Fortschritte im Bereich der Telekardiologie stellen eine vielversprechende Möglichkeit dar, der offenkundig ansteigenden gesundheitsökonomischen Belastung im kardiovaskulären Bereich entgegenzuwirken. Zugleich besitzt das Spektrum der zukunftweisenden telekardiologischen Methoden, insbesondere seit Beginn des neuen Jahrtausends, durch sichere Übertragungsmöglichkeiten der Kommunikationstechnik und internetbasierten Plattformen das Potenzial, die medizinische Versorgung auf vielfältige Weise zu verbessern und somit die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität zu reduzieren.

Hintergrund

Die Telekardiologie gehört zu den wichtigsten Bereichen der Telemedizin und umfasst mittlerweile mehrere weit entwickelte Versorgungskonzepte sowohl in der Akuttherapie, beispielsweise zur Ferndiagnosesicherung bei einem akuten Myokardinfarkt durch einen Kardiologen, als auch in der Behandlung chronischer Herz-Kreislauf-Erkrankungen, wie beispielsweise Telemonitoring von Vitalparametern bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz. Obwohl Willem Einthoven die erste erfolgreiche Übermittlung eines 1-Kanal-EKG über eine Telegrafenleitung bereits 1906 beschrieb, wurde die Bedeutung der Telekardiologie viele Jahrzehnte lang verkannt. Heute, mehr als 100 Jahre später, bewirken das Zusammenkommen der veränderten Altersstruktur in vielen Industriestaaten sowie der Fortschritt in der kardiovaskulären Diagnostik und Therapie, insbesondere im Bereich der arteriellen Hypertonie und der koronaren Herzkrankheit, eine steigende Zahl chronisch herzkranker Patienten [7]. Am Beispiel der chronischen Herzinsuffizienz lässt sich diese Entwicklung verdeutlichen. Aktuellen Schätzungen zufolge leiden bereits ca. 1,8 Mio. Menschen in Deutschland an chronischer Herzinsuffizienz. Mit etwa 200.000–300.000 Neuerkrankungen/Jahr ist zu rechnen [23].

Telekardiologie umfasst Akuttherapie und Therapie chronischer Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Der vorliegende Beitrag fokussiert auf aktuelle Konzepte, mögliche Indikationen und Perspektiven folgender Teilgebiete der Telekardiologie:

- medikamentöse Einstellung und Langzeitbetreuung von Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz,

- Diagnose von Arrhythmien und

- Überwachung medizinelektronischer Implantate.

Chronische Herzinsuffizienz

In der überwiegenden Mehrzahl westlicher Industriestaaten ist es in den vergangenen Jahrzehnten zu einem unverkennbaren Anstieg der Inzidenz und Prävalenz der chronischen Herzinsuffizienz gekommen [7, 15, 16]. Speziell auf Deutschland schauend, wird erwartet, dass binnen der nächsten 30 Jahre die Zahl der Betroffenen um fast 60% ansteigen wird. Bereits vor 6 Jahren war nach den Daten des Statistischen Bundesamts die Diagnose „Herzinsuffizienz“ die häufigste stationäre Einweisungsdiagnose in Deutschland [23].

Auf dem gesundheitsökonomischen Kontext liegt derzeit ein besonderer Fokus der Telekardiologie bezüglich folgender Maßnahmen:

- Unterstützung der Einstellungsphase hinsichtlich einer leitlinienkonformen medikamentösen Therapie und

- Langzeitbetreuung von herzinsuffizienten Patienten zur Reduktion der Hospitalisierungsrate und der Mortalität.

In Abb. 1 wird ein typisches Beispiel für ein telekardiologisches Betreuungskonzept skizziert. Bekanntlich stellt die leitliniengerechte Therapie sehr hohe Anforderungen an die „compliance“ der Patienten [18, 24]. Zusätzlich zu den 3 bis 5 herzinsuffizienzspezifischen Medikamentenklassen benötigen die Patienten nicht selten eine Vielzahl weiterer Medikamente sowie eine orale Antikoagulantion zur Behandlung von Komorbiditäten. Parallel zur wachsenden Komplexität der medikamentösen Therapie nimmt auch das Alter der behandlungsbedürftigen Patienten zu; dies kann darüber hinaus die optimale Umsetzung der Therapierichtlinien erschweren. Unter diesen Aspekten kann die Telekardiologie in Form eines Telemonitorings der individuellen Therapieoptimierung in der überaus kritischen „Bridge-to-stability“-Phase dienen.

In der „Bridge-to-stability“-Phase dient Telemonitoring der individuellen Therapieoptimierung

Bezüglich der Langzeitbetreuung ermöglichen telemedizinische Ansätze die engmaschige und dauerhafte Überwachung des Gesundheitszustands. Beispielsweise mithilfe der aktiven und regelmäßigen Übertragung von Vitalparametern (Körpergewicht, Blutdruck, EKG, Herzfrequenz, Thoraximpedanz, Atemfrequenz und Sauerstoffsättigung) durch den Patienten an ein telemedizinisches Zentrum kann ganzjährlich und rund um die Uhr bei Überschreitung festgelegter Grenzwerte der Patient kontaktiert und ggf. können entscheidende Interventionen durch Fachpersonal schnellstens eingeleitet werden. Im telemedizinischen Zentrum werden zudem die ermittelten Daten des Patienten in einer elektronischen Patientenakte (Abb. 2) zusammengestellt. Bei Einwilligung des Patienten haben seine behandelnden Ärzte die Möglichkeit, relevante Befunde jederzeit auf einer gesicherten Internetseite einzusehen, um so auch den seriellen Verlauf von Parametern zu interpretieren.

Abb. 1
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Beispiel für ein telekardiologisches Betreuungskonzept

Abb. 2
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Auszüge aus der elektronischen Patienenakte eines Patientenbeispiels. (Medical Record Online, mit freundlicher Genehmigung von SHL Telemedizin)

Bereits in mehreren Studien, Metaanalysen sowie in einer 2010 erschienenen Cochrane-Analyse wurden signifikante Vorteile der Telemedizin im Bereich Herzinsuffizinz bekundet [6, 10, 11, 18, 24, 27, 28]. Zwei kürzlich erschienene prospektive, randomisierte Studien [Yale Heart Failure Telemonitoring Study (TELE-HF, [5]) und Telemedical Interventional Monitoring in Heart Failure (TIM-HF, [13])] konnten jedoch den positiven Trend nicht bestätigen. Verglichen mit einer Standardbetreuung und -therapie fand sich keine signifikante Reduktion der Gesamtmortalität oder Rehospitalisierungsrate durch telemedizinische Interventionen. Dabei müssen Studiendesign und -population beider Studien jedoch kritisch beleuchtet werden. Das in der TELE-HF-Studie angewendete Konzept der Übermittlung von Gewicht und Symptomen an ein automatisiertes telefonisches Spracherkennungssystem entspricht nicht mehr dem heutigen Verständnis von telemedizinischer Betreuung, zumal diese Intervention von den meisten Studienpatienten auch nicht genutzt wurde. In der TIM-HF-Studie wurden zwar Gewicht, Blutdruck und 3-Kanal-EKG täglich übermittelt. Es nahmen aber nur Patienten teil, die bereits vor Studienbeginn die optimale und leitlinienadhärente Therapie erhielten. Auch der hohe Anteil der mit implantierbarem Kardioverter/Defibrillator (ICD) versorgten Patienten >40% spiegelt sich in der auffällig niedrigen Mortalitätsrate (< 8%/Jahr) wider. Diese optimierte medikamentöse und gerätebasierte Versorgung von Herzinsuffizienzpatienten, die auch noch alle 3 Monate von Kardiologen mitbetreut wurden, entspricht nicht der Versorgungsrealität in Deutschland, erklärt aber, warum ein zusätzlicher Nutzen der telemedizinischen Mitbetreuung in der TIM-HF-Studie mit einer sehr niedrigen Endpunkterate innerhalb von 12 Monaten im Gesamtkollektiv nicht nachgewiesen werden konnte. Subgruppenanalysen ergeben aber durchaus signifikante Effekte für Patienten u. a. nach einer kardialen Dekompensation, sodass bereits eine Folgestudie (TIM-HF-Studie II) mit diesem präzisierten Einschlusskriterium gestartet wurde.

Komplementär zur Strategie der externen Übermittlung von klinischen Parametern werden neuartige Konzepte zur drahtlosen Übertragung von hämodynamischen Parametern durch implantierte Sensoren, beispielsweise zur Überwachung des pulmonalarteriellen Drucks, in klinischen Studien evaluiert. In einer im letzten Jahr publizierten 1:1-randomisierten, einfach-geblindeten Studie führte die Therapiesteuerung mit zusätzlichem Monitoring des pulmonalarteriellen Drucks mithilfe eines implantierten Sensors bei herzinsuffizienten Patienten der New-York-Heart-Association(NYHA)-Klasse III zur Reduktion der Hospitalisierungsrate im Vergleich zur Standardtherapie [1].

Besonders im Bereich der chronischen Herzinsuffizienz hat sich gezeigt, dass patientenorientierte, telemonitorische Konzepte das Potenzial haben:

- die Mitwirkungsmöglichkeit und das Krankheitsbewusstsein der Betroffenen zu fördern,

- die Therapiesteuerung zu optimieren,

- den Informationsfluss zwischen Patient, Krankenhaus sowie niedergelassenem Arzt zu erleichtern und somit

- in der Endkonsequenz die Prognose zu verbessen.

Die in Deutschland durchgeführten telemedizinischen Programme im Bereich chronischer Herzinsuffizienz erfolgen meist im Rahmen von Verträgen zur integrierten Versorgung mit Krankenkassen und bauen auf eine Kooperation zwischen Herzinsuffizienzspezialambulanzen in Krankenhäusern, bei niedergelassenen Kardiologen sowie Hausarztpraxen. Dabei sind, je nach Region, unterschiedliche Telemonitoringsysteme und -strategien im Einsatz. Derzeitig laufende Programme wie „CorBene“, „HerzNetzKöln“, „Telemedizin mit Herz“, „Herz-As“, „IFAT“ und „HeiTel“ werden kontinuierlich hinsichtlich der klinischen Vorteile und des Kosteneinsparungspotenzials evaluiert. Derzeit werden bereits mehr als 20.000 chronisch herzinsuffiziente Patienten nur in den genannten Programmen betreut.

Arrhythmien

Symptomatische Herzrhythmusstörungen wie Bradykardien, AV-Reeentry-Tachykardien, paroxysmales Vorhofflattern oder -flimmern treten oft nur gelegentlich mit teils sehr großen Abständen zwischen den Ereignissen auf. Sie werden daher trotz wiederholten Langzeit-EKG-Aufzeichnungen nur schwer erfasst. Auch sind sie nicht selten durch sehr unspezifische Symptome (Schwächegefühl, Palpitationen oder Schwindel) gekennzeichnet, was ihre Feststellung zusätzlich erschwert.

„Event recorder“ erlauben die Aufzeichnung einer möglichen Arrhythmie über einen längeren Zeitraum durch den Patienten selbst.

Dieser wird hierbei in seinen alltäglichen Aktivitäten nicht eingeschränkt [3, 4, 14]. So konnte in der Studie Suppression of Paroxysmal Atrial Tachyarrhythmias (SOPAT) durch eine tägliche symptomgetriggerte EKG-Aufzeichnung über eine mittlere Überwachungsdauer von 40 Tagen bei 94% der Patienten mit subjektiven Tachykardien ein tatsächliches Ereignis dokumentiert werden [19].

Es werden externe und interne Rekorder unterschieden. Implantierbare Event recorder werden in örtlicher Betäubung unter der Haut eingesetzt und können bis zu 3 Jahre im Körper verbleiben. Einige Systeme wie das Reveal® (Fa. Medtronic) oder Confirm™ (Fa. St. Jude Medical) bieten die Option zur telemedizinischen Datenübemittlung. Teils bieten Geräte neben ihren diagnostischen Funktionen weitere Dienste wie „Global-positioning-system“(GPS)-Ortungssysteme oder Notruffunktionen. Die Aufzeichung eines 1-, 2- oder 3-Kanal-EKG wird für die meisten Indikationen zum Zeitpunkt des vermeintichen Ereignisses durch den Patienten selbst aktiviert. Zudem besteht die Möglichkeit, Ereignisse automatisch aufzuzeichnen, zu übermitteln und zu analysieren. Durch die konstante Aufzeichnung eines EKG können Patienten beispielsweise nach elektrophysiologischen Prozeduren oder in der Einstellungsphase eines potenziell proarrhythmischen Medikaments über eine längere Dauer überwacht werden [12, 22]. Insbesondere Vorhofflimmern bleibt oft lange Zeit unbemerkt. Zukünftig wird es möglich sein, symptomfreie Episoden durch kontinuierliche EKG-Aufzeichung lückenlos aufdecken, die Häufigkeit und Dauer der Vorhofflimmerphasen zu spezifizieren und somit die derzeitig angewandte Schlaganfallrisikostratifizierung zu verfeinern. Im Hinblick auf neue, teils kostspielige orale Antikoagulanzien könnte dies eine Individuallisierung der Therapieempfehlungen bedeuten. Patienten mit niedrigem Risiko könnte somit eine teuere, potenziell gefährliche Antikoagulationstherapie erspart werden.

Des Weiteren wird es in naher Zukunft möglich sein, den Einsatz solcher Systeme im Bereich der Synkopendiagnostik durch synchrones Monitoring von Blutdruck, -fluss oder eines EEG auszuweiten.

Medizinelektronische Implantate

Die Vorstellung des Patienten in einer Spezialambulanz zur Überprüfung seiner ICD-Funktion, „cardiac resynchronization therapy plus defibrillator“ (CDT-D) oder Schrittmacherfunktion erfolgt in der Regel alle 3 bis 6 Monate. Diese Art der engmaschigen Nachsorge stellt einen zeitlichen Kompromiss über das gesamte Patientenkollektiv dar und ist mit einem nichtunbedeutenden logistischen Aufwand verbunden. Aufgrund der immer älter werdenden Bevölkerung und der evidenzbasierten Ausweitung der Indikation von medizinelektronischen Implantaten wie ICD- und „Cardiac-resynchronization-therapy“(CRT)-Systemen, ist mit einem signifikanten Anstieg der nachzusorgenden Patienten zu rechnen [8, 9]. Bei adäquater Geräteintegrität und gutem klinischen Befund sind ärztliche Kontrollen außerdem mit unnötigen Kosten verbunden. Die Zuhilfenahme von Telemonitoring birgt daher in folgenden Hinsichten potenzielle Vorteile:

- Überflüssige Nachsorgebesuche beim Kardiologen entfallen.

- In unauffälligen Situationen können Nachsorgeintervalle individuell und bedarfsgerecht verlängert werden.

Nach den aktuellen Empfehlungen der Heart Rhythm Society und der European Heart Rhythm Association werden telemetrisch durchgeführte Routinekontrollen von Schrittmachern, ICD- sowie CRT-Geräten und persönliche Nachsorgebesuche beim Kardiologen nach Abschluss der initialen Postimplantationsphase gleichgestellt [26].

Telemetrische Übermittlung von Systemdaten gestattet schnelles Reagieren

Durch die regelmäßige telemetrische Übermittlung von Systemdaten kann auf medizinisch relevante Veränderungen, die auf eine Verschlechterung des Zustands des Patienten hinweisen, oder Gerätefehlfunktionen schnellstens reagiert werden. So kann der Patient frühzeitiger zum Kontrolltermin einbestellt werden, um eine Umprogrammierung des Geräts vorzunehmen, oder im sehr kritischen Fall eine Akutbehandlung eingeleitet werden. Beispielsweise verfügen Implantate bei der Home-Monitoring®-Technologie (Fa. Biotronik) über einen integrierten Sender, der mithilfe eines Modems weltweit über das Mobilfunknetz einmal alle 24 h Systeminformationen und ereignisgetriggerte Daten an ein zentrales Dienstleistungszentrum übermittelt [17]. Zudem kann der Patient seine individuellen Informationen jederzeit auf einer gesicherten Internetseite einsehen, während betreuende Ärzte Zugriff auf Patientendaten in einer Übersicht erhalten. Viele Systeme ermöglichen eine Integration von externen Sensoren zur Überwachung von Parametern wie Körpergewicht, Blutdruck oder Thoraximpedanz (CareLink®, Fa. Medtronic), um so in der Gesamtheit aller Parameter vor einem drohenden kardiovaskulären Ereignis wie z. B. einer kardialen Dekompensation zu warnen. Der vielfältige Nutzen der telemedizinischen Überwachung von medizinelektronischen Implantaten ist bereits ausreichend belegt [2, 20, 21, 25]. Daher sollte offen diskutiert werden, ob es dem Arzt nicht obliegt, vor einer geplanten Implantation Patienten stets über die Möglichkeit der telemedizinischen Überwachung bestimmter Implantate in Kenntnis zu setzen, damit ihnen potenzielle Vorteile nicht vorenthalten bleiben.

Fazit für die Praxis

  • Durch den kalkulierten Einsatz telekardiologischer Konzepte können Präventions- und Nachsorgemaßnahmen verbessert, Behandlungsprofile individualisiert und gleichzeitig die gesundheitsökonomische Effizienz gesteigert werden.

  • Aspekte wie Medikamenten-Compliance, Patientenselbstmanagement und Lebensqualität des Patienten werden gefördert.

  • Telekardiologische Maßnahmen sollen die behandelnden Ärzte in Praxen und Kliniken bei ihrer Leistungserbringung unterstützen und nicht den wertvollen Arzt-Patient-Kontakt ersetzen.

  • In der Gesamtheit ihrer Facetten kann die Telekardiologie bei diversen kardiovaskulären Erkrankungen zum Einsatz kommen und somit eine Schlüsselfunktion in der Reduktion der kardiovaskulären Morbidität und Mortalität einnehmen.