1. Rolle

Wird das Wort Rollenspiel in seine beiden Bestandteile zerlegt, in Rolle und Spiel(en), gewinnen wir einen ersten Zugang zu diesem Begriff. Betrachten wir zunächst den Begriff der Rolle. Das Wort leitet sich von der lateinischen „Rotula“ ab, was zunächst in etwa „Rädchen“ bedeutet, aber später auf Holzrollen erweitert wurde, um die früher die Papyrusblätter gewickelt wurden, damit sie nicht zerbrachen. Sie wurden in der Öffentlichkeit, bei Gericht und in den Vorläufern der Parlamente verwendet. Später fanden sie vor allem für längere Texte im Theater Verwendung; in diesem Kontext wird unter Rolle die Funktion eines Schauspielers in einem Drama verstanden. Dies kommt in der Regel durch den Text, der einer Theaterfigur zugeordnet ist und entsprechend gestaltet werden soll, zum Ausdruck. Somit war die Rolle ein Text, der Schauspielern vorgegeben wurde, damit diese den von ihnen zu spielenden Charakter darstellen konnten.

Die Betrachtung des Menschen in Rollen hat auch außerhalb der Theaterbühne eine längere Tradition. Keupp zitiert in einem seiner Aufsätze zur Identitätsarbeit Montaigne: „Ich gebe meiner Seele bald dieses, bald jenes Gesicht, je nach welcher Seite ich es wende. Wenn ich unterschiedlich von mir spreche, dann deswegen, weil ich mich als unterschiedlich betrachte“ (Montaigne nach Keupp 2004, S. 1). Im gleichen Text kommt später Nietzsche zur Sprache: „Scharf und milde, grob und fein, vertraut und seltsam, schmutzig und rein, der Narren und Weisen Stelldichein: Dies Alles bin ich, will ich sein, Taube zugleich, Schlange und Schwein“ (Nietzsche nach Keupp 2004, S. 2). Aus diesen Zitaten wird deutlich, dass der Wechsel in ganz unterschiedliche Identitäten ein gewünschter und zielgerichteter Vorgang ist, der mit einer von außen instruierten Rolle (wie beim Theater) nichts zu tun hat. Dieses Ausleben unterschiedlicher Identitätsentwürfe steht im Einklang mit der Offerte und der Aufforderung der heutigen Gesellschaft an das Individuum, sich aus einer großen Vielzahl von identitätsstiftenden Angeboten zu bedienen.

Im letzten Jahrhundert haben sich mit der Rolle vor allem die Soziologie und die Sozialpsychologie beschäftigt (vgl. Dahrendorf 2006; Mead 1934). Rolle wurde verstanden im Kontext des Individuums im Verhältnis zu Anderen, zur Gesellschaft oder zu verschiedenen funktionalen Teilaspekten der Person. Kipper datiert den Beginn der sozialwissenschaftlichen Beschäftigung mit Rolle auf die frühen 20er Jahre des letzten Jahrhunderts; Veröffentlichungen zu diesem Thema ließen weitere zehn Jahre auf sich warten (Kipper 1996, S. 103).

Auch in der Psychodrama-Literatur finden sich selbstverständlich zahlreiche Quellen zum Thema Rolle (zusammenfassend: Zeintlinger-Hochreiter 1996; von Ameln, Gerstmann und Kramer 2004). Auf diesen umfangreichen und teilweise widersprüchlich geführten Diskurs soll an dieser Stelle nicht detailliert eingegangen werden, nur einige zentrale Punkte werden nachgezeichnet, um den Bogen zum Thema psychodramatisches Rollenspiel spannen zu können.

Zunächst soll Moreno selbst zu Wort kommen, der neben Mead und Kipper zu den Pionieren der modernen Rollentheorie gezählt wird (Kipper 1996, S. 102): „The role can be defined as a unit of synthetic experience, into which private, social and cultural elements have merged. […] a role is an inter-personal experience and needs usually two or more individuals to be actualized“ (Moreno 1945, S. 9).

Die verschiedenen Statements Morenos, die im Laufe seines Schaffens zum Rollenbegriff entstanden, fasst Zeintlinger-Hochreiter zusammen:

 
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: Rollenbegriffe nach MorenoFootnote

Zum Beispiel impliziert eine Lehrer-Schüler-Interaktion die Handlungsklassen Unterrichtender und Lernender, in Abgrenzung Vereinskameraden in einem Fußballverein.

Aus diesen Überlegungen Morenos können zwei zentrale Aspekte abgeleitet werden: Erstens ist die Rolle wesentlich durch den sozialen Kontext definiert, der ein Ausleben der Rolle erst ermöglicht und der zudem normierend auf ihre Ausgestaltung einwirkt. Damit zeigt sich eine Verbindung zwischen Morenos und den soziologischen Überlegungen zur Rolle (vgl. Dahrendorf 2006; Mead 1934). Zweitens wird die Koppelung des Rollenbegriffs an das Handeln deutlich. Die Rolle erscheint nach obigen Ausführungen als ordnende Instanz, die Handlungen systematisiert, koordiniert und reglementiert.

Zeintlinger-Hochreiter (1996) und Von Ameln u. a. (2004) beschreiben in einer weiteren Differenzierung vier Kategorien des Rollenbegriffs nach Moreno:

 
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: Vier Kategorien der Rollenbegriffs nach Moreno

Wesentlich bestimmt wird diese Unterscheidung von dem Ausmaß gezeigter individueller Flexibilität und Spontaneität; die Klassifikation ist damit letztlich eine ordinale. Das individuell entwickelte, situationsspezifische Handeln ist demgemäß nach Moreno als diejenige Rolle mit der höchsten Flexibilität und Spontaneität des Menschen anzusehen.

Für PsychodramatikerInnen bekannter, wenn auch weniger alltagsnah als die oben beschriebenen Rollen, ist die Definition von Klassen von Rollen in psychosomatische, psychische, soziale und transzendente Rollen (vgl. Leutz 1986, S. 48ff; Zeintlinger-Hochreiter 1996, S. 129 f.), bei denen eher inhaltliche Zuordnungen vorgenommen werden.

2. Spiel(en)

Der Begriff des Spiels oder Spielens ist in seiner Bedeutung für die kulturelle Entwicklung des Menschen gut zusammengefasst bei Huizinga (2006). Die erste Auflage seines Buches Homo Ludens erschien bereits 1938, ist aber heute noch eine Referenzgröße zu dem Thema.

Huizinga führt aus, dass das Spiel sich formal durch verschiedene Kriterien bestimmt. Spiel ist freies Handeln und es ist nicht „gewöhnlich“ oder „eigentlich“. Dies bedeutet zum einen, dass der Spielcharakter verloren geht, sobald das Spiel angeordnet oder befohlen wird und zum anderen, dass das Spiel nicht der Alltag ist und somit nicht in der Alltagsrealität, sondern in einer anderen Realität stattfindet. Schon kleine Kinder wissen um das „als ob“ oder um das „es ist ja nur Spiel“. In dem „nur Spiel“ kommt eine Zurücknahme gegenüber dem „Echten“ und „Wirklichen“ zum Ausdruck, die sich auf Basis neuerer neuropsychologischer und neurobiologischer Forschung in dieser Form nicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten lässt. Spiel zeichnet sich weiter dadurch aus, dass es nicht der „unmittelbaren Befriedigung von Notwendigkeiten und Begierden“ (a. a. O. S. 17) dienen soll und einen definierten Anfang und ein definiertes Ende besitzt. Neben diesen zeitlichen Grenzen bestehen auch räumliche: Jedes Spiel hat seinen „Spielplatz“, sein Spielfeld, seine Bühne. Das Spiel hat seine eigene Ordnung, seine Regeln, die bestimmen, was gilt. Es gibt eine Spielgemeinschaft und durch die Geltung der Regeln gibt es potentielle Rollen wie SpielverderberInnen, FalschspielerInnen, MitspielerInnen und SpielleiterInnen. Das Spiel unterscheidet sich von der „Realität“ somit nicht dadurch, dass keine Regeln (Normen) oder Rollen existieren (im Gegenteil: Das Brechen von Spielregeln wird üblicherweise in deutlicher Weise geahndet), sondern dadurch, dass zumindest teilweise andere Regeln gelten und von der Alltagsrealität abweichende Rollen gespielt werden. Unter Umständen gibt es die Möglichkeit, sich in der Realität durch etwas Äußeres als zum Spiel gehörend zu kennzeichnen: durch Verkleidung, Maskierung oder ein Symbol, wodurch deutlich gemacht werden kann, dass die SpielerIn nun eine andere Rolle als ihre Alltagsrolle innehat und sich von der Realität abgrenzt, die sie körperlich nicht verlassen hat.

„Der Form nach betrachtet kann man das Spiel also zusammenfassend eine freie Handlung nennen, die als „nicht so gemeint“ und außerhalb des gewöhnlichen Lebens stehend empfunden wird und trotzdem den Spieler völlig in Beschlag nehmen kann, an die kein materielles Interesse geknüpft ist und mit der kein Nutzen erworben wird, die sich innerhalb einer eigens bestimmten Zeit und eines eigens bestimmten Raums vollzieht, die nach bestimmten Regeln ordnungsgemäß verläuft und Gemeinschaftsverbände ins Leben ruft, die ihrerseits sich gern mit einem Geheimnis umgeben oder durch Verkleidung als anders von der gewöhnlichen Welt abheben“ (Huizinga 2006, S. 22).

Betrachten wir eine psychologische Herangehensweise an das Spiel: Auch in Oerters Untersuchung des Spieles (1999, S. 1-18) ist wie bereits in der von Ameln’schen Definition der Rolle und bei den Ausführungen zum Spiel nach Huizinga die Handlung von zentraler Bedeutung. In seiner handlungstheoretischen Herangehensweise definiert er Spiel dadurch, dass das Handeln im Spiel sowohl zweckfrei als auch durch einen inneren Anreiz geleitet ist. Letzteres bezieht sich auf die intrinsische Motivation im Sinne Heckhausens (1989) und auf die von Csikszentmihalyi (1985) vorgestellte Theorie des Flow. Die Tätigkeit ist an sich attraktiv, sich selbst verstärkend und belohnend, und wird weiter aufrechterhalten durch das innere Flow-Gefühl, das durch sie hervorgerufen wird.

Das zweite von Oerter benannte zentrale Merkmal von Spiel ist der Wechsel des Realitätsbezugs. Im Spiel wird eine andere Realität konstruiert als im Alltag. Elkonin bezeichnet das Spiel daher als die „eingebildete Situation“ (Elkonin 1980, S. 11). „Spielende setzen sich über diese verbindliche Realität hinweg und konstituieren eine neue Realität, die ihren momentanen Bedürfnissen und Zielsetzungen entspricht und deren Erfüllung zulässt“ (Oerter 1999, S. 9). Dieses Tun als ob beinhaltet auch einen selbst geschaffenen Rahmen aus Raum, Zeit und Regeln. Bereits bei Kindern und Jungtieren höherer Tierarten lassen sich Handlungsvariationen und Handlungsgegenstände beobachten. Sie lernen so eingeübte Routinen – Rollenkonserven im Sinne Morenos – neu und flexibel anzuwenden und zu kombinieren; spontan zu handeln in der Psychodrama-Sprache. Freud sah den Sinn des Spiels in der stellvertretenden Wunscherfüllung; dies macht den Wechsel des Realitätsbezuges sinnhaft: „Das Kind, dessen Bedürfnisse und Emotionen im soziokulturellen Kontext ununterbrochen auf Grenzen stoßen und das in einem schmerzvollen Prozess lernen muss, Ziele und Verhaltensweisen von der Umwelt zu übernehmen, schafft sich eine Welt, in der es zumindest stellvertretend die eigenen Bedürfnisse befriedigen und die Probleme, mit denen es in der realen, d. h. in der sozialen Welt, nicht fertig wird, meistern kann“ (Oerter 1999, S. 13). Dazu kommen nach Oerter Übungs- und Entwicklungsfunktionen des Spieles; eine Weiterentwicklung dieses Aspektes sieht Oerter im Tagtraum, im Spiel auf der inneren Bühne. Das Spiel schafft damit auch die Voraussetzungen für die Entwicklung von Vorstellungen und Phantasien, also besonders der kognitiven Funktionen. In Längsschnittuntersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass spätere kognitive Leistungen von SchülerInnen von der Häufigkeit und Intensität von Als-ob-Spielen positiv beeinflusst wurden (a. a. O., S. 24).

Der dritte bedeutsame Aspekt des Spiels ist seine Wiederholbarkeit. Egal, ob wir die Form des Nachspielens, des „Als-ob-Spielens“, des Rollenspiels oder des Regelspiels heranziehen, ist dem Spiel prinzipiell die Möglichkeit des Wiederholens gegeben. Die auch im Psychodrama bekannteste Form dürfte das Wiederholen und „Ausspielen unverarbeiteter, einschneidender Erlebnisse, bzw. im Ausspielen von Wünschen und Zielvorstellungen, die anders nicht bewältigbar“ (a. a. O., S. 16 f.) sind, sein. Kinder spielen Situationen, wie z. B. Krankenhausaufenthalte, Unfälle und andere belastende Lebensereignisse in Rollen- oder Puppenspielen so oft nach, bis der emotionale Gehalt der Erfahrung verarbeitet ist. So spielt ein Kind eine Ärztin, die eine Puppe behandelt und tröstet, oder einen Polizisten, der den Räuber gefangen nimmt. Bereits Freud hat dies in seiner Entwicklungspsychologie beschrieben: „Man sieht, dass die Kinder alles im Spiele wiederholen, was ihnen im Leben großen Eindruck gemacht hat, dass sie dabei die Stärke des Eindruckes abreagieren und sich sozusagen zu Herren der Situation machen“ (1920, S. 226). Er führt später weiter aus: „Beim Kinderspiel glauben wir es zu begreifen, dass das Kind auch das unlustvolle Erlebnis darum wiederholt, weil es sich durch seine Aktivität eine weit gründlichere Bewältigung des starken Eindruckes erwirbt, als beim bloßen passiven Erleben möglich war. Jede neuerliche Wiederholung scheint diese angestrebte Beherrschung zu verbessern“ (a. a. O., S. 245). Das Moreno-Zitat „Jedes wahre zweite Mal befreit vom ersten“ (1923, S. 70) drückt denselben Sachverhalt aus.

Dies hat in der wissenschaftlichen Literatur bis heute Geltung, wenn Flitner im Nachwort zu Huizingas neu aufgelegtem Buch schreibt: „Auch wenn die psychoanalytischen Deutungen [des Spiels] im einzelnen umstritten bleiben, so hat doch die Hauptthese für jeden Beobachter kindlicher Spielweisen sehr viel Überzeugendes: dass sich im Spielen die Wünsche und Ängste, die Spannungen und Phantasien der Kinder in einer vorbewussten oder eigentümlich-halbbewussten Weise ausdrücken und dass sie in den Spielhandlungen vom Kinde auch irgendwie „bearbeitet“, d. h. durch Aktivität angeeignet und beherrscht werden. Emotionen, belastende Spannungen, seelische Erkrankungen lassen sich im Spiel zwar nicht mit Sicherheit richtig verstehen, wohl aber, auch ohne zwingende Deutung, im Zusammenspiel bearbeiten, entspannen, eventuell auch heilen; das gilt als eine der bedeutendsten Entdeckungen auf dem Gebiet des Spiels und der Therapie“ (Flitner 1994 in: Huizinga 2006, S. 235).

Dornes als einer der prominentesten Säuglingsforscher betont noch einen anderen Aspekt des kindlichen Spiels, die Interaktivität: Der Mensch benutze Interaktionen, um Anerkennung zu bekommen: „Der Säugling will nämlich im Spiel nicht nur seinen Spaß haben und sucht nicht nur interessante Reizereignisse, sondern er will, dass seine Mutter seinen Spaß sieht und diesen Zustand / Affekt erkennt und anerkennt. […] Er will nicht einfach nur spielen und kommunizieren, sondern er will, dass sie sein Spiel und Kommunikationsbedürfnis sieht und ,sagt‘:,Ja, ich sehe, dass du spielen und dich mit mir unterhalten willst, und ich begrüße die Art und Weise, in der du dieses Bedürfnis zum Ausdruck bringst‘ “ (Dornes 1998, S.139). Dieser Blick auf das frühkindliche Spiel bestätigt Morenos Auffassung, dass jegliches menschliche Handeln ein Handeln in Interaktionen, und dass die kleinste soziale Einheit nicht das Individuum, sondern das Individuum in seinem sozialen Atom ist (Moreno 1983, S. 93 f.). Spiel ist in diesem Sinne nicht ein Spiel für sich selbst, sondern eine Tätigkeit für und mit Anderen, womit sich durch den ausgeprägten Verhaltensaspekt und die Sozialität eine enge Verbindung zwischen Rolle und Spiel abzeichnet.

3. Rollenspiel

Im kulturellen Kontext tauchen Rollenspiele in unterschiedlichen Gesellschaften schon früh als Rituale auf, zum Beispiel in religiösen Zusammenhängen. „Role playing has been associated with the alleviation of feelings of helplessness and uncertainty; with reducing the discomfort caused by fears; with instilling hope; with forming a coherent sense of self-identity; with healing and with efforts to enhance understanding among people. There is little doubt, therefore, that the immense gratification derived from role playing behaviour […] stems from its ability to satisfy basic psychological needs and from the inherent therapeutic qualities that it possesses“ (Kipper 1996, S. 101). Rollenspiele wurden also als Hilfsmittel angesehen und verwendet, um unangenehme Gefühle wie zum Beispiel Hilflosigkeit und Unsicherheit zu bewältigen.

Auch entwicklungspsychologisch betrachtet tauchen Rollenspiele nach Stern (2000, S. 25) früh auf, nämlich zwischen dem 8. und 16. Lebensmonat, als dritte Stufe der Selbstentwicklung, im Stadium des Subjektiven Selbst. Bis zum siebten Lebensjahr ist es jedoch für Kinder uninteressant, sich selbst zu spielenFootnote 2. Wenn sie sich selbst spielen, dann mit veränderten Eigenschaften, im psychodramatischen Sinn in einer anderen Rolle. Dabei werden zunächst einzelne Interaktionen nachgeahmt, später – in der Rollenübernahme – komplexere Interaktionsmuster, die in Rollen zusammengefasst sind, mitsamt dem dazugehörigen Repertoire übernommen. Als letzter Schritt werden nicht nur die Rollen, sondern auch das dazugehörige Regelwerk gespielt. Zum Beispiel wird zunächst eine Mama gespielt, dann eine Mama, die erst Essen kocht, dann in die Arbeit fährt, dann vielleicht ein älteres Geschwisterkind aus dem Kindergarten abholt. Mit zunehmendem Alter werden die Rollen realitätsnäher und vollständiger übernommen. Interessant ist dabei, dass ältere Geschwister und SpielpartnerInnen sich dabei anregender auf die Rollenübernahme auswirken als elterliches Verhalten. Oerter unterscheidet Nach-Spielen, Als-ob-Spielen, Rollen-Spielen und Regelspiel. Das komplexe Rollenspiel mit Regeln taucht frühestens mit 2,5 Jahren auf, meist aber erst mit 3,5 bis 4 Jahren (a. a. O., 1999, S. 103).

Jeder Mensch hat also Erfahrungen mit Rollenspielen gemacht und daher auch mehr oder weniger konkrete Vorstellungen vom Rollenspiel. Bei den meisten bindet sich die Erfahrung an die kindlichen Varianten des Rollenspiels, jedoch sind zunehmend insbesondere bei jüngeren Erwachsenen auch computerbasierte Rollenspiele verbreitet, bei denen eine virtuelle Repräsentanz des eigenen Selbst den Spieler in einer Fantasiewelt vertritt. Im Erwachsenenalter werden zudem in manchen Berufsausbildungen Rollenspiele eingesetzt. So haben SozialpädagogInnen, LehrerInnen und PsychologInnen, neuerdings auch ÄrztInnen, im Rahmen ihres Studiums Rollenspiel-Erfahrungen gemacht, die häufig als unangenehm wahrgenommen oder mit einer gewissen Scham konotiert werden. Oft verbindet sich damit etwas Künstliches, manchmal auch kindisch Erlebtes, wenn man anderenetwas öffentlich vormachen, zeigen sollte. Krüger (2008) wies in einer mündlichen Mitteilung darauf hin, dass mit solchen Rollenspiel-Erfahrungen häufig aber auch eine Faszination verbunden ist; ähnlich wie bei einem bestandenen Initiationsritus. Im Kapitel zum Spiel wurde sowohl von Huizinga als auch von Oerter betont, wie wichtig die Freiheit bzw. intrinsische Motivation für das Spiel sei. Ist dies nicht der Fall, entstehen bei Erwachsenen leicht Affekte wie Angst, Peinlichkeit und Scham. Dass Lust und Freude so selten mit ihm assoziiert werden, liegt somit weniger am Rollenspiel an sich, als am Mangel von Freiheit und Motivation, also – psychodramatisch gesprochen – an einer mangelnden oder falschen Erwärmung für die Methode, zum Beispiel der Vernachlässigung der motivationalen Lage, dem fehlenden Praxistransfer und häufig auch an der unklaren Indikationsstellung: Wann passt welche Art von Rollenspiel? Schließlich kann auch die Vernachlässigung der Gruppendynamik eine große Rolle spielen.

In Anlehnung an Oerters o. g. Unterscheidung des Rollenspiels können vier Grundtypen des Rollenspiels unterschieden werden.

 
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: Grundtypen des Rollenspiels

In Pädagogik, Psychotherapie, aber auch in Organisationsberatungen und im Ausbildungskontext verschiedener Berufe, sowohl an Fachhochschulen als auch Universitäten, ist das Rollenspiel eine wichtige Lehrmethode. Es werden in der Regel reale, alltagsnahe Situationen simuliert. Ziel ist es dabei, dass die TeilnehmerInnen ihre sozialen, emotionalen und instrumentellen Handlungskompetenzen erweitern, indem sie z. B. kritische Situationen in der simulierten Realität an- oder nachspielen. Des Weiteren können die SpielerInnen sich in ihren jeweiligen Rollen ausprobieren, versuchen sich der Rolle entsprechend zu verhalten, und lernen, andere in anderen Rollen zu akzeptieren; dies wird auch angewendet bei der Führungskräfteauswahl, im Assessment Centern oder beim Coaching. Dabei können die vergebenen Rollen sowohl verschieden als auch sehr ähnlich den Kernpersönlichkeitsrollen der Personen sein, abhängig davon, ob der Fokus eher auf eine Erweiterung der individuellen Handlungskompetenzen oder aber deren Optimierung gesetzt wird. Je nach Anforderung können dabei also mehr oder weniger viele Anteile der Persönlichkeit des Rollenspielers integriert werden.

Neben den Aus- und Weiterbildungsfeldern sowie den Auswahlkontexten treffen wir in den Gebieten der Entwicklungs- und der Sozialpsychologie auf das Phänomen Rollenspiel, da in einem identitätstheoretischen Kontext.

Die Bedeutung des Rollenspiels im Kontext der Identitätstheorien

Erikson definiert die Identitätsentwicklung als „die unmittelbare Wahrnehmung der eigenen Gleichheit und Kontinuität“ (1980, S. 18) über verschiedene Zeiten, Situationen und Rollen. Er vertritt die Ansicht, dass jeder Mensch durch Rollenexperimentieren seinen eigenen Platz in der Gesellschaft findet. (a. a. O. S. 137 f). Analog dazu bezieht Flitner das kindliche Rollenspiel explizit auf die später anstehenden Identitätsfragen, wenn er schreibt: „Dass Kinder bei uns fast alle eine Zeitlang im Sand spielen, mit Bauklötzen bauen, Konstruktionsspiele ausführen, Rollen- und Phantasiespiele betreiben, durch ein Repertoire von Sozialspielen hindurch geführt werden und auch selber immer neue Spiele sozialer Symbolisierung unserer vielfältigen Welt erfinden […], ist nicht nur von den psychischen Spannungen her zu erklären, in denen sie sich mit ihrer komplizierten und auch fremden Umgebung auseinandersetzen. Sondern es ist auch Teil des Kulturprozesses, der ihnen in der Moderne zugemutet wird, und in dem sie sich kaum anders als mit Hilfe ihres Spielens zurechtfinden können“ (Flitner 1994 in: Huizinga 2006, S. 237). Rollenspiel wird damit als hilfreich oder salutogen im innerpsychischen (in Bezug auf die eigene Identität) wie im interpersonellen (oder sozialen) Kontext beschrieben.

Die reflexive Sozialpsychologie, die Eriksons Überlegungen aufgegriffen hat, betont, dass das heutige Erleben in den westlichen Gesellschaften von Enttraditionalisierung von Lebensformen, Fragmentierung von Erfahrungen und dem Verlust verbindlicher Lebensdrehbücher gekennzeichnet ist (Keupp et al. 1999, 2004). Während früher Individuen fixe Rollenmuster vorfanden und meist nolens volens durch Anpassung einübten und übernahmen, findet der Mensch der Moderne eine Vielzahl unterschiedlicher Rollenentwürfe und damit Handlungsangebote, aus denen er sich selbst seine Identität erarbeiten kann und muss. Rollenelemente müssen zusammengesetzt und auf ihre Kompatibilität hin überprüft werden. Die Quintessenz der neueren Identitätsarbeiten lautet: Vorgefertigte Identitäten sind nicht vorzufinden, sondern Identitäten müssen erarbeitet werden, z. B. durch Verknüpfung und Auswahl: Hier ist die Metapher des Patchwork angesiedelt. Das eigene Leben wird zum Projekt, das ständig selbst betrieben werden muss. Die Identität als ein wesentlicher Beitrag zur psychischen und sozialen Gesundheit muss somit erarbeitet werden. Dabei gilt ein Augenmerk den äußeren Faktoren: Welche Rollen-Angebote gibt es für die Person in einer bestimmten gesellschaftlichen Umgebung? Und ein Augenmerk gilt den inneren Bedingungen: Wie kann ich mir welche Rolle einverleiben, wie passt sie zu den anderen Rollen, die ich bereits innehabe, wie stimmig ist die Rolle für mein Kohärenzgefühl, für meine Authentizität und für meine persönliche Sinnwahrnehmung? (vgl. Keupp 2004, S. 10 ff.).

Sowohl die Position von Erikson und Flitner als auch die der späteren Identitätsforschung weisen einen teilweise engen Bezug zur Theorie sowie zur Praxis des Psychodramas auf: Zunächst einmal wird das Thema Identität explizit in einem Rollenkontext formuliert. Bereits Erikson bezieht sich in seiner Identitätstheorie auf ein sich in Rollen stufenweise fortentwickelndes Konzept des Individuums. Auch Moreno postuliert den Menschen als eine Einheit, die in Rollenkategorien beschrieben werden kann. Eriksons Experimentieren in Rollen ist am Ende nichts anderes als ein Rollenspiel: Ich probiere unverändert etwas aus, was mir als Rollenkonserve vorliegt, oder ich erschaffe selbst eine bislang nicht existente Rolle. Hier sind selbstverständlich nicht nur die „als-ob“ Spiele gemeint, sondern es sind die individuellen Spontaneitätsprozesse im Sinne des Psychodramas, bzw. Oerters frei assoziierte und spontane Rollenspiele angesprochen.

Auch findet das Patchwork der Rollen eines Menschen seine Entsprechung im kulturellen Atom, und Keupps äußere Dimension der Identitätsarbeit ist im sozialen Atom repräsentiert. Die innere Dimension der Identitätsarbeit schließlich weist klare Bezüge zu den Ausführungen Krügers zu den Kreativitätsprozessen auf, sowie zu den Rollenkategorien somatisch, psychisch, sozial und transzendent, wie sie von Moreno und Leutz (vgl. zusammenfassend: Zeintlinger-Hochreiter 1996, S. 129 f.) vorgestellt wurden. Mit diesen Einlassungen soll weniger betont werden, dass Moreno und das Psychodrama bereits viele Überlegungen der gegenwärtigen Identitätsforschung vorweggenommen haben, als vielmehr der kurze Versuch unternommen worden sein, die psychodramatischen Theorien in diesem Feld zu verorten.

Die Herausstellung dieser Parallelen ist dabei auch von Bedeutung für das Psychodrama als Therapie: Kategorien wie Kohärenzgefühl, Selbstwirksamkeit und Authentizität sind Bereiche, die im Rahmen aktueller Identitätsforschung als wesentlich für die psychische und soziale Gesundheit eines Menschen angesehen werden (vgl. Antonovsky 1997). Wenn das Experimentieren in (bestenfalls salutogenen) Rollen im Sinne Eriksons hierbei Relevanz im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung bzw. Wiederherstellung psychischer und sozialer Gesundheit besitzt, dann müsste das Rollenspiel als essentieller Bestandteil in einer psychotherapeutischen Behandlung oder Beratung vorhanden sein und auch vom wissenschaftlichen Beirat zur Frage der Wirksamkeit eines Psychotherapieverfahrens in den Standardkatalog aufgenommen werden, wie dies zum Beispiel in Österreich und der Schweiz bereits der Fall ist (zur Frage der therapeutischen Indikation von Rollenspiel finden sich Antworten in dem Artikel Krügers in diesem Heft). Gleiches gilt selbstverständlich für das Rollenspiel im Kontext von Prävention.

 
figure 4

: Allgemeine Ziele von Rollenspielen

4. Das Rollenspiel in der psychodramatischen Praxis

Wenn von psychodramatischem Rollenspiel die Rede ist, sollte der Begründer selbst das erste Wort haben: „Eine der Standard-Rollenspielsituationen ist die, dass eine der Kursteilnehmerinnen eine Rolle spielt, die einen neuen Hut aussucht, eine andere übernimmt die Rolle der Freundin unserer Kundin, die an keinem der Hüte Gefallen finden kann, und die dritte stellt die Verkäuferin dar, deren Aufgabe es ist, sich mit der unglücklichen Ratgeberin auseinanderzusetzen und dennoch einen Hut zu verkaufen […]. Die einfache spielerische Darstellung vermag das Klima der wirklichen Situation äußerst günstig zu beeinflussen, wann auch immer sich diese zutragen mag“ (Moreno 1988, S. 148). Neben obigem Beispiel findet sich bei Moreno die Beschreibung von Rollenspielunterricht, wo er in großen Einheiten z. B. mit 40 bis 50 Personen Übungskurse abhielt, bei denen die teilnehmenden Personen drei Tage in ihren Rollen blieben und dabei eine kleine Plakette um ihren Hals trugen mit den Namen ihrer Rollen. „Das Rollenspiel hat sogar den Blinden die Augen geöffnet“ (a. a. O., S. 149).

Was aber ist ein psychodramatisches Rollenspiel genau? Ist es das Gleiche wie Stegreif, oder ist es – wie Morenos Beispiel nahe legt – Rollentraining? Was sind die Bedingungen, was die Regeln für Rollenspiel? Für PsychodramatikerInnen ist der Begriff Rollenspiel in der Regel positiv besetzt und geläufig, auch wenn er nicht einheitlich verstanden wird. Hierzu einige Beispiele aus der verwirrenden Vielfalt:

Zeintlinger-Hochreiter (1996, S. 105) schreibt: „psychodramatisches Spiel ist auch Rollenspiel“, von Ameln u. a. (2004, S. 2 f.) stellen fest: „ Anders als das Psychodrama hat das Rollenspiel […] weite Verbreitung gefunden. […] Das Rollenspiel ist eine Methode, mit deren Hilfe Situationen des realen Lebens in einer Simulationssituation nachgestellt werden können. Ziele sind in der Regel, 1. festzustellen, wie sich einer oder mehrere Spieler in der betreffenden Situation verhalten und 2. die dysfunktionalen Aspekte ihres Verhaltens zu korrigieren. […] Die Mitspieler eines Rollenspiels bekommen feststehende Rollenanweisungen […]. Die Spieler sind gehalten, ihre Rollen aus dem Stegreif […], aber möglichst getreu der Rollenanweisung auszufüllen. Das Rollenspiel läuft in der Regel ohne Intervention des Leiters ab“. Später wird das Rollenspiel eingeführt als Rollentraining (a. a. O., S. 27), was weniger der Selbsterfahrung als dem Erlernen und Einüben von ungewohnten Verhaltensmustern diene und an anderer Stelle dem Stegreif-Spiel gegenüber gestellt: „Das Rollenspiel beinhaltet gegenüber dem Stegreifspiel ein höheres Maß an Festlegung. Hier müssen nicht nur die für das Szenario relevanten Rollen bestimmt werden, sondern auch die Einstellungen und Verhaltensweisen der Rolleninhaberinnen, die die gewünschte Dynamik des Spiels tragen“ (a. a. O., S. 112). Die Beschreibung erinnert an Oerters Typus des Als-Ob- und des Regelspiels.

Und Schaller in seinem großen Rollenspiel-Buch definiert: „Rollenspiel ist mehr als ein ,langweiliges aber notwendiges‘ Training: Rollenspiel ist forschendes, problemorientiertes Lernen, bei dem Fehler und Misserfolg als Lernchance angesehen werden. […] In diesem Sinne ist Rollenspiel ein Instrument zur Weiterentwicklung des Selbstmanagements.“ (Schaller 2006, S. 9 f.) „Bei […] Rollenspielen handelt es sich um komplexe soziale Fiktionsspiele“ (a. a. O., S. 94 f.). Dies wäre bei Oerter das frei assoziierte und spontane Rollenspiel oder in der Diktion des Psychodramas: das Stegreifspiel.

Und noch einmal Moreno selbst: „Der Begriff des psychodramatischen Rollenspiels ist einfach. Es soll dem Spieler dadurch Einsicht in die Gesichtspunkte anderer Personen vermitteln, dass er entweder auf der Bühne oder im wirklichen Leben in der Rolle des anderen handelt“ (Moreno 1988, S. 147). Im Allgemeinen wird hierunter aber ein Rollenwechsel verstanden. An anderer Stelle fokussiert Moreno stärker den trainierenden Aspekt, das role-enactment: „Durch das Rollenspiel wird die Fähigkeit eines Individuums erforscht, bestimmte Rollen darzustellen, wie die Rolle des Unternehmers oder die Rolle des Vorarbeiters in der Industrie“ (Moreno 1988, S. 92). D. h. Rollenspiel wäre demnach ein Instrument, das in der Personalentwicklung, bzw. -auswahl zum Einsatz kommen kann (vgl. Strobusch, Spörrle, Stadler in diesem Heft).

Kellermann fasst Rollenspiel als „As-If“ zusammen (2000, S. 109 ff.). Verwandte Begriffe seien das Spiel(en) allgemein und die Surplus-Realität. Er lehnt sich an Kipper an, indem er konstatiert, dass das Gefühl des „als-ob“ verloren geht, je stärker man emotional in das Rollenspiel verwickelt ist. Dann werde aus „als-ob“ ein „so ist es“. In Bezug auf Oerters Typologie von Spielen scheint es jedoch sehr knapp gefasst zu sein, das Rollenspiel auf die „als-ob“-Spiele zu beschränken.

Es findet sich unter PsychodramatikerInnen bislang kein einheitlicher Begriff von Rollenspiel, selbst bei dem bereits oben besprochenen Begriff der Rolle erwies sich dies als schwierig. Es gibt allerdings den Versuch einer systematischen Unterscheidung, die von den meisten AutorInnen zitiert wird. Sie findet sich in der folgenden Aufstellung:

 
figure 5

: Morenos drei Dimensionen des Rollen¬handelns (nach Zeintlinger-Hochreiter 1996, S. 128):

Ob Rollenhandeln ein sinnvoller Oberbegriff für die drei Kategorien ist, oder letztlich nur ein Synonym für Rollenspiel, sei zunächst dahingestellt. Während ein klarer Unterschied erkennbar ist zwischen role-taking bzw. role-enactment und role-creating, scheint der Begriff des role-playing eher schwammig gefasst zu sein, wie aus von Amelns Definitionsversuch ersichtlich wird. Das Rollenspiel scheint hier eher ein Oberbegriff zu sein, der die Grenze zwischen Übernahme einer Rolle (role-taking, role-enactment) und Rollenschöpfung (role-creating) verwischt. Aus diesem Grund haben wir in der späteren Tabelle auf den Begriff des Rollenspiels als Dimension verzichtet, und stattdessen Rollenspiel als Oberbegriff verwendet, der die zwei Möglichkeiten Rollenübernahme und Rollen-In-Szene-Setzen (Rückgriff auf kulturelle bzw. Rollen-Konserven) bzw. Rollenschöpfung (kreativer Akt) zusammenfasst.

Eine andere Herangehensweise hat Krüger (vgl. auch seinen Artikel in diesem Heft), der Rollenspiel definiert als eine zentrale Technik unter anderen zentralen Techniken des Psychodramas, als „Psychodrama ohne Rollentausch“ (Krüger 1997, S. 141). Diese Definition ist eingebunden in eine allgemeine Theorie der Psychodramatechniken. Krüger betrachtet das Rollenspiel als Grundlage vieler Spezialformen des Psychodramas, so zum Beispiel des Stegreifspiels, Märchenspiels, Bibliodramas oder der lebendigen Zeitung. Verbunden sind damit Fragen: „Wer bin ich? Wer bin ich nicht? Wer könnte ich aber vielleicht doch sein?“ (a. a. O., S. 142). Durch diese spezielle Art von Rollenspiel und durch die Spiegeltechnik, die damit eng verbunden ist, wird beim Protagonisten Realitätserkenntnis gefördert. Voraussetzung für die Anwendung des Rollenspiels ist der Szenenaufbau. Krügers Definition kann als Rollenspiel im engeren Sinne bezeichnet werden, oder als Rollenspiel als zentrale Psychodrama-Technik, so wie zum Beispiel Szenenaufbau, Rollentausch oder Sharing Anwendungsformen innerhalb der störungsspezifischen Psychodramatherapie sein können.

Im Folgenden soll anhand einiger idealtypischer, fiktiver Beispiele aus der psychodramatischen Anwendung eine Annäherung an eine allgemeine Begriffsbestimmung des psychodramatischen Rollenspiels erfolgen:

Alexander (A) hat bisher Erfahrungen in mehreren Rollen gemacht, bevor er im Rahmen eines Psychodrama-Coachings mit weiteren Rollen konfrontiert wird. Seine bisherigen sozialen Rollen sind: Partner und Geliebter seiner Freundin, Vater eines Sohnes, Sohn seiner Eltern, Studienabsolvent, Mieter einer kleinen Wohnung, Freund, Fußballspieler in einem Verein. Wenn man den psychischen Zustand ebenfalls als Rolle beschreiben möchte, so wie dies zuweilen im therapeutischen Kontext des Psychodramas geschieht, könnte es wie folgt beschrieben werden: Sein psychisches Rollenrepertoire zeichnet sich aktuell besonders durch die Rolle des Unruhigen aus, da er sich demnächst in einer Firma als Diplom-Ingenieur vorstellt. Weitere vorhandene psychische Rollen sind der Fürsorgliche und der Kollegiale.

Im Rahmen eines verhaltenstrainierenden Coachings werden ihm fünf zusätzliche Rollen vorgeschlagen, in denen er probehandelnd tätig werden soll (vgl. Abbildung 1): Guter Erklärer, Diplom-Ingenieur, ideenreicher Kollege, kämpfender Freizeitsportler und Netzwerker.

Abbildung 1
figure 6

: Rollenerweiterung im Rollenspiel

Indem A die neuen Rollen einnimmt, in ihnen aktiv spielt, erweitert er sein RollenrepertoireFootnote 3 und erleichtert spätere Rollenübernahmen in anderen Zusammenhängen (vgl. Mann und Mann 1959). Durch häufiges Wiederholen werden neuronale Netzwerke geschaffen und gefestigt (vgl. Hüther 2008), die ihm im späteren Vorstellungsgespräch hilfreich sein können. Selbstverständlich dürfen die neuen Rollen nicht zu ich-dyston sein, sonst können neue Anknüpfungen nicht dauerhaft gelingen; es wäre dann nur ein Spielen als-ob ohne Effekt. Der Coaching-Prozess verläuft mehrstufig: Zunächst fragt der Coach, wie die neue Rolle aussehen könnte. Durch somatisches Vormachen des Coachs, so wie er den Coachee in seiner Beschreibung der Rolle verstanden hat, sieht A, wie die Rolle in einem erfolgreich verlaufenden Gespräch somatisch gefüllt wird. Damit werden über die Spiegel-Neurone bei ihm entsprechende Hirnareale bereits ohne eigenes aktives Verhalten seinerseits aktiviert (vgl. Gaschler 2006, S. 28-33). Im anschließenden eigenen Rollenspiel macht A die somato-psychische Erfahrung der unterschiedlichen Rollen und ankert diese in seinem Rollen-Selbst, sie werden Teil seines kulturellen Atoms. Dieses Vorgehen wird mittlerweile auch in der neurologischen Rehabilitation von SchlaganfallpatientInnen eingesetzt, die, wenn ihnen gelungene Bewegungsabläufe in Videosequenzen gezeigt werden, deutlich schneller ihre Defizite zu kompensieren lernen (vgl. Binkofski und Buccino 2006, S. 41-43).

A verlagert in diesem Beispiel sein Gewicht von der Rolle des Studienabgängers hin zum Diplom-Ingenieur in einem konkreten Berufsfeld. Obwohl dies im Sinne einer Zukunftshandlung via Rollenspiel geschehen ist, also im „als-ob“-Modus, konnte er Surplus-Erfahrungen dazu abspeichern. Im Rollenspiel nahm er bereits die Schwelle, die im realen Leben noch vor ihm liegt. Im strengen Sinne ist hier eigentlich ein Rollenwechsel vollzogen worden, da die Rolle bislang außerhalb seines Rollenrepertoires lag. Die Rolle des Studienabgängers beginnt schwächer zu werden, da sie nicht mehr genutzt und (hirnphysiologisch) abgerufen wird. Welche Rolle bei dieser Art Rollenspiel die somatische Ebene spielt, beschreibt Storch (2006, S. 64 ff.) anschaulich. Das Embodiment, die Verkörperung ist ein wesentlicher und äußerst effizienter Bestandteil des Rollenspiels.

Komplizierter wird die Situation, wenn wir betrachten, was geschieht, wenn A eine Rolle von einer anderen Person B spielt (vgl. Abbildung 2).

Abbildung 2
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: Rollenspiel in fremder Rolle

Wird A von B in die Rolle der Depressiven ihres kulturellen Atoms gewählt, weil B erkennt, dass A genau die passende Rolle der Depressiven in seinem eigenen Repertoire hat? Wäre dies dann noch Spiel(en), wenn A in der Rolle der Depressiven handelt? Oder wäre es „echt A“, also das Spiel einer Rolle von A, die qua Tele-Beziehung von B erkannt wurde? Wäre es dann nicht ein Spiel „als ob“, keine Rollenerweiterung und auf jeden Fall kein Rollenwechsel; also „nur“ ein Rollenspiel in einer ihm fremd erscheinenden Rolle?

Weiter verkompliziert sich die Lage, wenn wir uns die Situation vorstellen, dass A nicht nur einen Anteil, eine Rolle aus dem kulturellem Atom von B spielt, sondern, dass A B spielt (vgl. Abbildung 3). Hier sprechen wir klassischerweise von Rollenwechsel, und wenn zusätzlich B auch noch A spielt, von einem reziproken Rollenwechsel, sprich Rollentausch. Es handelt sich dabei immer noch um ein Rollenspiel, aber es ist um zusätzliche Komponenten erweitert worden.

Abbildung 3
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: Rollenspiel mit Rollentausch

Definiert sich Rollenspiel(en) demnach im Überschreiten des eigenen bewussten kulturellen und/oder sozialen Atoms, verbunden mit einer bewussten Entscheidung? Ginge dies ohne einen vollzogenen Rollenwechsel? Ohne die Diskussion auf die Spitze treiben zu wollen, wird hier deutlich, dass es ein reines Rollenspiel, also ein Rollenspiel ohne Rollenwechsel eigentlich nicht geben kann.Footnote 4 Eine pragmatische Unterscheidung kommt von Schacht (mündliche , (2007): Wir könnten uns daran orientieren, ob es sich um ein Arrangement oder um eine Psychodrama-Technik handelt. Rollenspiel wäre demnach ein Arrangement, nämlich das Spielen in Rollen, so wie das soziale Atom ein Arrangement ist. Wenn wir von Technik sprechen im Zusammenhang mit Rollenspiel, wäre es so etwas wie der Szenenaufbau, der Rollenwechsel oder das Sharing (vgl. Krüger 1997). Rollenspiel wäre darin als eine Technik definiert; als kreatives Handeln in einem anderen sozialen Zusammenhang, einem eigenen Raum, der aber nicht explizit die Person eines Anderen fokussiert ist. Den meisten PsychodramatikerInnen ist dies auch plausibel: Versuchen Sie einmal etwas zu spielen, das nichts mit Ihnen zu tun hat!Footnote 5

Der Rollenvielfalt, die wir einnehmen können, sind fast keine Grenzen gesetzt, wie Moreno schreibt: „An individual in his daily routine may be limited to a small number of roles and situations, but the potentiality of his personality for roles is practically infinite. We live with a small part of our personality range only; most of it remains unused and undeveloped. During the course of treatment a patient may live in hundreds of roles and situations“ (Moreno 1945, S. 48).

Die bisherigen Beispiele bezogen sich alle auf Rollenspiele einzelner ProtagonistInnen im Monodrama oder im Gruppen-Setting. Es gibt aber auch Rollenspiel in der Gesamtgruppe. Nun noch einige Beispiele, welche sich auf das Rollenspiel einer Gruppe bezieht.

  • Variante A: Eine Abteilung eines Krankenhauses kommt zu einer Supervisionssitzung und möchte eine Konfliktsituation im Team besprechen. Der Supervisor fordert die Beteiligten auf, die Situation, in der der Konflikt entstand, nachzuspielen; jede teilnehmende Person nimmt dabei ihre eigene Rolle ein.

  • Variante B: In derselben Supervisionssitzung bittet der Supervisor das Team, eine mögliche Lösung des Konfliktes im Stegreif zu spielen.

  • Variante C: In einer Ausbildungsgruppe bittet die Leiterin die TeilnehmerInnen, sich eine Rolle aus einem vorgegebenen Märchen zu wählen und diese Rolle zu spielen.

  • Variante D: In einem Verband sollen Ziele bezüglich zukünftiger Marketingstrategien erarbeitet werden. Die Mitglieder teilen sich in drei verschiedene Untergruppen (Anbietende, KundInnen und Produkt) und spielen soziodramatisch in den durch die Untergruppen definierten Rollen.

Auch in diesen Beispielen scheint das Thema des o. g. Rollenwechsels auf. Was in den vier Varianten deutlich wird, ist die Tatsache, dass es Rollenspiel in eigener und anderer, bzw. fremder Rolle gibt, und dass es Rollenspiel in vorher festgelegten Rollen mit oder ohne definierte Regeln (Konserven) und in der Stegreifsituation geben kann. Bezüglich des letzten Kriteriums findet sich bei Schaller eine ähnliche Unterscheidung hinsichtlich der Achse (vgl. Abbildung 4): angeleitetes vs. improvisiertes Rollenspielen; seine zweite Achse bezieht sich auf ein weiteres Kriterium: pädagogische und psychologische Zielsetzung (Schaller 2006, S. 67). Ähnlich unterscheidet Krüger in diesem Heft.

Abbildung 4
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: Kategorisierung von Rollenspielen nach Schaller (2006)

Aufgrund der vorangegangenen Unterscheidungen kann ein Vorschlag zur Kategorisierung verschiedener Arten von psychodramatischen Rollenspielen gemacht werden(vgl. Tabelle 1, S. xx).

Tabelle 1 : Kategorisierung von psychodramatischen Rollenspielen:

Unabhängig davon, welche Art des Rollenspiels wir im psychodramatischen Setting anwenden, immer wird damit ein neuronales Korrelat desselben bei demjenigen geschaffen, der die Handlung ausführt, aber auch in den Köpfen der MitspielerInnen, des Psychodrama-Leiters und der ZuschauerInnen; letztere über die Spiegelneurone (vgl. Becker 2008, S. 28 ff.). Wir aktivieren in den Spielmomenten motorische, sensorische und affektive Muster, seien es bekannte, seien es neue. Die neu geschaffenen Muster beeinflussen alle mit diesen in Verbindung stehenden Verschaltungen, was die Neurobiologie als Kopplung bezeichnet (vgl. Hüther 2005 und 2006). Dabei wirken Muster, die öfters wiederholt und dadurch gestärkt werden, stärker handlungsleitend als nur einmalig geübte Handlungsabläufe. Dies bedeutet, dass für Rollenspiele die Wiederholung von entscheidender Bedeutung ist. So wie die Kinder in ihrer Entwicklung Rollen spielen, bis sie internalisiert oder neuronal repräsentiert sind, bzw. bis das enthaltene Thema „erledigt“ ist, so ist auch beim Rollenspiel im beraterischen oder therapeutischen Kontext die Wiederholung elementar für eine stabile Verankerung.

5. Klinische Anwendungen des Rollenspiels und klinische Wirksamkeitsstudien

Das psychodramatische Rollenspiel wurde im klinischen Kontext im deutschen Sprachraum besonders von Krüger besprochen (1997, 2001, 2006a, 2006b, 2007 und in diesem Heft). Krügers Betrachtung des Rollenspiels aus dem Blickwinkel der Tiefenpsychologie wie der Selbstorganisation wird ergänzt durch eine verhaltenstherapeutische Sicht, wie sie Burmeister beschreibt: „Die Wirksamkeit des therapeutischen Rollenspiels und die damit zusammenhängende Theoriebildung werden […] besonders auch von Fliegel (1996, S. 354) in seinen Ausführungen zum verhaltenstherapeutischen Rollenspiel bestätigt. Insbesondere werden die Bedeutung für die Entwicklung von sozialer Empathie, der Umgang mit Anpassungskonflikten beim Erfüllen von Rollenerwartungen und die Nutzung bei Interaktions- oder Konfliktverhalten hervorgehoben. Das Rollenspiel gilt als „störungsübergreifende Standardmethode, mit der sozial angemessenes Rollenverhalten […] eingeübt werden soll“ (Burmeister 2004, S. 16 f.).

Schaller unterscheidet verschiedene Lernziele des Rollenspiels, die er in den Kategorien kognitiv, affektiv und psychosozial zusammenfasst (s. Tabelle 2).

Tabelle 2 : Lernziele des Rollenspiels (Schaller 2006, S.194)

Betrachten wir im Folgenden die englischsprachigen Forschungserträge zum Rollenspiel: Einen grundlegenden Beitrag lieferten Mann und Mann bereits 1959: Sie konnten experimentell nachweisen, dass das Rollenspiel überhaupt einen Effekt hat. Dies klingt trivial, ist es aber nicht: Sie fanden heraus, dass das Beleben einer Rolle im Rollenspiel das Beleben dieser Rolle im späteren Alltag erleichtert. Darüber hinaus konnten sie zeigen, dass das Spielen einer Serie von Rollen grundsätzliche die Rollenübernahme später verbessert. Und last not least konnten sie belegen, dass das Rollenspielen grundsätzlich die allgemeine Effektivität des späteren Rollenhandelns verbessert (vgl. Mann und Mann 1959, S.67 ff.). Diese Nachweise sind elementar für alle Anwendungen des psychodramatischen Rollenspiels, sowohl im klinischen Bereich, als auch im Coaching und Beratungsbereich oder im Feld der Supervision. Es ist der Beleg, dass eine Rollenerweiterung durch Rollenspiel wirksam gelingen kann.

Kipper ist wahrscheinlich derjenige, der am meisten zur klinischen Bedeutung des Rollenspiels geforscht und veröffentlicht hat (1988a, 1988b, 1992a, 1992b). So konnte er zeigen, dass das Rollenspiel zu einer besseren Selbsteinschätzung führt (Kipper 1988), dass es eine positive Korrelation zwischen Rollenspiel und der subjektiven Kontrollüberzeugung gibt (Kipper 1988b), dass es die Selbstsicherheit verbessert (Kipper 1992b), und dass das Rollenspiel sowohl sozio- als auch psychodramatisch essentiell ist (Kipper, 1992a).

Für die Anwendung von besonderer Bedeutung war die Entwicklung des „Diagnostic Role-Playing Test“ (DRPT) von Johnson (1988). Bei diesem zweigliedrigen Test handelt es sich um ein projektives Rollenspiel-Verfahren, das besonders im klinischen Bereich zur Anwendung kommt und auf der Ich-Psychologie und Objektbeziehungstheorie basiert. Die Ergebnisse werden ausgewertet nach Kriterien wie Spontaneität, Fähigkeit, die Realität zu überschreiten, Rollenrepertoire, Szenenaufbau und -entwicklung, thematische Muster der gezeigten Szenen, Handlungsbereitschaft und Rollenspiel-Stil (Johnson 1988, S. 26). In einer Untersuchung von 1980 konnten Johnson und Quinlan nachweisen, dass mit dem DRPT eine valide diagnostische Unterscheidung zwischen verschiedenen Grenzen schizophren erkrankter Menschen getroffen werden kann (Johnson und Quinlan 1980). Auf die diagnostische Bedeutung dieses Instruments beziehen sich ebenfalls Forrester (2000) sowie Landy, Luck, Conner und McMullian (2003).

Ein weiteres untersuchtes Anwendungsfeld ist das kulturelle Atom von Beratern. Danskin hat bereits 1955 mithilfe des Rollenspiels herausgefunden, welche Arten von Rollen im kulturellen Atom von BeraterInnen auftreten und in diesem beruflichen Kontext hilfreich sind (Danskin 1955). Schneider-Düker verwendete das psychodramatische Rollenspiel, um gezeigtes Verhalten drei verschiedenen Kategorien zuzuordnen: dominant vs. unterwürfig, freundlich vs. unfreundlich und instrumentell-kontrolliert vs. emotional-expressiv (1989, S. 121).

6. Fazit

Rolle definiert sich in klarer Weise handlungsbezogen und ist eingebunden in einen sozialen Kontext. Für das Spiel zeigte sich, dass es als zentrale Merkmale einen Wechsel des Realitätsbezuges und eine Übungs- und Entwicklungsfunktion beinhaltet. Rollenspiele tauchen in jeder Entwicklungsstufe des Menschen auf, sei es beim Kleinkind im Rahmen der kindlichen Selbstentwicklung, sei es im Zusammenhang von Identitätsentwicklung. Im Allgemeinen können Rollenspiele verschiedenen Kategorien zugeordnet werden: Den Imitationsspielen, den Als-Ob-Spielen, den freien und spontanen, sowie den Regelspielen.

Der soziale Handlungsbezug des psychodramatischen Rollenspiels ist wie auch für den Rollenbegriff klar gegeben. Der spielerische Realitätsbezugswechsel wird beinahe rituell durch den Schritt auf die Bühne vollzogen, aber auch durch die Überschreitung des eigenen, gewohnten Rollenatoms. Somit ist der psychodramatische Rollenspielbegriff inhaltlich eng mit seinen Ursprungsbegriffen assoziiert. Die Übungs- sowie Entwicklungsfunktion zeigt sich sowohl im übenden Rollenspiel als auch in dem grundsätzlichen, kreativitätsfördernden Moment des psychodramatischen Rollenspiels. Hinzu kommt der Einsatz in Diagnostik und Auswahl. Das psychodramatische Rollenspiel ist in seinen verschiedenen Dimensionen hilfreich und effektiv. Nicht umsonst wird das neuere Psychodrama eher mit Rollenspiel in Verbindung gebracht statt der älteren Zuordnung des Verfahrens zur Kategorie Gruppentherapie.Footnote 6

In der vorliegenden Arbeit wurde eine Kategorienbildung vorgeschlagen, abhängig von dem Kriterium Spielen in eigener Rolle oder in fremder und dem Kriterium freies Spiel (Spontaneitätslage oder freie Kreativität) oder Spiel nach Vorgaben (Kulturkonserve oder gebundene Kreativität). Der entstehende Effekt ist immer eine Rollenerweiterung bzw. eine Öffnung, die Kreativität ermöglicht. Verschiedene Anwendungsfelder wie Beratung, Behandlung, Organisations- und Personalentwicklung, Personaldiagnostik und -auswahl sowie Supervision sind nahe liegend.

Die Effektivität des Rollenspiels lebt neben der passenden Erwärmung, die die aktuelle Lage der Beteiligten berücksichtigt, besonders von der Wiederholung. Mit der Wiederholung im Spiel wächst auch die befreiende Komponente; dies kann man feststellen, wenn in Gruppen Rollenspiele zum gleichen Thema oder Setting wiederholt werden.