Häufig ist im Mittelstand keine exakte Planung möglich. Stattdessen werden die vorhandenen Ressourcen sinnvoll kombiniert und gewinnbringend genutzt, um innovative Produkte und Dienstleistungen zu kreieren. Diese als Effektuierung bezeichnete Vorgehensweise stellt Controller vor besondere Herausforderungen.

Im Mittelstand werden formale Controlling-Instrumente seltener angewandt als in Großunternehmen (vergleiche zum Beispiel Hiebl 2013, S. 80; Lavia López/Hiebl 2015, S. 98 ff.). Von der Forschung wird dem Mittelstand daher vielfach ein weniger professioneller Umgang mit Controlling attestiert (vergleiche zum Beispiel Dekker et al. 2015, S. 519 ff.). Übersehen wird hierbei jedoch, dass im Mittelstand häufig andere Entscheidungslogiken dominieren als in Großunternehmen.

Entscheidungslogiken haben insbesondere für Controller eine große Bedeutung, da ein Gutteil ihrer Arbeit der Entscheidungsunterstützung dient (vergleiche Weber/Schäffer 2016, S. 3 ff.). Es ist deshalb wichtig, dass Controller sich auf unterschiedliche Entscheidungslogiken einstellen können. Mittelständische Unternehmen setzen dabei öfter auf Effektuierungslogiken als auf kausale Logik (vergleiche Chandler 2015, S. 71 ff.; Sarasvathy 2001, S. 259 ff.).

Entscheidungslogiken

Einer umfassenden Planung wird bereits in den Standard-Lehrbüchern der Betriebswirtschaftslehre (BWL) — und insbesondere in Controlling-Lehrbüchern — ein hoher Stellenwert eingeräumt. Zusammenfassend lautet hier die Botschaft häufig: Zunächst eine Vision für das Unternehmen definieren, daraus Leitbild, Ziele und Strategien ableiten und diese schließlich mittels einer passenden Organisationsstruktur und — wofür dann in erster Linie Controller zuständig sind — operativer Planung und Kontrolle umsetzen (vergleiche zum Beispiel Wöhe/Döring/Brösel 2016, S. 65 ff.).

Effektuierungslogiken sind in vielen mittelständischen Unternehmen präsent.“

Effektuierung

Diese Vorgehensweise entspricht aber in vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht der betrieblichen Praxis. Derlei junge und mittelständische Unternehmen haben weder die Ressourcen noch die Möglichkeiten, ins Detail zu planen, wie sie ihr Geschäft aufziehen oder in den kommenden Jahren gestalten wollen (Sarasvathy 2001, S. 248 ff.). Stattdessen verwenden sie die Ressourcen, die sie gerade zur Verfügung haben. Sie versuchen, diese möglichst gewinnbringend im Sinne ihrer allgemeinen Vision einzusetzen und sich bietende Chancen zu nutzen. Vielfach gründet sich der Erfolg von mittelständischen Unternehmen auch auf Produkten oder Dienstleistungen, die gänzlich neu sind und für die daher keine genaue Planung der Nachfrage möglich ist. Die Verwendung der vorhandenen Ressourcen kann dabei verschiedene Früchte tragen, ohne dass diese exakt vorhergesehen werden könnten. Es wird deshalb versucht, den möglichen Verlust zu begrenzen und somit das Risiko zu minimieren, anstatt komplexe Prognosen über mögliche zukünftige Gewinne zu erarbeiten. Sarasvathy nennt diese Entscheidungslogik in ihrem grundlegenden Beitrag „effectuation“ (2001, S. 245 ff.).

Für „effectuation“ existiert im Deutschen keine gänzlich passgenaue Entsprechung. Der aus der Rechtswissenschaft stammende Ausdruck „Effektuierung“ scheint jedoch einigermaßen treffend. Der Duden (2016) umschreibt „effektuieren“ mit „ein gesetzlich verankertes Recht oder Verbot in der Praxis anwenden, für dessen Umsetzung in der Wirklichkeit sorgen“. Übersetzt auf den betrieblichen Kontext kann daher Effektuierung als die Anwendung von vorhandenen Ressourcen in der betrieblichen Wirklichkeit verstanden werden. Dementsprechend wählen Unternehmen, die primär nach Effektuierungslogiken entscheiden, zwischen möglichen Effekten, die sie mit gegebenen Mitteln und Wegen — also ihren Ressourcen — erreichen können (vergleiche Tabelle 1).

Controller müssen sich auf Effektuierungslogiken in mittelständischen Unternehmen einstellen.

Kausale Logik

Das Gegenstück zu Effektuierung wird von Sarasvathy (2001, S. 245 ff.) in der sogenannten „causation“ gesehen, hier übersetzt als „kausale Logik“ (vergleiche Faschingbauer 2013, S. 22 ff.). Diese Logik entspricht dem vorherrschenden Paradigma, wie es in den Standard-Lehrbüchern der BWL beziehungsweise des Controllings skizziert wird. Die kausale Logik zeichnet sich dadurch aus, dass von einer prinzipiell planbaren Zukunft ausgegangen wird (vergleiche Tabelle 1). Daher können für diese Zukunft gewünschte Effekte beziehungsweise konkrete Ziele definiert werden, für die dann entsprechende Mittel und Wege gefunden und bereitgestellt beziehungsweise ausgewählt werden.

Tab. 1 Unterschiede zwischen Effektuierung und kausaler Logik

Die kausale Logik ist eher für stabile, linear verlaufende oder unabhängige Umwelten geeignet, wohingegen Effektuierung eher in dynamischen, nicht linear verlaufenden und stark interdependenten Umwelten als passend erscheint.

Prägnant bringt die Unterschiede zwischen kausaler Logik und Effektuierung ein Beispiel aus der Welt des Kochens auf den Punkt (vergleiche Tabelle 2).

Tab. 2 Analogie zu Effektuierung und kausaler Logik aus der Welt des Kochens

Natürlich handelt es sich bei Effektuierung und kausaler Logik um Archetypen. Das hier skizzierte Gegensatzpaar Effektuierung und kausale Logik kommt so in der betrieblichen Praxis wahrscheinlich nur selten vor. Es agieren zwar viele Unternehmen eher nach Prinzipien der Effektuierung oder nutzen die Vorgehensweise der kausalen Logik, aber eben nicht ausschließlich. In den Unternehmen sind vielmehr auch Mischformen oder ein situationsabhängiger Einsatz von Effektuierung und kausaler Logik zu beobachten (vergleiche Chandler 2015, S. 74 ff.).

Effektuierung nutzen und unterstützen

Gängige Controlling-Systeme beziehungsweise -Instrumente beruhen häufig nicht auf Effektuierungslogiken, sondern stark auf kausalen Logiken. Dementsprechend liegt ihnen vielfach ein kybernetischer Kreislauf mit den groben Phasen Planung, Umsetzung, Kontrolle, Rückkoppelung/Lernen für die nächste Planung und so weiter zugrunde (vergleiche Guenther 2013, S. 274 f.). In Unternehmen, die stark auf Effektuierungslogiken setzen, ist der erste Schritt, also die Planung, jedoch weniger oder gar nicht ausgebaut — weil eben mitunter eine Planung der konkreten gewünschten Effekte nicht möglich oder sinnvoll erscheint.

Effektuierungslogiken sind in vielen mittelständischen Unternehmen präsent (vergleiche Chandler 2015, S. 71 ff.). Sind in solchen Unternehmen auch eigenständige Controller-Stellen etabliert, was zumeist von der Unternehmensgröße abhängig ist (vergleiche dazu Hiebl/Feldbauer-Durstmüller/Duller 2013, S. 95 ff.), müssen sich Controller explizit oder implizit mit Effektuierungslogiken beschäftigen beziehungsweise auf diese adäquat reagieren. Sie sollten nicht zwangsläufig versuchen, das Controlling nach den insbesondere in Großunternehmen geläufigen Entscheidungslogiken zu formalisieren, obwohl genau dies vielfach mit „professionalisieren“ gleichgesetzt wird (vergleiche etwa Hiebl et al. 2015, S. 372).

Controller können bei der Kombination von vorhandenen Ressourcen im Unternehmen gewinnbringend unterstützen.

Offen sein für Effektuierung

Controller, die etwa aus größeren Unternehmen, die üblicherweise auf kausale Logik setzen, in ein mittelständisches Unternehmen wechseln, in dem Entscheidungen auf Basis von Effektuierung getroffen werden, haben möglicherweise zunächst gewisse Anpassungsprobleme. Oft wirkt für sie die Entscheidungsfindung in solchen Unternehmen erst einmal wenig faktenbasiert oder sehr intuitiv (vergleiche Becker/Ulrich/Botzkowski 2016, S. 593 f.). Sie sehen zunächst nicht, dass Effektuierungslogiken aufgrund der besseren Passung für mittelständische Unternehmen durchaus sinnvoll sein können. Sie sollten daher eine gewisse Offenheit gegenüber anderen Entscheidungslogiken im Mittelstand mitbringen.

Business-Partnering

Wenn also Planung in Unternehmen, die stark auf Effektuierung setzen, keinen oder einen nur geringen Stellenwert hat, welche Funktion sollen Controller sonst in derlei Unternehmen einnehmen? Vielfach ist ja ein Großteil der Arbeitszeit von Controlling für die Planung beziehungsweise Budgetierung reserviert (vergleiche Weber/Schäffer 2016, S. 12). Bei der Effektuierung steht die sinnvolle Kombination vorhandener Ressourcen beziehungsweise Mittel im Vordergrund. Aufgrund ihres betriebswirtschaftlichen Know-hows können Controller hier beraten, um eine möglichst gewinnbringende Kombination dieser Ressourcen zu gewährleisten. Damit sie hier als Business-Partner agieren können, müssen sie sich natürlich ein ausreichendes Verständnis der vorhandenen Ressourcen und der generellen Vision des Unternehmens erarbeiten (vergleiche zum Beispiel Quinn 2014, S. 22 ff.). So können sie einen Mehrwert generieren.

Viele junge und mittelständische Unternehmen haben weder die Ressourcen noch die Möglichkeiten, ins Detail zu planen.“

Controlling interaktiv betreiben

Neben der generellen Beratung der Führungskräfte können Controller in effektuierungslastigen Unternehmen auch die Innovationsfreudigkeit im Unternehmen befördern. Sie können dies, indem sie weniger auf rein diagnostische Kontrolle setzen, sondern Controlling-Instrumente vielmehr interaktiv verwenden. Dabei werden die Controlling-Instrumente beziehungsweise -Berichte nicht nur einfach weitergereicht, sondern aktiv zwischen Führungskräften und Mitarbeitern diskutiert. Hierdurch können neue Chancen und Strategien identifiziert und organisationales Lernen befördert werden (vergleiche Simons 1995, S. 91 ff.). Gerade die interaktive Verwendung von Controlling-Instrumenten kann dementsprechend auch eine positive Auswirkung auf die Innovationskraft eines Unternehmens haben und positiv zur Überführung von Innovationen in Performance beitragen (für einen Überblick siehe Davila/Foster/Oyon 2009, S. 292 ff.).

So können Controller in mittelständischen Unternehmen, die stark auf Effektuierung setzen, etwa vorläufige Ergebnisse zu den Effekten aus der Kombination vorhandener Ressourcen aktiv mit Führungskräften diskutieren, um so ein schnelles Feedback zu generieren. Erbringt die gewählte Kombination vorhandener Ressourcen tatsächlich einen positiven Ergebnisbeitrag? Wie kann dieser erreicht werden? Zum Beispiel wäre denkbar, dass ein mittelständisches Unternehmen auf Basis von vorhandenen Ressourcen zwei gänzlich neue Produkte auf den Markt bringt, sich aber bereits nach kurzer Zeit zeigt, dass nur eines von beiden einen positiven Ergebnisbeitrag liefert. Dieses schnelle Feedback zur Ergebniswirkung von Effektuierung können Controller bereitstellen, um das nicht gewinnbringende Produkt zu verändern oder einzustellen.

Controller in mittelständischen Unternehmen sollten nicht zwangsläufig versuchen, das Controlling nach den in Großunternehmen geläufigen Entscheidungslogiken zu formalisieren.“

Verluste begrenzen

Neben einer allgemein interaktiven Diskussion der vorläufigen Ergebnisse von Effektuierung können Controller insbesondere dann Wert stiften, wenn sie relativ schnell die erfolglose Kombination vorhandener Ressourcen identifizieren. Wie Sarasvathy (2001, S. 250 ff.) argumentiert, gehen effektuierungslastige Unternehmen bewusst einen „affordable loss“, also einen tragbaren Verlust, bei der neuartigen Kombination vorhandener Ressourcen ein, da sie die Effekte dieser Kombination nicht vorhersehen können. Das ist aber nur dann eine gangbare Strategie, wenn der potenzielle Verlust „affordable“, also im Rahmen, bleibt, ebenso wie das eingegangene Risiko. Um dies zu gewährleisten, können Controller die betreffenden Führungskräfte unterstützen, um relativ schnell nicht erfolgreiche Ressourcenkombinationen zu identifizieren und gegebenenfalls zu stoppen, um die daraus resultierenden Verluste auf tragbarem Niveau zu belassen und nicht existenzbedrohlich werden zu lassen.

Schlussbetrachtung

Im Mittelstand dominieren mitunter andere Entscheidungslogiken als in Großunternehmen. Bislang wurde diesem Umstand in der deutschsprachigen BWL relativ wenig Rechnung getragen. Das Paradigma der kausalen Logik wurde dementsprechend als mehr oder weniger universell einsetzbar angenommen. In vielen mittelständischen Unternehmen — insbesondere in jungen und kleinen — ist jedoch das Paradigma der Effektuierung vorherrschend.

Controller können zur frühzeitigen Erkennung von erfolgloser Effektuierung beitragen und helfen, existenzbedrohliche Verluste zu vermeiden.

Da in effektuierungsdominierten Unternehmen Planung und generell die Vorwegnahme der Zukunft eine weniger bedeutende Rolle spielt beziehungsweise schlichtweg nicht möglich ist, müssen sich auch Controller auf Effektuierungslogiken einstellen. Controller können auch in derlei Unternehmen eine bedeutende Rolle einnehmen — als Business-Partner bei der gewinnbringenden Kombination von vorhandenen Ressourcen, als Counterpart in der interaktiven Verwendung von Controlling-Instrumenten und als Signalgeber bei entstehenden Verlusten aus erfolgloser Effektuierung. Kurzum: Controller im Mittelstand können auch bei der Effektuierung einen entscheidenden Beitrag leisten, müssen dafür aber auch die Offenheit mitbringen, sich auf Effektuierungslogiken einzustellen.