1 Einleitung

Eltern haben vielfältige Möglichkeiten ihre Kinder bei der schulischen Entwicklung zu unterstützen. Eine Form sind Unterstützungsleistungen, die sich auf lernbezogene Eltern-Kind-Interaktionen beziehen. Wichtige Komponenten solcher Unterstützungsleistungen sind die elterliche Hilfe bei Hausaufgaben und das zusätzliche Lernen zu den Hausaufgaben. Als Hausaufgaben werden dabei Aufgaben bezeichnet, die den Schülern von Lehrkräften zugewiesen werden und von diesen außerhalb der Schule – auch mit elterlicher Unterstützung – erledigt werden sollen. Die Bearbeitung von Hausaufgaben hat einen verbindlichen Charakter und fließt in die Beurteilung der Schülerinnen und Schüler durch die Lehrkräfte ein. Von Hausaufgaben in mehrfacher Hinsicht zu unterscheiden sind zusätzliche, nicht von Lehrkräften zugewiesene häusliche Lernaktivitäten wie das Festigen bzw. Wiederholen des Schulstoffes, das Üben für Klassenarbeiten und das Vorbereiten von Referaten, die ebenfalls von Eltern unterstützt werden können (Mischo und Haag 2010). Zusätzliche häusliche Lernaktivitäten haben einen weniger ausgeprägten Verbindlichkeitscharakter, weil sie freiwillig erfolgen und nicht unmittelbar in die Beurteilung der Schülerinnen und Schüler durch die Lehrkräfte einfließen. Im Unterschied zu von Lehrkräften zugewiesenen Hausaufgaben werden zusätzliche häusliche Lernaktivitäten stärker durch Mitglieder des familialen Kontextes (Eltern, Schüler und Schülerinnen) motiviert und initiiert. Wild und Walper (2015, S. 233 f.) beschreiben mehrere Vorteile des häuslichen Lernens. So muss anders als in der Schule keine Zeiteinheit eingehalten werden. Zudem kann individuell auf das Leistungsniveau des Kindes eingegangen und Rückmeldungen können unabhängig vom sozialen Bezugsrahmen zur Klasse gegeben werden. Theoretisch ist zu erwarten, dass häusliche Lehr-Lern-Prozesse positiv mit der Lernmotivation, der Schulleistung und dem Erwerb von Lernstrategien zusammenhängen (Hoover-Dempsey et al. 2001; Wild und Walper 2015, S. 234). Besonders in Bezug auf den nahenden Übergang am Ende der Grundschule und des steigenden Selektionsdrucks (Büchner und Koch 2001) kann die elterliche Unterstützung ein Mittel der Eltern sein, sich aktiv am Schulgeschehen zu beteiligen und den Übertritt mitzugestalten. Der Beitrag setzt hier an und beleuchtet, welche Eltern ihre Kinder kurz vor dem Übergang in das gegliederte Schulsystem unterstützen und welche Zusammenhänge sich mit dem Schulerfolg der Kinder zeigen. In den Blick genommen werden dabei die Häufigkeit der elterlichen Hausaufgabenunterstützung und des zusätzliches Üben neben den Hausaufgaben, das von den Kindern und Eltern weitere Ressourcen und Energie erfordert.

2 Theorie

Für die Erklärung von Bildungsentscheidungen wird in soziologischen Arbeiten häufig auf das Modell der rationalen Bildungswahl (Boudon 1974) zurückgegriffen, wonach Bildungsentscheidungen auf primäre und sekundäre Herkunftseffekte zurückgeführt werden. Vernachlässigt werden dabei allerdings psychologische Faktoren wie Selbst- und Kontrollkonzepte der Kinder sowie Kontrollüberzeugungen der Eltern. Um sowohl psychologische als auch soziologische Konstrukte berücksichtigen zu können, wird auf das erweiterte Erwartungs-Wert-Modell von Eccles (1983) zurückgegriffen. Anknüpfend daran haben Eccles und Harold (1996) ein Modell für Elternpartizipation entwickelt, in dem elterliche Involviertheit sowohl als Kriteriumsvariable als auch als Prädiktor betrachtet wird. Es bietet einen theoretischen Rahmen dafür, wie Schule und Eltern mit dem Bildungserfolg von Kindern zusammenhängen. Das Modell besteht aus vier Variablensets, die miteinander in Verbindung stehen: (1) exogene Variablen, (2) Meinungen und Einstellungen der Eltern und LehrerFootnote 1, (3) Aktivitäten der Eltern und Lehrer sowie (4) Outcomes des Kindes. Exogene Variablen (wie Merkmale der Familie, des Umfeldes, des Schülers, der Lehrer und der Schule im Allgemeinen) hängen indirekt und direkt mit dem elterlichen Engagement zusammen. Die elterlichen Praktiken sind weit gefasst und umfassen beispielsweise die Teilnahme an und Unterstützung von Schulaktivitäten oder den Besuch von Konferenzen. Diese Praktiken stehen in einer direkten Beziehung mit den Outcomes des Schülers. Da der Fokus dieser Arbeit auf die innerfamiliale Unterstützung gerichtet ist, wird die Lehrerperspektive ausgeblendet. Unser Modell wurde in Anlehnung an Jonkmann et al. (2010) modifiziert, die das Eccles-Modell auf die Übergangsentscheidung auf das Gymnasium angewendet haben und dabei zentrale entscheidungsrelevante Konstrukte des Rational-Choice-Ansatzes wie das Statuserhaltsmotiv in das Modell integriert haben (Jonkmann et al. 2010, S. 256). Neben Informationen wie dem Bildungshintergrund der Eltern oder die Noten der Schüler, deren Bedeutsamkeit für Bildungsentscheidungen in einer Vielzahl von Studien nachgewiesen werden konnten, wurden zusätzliche Variablen integriert, wie das Selbstkonzept des Kindes aus Schüler- und Elternperspektive oder die Unterstützungsmöglichkeiten durch die Eltern, deren Bedeutsamkeit in dem Zusammenhang wenig untersucht wurde. Im Unterschied zu Jonkmann et al. (2010) wenden wir das Modell auf die elterliche Unterstützungsentscheidung in der vierten Klasse an. Ausschlaggebend für die Entscheidung für häufige Unterstützung (Handlungsalternative 1) bzw. gegen häufige Unterstützung (Handlungsalternative 2) sollten neben der Erfolgserwartung auch die Wertkomponenten, welche Nutzen- und Kostenaspekte berücksichtigen, sein (Jonkmann et al. 2010). Eltern entscheiden sich demzufolge dann für die häufige Unterstützung ihrer Kinder, wenn die Nutzenaspekte der Unterstützung höher eingeschätzt werden als die damit verbundenen Kosten.

Unser Modell (Abb. 1) besteht analog zu Eccles ebenfalls aus den oben genannten vier Variablensets. Elterliche Unterstützung und kindliche Entwicklung stehen miteinander in einem wechselseitigen Zusammenhang. Die Wertkomponente umfasst Nutzenaspekte, die aus der individuellen Wichtigkeit (attainment value), dem intrinsischen Wert (intrinsic value) sowie dem Nutzenanreiz (utility value) bestehen, und die Kostenaspekte (relative cost), die finanzielle und zeitliche Kosten enthalten. Die Erwartungen und Werte der Eltern für oder gegen die Entscheidung für Unterstützungsleistungen hängen wiederum zusammen mit den elterlichen Einstellungen. Diese umfassen die elterlichen Kontrollüberzeugungen, die mittel- und langfristigen Ziele und die Interpretation der Schulleistungen durch die Eltern (Jonkmann et al. 2010). Die Kontrollüberzeugungen beziehen sich auf die subjektive Einschätzung der Eltern, ihr Kind entsprechend unterstützen zu können. Die mittel- und langfristigen Ziele umfassen die Vorstellungen der Eltern, die sie hinsichtlich der schulischen und beruflichen Laufbahn ihres Kindes haben. Die Interpretation der Schulleistungen durch die Eltern kann unterschiedliche Dimensionen wie z. B. die Leistungsfähigkeit, die Lernfreude, Konzentrationsfähigkeit oder Belastbarkeit des Kindes einschließen. Der Vorteil dieses Modells liegt darin, dass persönliche Merkmale der Individuen (z. B. Motive) zwischen den Merkmalen der sozialen Herkunft und den Wert-Erwartungs-Komponenten vermitteln und damit Entscheidungsprozesse besser erklärt werden können (Klinge 2016, S. 31). D. h., dass neben den gängigen Merkmalen der Familie auch Variablen berücksichtigt werden, deren Bedeutung für die Übergangsentscheidung und in diesem Fall die Unterstützungsentscheidung vor der Übergangsentscheidung bisher kaum Beachtung geschenkt wurde, wie etwa die Selbstkonzepte aus Schüler- und Elternsicht, die subjektive Unterstützungsfähigkeit und die Wertkomponente aufgeteilt in individuelle Wichtigkeit, dem intrinsischen Wert und dem Nutzenanreiz sowie den Kosten (Jonkmann et al. 2010, S. 277).

Abb. 1
figure 1

Erweitertes Wert-Erwartungs-Modell in Anlehnung an Eccles und Harold (1996) sowie Jonkmann et al. (2010). (Quelle: eigenes, adaptiertes Modell nach Jonkmann et al., 2010)

3 Forschungsstand und Hypothesen

3.1 Verbreitung von Hausaufgabenunterstützung und zusätzlichem Üben im Schulverlauf

Befunde von Wild und Remy (2002) zeigen, dass lediglich knapp unter 10 % der Grundschüler keine elterliche Hausaufgabenunterstützung erhalten. Diese Ergebnisse decken sich mit Befunden aus dem anglo-amerikanischen Raum (Hoover-Dempsey et al. 2001). Mit Blick auf zusätzliches Üben implizieren Forschungen für den Grundschul- und Sekundarbereich, dass Eltern am häufigsten zusätzlich mit ihren Kindern üben, wenn es um die Vorbereitung auf bevorstehende Klassenarbeiten und Tests geht (Helmke et al. 2004; Schwanenberg 2015). Studien zeigen zudem, dass das Ausmaß elterlicher Unterstützung häuslichen Lernens im weiteren Schulverlauf zurückgeht (von Rosenbladt und Thebis 2003; Gerber und Wild 2009).

3.2 Bedeutung von Merkmalen der Eltern und des Kindes

Mit Blick auf elterliche Merkmale hat sich der Bildungshintergrund der Eltern teilweise als bedeutsam erwiesen (Dumont et al. 2012). Rosenblatt und Thebis (2003) berichten von einem tendenziell höheren Ausmaß an Hausaufgabenunterstützung bei Eltern mit einem niedrigeren Bildungshintergrund, während Niggli et al. (2007) sowie Rønning (2011) über ein geringeres Ausmaß an Unterstützung berichten, wenn Eltern einen niedrigen Schulabschluss aufweisen. In anderen Studien finden sich hingegen keine Hinweise auf Differenzen (Balli et al. 1997; Lee und Bowen 2006). Ein weiteres Merkmal bildet der Migrationshintergrund. In Analysen von Rønning (2011) zeigte sich, dass Kinder aus Familien mit (nicht-westlichem) Migrationshintergrund weniger Hausaufgabenunterstützung von ihren Eltern erhalten. Nach Dumont (2012) bekommen Schüler, deren Eltern beide im Ausland geboren sind, weniger Hilfe von ihren Eltern, als Schüler, deren Eltern in Deutschland geboren wurden. Lee und Bowen (2006) finden in einer US-amerikanischen Studie hingegen keine Differenzen. In Bezug auf das zusätzliche Üben sind nur wenige Befunde bekannt. Eltern mit einem Migrationshintergrund engagieren sich stärker als autochthone Eltern in zusätzlichem häuslichen Üben. Eltern mit einem Hochschulabschluss hingegen geben dies im Vergleich zu Eltern ohne Hochschulabschluss seltener an (Schwanenberg 2015).

Auch kindliche Merkmale spielen eine Rolle für das Ausmaß elterlicher Lernunterstützung. Helmke, Schrader und Hosenfeld (2004) berichten ein stärkeres Ausmaß elterlicher Lernunterstützung, wenn die kindlichen Schulleistungen als schlechter beurteilt werden. Diese Befunde werden gestützt durch eine Meta-Analyse (Hill und Tyson 2009). Bezüglich der Bedeutung des schulischen Selbstkonzeptes des Kindes finden sich Hinweise bei Helmke et al. (2004), wonach eine stärker ausgeprägte elterliche Lernunterstützung mit einem geringeren Fähigkeitsselbstkonzept der Kinder einhergeht.

3.3 Bedeutung von elterlichen Kontrollüberzeugungen, mittel- und langfristigen Zielen und Interpretationen des Schulerfolges durch Eltern

Wild und Gerber (2007) finden keinen Zusammenhang zwischen der elterlichen Überzeugung, ihr Kind bei den Hausaufgaben unterstützen zu können, und dem Ausmaß der elterlichen Hausaufgabenunterstützung. Ohne dezidiert auf Hausaufgabenunterstützung und zusätzliches Üben zu verweisen, liefern Befunde von Grolnick et al. (1997) weitere Unterstützung für die Bedeutung elterlicher interner Kontrollüberzeugungen, die positiv mit dem Ausmaß elterlicher Involviertheit in kognitiv anregende Aktivitäten zusammenhängen. Mit Blick auf den Zusammenhang zwischen elterlichen Zielen und innerfamilialer Unterstützung berichten Lee und Bowen (2006) von geringen positiven Korrelationen zwischen idealistischen elterlichen Bildungserwartungen und ihrer Involviertheit in der Hausaufgabenunterstützung. Befunde von Gonida und Cortina (2014) untermauern die Relevanz elterlicher Interpretationen der Leistungsfähigkeit ihrer Kinder, die positiv mit einer kognitiv anregenden Elternunterstützung und negativ mit Störungen und Unterbrechungen und kontrollierend-direktiven Elternverhaltensweisen assoziiert sind.

3.4 Bedeutung von Wertkomponenten und der wahrgenommenen Erfolgswahrscheinlichkeit

Die Befundlage zur Bedeutung von Wertkomponenten und der wahrgenommenen Erfolgswahrscheinlichkeit für die innerfamiliale Unterstützung in Form von Hausaufgabenhilfe und zusätzlichem Üben ist bislang unzureichend. Eine Ausnahme bildet eine Untersuchung, wonach die Wertkomponente utility value in einem positiven Zusammenhang mit lernbezogener Elternunterstützung steht. Gleiches gilt für die Erfolgserwartung, die positiv mit lernbezogener Elternunterstützung assoziiert ist. Kostenaspekte sind hingegen nicht von Bedeutung (Schwanenberg 2015). Anhaltspunkte für die Relevanz von Wertkomponenten und Erfolgserwartungen finden sich auch in weiteren Studien. In der Untersuchung von Jonkmann et al. (2010) zeigt sich, dass eine stärkere Ausprägung der individuellen Wichtigkeit (operationalisiert über den Statuserhalt durch das Abitur), der Nutzenanreiz des Abiturs (Berufsaussichten) sowie eine höhere Erfolgserwartung (Bestehen des Abiturs) die Wahrscheinlichkeit für einen nicht empfehlungskonformen Übergang auf das Gymnasium erhöhen. Keine statistische Bedeutung haben der intrinsische Wert und die Kostenaspekte.

3.5 Bedeutung von Hausaufgabenunterstützung und zusätzlichem Üben für den Schulerfolg des Kindes

Die Befundlage zur Bedeutung quantitativer Aspekte von Hausaufgabenbetreuung und zusätzlichem Lernen für den kindlichen Bildungserfolg ist heterogen. Helmke et al. (2004) berichten, dass das Ausmaß negativ mit den Testleistungen in Mathematik und den Zeugnisnoten der Schüler korrespondiert, wobei diese Ergebnisse für die fünfte Klassenstufe gefunden werden, aber nicht für die sechste. Wird die Häufigkeit der elterlichen Hausaufgabenunterstützung fokussiert, finden sich in mehreren quer- und längsschnittlichen Studien keine oder negative Zusammenhänge mit kindlichen Schulleistungen (Balli et al. 1997; Helmke et al. 2004; Trautwein und Lüdtke 2007; Moroni et al. 2015; vgl. auch Dumont 2012 für eine Übersicht). Vorsichtige Anhaltspunkte für eine positive Bedeutung – zumindest für den Bereich der Grundschule – bietet eine Metaanalyse von Patall et al. (2008), wonach die Häufigkeit der Hausaufgabenhilfe leicht positiv mit der schulischen Leistungsentwicklung zusammenhängt. Jeynes (2003) berichtet in einer Metaanalyse ebenfalls (deutlichere) positive Zusammenhänge zwischen dem Ausmaß der Hausaufgabenunterstützung und Schulleistungen in der Grundschule.

4 Hypothesen

Ausgehend von den theoretischen Überlegungen und – soweit vorliegend – bisherigen Forschungsbefunden werden mehrere Hypothesen formuliert, die nachfolgend erläutert werden.

4.1 Merkmale der Eltern

Die bisherigen, allerdings nicht immer konsistenten wissenschaftlichen Arbeiten können mit einiger Vorsicht dahingehend interpretiert werden, dass eine schulische Bildung und die Nutzung der deutschen Sprache im Familienalltag mit einer höheren Unterstützungsleistung korrespondieren: Je höher die schulische Bildung der Eltern ist und je besser die Kenntnisse der Unterrichtssprache sind, desto besser sind die Eltern in der Lage, ihren Kindern bei den schulischen Aufgaben zur Seite zu stehen. Dies sollte motivierend sein und zu erhöhter Unterstützungsleistung der Eltern führen (H1).

4.2 Merkmale der Kinder

Im Vergleich zu den Merkmalen der Eltern ist die bisherige – allerdings noch relativ dürftige – Befundlage zu den Merkmalen der Kinder (schlechte Leistungen und ein geringes Fähigkeitsselbstkonzept) als konsistenter zu bewerten: Schlechtere Leistungen der Schüler suggerieren, dass mehr Unterstützung benötigt wird. Daher nehmen wir an: Je schlechter die schulischen Leistungen und je geringer das Fähigkeitsselbstkonzept der Kinder, desto mehr sollte die lernunterstützende Tätigkeit der Eltern zunehmen (H2).

4.3 Sozialkognitive Merkmale

Zur Bedeutung von elterlichen Kontrollüberzeugungen und idealistischen Bildungsaspirationen auf die Unterstützungsentscheidung liegen bisher kaum Befunde vor. Die aktive elterliche Partizipation sollte nicht zuletzt von den elterlichen Kontrollüberzeugungen beeinflusst werden. Eltern, die überzeugt sind, gute Unterstützungsleistungen erbringen zu können, sollten ihren Kindern häufiger bei den Hausaufgaben und darüber hinaus beim Üben zur Seite stehen. Auch die Bildungswünsche sollten sich in der Unterstützung auswirken. Eltern, die sich das Abitur für ihre Kinder wünschen, sollten ein stärkeres Bildungsinteresse haben und damit eine höhere Bereitschaft zeigen, helfend zur Seite zu stehen. Aufgrund der theoretischen Überlegungen nehmen wir Folgendes an: Je höher die Überzeugung der Eltern, ihre Kinder gut unterstützen zu können und je höher die idealistische Bildungsaspiration der Eltern sind, desto häufiger agieren sie lernunterstützend (H3).

Die Vorstellungen der Eltern darüber, wie ihre Kinder schwierige Anforderungen in der Schule bewältigen, tragen maßgeblich dazu bei, unterstützend tätig zu werden. Eltern, die ihren Kindern ein geringes schulisches Selbstkonzept zuschreiben, sind stärker motiviert ihren Kindern zu helfen, um die Fähigkeiten zu steigern. Das sollte in gleichem Maße für die Hausaufgabenbewältigung gelten, wenn Eltern feststellen, dass ihre Kinder die Hausaufgaben weniger selbständig und freiwillig bearbeiten: Je höher das schulische Selbstkonzept und je selbständiger die Hausaufgabenbewältigung stattfindet, desto weniger Anlass sollte es für die Eltern geben, in die schulischen Angelegenheiten ihrer Kinder involviert zu sein (H4).

4.4 Wert- und Erwartungskomponenten

Der Forschungsstand zur Bedeutung von Wert- und Erwartungskomponenten für die elterliche Unterstützung in Form von Hausaufgabenhilfe und zusätzlichem Üben ist bislang unzureichend. Dennoch wurden auf der Basis des zugrunde gelegten Wert-Erwartungs-Modells zu den einzelnen Komponenten nachfolgende Hypothesen formuliert:

4.5 Wertkomponenten

4.5.1 Individuelle Wichtigkeit

Eltern versuchen das Risiko der intergenerationalen Abwärtsmobilität zu reduzieren. Da die Eltern unterschiedliche Positionen im Statusgefüge einnehmen, entstehen schichtspezifische Unterschiede: Kinder unterer und mittlerer Schichten müssen nicht notwendigerweise einen akademisch-orientierten Bildungsweg einschlagen und ein Scheitern riskieren, sie können auch mit anderen Abschlüssen ihren Status sichern. So sollte es ein hohes Interesse der Eltern den Status zu wahren, auch mit einer größeren Motivation der Unterstützung einhergehen, um dieses Ziel zu erreichen. Je wichtiger den Eltern ist, dass die Kinder mindestens einen genauso hohen Status erreichen, wie sie selbst haben, desto motivierter sollten Eltern sein, unterstützend tätig zu sein (H5). Hierbei gilt zu beachten, dass insbesondere Eltern aus höheren Schichten im Vergleich zu Eltern aus niedrigeren Schichten ein höheres Verlustrisiko haben.

4.5.2 Intrinsischer Wert und Nutzenanreiz

Eltern, die hohe Schulbildung als einen Wert an sich betrachten, sollten stärker angespornt sein, ihren Kindern beim Lernen zu helfen. Es geht dabei um die Verknüpfung einer positiven Einstellung zu hoher Bildung mit einem erhöhten Interesse bzw. einer höheren Bereitschaft, selbst aktiv zu werden. Außerdem sollten wahrgenommene Bildungserträge eine treibende Kraft für stärkere Unterstützung sein.

Je stärker Bildung als eigenständiger Wert angesehen wird und je stärker Eltern Bildung einen hohen Nutzen beimessen, desto höher sollte das Interesse an elterlicher Unterstützung sein (H6).

4.5.3 Monetäre und zeitliche Kosten

Ein geringeres Haushaltseinkommen und ein hohes ökonomisches Belastungsempfinden durch den Schulbesuch des Kindes sollten sich förderlich auf das häusliche Lernen auswirken, da es eine Möglichkeit der kostengünstigen Förderung darstellt. Da Mütter in der Regel die Betreuung am Nachmittag übernehmen, sollten steigende zeitliche Kosten, die durch Erwerbstätigkeit der Mutter oder durch weitere Geschwister, die in der Familie leben, entstehen zu einem geringeren Engagement führen. Je geringer das Einkommen und je höher das ökonomische Belastungsempfinden der Eltern ist, desto häufiger findet häusliches Lernen statt, da es eine Möglichkeit der kostengünstigen Förderung darstellt (H7a). Je stärker die Mütter im Erwerbsleben eingebunden sind und je mehr Geschwister in der Familie aufwachsen, desto weniger Zeitressourcen stehen für das einzelne Kind zur Verfügung und desto weniger Zeit kann für die Unterstützung der Kinder aufgewendet werden (H7b).

4.6 Erwartungskomponente

Eltern mit hohen realistischen Aspirationen setzen unter Berücksichtigung der schulischen Performanz voraus, dass ihr Kind auch nach dem Übertritt mit den höheren schulischen Ansprüchen zurechtkommt und die nötige Lernbereitschaft und Disziplin besitzt. Es ist davon auszugehen, dass ihre Kinder bessere Schulleistungen aufweisen und damit auch größeren schulischen Herausforderungen gewachsen sind. Folglich kann angenommen werden, dass diese Schüler auch ohne häufige elterliche Unterstützung auskommen: Je höher die realistische Bildungsaspiration der Eltern ist, desto eher setzen sie unter Berücksichtigung der schulischen Leistung voraus, dass ihr Kind nach dem Übertritt mit höheren schulischen Anforderungen zurechtkommt und damit weniger elterlicher Lernhilfe bedarf (H8).

4.7 Zusammenhänge zwischen Unterstützungsleistungen und Bildungserfolg

Die bisherige Befundlage zu Zusammenhängen zwischen elterlichen Unterstützungsleistungen und Bildungserfolg ist heterogen, wobei meta-analytische Ergebnisse durchaus positive Zusammenhänge nahelegen können, so dass angenommen werden kann, dass beide Unterstützungsformen positiv mit dem Bildungserfolg assoziiert sind (H9).

5 Empirische Untersuchung

5.1 Daten und Variablenbeschreibung

5.1.1 Beschreibung der Gesamtstichprobe

Die empirischen Analysen basieren auf Daten des zweiten Längsschnittes der DFG-Forschergruppe BiKS (Bildungsprozesse, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen im Vorschul- und Schulalter; BiKS-8-14). Die Bruttostichprobe besteht zum ersten Messzeitpunkt (Welle 1) aus 2395 Kindern, die 155 Klassen an 82 Grundschulen besuchen. Die Grundschulen liegen in acht ländlichen und (groß-)städtischen Regionen in Bayern und Hessen. 2238 Eltern haben an einem telefonischen Interview teilgenommen und 145 Klassenlehrer an schriftlichen Befragungen. Bei der ersten Erhebung im März 2006 befanden sich die Schüler in der dritten Klasse. Folgeerhebungen fanden zu Beginn (Welle 2) und am Ende der vierten Klasse statt (Welle 3)Footnote 2. Für die Analysen werden die Eltern- und Lehrerangaben sowie Ergebnisse aus standardisierten Kompetenztests der Wellen 1 bis 3 und die in Welle 8 eingeholte Information über die Endjahresnoten der vierten Klasse verwendet. Die elterliche Unterstützung wurde im Rahmen des Elterninterviews telefonisch erfragt. Um die elterliche Partizipation vor dem Übergang in die Sekundarstufe I zu untersuchen, werden die Angaben aus der vierten Klasse verwendet. Die Schüler sind zum ersten Erhebungszeitpunkt in der dritten Klasse durchschnittlich 9,2 Jahre alt. Zudem verfügen 24 % der teilnehmenden Eltern über einen Hauptschulabschluss, über 31 % über die mittlere Reife und rund 43 % über das Abitur (Mudiappa 2014, S. 66).

5.1.2 Darstellung der Instrumente zur Erfassung der relevanten Konstrukte

Die Operationalisierung der theoretischen Konstrukte erfolgte in Anlehnung an die Arbeit von Jonkmann et al. (2010; siehe Abb. 1).

Innerfamiliale Unterstützung

Die elterliche Unterstützung zu Beginn der vierten Klasse wurde über die Unterstützung der Eltern bei den Hausaufgaben ihrer Schüler und über die Nachfrage, ob die befragte Person oder deren Partner zusätzlich zu den Hausaufgaben mit dem Kind übt, erfasst. Dabei wurden die Ausprägungen „täglich“ und „mehrmals wöchentlich“ zusammengefasst (=1). Seltene bis keine Unterstützung durch die Eltern wurde mit 0 kodiert.

Merkmale der Eltern

Der familiäre Hintergrund wurde mithilfe des höchsten Schulabschlusses und der Familiensprache operationalisiert. Bei der Familiensprache werden die Angabe zum Migrationshintergrund und die Auskunft, welche Sprache mit dem Kind überwiegend gesprochen wird, miteinander kombiniert. Hierfür wird je eine 0‑1-kodierte Dummy-Variable für Eltern mit Migrationshintergrund, (1) die im Alltag ausschließlich/überwiegend Deutsch sprechen; (2) die Deutsch und eine andere Sprache/andere Sprachen etwa gleich häufig sprechen; (3) die im Alltag überwiegend eine andere Sprache/andere Sprachen sprechen, gebildet. Eltern ohne Migrationserfahrung bilden die Referenzkategorie.

Merkmale des Kindes

Kindliche Merkmale gehen in Form von Deutsch- und Mathematiknoten aus dem Endjahreszeugnis der dritten Jahrgangsstufe und Ergebnissen der Kompetenzmessungen am Ende der dritten Klasse ein. Das sprachliche Kompetenzmaß setzt sich zusammen aus den Ergebnissen eines Wortschatz-Ergänzungstests (CFT 20; Weiß 1998) und eines Subtests zum Textverständnis (ELFE 1–6; Lenhard und Schneider 2006). Die mathematische Kompetenz wird mit dem Subtest Arithmetik des DEMAT 3+ erfasst (Roick et al. 2004). Zudem fließt das schulische Selbstkonzept, schwierige Aufgaben in der Schule bewältigen zu können, mit fünf Dimensionen zu Fähigkeiten des schulischen Lernens (Wenn ich mich genug anstrenge, kann ich sehr gute Leistungen erreichen; Ich kann mir viel merken; Mir fallen in der Schule viele Aufgaben leicht; Für die vierte Klasse kann ich sehr gut lesen und schreiben; Für die vierte Klasse kann ich sehr gut rechnen; 1 = stimmt – 4 = stimmt nicht; α = 0,63) ein.

Mittel- und längerfristige Ziele, Einschätzung der Schulerfahrung, elterliche Kontrollüberzeugungen

Folgende Variablen gehen in die Analysen ein: die idealistische Aspiration als Abschlusswunsch Abitur, den sich Eltern für ihr Kind wünschen (Entspricht ein Abitur Ihrer Idealvorstellung voll und ganz, eher, teils-teils, eher nicht oder überhaupt nicht?); die elterliche Einschätzung der Schulerfahrungen, die die Anstrengungsbereitschaft aus Elternperspektive umfasst (Er/Sie strengt sich an, wenn Aufgaben schwierig sind; Ihm/Ihr fallen in der Schule viele Aufgaben leicht; Wenn er/sie sich genug anstrengt, kann er/sie in den meisten Fächern gute Leistungen erreichen, 1 = voll und ganz – 5 = überhaupt nicht; α = 0,58) und die elterliche Einschätzung der Hausaufgabenbewältigung durch das Kind (Er/sie erledigt seine/ihre Hausaufgaben weitgehend selbständig; Er/sie braucht viel Unterstützung bei den Hausaufgaben (rekodiert); 1 = voll und ganz – 5 = überhaupt nicht; α = 0,78). Zudem werden elterliche Kontrollüberzeugungen berücksichtigt, die die subjektiv eingeschätzte Fähigkeit der Eltern, bei schulischen Aufgaben unterstützen zu können, beinhalten (Wie gut fühlen Sie sich in der Lage, (1) die Hausaufgaben zu kontrollieren, (2) beim Lernen zu helfen und (3) Aufgaben zu erklären, die [Zielkindes] nicht versteht?; 1 = gar nicht in der Lage – 5 = sehr gut in der Lage; α = 0,86).

Werte und Erfolgserwartungen

Als Maß der individuellen Wichtigkeit wird das Statuserhaltsmotiv berücksichtigt. Die Eltern werden gefragt, wie stark es sie stören würde, wenn ihr Kind einen weniger angesehenen Beruf als sie selbst erreicht (1 = überhaupt nicht stören – 5 = sehr stören). Als intrinsischer Anreiz wird die Werthaltung zu hoher Schulbildung berücksichtigt. Die Eltern gaben an, inwieweit sie der Aussage zustimmen, dass hohe Schulbildung ein Wert an sich ist (1 = stimme voll und ganz zu – 5 = stimme überhaupt nicht zu). Als Nutzenanreiz wird die Einstellung der Eltern zum Nutzen von Bildung erhoben. Dazu werden die Aussagen darüber, dass hohe Schulbildung ein hohes Einkommen und einen angesehenen Beruf ermöglicht sowie vor Arbeitslosigkeit schützt, zu einem Index zusammengefasst (1 = überhaupt nicht – 5 = voll und ganz; α = 0,55).

Hinsichtlich der Kostenparameter werden einbezogen: finanzielle Belastung (für Schulmaterialien usw.; 1 = sehr gering 5 = sehr groß), Einkommen (Haushaltseinkommen, entsprechend der OECD-Skala nach Größe und Altersstruktur bedarfsgewichtetFootnote 3 und aufgrund der rechtsschiefen Verteilung logarithmiert und standardisiert), Erwerbstätigkeit (binär codierte Variablen zur Teilzeit- und Vollzeiterwerbstätigkeit der Mutter) und Anzahl der Geschwister (erhoben als diskrete metrische Variable). Bei den Geschwistern wird nach der Anzahl der älteren und der jüngeren Geschwister unterschieden, da ältere Geschwister beim Lernen stärker unterstützend sein könnten.

Zudem wird die realistische Bildungsaspiration der Eltern berücksichtigt. Die Eltern geben unter Berücksichtigung der schulischen Leistungen des Kindes an, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Kind das Abitur schafft (1 = sehr unwahrscheinlich – 5 = sehr wahrscheinlich).

Outcomes

Für die Erklärung des Zusammenhangs zwischen elterlicher Hausaufgabenunterstützung bzw. zusätzlichem Üben und dem Bildungserfolg werden vier Outcomevariablen betrachtet: die Noten der Schüler im zweiten Halbjahr der vierten KlasseFootnote 4, Ergebnisse aus Kompetenztestungen von sprachlichen und mathematischen Fähigkeiten im zweiten Halbjahr der vierten Klasse, die Lehrerempfehlung für das Gymnasium und der Übergang auf das Gymnasium.

Weitere Variablen

Als Kontrollvariablen werden das Geschlecht des Schülers und die Stichprobenregion verwendet. Die Stichprobenregion besteht aus jeweils zwei ländlichen Gebieten, einer Stadt und einer Großstadt in Bayern und HessenFootnote 5.

5.2 Analyseverfahren

Für die Beantwortung der Frage, welche Eltern ihre Kinder kurz vor dem Übergang in das Schulsystem unterstützen, werden logistische Regressionsanalysen geschätzt. Zusätzlich werden Average Marginal Effects (AME) berechnet, um die Ergebnisse vergleichen und interpretieren zu können. Es werden jeweils drei Modelle spezifiziert: In das erste Modell fließen die Informationen zum sozialen Hintergrund und die individuellen Merkmale des Kindes ein. Im zweiten Modell werden die elterliche Kontrollüberzeugung, die mittel- bzw. langfristigen Ziele und die Interpretation der Schulerfahrung als vermittelnde Variablen aufgenommen. Im dritten Modell werden zusätzlich die Wert- und Erwartungskomponenten berücksichtigt. Die Analysen werden getrennt für die elterliche Hausaufgabenunterstützung und das zusätzliche Üben präsentiert.

Die Untersuchung des Zusammenhangs zwischen den elterlichen Unterstützungsmaßnahmen und den Outcomevariablen erfolgt mithilfe des Propensity Score Matching Verfahrens (Wolf und Best 2010). Verzerrungen, die aus Spezifikationsfehlern im parametrischen Regressionsmodell resultieren, werden ausgeschaltet (Gangl 2010, S. 932). Das Verfahren zeichnet sich dadurch aus, dass es im Vergleich zu regressionsanalytischen Verfahren mit sparsameren statistischen Annahmen auskommt. Mit dem Propensity Score Matching-Verfahren wird jedem Schüler, der das Treatment „elterliche Unterstützung“ erhalten hat, ein Schüler gegenübergestellt, der diesem Treatment nicht ausgesetzt ist, ansonsten aber in allen beobachtbaren Merkmalen vergleichbar ist. Es wurden nur Fälle für die Analyse herangezogen, deren Propensity Scores im Überlappungsbereich von Kontroll- und Treatmentgruppe liegen (Gangl 2010).

Fehlende Werte wurden mithilfe des Stata-Tools „ice“ imputiert (Royston 2009). Dabei wurden 10 vollständige Datensätze für all jene Fälle erzeugt, für die Elterninterviews zum ersten und zum dritten Messzeitpunkt vorliegen (n = 1795). Die logistische Regression und das Propensity Score Matching werden auf Basis jedes imputierten Datensatzes einzeln durchgeführt und anschließend nach Rubins Regeln kombiniert (Rubin 1987). Bei der Imputation wurden Variablen berücksichtigt, bei denen Zusammenhänge mit Bildungsentscheidungen und Bildungserfolg angenommen werden können (vgl. Jonkmann et al. 2010).

6 Ergebnisse

6.1 Hausaufgabenunterstützung

In Modell 1 (Tab. 1) zeigt sich, dass die Bildung der Eltern nicht zu einer höheren Chance führt, häufige Hausaufgabenunterstützung zu erhalten. Und auch die Familiensprache weist nur für diejenigen, die Deutsch und eine andere Sprache zu gleichen Teilen im Alltag sprechen, einen negativen Zusammenhang auf. H1 kann damit nur für einen Teilaspekt der Familiensprache bestätigt werden. Ein anderes Befundmuster zeigt sich hinsichtlich der Noten. Schüler, die einen schlechteren Notendurchschnitt als 2 haben, werden öfter häufig unterstützt. Dies gilt auch für die Kompetenzmaße in Mathematik. Schlechtere Kompetenztestwerte gehen mit mehr Hausaufgabenhilfe einher. Schüler mit einem höheren schulischen Selbstkonzept erhalten signifikant seltener elterlichen Support bei den Hausaufgaben.

Tab. 1 Ergebnisse der log. Regressionsanalysen für den Vergleich von häufiger elterlicher Hausaufgabenunterstützung vs. keine häufige elterliche Hausaufgabenunterstützung Klasse 4

Werden in Modell 2 die elterliche Kontrollüberzeugung, die Ziele der Eltern und die elterliche Einschätzung der Schulerfahrungen des Kindes berücksichtigt, lassen sich die Gruppenunterschiede bezüglich der Familiensprache, eines schlechteren Notenschnittes als 3,5 und der sprachlichen Kompetenz erklären. Die Relevanz der Noten, der Mathematikkompetenz und des Selbstkonzeptes bleiben bestehen, damit findet H2 Bestätigung. Darüber hinaus zeigt sich ein Zusammenhang mit der Unterstützungsfähigkeit. Danach unterstützen diejenigen Eltern ihre Kinder häufiger bei den Hausaufgaben, die ihr Unterstützungspotential hoch einschätzen. Hohe Bildungswünsche haben hingegen keine Bedeutung. Damit wird H3 nur teilweise bestätigt.

Eltern unterstützen weniger, wenn sie dem Kind eine selbständige und eigenverantwortliche Hausaufgabenbearbeitung zuschreiben. Dieses Ergebnis bleibt auch nach Berücksichtigung der Wert- und Erwartungskomponenten in Modell 3 erhalten. Das schulische Selbstkonzept aus Elternsicht ist hingegen nicht von Bedeutung. Damit kann H4 nur zum Teil bestätigt werden. Relevant ist daneben das Statuserhaltsmotiv (Bestätigung von H5) sowie die Einstellung, dass hohe Schulbildung ein Wert an sich darstellt. Der Bildungsnutzen hingegen ist nicht von Bedeutung. H6 wird nur zum Teil bestätigt.

H7a wird dahingehend bestätigt, dass eine häufigere Hilfe bei den Hausaufgaben mit einer stärker wahrgenommenen finanziellen Belastung korrespondiert. Hinsichtlich der zeitlichen Ressourcen ist die Erwerbstätigkeit ohne Bedeutung mit Blick auf die Unterstützungshäufigkeit, während Geschwister die Unterstützungsaktivität hemmen (H7b). Die Erwartungskomponente steht in keinem Zusammenhang mit der Hausaufgabenunterstützung (H8 wird verworfen).

Es zeigte sich im Gesamtmodell (Tab. 1) kein Unterschied zwischen Schülern aus höher gebildeten und weniger gebildeten Elternhäusern in der Wahrscheinlichkeit, elterliche Hilfe zu bekommen.

In Abb. 2 werden die Modelle getrennt nach dem Bildungshintergrund der Eltern dargestellt. Präsentiert werden die Ausprägungen der einzelnen Parameter jeweils für Eltern mit Hauptschulabschluss (weißer Balken), für Eltern mit Realschulabschluss (hellgrauer Balken) und für Eltern mit Abitur (dunkelgrauer Balken). Die Ergebnisse weisen auf teilweise sehr unterschiedliche Beweggründe zwischen den Bildungsschichten hin, unterstützend tätig zu werden. Unterschiede zeigen sich zum einen darin, dass Noten bei niedriggebildeten Eltern – anders als bei Eltern mit mittlerem Abschluss – keine wichtige Rolle spielen. Hochgebildete Eltern greifen hingegen dann ein, wenn sie den Übergang auf das Gymnasium gefährdet sehen. Darüber hinaus sind es analog zum Hauptmodell mangelnde mathematische Kompetenzen, die Eltern mit niedrigem und hohem Abschluss dazu veranlassen, aktive Unterstützung anzubieten. Bei Betrachtung der Unterstützungsfähigkeit sind es Eltern, die höchstens über einen Hauptschulabschluss verfügen und Eltern mit Realschulabschluss, für die die eigene Fähigkeit zur Unterstützung ein ausschlaggebendes Kriterium ist Es kann vermutet werden, dass Eltern mit Abitur grundsätzlich keine Probleme bei der Hilfe und den Inhalten der vierten Klasse haben. Das Selbstkonzept ist für Eltern mit Realschulabschluss und Eltern mit Abitur bedeutsam. Allerdings aus unterschiedlichen Perspektiven: Je stärker das schulische Selbstkonzept aus Schülersicht, desto seltener helfen Eltern mit Realschulabschluss. Eltern mit Abitur hingegen nutzen ihre eigene Einschätzung zum Selbstkonzept ihrer Kinder.

Abb. 2
figure 2

Ergebnisse der logistischen Regressionsanalysen für den Vergleich der häufigen Hausaufgabenunterstützung vs. keine häufige Hausaufgabenunterstützung in Klasse 4 nach Bildungshintergrund der Eltern. Signifikanzniveaus: ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10; als Kontrollvariablen wurden zusätzlich das Geschlecht, die Stichprobenregion, die und die Familiensprache verwendet; N Eltern mit max. Hauptschulabschluss = 394; N Eltern mit Realschulabschluss = 600; N Eltern mit Abitur = 794. (Quelle: BiKS-8-14, Welle 1–3, eigene Berechnungen basierend auf 10 voll imputierten Datensätzen)

Sind bei Eltern mit Hauptschulabschluss weder die Wert- noch die Erwartungskomponenten – mit Ausnahme der jüngeren Geschwister von Bedeutung – so sind bei Eltern mit mittlerem Abschluss der intrinsische Wert (Bildung als Wert), der Bildungsnutzen und die finanzielle Belastung wichtige Komponenten der Entscheidung. Bei Eltern mit Abitur sind es hingegen die idealistische Aspiration und das Statuserhaltsmotiv, die mit der Unterstützungsentscheidung der Eltern zusammenhängen. Allen Bildungsschichten gemeinsam gehen eine selbständige Bearbeitung der Hausaufgaben und das Vorhandensein weiterer Geschwister mit weniger elterlicher Hausaufgabenhilfe einher.

6.2 Zusätzliches Üben zu den Hausaufgaben

Aus Modell 1 in Tab. 2 ist ersichtlich, dass der Bildungshintergrund der Eltern wichtig ist. Entgegen der H1 üben Eltern mit Abitur seltener zusätzlich mit ihren Kindern als Eltern Hauptschulabschluss. Sprachliche Barrieren haben keine Bedeutung. Damit wird H1 verworfen. Weiter zeigt sich, dass Kinder, deren Noten schlechter als 2 sind, besonders häufig Extraübungseinheiten erhalten. Über die Noten hinaus veranlassen Defizite in den sprachlichen Kompetenzen der Schüler die Eltern, zusätzlich zu üben. H2 wird in dem Teilaspekt bestätigt, während das schulische Selbstkonzept nicht signifikant ist. Die elterlichen Kontrollüberzeugungen sind auch hier bedeutsam. Je höher die Eltern ihre Unterstützungspotenzial einschätzen, desto häufiger üben sie auch zusätzlich mit ihren Kindern. Entspricht das Abitur nicht dem elterlichen Wunschabschluss, üben Eltern signifikant seltener (nur p < 0,10). Damit wird H3 bestätigt.

Tab. 2 Ergebnisse der logistischen Regressionsanalysen für den Vergleich von häufigem zusätzlichem Üben vs. kein zusätzliches Üben in Klasse 4

Die Einschätzung der Hausaufgabenbewältigung ist auch für das zusätzliche Üben von Bedeutung für die Unterstützungsentscheidung. Demnach wird seltener zusätzlich geübt, wenn die Schüler ihren Eltern den Eindruck vermitteln, ihre Hausaufgaben selbständig zu erledigen. Das Selbstkonzept aus Elternperspektive zeigt keinen Zusammenhang, damit wird H4 nur teilweise bestätigt. Das Statuserhaltsmotiv ist hingegen ein starker Motivator, wenn es um das Zusatzüben geht (Bestätigung von H5).

H6 wird verworfen, da weder utility value noch instrinsic value mit dem zusätzlichen Üben zusammenhängen. Die monetären Kosten sind hypothesenkonform (H7a) nicht ausschlaggebend, die Geschwister hingegen senken die Wahrscheinlichkeit des elterlichen Zusatzübens. Für die Erwerbstätigkeit zeigt sich kein Zusammenhang (H7b). H8 kann bestätigt werden, da Eltern weniger häufig zusätzlich zu den Hausaufgaben mit ihren Kindern üben, wenn sie das Erreichen des Abiturs für realistisch halten.

Wie schon bei der Hausaufgabenunterstützung nachgewiesen werden konnte, unterscheiden sich die Eltern nach Bildungshintergrund in den Merkmalen, die bedeutsam für die Entscheidung sind, zusätzlich zu Üben (vgl. Abb. 3). Für Eltern mit niedrigem Bildungsabschluss sind Noten keine entscheidenden Kriterien. Dafür geben Defizite in den Sprachkompetenzen und eine hohe subjektiv wahrgenommene elterliche Unterstützungsfähigkeit Anlass, zusätzlich zu üben. Zugleich ist ein hoher Bildungsnutzen förderlich für das Üben, während ältere Geschwister die Wahrscheinlichkeit reduzieren.

Abb. 3
figure 3

Ergebnisse der logistischen Regressionsanalysen für den Vergleich des häufigen zusätzlichen Übens vs. kein häufiges zusätzliches Üben in Klasse 4 nach Bildungshintergrund der Eltern. Signifikanzniveaus: ** p < 0,01, * p < 0,05, + p < 0,10; als Kontrollvariablen wurden zusätzlich das Geschlecht, die Stichprobenregion, die und die Familiensprache verwendet; N Eltern mit max. Hauptschulabschluss = 394; N Eltern mit Realschulabschluss = 600; N Eltern mit Abitur = 794. (Quelle: BiKS-8-14, Welle 1–3, eigene Berechnungen basierend auf 10 voll imputierten Datensätzen)

Eltern mit Realschulabschluss hingegen geben Zusatzübungseinheiten dann, wenn das Kind einen Notendurchschnitt von 3 in Deutsch und Mathematik aufweist und je schlechter die sprachlichen Kompetenzen ausgebildet sind. Sie sehen aber keinen Anlass für Zusatzhilfe, wenn ihre Kinder gewissenhaft und sorgfältig mit ihren Hausaufgaben umgehen. Auch hier hemmen Geschwister die Extraübungseinheiten. Diese Ergebnisse gelten auch für Eltern, die über ein Abitur verfügen. Darüber hinaus zeigt sich für hochgebildete Eltern auch ein Zusammenhang mit der idealistischen Aspiration. Eltern, die sich nicht das Abitur wünschen, üben auch seltener zusätzlich mit ihren Kindern. Wie bei der Hausaufgabenunterstützung kommt hier das Statuserhaltsmotiv zum Tragen, das in einem positiven Zusammenhang mit den Übungseinheiten steht. Zudem üben Eltern häufiger zusätzlich, wenn sie die finanzielle Belastung durch den Schulbesuch ihrer Kinder höhereinschätzen. Bei hochgebildeten Eltern stehen sowohl jüngere als auch ältere Geschwister in einem negativen Zusammenhang mit dem zusätzlichen Üben.

6.3 Zusammenhänge zwischen häuslichem Lernen und Bildungserfolg

Tab. 3 zeigt die Unterschiede in den Noten am Ende der vierten Klasse von Schülern mit (Treated) und ohne (Controls) elterlicher Unterstützung bei gleichen Hintergrundfaktoren vor dem Matching und nach dem Matching. Nach dem Matching zeigt sich kein Unterschied zwischen den Schülern, die häufig bei den Hausaufgaben unterstützt werden und denen, die keine Unterstützung erhalten. Das zusätzliche Üben zu den Hausaufgaben weist nur tendenziell einen Unterschied zwischen der Treatmentgruppe und der Kontrollgruppe auf. Schüler, die zusätzliche Übungseinheiten durch ihre Eltern erfahren, weisen einen schlechteren Durchschnitt in Deutsch und Mathematik auf im Vergleich zu denen, die diese Form der Unterstützung nicht erhalten (nur p < 0,10).

Tab. 3 Durchschnittlicher Effekt von häuslichem Lernen mit den Eltern auf den Notendurchschnitt in Deutsch und Mathematik (Ende Klasse 4)

Hinsichtlich der Lehrerempfehlung existiert kein signifikanter Unterschied zwischen denjenigen, die häufige Hausaufgabenunterstützung bekommen und denjenigen, die sie nicht bekommen, aber dieselben Hintergrundmerkmale aufweisen. Für das zusätzliche Üben zeigt sich analog zu den Noten ein statistisch signifikanter, allerdings geringer Nachteil von 0,06 Differenzpunkten, wenn es um den Erhalt der Gymnasialempfehlung geht. Mit Blick auf den Übergang auf das Gymnasium sind weder die Hausaufgabenunterstützung noch das zusätzliche Üben durch die Eltern von signifikanter Bedeutung. Während keine Unterschiede für die Hausaufgabenhilfe bzw. keine Hausaufgabenunterstützung weder für Noten, noch für die Empfehlung aufgezeigt werden konnten, zeichnen sich sehr geringe Nachteile für diejenigen ab, die zusätzliche Übungseinheiten durch die Eltern erfahren.

7 Diskussion

Ziel des Beitrags war es, Unterstützungsprozesse in der Familie, die vor dem Übergang stattfinden, genauer zu betrachten und die Frage nach deren Bedeutung für den weiteren Bildungsverlauf der Schüler zu beantworten. Die theoretische Grundlage geht auf Arbeiten von Eccles und Harold (1996) und Jonkmann et al. (2010) zurück.

Häufiges häusliches Lernen steht eng mit den Leistungen der Schüler im Zusammenhang und wird dann eingesetzt, wenn die Schüler schlechte Noten aufweisen. Zudem zeigen sich auch die Kompetenzen über die Noten hinaus als bedeutsam. Während Hausaufgabenunterstützung von den Eltern eingesetzt wird, wenn sie Schwächen in den Mathematikfähigkeiten feststellen, wird eher häufiger zusätzlich geübt, wenn die Schüler in den sprachlichen Kompetenzen Defizite aufweisen. Die subjektiven Interventionsmöglichkeiten der Eltern sind ebenfalls ein entscheidendes Kriterium, wenn es um die lernbezogene Unterstützung im häuslichen Kontext geht. Gehen die Schüler freiwillig und selbständig mit den Hausaufgaben um, reduziert dies die lernbezogene Hilfe, da Eltern vermutlich weniger Unterstützungsbedarf sehen. Bei der Betrachtung der Hauptmodelle kommen die theoretisch relevanten Wertkomponenten stärker bei der Hausaufgabenunterstützung zum Tragen als beim zusätzlichen Üben, während die Erwartungskomponente bedeutsamer für das zusätzliche Üben ist. Die Merkmale des familialen Hintergrundes sind für beide Unterstützungsarten irrelevant. Mit Ausnahme der zurückhaltenden Haltung hochgebildeter Eltern beim zusätzlichen Üben finden sich keine bildungsspezifischen Unterschiede in der Wahrscheinlichkeit der Eltern, lernunterstützend tätig zu sein. Diese Befunde stehen im Einklang mit Ergebnissen von Schwanenberg (2015), die die Motivation der höheren lernbezogenen Beteiligung von Eltern mit niedriger Bildung durch Kompensation primärer Effekte erklärt. Demnach versuchen diese Eltern Leistungsunterschiede durch häusliche Unterstützung auszugleichen (Schwanenberg 2015, S. 277). Möglicherweise sind Eltern mit hoher Bildung vertrauter mit dem Bildungssystem und vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen gleichzeitig überzeugt, dass sich ihre Kinder auch ohne elterliche Unterstützung positiv entwickeln.

In einem zweiten Schritt wurden die Analysen nach dem Bildungshintergrund der Eltern getrennt. Die Befunde weisen darauf hin, dass sich zwar kaum die Wahrscheinlichkeit der Unterstützungshäufigkeit unterscheidet, jedoch zeigen sich Unterschiede in den Motiven der Unterstützung. Demnach sind für Eltern mit geringer Bildung die Noten kein Grund zur Unterstützung, während höhergebildete Eltern dies zum Anlass ihrer lernbezogenen Hilfe nehmen. Die Unterstützungsfähigkeit der Eltern zeigte sich insbesondere für weniger gebildete Eltern als wichtiger Prädiktor. Für hochgebildete Eltern hingegen ist dies kein ausschlaggebendes Kriterium, weil sich diese Eltern vermutlich durchaus in der Lage fühlen ihr Kind zu unterstützen. Die Befunde sensibilisieren damit analog zu anderen Studien (siehe Dumont et al. 2012 für eine Übersicht) für die Relevanz des elterlichen Bildungshintergrundes. Zudem wurde das Selbstkonzept aus Schüler- und Elternperspektive berücksichtigt, welches beim zusätzlichen Üben keine Rolle spielt. Bei der Hausaufgabenunterstützung allerdings ist die elterliche Einschätzung für hochgebildete Eltern wichtig, während die Schülerperspektive für Eltern mit Realschulabschluss bedeutsam war. D. h., je höher die Schüler bzw. Eltern das Selbstkonzept des Kindes einschätzen, desto weniger Anlass sehen die Eltern für lernbezogene Unterstützung. Auch hier schließen die Befunde grundsätzlich an bisherige Studien an (z. B. die Meta-Analyse von Hill und Tyson 2009).

Der Bildungswunsch des Abiturs war als treibende Kraft für das Unterstützungsverhalten nur bei Eltern, die selbst über ein Abitur verfügen, nachweisbar. Die Einschätzung der Hausaufgabenerledigung hingegen zeigte sich als Prädiktor für alle Bildungsschichten dahingehend, dass sich Eltern mit ihren Interventionen zurückhielten, wenn die Kinder souverän mit ihren Hausaufgaben umgingen. Die Wertkomponenten erwiesen sich in grundsätzlicher Übereinstimmung mit anderen Studien (Jonkmann et al. 2010; Schwanenberg 2015) als teilweise bedeutsam. Das Statuserhaltsmotiv erweist sich im Zusammenhang mit beiden Unterstützungsformen als wichtiger Prädiktor. Um Statusverlust zu verhindern, setzen Eltern leistungsbezogene Unterstützung, die durch häusliches Lernen vollzogen wird, ein. Werden die Analysen nach Bildungshintergrund differenziert, zeigt sich dieses Ergebnismuster ausschließlich für Eltern mit Abitur, deren Position im Statusgefüge höher ist und die demnach auch mehr zu verlieren haben. Der intrinsische Wert war überwiegend unbedeutend für die lernbezogene Unterstützung. Es zeigt sich zudem, dass wahrgenommene Bildungserträge, also die Notwendigkeit von hoher Bildung für den beruflichen Erfolg, nur partiell eine treibende Kraft zur Optimierung von schulischen Laufbahnen sind, nämlich bei niedriggebildeten Eltern in Bezug auf das zusätzliche Üben und bei Eltern mit mittlerem Abschluss bezogen auf die Hausaufgabenunterstützung. Mit Blick auf die monetären Kosten wird ersichtlich, dass, je höher Eltern die finanzielle Belastung durch den Schulbesuch des Kindes empfinden, desto häufiger helfen sie bei den Hausaufgaben. Wird dieses Ergebnis nach Bildungshintergrund getrennt betrachtet, zeigt sich dies nur bei Eltern mit Realschulabschluss. Beim zusätzlichen Üben sind es Eltern mit Abitur, die verstärkt helfen, wenn die finanzielle Belastung durch den Schulbesuch als hoch empfunden wird. Damit sind Eltern, für die Bildungsausgaben finanziell gewichtig sind, motivierter für Unterstützung im häuslichen Kontext. Das monatliche Haushaltseinkommen hingegen ist für die Unterstützungsformen nicht wichtig. Die zeitlichen Restriktionen durch das Vorhandensein von Geschwistern senken die Wahrscheinlichkeit für die Unterstützung der Eltern. Darauf verweisen die Ergebnisse für mittel- und hochgebildete Eltern für das zusätzliche Üben und für alle Bildungsschichten bei der Hausaufgabenunterstützung. Ein weiteres zentrales Merkmal stellt die Erwartungskomponente dar. Während Hausaufgabenunterstützung unabhängig von der Erfolgserwartung bei allen Bildungsschichten realisiert wird, findet sich empirische Evidenz für das zusätzliche Üben bei Eltern mit geringem und hohem Schulabschluss. Mit der Überzeugung, dass Kinder im Bildungssystem erfolgreich sein werden, schreiben Eltern ihren Kindern Eigenschaften zu, mit denen sie mit den schulischen Herausforderungen umgehen können ohne dabei auf Hilfestellungen zurückgreifen zu müssen.

Neben der Nutzung von häuslicher Unterstützung wurden auch Zusammenhänge mit dem Bildungserfolg untersucht. Die postulierten positiven Zusammenhänge (H9) zeigten sich jedoch nicht in den Analysen. Die nicht hypothesenkonformen Ergebnisse können in wenigstens zweierlei Hinsicht problematisiert werden: Zum einen reiht sich das Ergebnismuster in einen durch eine gewisse Heterogenität gekennzeichneten Forschungsstand zur prädiktiven Bedeutung quantitativer Aspekte von Hausaufgabenbetreuung und zusätzlichem Lernen auf kindliche Bildungserfolgsmaße ein, so dass eine Konsequenz darin liegen könnte, die formulierten Annahmen kritisch zu überdenken und zu revidieren. Zum anderen wurde das Ausmaß an häuslicher Unterstützung in der vorliegenden Untersuchung relativ grob mit nur wenigen Merkmalen erfasst, so dass eine Konsequenz sein könnte, die Quantität elterlicher Unterstützung differenzierter abzubilden und die postulierten positiven Zusammenhänge weiteren Prüfungen zu unterziehen. Darüber hinaus sollte die Qualität elterlicher Unterstützung miteinbezogen werden (vgl. auch „Limitation und Implikationen“).

Ungeachtet dieser Einschränkungen können die (erwartungswidrigen) Befunde dennoch inhaltlich eingeordnet werden. Für die Hausaufgabenunterstützung wurden keine signifikanten Zusammenhänge mit den Outcomes nachgewiesen. Dieser Befund deckt sich mit den Ergebnissen von Trautwein und Lüdke (2007), Hollenbach und Meier (2004) und Balli et al. (1997). In den logistischen Regressionen zeigte sich, dass schlechte Noten zusätzliches Üben begünstigen. Das Propensity Score Matching zeigte darüber hinaus, dass zusätzliches Üben negativ mit den Noten und der Lehrerempfehlung assoziiert ist. Dies steht mit der Forschung von Helmke et al. (2004) für Fünftklässler im Einklang, die auch einen negativen Zusammenhang zwischen dieser Form der Unterstützung und der Testleistung bzw. Mathematiknote nachweisen konnten. Zusätzliches Üben scheint – so könnte man diese Befunde deuten – ein negatives Signal für die Lehrer zu sein, das zu einer schlechteren innerschulischen Platzierung führt. Einerseits könnten Lehrer die über die Hausaufgaben stattfindende fachliche Unterstützung als Eingriff und Kritik ihres Kompetenzbereiches empfinden. Andererseits wird den Lehrern dadurch vermittelt, dass Hausaufgaben allein nicht zum Lernen und Festigen des Unterrichtsstoffes ausreichen, sondern ein zusätzlicher Aufwand in der Freizeit notwendig ist.

8 Limitationen, Implikationen und Fazit

Die Befunde unterliegen mehreren Limitationen, die bei der Ergebnisinterpretation berücksichtigt werden müssen. Die Noten am Ende der vierten Klasse wurden retrospektiv in der achten Klasse erhoben, was mit einer hohen Quote an fehlenden Werten verbunden war. Offen bleibt zudem, ob es sich bei der Unterstützung um eine kurzfristige oder langfristige Bezugsdauer handelt. Des Weiteren handelt es sich um Befragungsdaten, deren Validität durch verzerrtes Antwortverhalten im Sinne der sozialen Erwünschtheit (d. h. unterstützendes und kompetentes Verhalten anzugeben) beeinträchtigt sein kann. Neben einer differenzierten Abbildung der in der vorliegenden Studie nur relativ grob erfassten Quantität der Unterstützung wäre es in zukünftigen Forschungsarbeiten sinnvoll, auch die Qualität der Unterstützung in miteinzubeziehen, da davon ausgegangen werden kann, dass der Erfolg der elterlichen Unterstützung wesentlich damit zusammenhängt. Leider war es mit dem verwendeten Datenmaterial nicht möglich, die Qualität der elterlichen Unterstützung zu untersuchen. Zudem sollten die Motive und Einstellungen um Konstrukte wie subjektive Zuständigkeits- und Rollenkonzepte erweitert werden und weitere Merkmale des Elternhauses als Ort der informellen Bildung wie den Anregungsgehalt und die sozio-kulturelle Praxis in die Modellierung einbezogen werden. Eine weitere Einschränkung bezieht sich schließlich auf die Interpretation des zugrunde gelegten Wert-Erwartungs-Modells und der damit verbundenen Frage, ob nicht vielmehr reziproke Beziehungen zwischen elterlicher Unterstützung und kindlichem Bildungserfolg zu prüfen wären. Die Ergebnisse reihen sich in die heterogene Forschungslage ein und können damit durchaus nahelegen, in zukünftigen Analysen wechselseitige Zusammenhänge zu modellieren.

Aus den Befunden lassen sich unterschiedliche Implikationen ableiten. Hausaufgaben sind die Schnittstelle zwischen Elternhaus und Schule. Lehrer nutzen Hausaufgaben, um den Unterrichtsstoff zu festigen, die Selbständigkeit der Schüler zu fördern und das Elternhaus in den schulischen Prozess einzubinden. Eltern sehen ihrerseits in den Hausaufgaben die Möglichkeit, Einblicke in das aktuelle Unterrichtsgeschehen und die Fähigkeiten ihrer Kinder zu erhalten und darüber hinaus die schulischen Leistungen ihrer Kinder zu fördern (Wild und Gerber 2007). Die Befunde zur elterlichen Hausaufgabenhilfe belegen jedoch im Einklang mit anderen Studien keine positiven Zusammenhänge zwischen dieser Unterstützungsform und dem kindlichen Bildungserfolg; vielmehr zeigen sich sogar negative Zusammenhänge des zusätzlichen Übens zu den Hausaufgaben auf den Bildungserfolg. Da Studien zur Hausaufgabenhilfe auch zeigen, dass besonders die Qualität entscheidend sein kann, sollte diese näher in den Blick genommen werden. Gut belegt ist, dass lernprozessbezogene Formen der häuslichen Anregung wie autonomieförderndes und strukturgebendes Verhalten von Bedeutung sind, während kontrollierendes oder einmischendes elterliches Verhalten dysfunktional sein können (Wild 2001; Wild und Remy 2002; Niggli et al. 2007; Dumont 2012; Dumont et al. 2014; Moroni et al. 2015). Elterntrainings können helfen, um häusliches Lernen zu optimieren und dessen Potential besser auszuschöpfen. Eltern werden dabei über lernförderliche und lernbeeinträchtigende Verhaltensweisen aufgeklärt (Villiger et al. 2010; Wild und Gerber 2009). Ein weiterer Lösungsansatz wäre die Verbesserung der Kommunikation zwischen Elternhaus und Schule. Das betrifft den regelmäßigen Austausch zwischen Eltern und Lehrer zum Unterrichtsstoff, um die Eltern auf dem aktuellen Stand des Unterrichtsinhaltes zu bringen. Damit müssen sich Eltern diese Informationen nicht mehr über den Hausaufgabenprozess holen und fühlen sich durch einen stetigen Informationsfluss sicherer. Damit Lehrer die elterliche Unterstützung nicht als Eingriff in ihren Kompetenzbereich verstehen, wäre eine Anleitung der Lehrer bezüglich der Fragen sinnvoll, wann Hilfestellung durch die Eltern erwünscht ist, in welcher Form sie stattfinden soll und was Lehrer generell von den Eltern erwarten (Dumont 2012).

Ein abschließendes Gesamtfazit bezüglich des Ertrags der vorliegenden Studie kommt aus Sicht der Autoren zu „Licht und Schatten“. Basierend auf einer relativen großen Stichprobe wurden auf der Grundlage des zugrunde gelegten Wert-Erwartungs-Modells Hypothesen formuliert, die mit Blick auf die elterliche Hausaufgabenunterstützung bestätigt (H2, H5, H7a), teilweise bestätigt (H1, H3, H4, H6, H7b) oder verworfen (H8, H9) wurden. Für das zusätzliche Üben zu den Hausaufgaben ergibt sich ein teilweise abweichendes Ergebnismuster (bestätigt: H3, H5, H8; teilweise bestätigt: H2, H4, H7b; verworfen: H1, H6, H7a, H9). Die Ergebnisse verhalten damit insgesamt nur bedingt konform zu den formulierten Annahmen. Gleichwohl sollte das inkonsistente und in Teilen erwartungswidrige Ergebnismuster nicht zu einem vorzeitigen Verwerfen des zugrunde gelegten Theoriemodells führen: Die bereits genannten Limitationen schränken die Belastbarkeit der Befunde und damit korrespondierender Interpretationen nämlich deutlich ein, so dass zunächst differenziertere Analysen bzw. Studien zur weiteren Prüfung eines (ggf. modifizierten) Wert-Erwartungs-Modells angezeigt wären. Einen zusätzlichen Erkenntnisgewinn liefern die nachgeschalteten explorativen Analysen, die dafür sensibilisieren, dass Eltern je nach Bildungshintergrund – maximal Hauptschulabschluss, Realschulabschluss, Abitur – unterschiedliche Beweggründe haben, um ihre Kinder bei den Hausaufgaben oder beim zusätzlichen Üben zu unterstützen. Die Befunde (die wiederum vor dem Hintergrund der Studienlimitationen zu lesen sind) implizieren, die Bildungsabhängigkeit elterlicher Beweggründe für das Ausmaß an Lernunterstützung im häuslichen Kontext in weiterführenden Studien zu berücksichtigen, weil sie zur Erklärung von Zusammenhängen zwischen elterlicher Unterstützung und dem kindlichen Schulerfolg beitragen kann.