Social-Media-Kanäle bieten im Bereich Employer-Branding viele Möglichkeiten. Das hat auch Rewe erkannt und Anfang 2016 als erstes Unternehmen in Deutschland die Arbeitgeberkommunikation via Snapchat gestartet. Auch wenn die Erfolgsmessung Kreativität erfordert hat: Mittlerweile ist dieser Kanal fest etabliert und kann als Beispiel für andere Unternehmen dienen.

Snapchat zählt zu den am stärksten wachsenden Messengern. Bisher gescheut als die App, die keiner im Alter über 30 Jahren versteht, sind die Kennzahlen nun beeindruckend: Täglich gibt es weltweit rund sechs Milliarden Views, allein in Deutschland sind über 2,5 Millionen Nutzer täglich auf Snapchat aktiv. 60 Prozent von ihnen erstellen täglich selbst Inhalte (vergleiche Steuer 2016). Im Fachjargon nennt sich das „snappen“.

„Snapchat eröffnet Rewe damit die Möglichkeit, seine Zielgruppe täglich besser kennenzulernen.“

Besonders spannend ist die Zielgruppe auf Snapchat. 72 Prozent der Nutzer sind zwischen 13 und 26 Jahre alt (vergleiche Steuer 2016). Im Gegensatz zu Facebook — wo mittlerweile auch oft die Eltern angemeldet sind — ist man bei Snapchat unter sich. Immer mehr Schüler nutzen deshalb nicht mehr Facebook, sondern weichen unter anderem auf diesen Messenger aus. Genau dieser Umstand macht Snaptchat für die Zielgruppe Auszubildende interessant. Die Jugendlichen erstellen hier eigene Snapstorys, teilen diese mit ihren Freunden und folgen natürlich anderen: eigenen Freunden, Idolen, Musikern und auch Unternehmen — wenn der Content stimmt.

Was kann die App? Snapchat ist ein Instant Messenger, das heißt, es geht um das Empfangen und Senden von Nachrichten. Im Gegensatz zu beispielsweise Facebook oder Instagram gibt es hier kein Profil und keine Chronik. Im Mittelpunkt steht das Teilen von Momenten, Eindrücken und Erlebnissen. Das meiste passiert hier live. Zwei weitere Besonderheiten: Kein Beitrag dauert auf Snapchat länger als zehn Sekunden, und alle Beiträge sind vergänglich. Sie verschwinden nach 24 Stunden wieder.

Die Nutzer können Fotos und Videos aufnehmen und nachbearbeiten — allerdings nicht wie bei Photoshop oder gängigen Videobearbeitungsprogrammen, sondern deutlich simpler: Die Nachbearbeitung besteht aus dem Nutzen witziger Filter und dem Verzieren der Aufnahmen mit eigenen Zeichnungen und Stickern. Reichen die zehn Sekunden für ein Video nicht aus, müssen mehrere Videoschnipsel nacheinander produziert werden. Aus diesen Bildern und Videos lassen sich sogenannte „Snapstorys“ erstellen. Und so entstehen aus vielen kleinen Eindrücken, Fotos und Schriftzügen ganze Geschichten. Bei jeder Aufnahme entscheidet der Ersteller, wer diese sehen kann. Er kann dabei zwischen einzelnen Personen entscheiden oder stellt die Story für alle seine Follower sichtbar ein.

Wie nutzt Rewe Snapchat?

Es gibt mittlerweile viele Wege, sich über das Thema Ausbildung zu informieren — ob nun im Internet, durch Empfehlung oder durch Praktika. Vielen Schülern, die während und nach der Schulzeit auf der Suche nach Orientierung sind, bietet Snapchat eine besonders authentische Möglichkeit, Einblicke in ein Unternehmen zu erhalten. Rewe hat sich darauf eingestellt.

Das Unternehmen nutzt viele Kommunikationskanäle. Im Bereich Personalmarketing arbeitet es mit einer Content-Strategie, die es vorsieht, Themen crossmedial aufzuarbeiten. Jede Botschaft wird speziell für die unterschiedlichen Kanäle (online und offline) aufbereitet. Das heißt: Rewe kommuniziert unterschiedlich über die sozialen Plattformen hinweg und verwendet jeweils die besondere Sprache des Netzwerks. Informationen werden auf Xing beispielsweise anders aufbereitet als auf Facebook oder auf Snapchat.

Bei der Nutzung von Snapchat gilt es, den speziellen Charakter des Messengers zu beachten: Kommuniziert wird nicht nur in eine Richtung, man hört auch zu und gibt Antworten. Die Hemmschwelle auf Snapchat ist aufgrund der Anonymität niedriger, als beispielsweise zum Telefonhörer zu greifen. Interessierte stellen hier Fragen, vor denen sie sich sonst gegenüber einem Unternehmen eher scheuen, zum Beispiel: „Ich habe morgen ein Vorstellungsgespräch bei euch. Habt ihr Tipps für mich?“ oder „Wie oft arbeitet man bei Rewe samstags?“. Snapchat eröffnet Rewe damit die Möglichkeit, seine Zielgruppe täglich besser kennenzulernen. Das Unternehmen bekommt spannende Einblicke in den Alltag der Jugendlichen und die Fragen, die sie beim Thema Ausbildung und Job tatsächlich bewegen.

Mindestens genauso wichtig wie die direkte Kommunikation sind für Snapchat aber auch die Inhalte, also die Snapstorys, die den Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Bietet eine Story zu wenig Mehrwert oder behandelt sie das falsche Thema, springen die Follower ab. Storys, die besonders gut bei den Jugendlichen ankommen, sind im Recruiting-Bereich sogenannte Azubi-Takeovers. Hier übernehmen Rewe-Azubis den Snapchat-Kanal, geben Einblicke in ihre Arbeitswelt, zeigen ihre täglichen Aufgaben und berichten über Lustiges und Skurriles. Beliebt sind auch die Questions & Answers (Q & A). Hier ist die Community dazu aufgerufen, Fragen zu stellen, die in der Snapstory beantwortet werden. Als Antwortgeber fungieren zumeist Führungskräfte oder Ausbilder. Aber auch Auszubildende sind beliebt, sie können auf Augenhöhe von ihren Erfahrungen berichten. So entsteht für alle Nutzer ein echter Mehrwert.

Snapchat bietet noch weitere Möglichkeiten: die Begleitung von Events über Snapchat, kleine Quizze, Einblicke in Berufsschule, Seminare oder das Aufgreifen tagesaktueller Themen. Darüber hinaus ist es möglich, eigene Ortsfilter zu erstellen, sodass deutlich wird, von wo die neuesten Snaps kommen. Erste Unternehmen haben bereits eigene Lenses entwickelt, um beispielsweise einen Kinostart zu promoten. Warum also nicht auch mal über Lenses in die Rolle eines Auszubildenden schlüpfen?

„Ein Social Media Reporting gestaltet sich für Snapchat schwierig.“

Was hat Snapchat Rewe gebracht?

Rewe hat sich zum Ziel gesetzt, sein Image bei der Zielgruppe Auszubildende zu stärken und interessierten Bewerbern mit Snapchat einen weiteren, unkomplizierten Kanal zur Verfügung zu stellen. Dabei wurde schnell deutlich, dass man den Kanal nur dann befüllen sollte, wenn es tatsächlich auch eine Geschichte zu erzählen gibt. So snapt Rewe zwar mehrfach die Woche, aber nicht täglich. Ein Follower auf Snapchat muss die Geschichte aktiv auswählen und antippen. Unternehmen, die hier spammen und nicht den richtigen Content liefern, können daher schnell Follower verlieren.

„Das Controlling muss bereit sein, sich auf eine andere Art von Erfolgsmessung einzulassen.“

Um sicherzustellen, dass Rewe den richtigen Content für seine Zielgruppe liefert, analysiert das Unternehmen auf Snapchat drei Kennzahlen: Views und Screenshots des jeweiligen Beitrags sowie empfangene Nachrichten. Aus den Views des ersten und des letzten Beitrags wird die Absprungrate errechnet. Je niedriger diese ist, desto spannender und interessanter scheint die Snapstory für den Nutzer zu sein. Ein Social Media Reporting jedoch gestaltet sich für Snapchat schwierig. Zwar gibt es mittlerweile erste Analyse-Tools für Snapchat auf dem Markt, aber ein sauberes Tracking und Reporting wie beispielsweise für Facebook, wo herkömmliche Marketing- und Reichweitenberechnungen erlaubt sind, sind noch nicht möglich. Klar definierte Kennzahlen wie beispielsweise die Interaktionsrate, die Reichweite oder die Kosten per Klick (CPC) können nicht berechnet werden. Das Controlling muss bereit sein, sich zunächst auf eine andere Art von Erfolgsmessung einzulassen.

Wichtig ist natürlich auch die Frage, wie viele Bewerbungen über Snapchat generiert werden konnten. Auf Snapchat sind nur die wenigsten mit ihrem vollständigen Namen angemeldet. Ein Abgleichen der Namen im Bewerber-Management-System stünde in keinem Verhältnis zum Aufwand. Dennoch wird über Snapchat immer wieder von Usern bestätigt, dass diese ihre Bewerbung eingereicht haben. Darüber hinaus wird den Azubi-Recruitern bei ihrer täglichen Arbeit in Schulen, auf Azubi-Messen oder in Bewerber-Trainings regelmäßig von Schülern bestätigt, dass diese es cool finden, dass Rewe auf Snapchat ist. Auffällig sind auch die Peaks in der Follower-Zahl nach Karriere-Veranstaltungen.

Auch die tägliche Anzahl an relevanten Fragen zu Job und Ausbildung bestätigt, dass es richtig war, mit Snapchat einen weiteren Kanal zur Kommunikation zu öffnen. Jedes Unternehmen, das darüber nachdenkt, einen Kanal einzurichten, muss sich aber auch im Klaren sein, dass diese Fragen beantwortet werden müssen und man ein professionelles Community-Management braucht. Ein Snapchat-Kanal ist nicht mal eben nebenbei gemacht, sondern muss professionell betreut werden. Die Inhalte sind jedoch oftmals schneller und einfacher produziert als beispielsweise auf Youtube. Gerade das macht auch den Charme des Messengers aus. Snapchat bleibt authentisch.

Schlussbetrachtung

Rewe konnte seine für Snapchat definierten Ziele erreichen. Diese sind vor allem qualitativ. Das Ziel, interessierten Bewerbern einen weiteren Weg zur Kommunikation zu eröffnen, konnte umgesetzt werden. Der neue Kommunikationskanal wurde angenommen und wird täglich für Fragen zu Job und Ausbildung genutzt. Auch für ein weiteres Ziel, die Stärkung des Images als sehr guter und innovativer Ausbilder, konnte Rewe durch Snapchat stark einzahlen. Der Messenger hat deutlich zur Zielerreichung beigetragen. Rewe kann anderen Unternehmen hier also nur Mut machen. Es lohnt sich, im Personalmarketing neue Wege zu gehen und auszuprobieren. Auch wenn der Mangel an Statistik-Tools eine konventionelle Erfolgsmessung nicht möglich macht, kann die direkte Interaktion mit der Snapchat-Community dies zu einem gewissen Teil auffangen. Die Resonanz dort und das eingeholte Feedback haben gezeigt, dass die Vermarktung über diesen Kanal die Zielgruppe erreicht. Ob ein Unternehmens-Snapchat-Kanal erfolgreich ist, bestimmen vor allem die kreativen Inhalte und die Community. Wenn es um die Erfolgskontrolle geht, ist auch das Controlling gefordert, Kreativität zu entwickeln und neue Wege zu gehen. Wer weiß, welche Überraschungen und Möglichkeiten hier 2017 warten? Die Mitbewerber von Snapchat ziehen auf jeden Fall nach, Instagram-Storys ist bereits etabliert. Ende März dieses Jahres ist auch Facebook-Storys gestartet. Noch steht diese Funktion Unternehmen nicht zur Verfügung. Dies kann sich aber sehr bald ändern. Instagram- und Facebook-Storys sind gute Snapchat-Kopien. Welcher Kanal sich durchsetzt, wird sich wahrscheinlich noch dieses Jahr entscheiden. Es bleibt also spannend.