanten Behandlungen verabreicht, führt dies dazu, dass ein Großteil der Wirkstoffe in das häusliche Abwasser, nicht aber in den separierten Abwasserstrom z. B. einer Klinik abgegeben wird.

3.7 3.7 Trinkwasseraufbereitung in den Wasserwerken

Die Wasserwerke in Deutschland sind derzeit dazu in der Lage, Trinkwasser von sehr guter Qualität zur Verfügung zu stellen. Bei der Nutzung von Flusswasser, künstlich angereichertem Grundwasser und Uferfiltrat entspricht die Aufbereitung des Wassers durch Aktivkohlefiltration (evtl. gekoppelt mit vorgeschalteter Ozonierung) den allgemein anerkannten Regeln der Technik, um organische Fremdstoffe zu entfernen, von denen bekannt ist, dass sie beispielsweise bei der Uferfiltration oder der Sandfiltration nicht hinreichend zurückgehalten werden. Der Einsatz dieser Technik kann heute (bei regelmäßiger Kontrolle der Rückhalteeffizienz der Aktivkohlefilter) den Durchbruch von Schadstoffen vermeidbar machen und die Einhaltung von Grenzwerten garantieren. Den Wasserwerken steht somit eine vielfach erprobte Technik zur Verfügung, um Arzneimittelwirkstoffe aus dem Trinkwasser fern zu halten. Gewisse Einschränkungen gelten hier z. B. bezüglich der Diagnostika Amidotrizoesäure und Iopamidol (Röntgenkontrastmittel). Die vollständige Entfernung dieser Stoffe bei der Trinkwasseraufbereitung stellt aktuell auch für die Wasserwerke eine besondere Herausforderung dar und kann nur durch einen relativ häufigen Wechsel der Aktivkohlefilter gewährleistet werden.

Der Nachteil einer Fokussierung auf die Wasserwerke im Umgang mit der Problematik von Fremdstoffen im Wasser besteht darin, dass diesen hierbei die größte Verantwortung für eine Sicherung der geforderten Trinkwasserqualität zukommt, während das Verursacher- und Vorsorgeprinzip nicht genügend einbezogen wird. Dennoch ist ein Verzicht auf dieses Sicherungsprinzip kurz- und mittelfristig nicht möglich. Im Gegenteil, Wasserwerke, die bisher noch keine Aktivkohlefiltration zur Aufbereitung von Oberflächenwasser einsetzen, sollten einer genauen Prüfung unterzogen werden, um in Zukunft die kürzlich anhand von PFT (Perfluorierte Tenside) zutage getretenen Probleme mit der Trinkwasserqualität vermeidbar zu machen.

4 4 Schlussfolgerungen

Im Sinne eines strategischen Ansatzes zur Minimierung von Arzneimittelwirkstoffen im Trinkwasser ergibt sich aus technischer Sicht die Notwendigkeit, eine sinnvolle Auswahl bzw. Kombination spezifischer Maßnahmen zu treffen, die bei der Trinkwasser- und Abwasseraufbereitung und/oder an der Quelle der Kontamination in Sinne einer Minimierung stofflicher Einträge ansetzen. Aus den zuvor diskutierten Potenzialen und Restriktionen der verschiedenen Verfahren werden folgende Schlussfolgerungen gezogen:

Die Aktivkohlefiltration stellt ein geeignetes Verfahren zur Entfernung von Problemstoffen einschließlich der Pharmakawirkstoffe bei der Aufbereitung von Trinkwasser dar. Bei den meisten Wasserwerken an den großen Flüssen in Deutschland wird heute Trinkwasser dadurch gewonnen, dass Rohwasser aus Uferfiltrat einer Ozonierung und/oder Aktivkohlefiltration unterzogen wird. Der Bedarf nach Ozonierung wird hauptsächlich vom bakteriologischen Zustand des Rohwassers abhängig gemacht. In Bundesländern, in denen Trinkwasser bevorzugt aus Oberflächenwasser bzw. Uferfiltrat gewonnen wird, ist dieses Verfahren weit verbreitet. Eine Ausnahme stellen derzeit z. B. noch einige Wasserwerke an der Ruhr dar, die nach einer künstlichen Anreicherung des Grundwassers mit Flusswasser das geförderte Grundwasser nicht über Aktivkohle reinigen. Hier und in vergleichbaren Fällen besteht dahingehend Handlungsbedarf, dass die nicht mit Aktivkohlefiltration ausgestatteten Wasserwerke dem Beispiel der Rheinwasserwerke folgen und entsprechend nachrüsten. Bezüglich der Ozonierung sollte man bei der bisherigen Praxis bleiben und diese nicht grundsätzlich fordern, sondern von Fall zu Fall über ihren Einsatz entscheiden. Die Aktivkohlefiltration (gegebenenfalls gekoppelt mit einer Ozonierung) ist nach dem heutigen Wissenstand sehr gut geeignet, die Elimination von Arzneimittelwirkstoffen und anderer organischer Fremdstoffe aus dem Trinkwasser sicherzustellen. Da eine akute Gefährdung der Trinkwasserqualität durch Arzneimittelwirkstoffe zurzeit nicht gegeben ist, besteht die Option zur Entwicklung nachhaltiger Lösungsansätze, die darauf abzielen, die Einträge von Arzneimittelwirkstoffen in die Abwässer und in der Folge auch in Grund- und Oberflächenwasser zu reduzieren.

Im Bereich der Abwassertechnologie gibt es zurzeit keine ausreichende Richtungssicherheit bezüglich des Einsatzes verbesserter Technologie zur Entfernung von Arzneimittelwirkstoffen im Abwasser. Zwar werden zunehmend die Stärken und Schwächen der einzelnen o. g. Verfahren sichtbar, trotzdem kann derzeit keine fachlich hinreichend fundierte Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Technik getroffen werden. Durch eine Kombination verschiedener Techniken (z. B. Oxidation gekoppelt mit Aktivkohlefiltration) ist zwar analog zur bereits praktizierten Trinkwasseraufbereitung die weitgehende Eliminierung der Arzneimittelwirkstoffe und anderer organischer Spurenstoffe möglich, aber aus Kostengründen wird ein Einsatz dieser Kombination bei großen kommunalen Kläranlagen wohl kaum in Frage kommen.

Auch eine Literaturstudie über die Möglichkeiten der „Optimierung der Abwasserreinigung zur Eliminierung von organischen Spurenstoffen unter verfahrenstechnischen und ökonomischen Aspekten“ von Pinnekamp und Metzger aus dem Jahr 2003 kommt zu dem Schluss: „Abschließend lässt sich festhalten, dass sich die Problematik der organischen Spurenstoffe im Abwasser nicht durch die Anwendung eines einzigen Abwasserreinigungsverfahrens lösen lässt, welches imstande wäre, die gesamte Palette an organischen Verbindungen gleichermaßen effektiv aus dem Abwasser zu entfernen. Nur ein Multi-Barrieren-Konzept, welches die spezifischen Stoffeigenschaften der einzelnen Spurenstoffe berücksichtigt, kann hierbei den gewünschten Erfolg bringen.“ Bei dieser Studie wurden u. a. Arzneimittelwirkstoffe in die Betrachtung einbezogen. Das vom Bundesland Baden-Württemberg favorisierte Verfahren der Nachbehandlung von Abwässern in den Kläranlagen mit Pulveraktivkohle befindet sich derzeit in mehreren Pilotprojekten in Deutschland und der Schweiz in der Erprobung. Eine umfassende Bewertung dieses Verfahrens ist auf der Basis der derzeit vorliegenden Daten noch nicht möglich.

Unabhängig davon, ob in naher Zukunft die Abwassertechnologie eine effiziente und zugleich kostengünstige Methode zur weitgehenden Entfernung von Arzneimittelwirkstoffen aus dem Abwasser bereitstellen kann, sollte bereits kurz- und mittelfristig insbesondere bei Baumaßnahmen die Stoffstromseparation für Abwässer aus Krankenhäusern und Pflegeheimen sowie sonstigen größeren medizinischen Einrichtungen in Angriff genommen werden, um das kommunale Abwassernetz von lokal hohen Arzneimittelfrachten zu entlasten. Da Abwasseremissionen aus diesen Einrichtungen Punktquellen mit hohen Konzentrationen von Arzneimittelrückständen darstellen, bietet sich eine gesonderte Behandlung der Abwässer vor der Einbringung in das kommunale Kanalsystem an. Ob dies über die modernen Techniken (Advanced Oxidation Processes, Membranbioreaktoren, Aktivkohlefiltration), die auch im Rahmen der zentralen (Ab)wasserbehandlung in der Erprobung bzw. bereits im Einsatz sind, über dezentrale Maßnahmen (Urinseparation) oder über eine Kombination von dezentraler Vorbehandlung und zentraler Nachbehandlung realisiert werden sollte, ist im Hinblick auf den Kostenfaktor zu prüfen. Aufgrund des erhöhten Auftretens pathogener und resistenter Keime in diesen Teilströmen ist jedoch vom Nährstoffrecycling grundsätzlich abzusehen. Die Behandlung separierter Stoffströme (Gelb-, Braun- und Grauwasser) aus medizinischen Einrichtungen sollte zudem mit Desinfektionstechniken kombiniert werden. Als Verfahren zur Abwasserdesinfektion kommen UV-Bestrahlung, Chlorung oder Ozonierung in Frage. Die Desinfektionswirkung und Umweltverträglichkeit von Ozon wird geringer als die der Chlorierung eingestuft (Eichler 2006). Es ist jedoch bekannt, dass eine Chlorierung von Wasser (über die Reaktion von Chlor mit organischen Substanzen z. B. aus Badeölen und Reinigungszusätzen etc. im Abwasser) zur Bildung von toxischen und flüchtigen chlororganischen Verbindungen führen kann. Diese tragen aufgrund ihrer schweren Abbaubarkeit ebenfalls zu einer Belastung der Ökosysteme bei. Für die Photooxidation bleibt zu prüfen, inwiefern sich das Verfahren auch für Pharmakawirkstoffe als effektiv erweist und desinfizierende Wirkung hat.

Mittel- bis langfristig sollten nachhaltige Sanitärkonzepte für Neubau-, Industrie- und Gewerbegebiete, Bürogebäude, Hotelkomplexe, Gebäude mit öffentlichen Toiletten, Autobahnraststätten und Flughäfen, basierend auf einer separaten Erfassung von Abwasserteilströmen (Trennung von Schwarzwasser, Regenwasser und Grauwasser) gekoppelt mit einer Rückgewinnung von Nährsalzen (Stickstoff, Phosphor, Kalium), realisiert werden. Ungeachtet der Tatsache, dass sich die Konzentrationen zahlreicher pharmazeutischer Wirkstoffe mit den modernen Aufbereitungsmethoden der (Ab-)Wassertechnologie in der kommunalen Kläranlage weiter verringern lassen, sollte versucht werden, bereits die Kontamination des Abwassers mit diesen Stoffen so gering wie möglich zu halten, anstatt sie mit aufwendiger Technik nachträglich zu entfernen. Diese Sichtweise entspricht der vom BGW vertretenen Position, wonach Maßnahmen zu fordern sind, die an den Eintragsquellen ansetzen und nicht an eine Aufrüstung von Wasserwerken oder Kläranlagen gekoppelt sind (BGW 2006).

Gelb-, Braun- und Grauwasserströme sowie abfließende Regenwässer könnten schrittweise von der kommunalen Abwasserentsorgung und Kanalisation entkoppelt oder vorweg dezentral/semizentral angelegt und über nachgeschaltete Reinigungstechnologien adäquat aufbereitet werden, um gezielt Arzneimittelrückstände (und andere Fremdstoffe) aus den ‚häuslichen Abwässern‘ zu entfernen. Speicherkapazitäten könnten in großen Gebäuden oder Wohnkomplexen gemeinschaftlich geschaffen werden, wobei Managementkonzepte für eine gesteuerte Entleerung und eine entsprechende Infrastruktur zur Aufbereitung der Stoffströme eingerichtet werden müssten. Die infolge der Teilstrombehandlung anfallenden Reststoffe wie Stickstoff und Phosphor aus der Gelbwasserbehandlung oder Kompost und Biogas aus dezentralen Vergärungsanlagen könnten als speicherfähige Nährstoffe und Energieträger verwertet werden. Zudem könnten anfallende organische Abfälle zusammen mit dem Schwarz- oder Braunwasser in Biogasanlagen behandelt und umgesetzt werden. Zur Ableitung von Niederschlagswässern aus Siedlungsräumen (außerhalb von Ballungsgebieten) könnten Maßnahmen zur Versickerung/Verrieselung von Regenwässern (ideal wäre eine Kombination aus Regenwassernutzung und Regenwasserversickerung) im Sinne einer Modifikation der Mischkanalisation vorgesehen werden, um dem Problem der Verdünnung der Arzneimittelwirkstoffe im Abwasser entgegen zu wirken. Dies würde jedoch das Vorhandensein entsprechend großer ‚Betriebsflächen‘ voraussetzen.

5 5 Empfehlungen und Ausblick

Für die meisten Arzneimittelwirkstoffe stammt der deutlich größte Anteil an der jährlichen Gesamtfracht im kommunalen Abwasser aus den privaten Haushalten (Heberer und Feldmann 2005). Den wirksamsten Beitrag zur Reduktion von Arzneimittelwirkstoffen im Wasserkreislauf können daher Maßnahmen leisten, die – wie die oben diskutierten dezentralen oder semizentralen Systemlösungen – direkt an den häuslichen Abwässern ansetzen. Besonders mit Blick auf Hochrisikostoffe wie Zytostatika oder Antibiotika kann sich jedoch die separate Erfassung und Behandlung von Krankenhausabwässern auch unter Kostenaspekten durchaus als sinnvoll erweisen. So konnte in Pilotversuchen mit einem Reinigungsverfahren, das aus einer Sedimentationsstufe und anschließender Ozonierung besteht, demonstriert werden, dass die genannten Wirkstoffe zu nahezu 100 % aus dem Toilettenabwassers eines Krankenhauses entfernt wurden (Kiffmeyer et al. 2004). Die mit der Einrichtung einer entsprechenden Anlage verbundenen jährlichen Kosten für Annuität, Betriebsmittel, Wartung, Strom und Personal wurden dabei mit unter 10.000 EUR angegeben. Inwieweit sich eine solche Maßnahme bautechnisch umsetzen lässt, ist im Einzelfall zu prüfen. Zu bedenken ist dabei, dass die notwendige Separation der Stoffströme besonders bei alten Gebäuden sich als nur schwer durchführbar erweisen und gegebenenfalls die zeitweise Stilllegung von ganzen Stationen in Krankenhäusern bedeuten kann. Grundsätzlich ist daher die Realisierung der Maßnahme vor allem bei Krankenhausneubauten und im Rahmen ohnehin anstehender Sanierungsvorhaben bei bestehenden Einrichtungen zu empfehlen – entsprechende Richtlinien sind bereits in einem Merkblatt des ATV-DVWK aus dem Jahre 2001 formuliert worden (ATV-DVWK 2001).

Für das Problem der Arzneimittelrückstände im Trinkwasser sind Lösungsstregien, die bei den kommunalen Kläranlagen (‚middle of pipe‘) ansetzen, aus folgenden Gründen kritisch zu betrachten:

Kläranlagen sind auch bei Einsatz innovativer Techniken nach dem derzeitigen Kenntnisstand nicht in der Lage, Arzneimittelwirkstoffe umfasssend zu eliminieren. Keines der hier betrachteten Verfahren (Erhöhung des Klärschlammalters, Membranfiltration, Pulveraktivkohleadsorption, Ozonierung, Photooxidation) ist als alleinige Maßnahme zur Beseitigung von Arzneimittelwirkstoffen aus dem aquatischen Milieu geeignet. Bezüglich der Abwasserbehandlung mit Pulveraktivkohle liegen zwar vielversprechende Resultate aus Pilotprojekten vor; deren Überprüfung im großtechnischen Maßstab steht aber noch aus.

Bei Städten mit Abwasser-Mischsystemen wird häusliches und gewerbliches Schmutzwasser mit Regenwasser zusammengeführt. Bei einer Überlastung der Rückhaltebecken wird das Abwasser unbehandelt in die Gewässer geleitet. Diese Punktquelle stellt einen weiteren Ansatzpunkt zur Verminderung des Eintrags von Arzneimittelwirkstoffen in die aquatische Umwelt dar und sollte gezielt untersucht werden.

Eine Nachrüstung der Kläranlagen mit einer oder gar mehreren innovativen Methoden der Abwasserbehandlung würde zwar zu einer Verbesserung der Qualität der Oberflächengewässer führen, aber die Abschaltung der Aktivkohlefiltration bei der Trinkwasseraufbereitung aus Uferfiltrat und Oberflächenwasser nicht verzichtbar machen und damit zu keinem Kostenausgleich führen.

Allenfalls wird angesichts des aktuellen Kenntnisstandes die mit geringen Investitionskosten verbundene Erhöhung des Schlammalters im Belebtschlammbecken (aerober Klärschlamm) auf etwa 10 Tage für Kläranlagen vorgeschlagen, die heute noch mit kürzeren Verweilzeiten arbeiten. Dies stellt eine einfache technische Maßnahme zur Steigerung der Metabolisierungsrate für vorwiegend weniger persistente Arzneimittelwirkstoffe dar. Es bleibt abzuwarten, wie sich die derzeit diskutierten technischen Verfahren der Abwasserbehandlung auch unter Berücksichtigung der Energieeffizienz entwickeln werden. Die bestehende Datenbasis ist für eine Entscheidung zugunsten eines bestimmten Verfahrens oder einer Verfahrenskombination derzeit nicht ausreichend.

Dem Problem der Arzneimittelrückstände im Trinkwasser lässt sich derzeit effizient begegnen durch den Einsatz der Aktivkohlefiltration (gegebenenfalls gekoppelt mit vorheriger Ozonierung des Wassers) bei der Aufbereitung des Trinkwassers. Dieses Verfahren ist intensiv erprobt und kommt heute vielfach zum Einsatz bei der Gewinnung von Trinkwasser aus Uferfiltrat und Flusswasser. Ein weiterer Vorteil des Verfahrens besteht darin, dass es nicht nur Arzneimittelrückstände sondern auch andere organische Mikroverunreinigungen (wie z. B. PFT) aus dem Wasser effizient entfernt. Für Wasserwerke, die Uferfiltrat, Flusswasser oder angereichertes Grundwasser derzeit noch ohne Aktivkohlefiltration aufbereiten, wird daher eine Nachrüstung mit Aktivkohlefiltration empfohlen, sofern die Grenz- bzw. Richtwerte für organische Kontaminationen (0.1 µg/l je Einzelsubstanz) nicht eingehalten werden. Die Aktivkohlefiltration stellt in der Wasseraufbereitung eine geeignete Sicherheitsmaßnahme dar, die Raum bietet, um quellennahe (mittel- und längerfristig wirksame) Maßnahmen zur Reduzierung des Eintrags von Arzneimittelwirkstoffen in die aquatische Umwelt in Angriff zu nehmen.