1 Einleitung

Seit Inkrafttreten der Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention, UN-BRK) 2009 in der Bundesrepublik Deutschland befindet sich das deutsche Schulsystem in einem komplexen und langandauernden Umsteuerungsprozess zu einem inklusiven Schulsystem (vgl. Döbert und Weishaupt 2013). Heinrich et al. (2013, S. 74) konstatieren in diesem Zusammenhang, „dass die sonderpädagogische Expertise für die Umsetzung der inklusiven Schule unverzichtbar ist“ und diese entweder über Sonderpädagog/innenFootnote 1 als Experten in die Schulen zu implementieren sei oder aber sonderpädagogische Inhalte Bestandteil der allgemeinen Lehrerprofessionalisierung werden müssten. Was aber nun ist das Besondere an sonderpädagogischen Lehrkräften und deren Professionalität?

Die vorliegende Untersuchung liefert zu dieser Frage insofern einen Beitrag, als dass sie Beliefs im Bereich schulischer Förderung bei Studierenden unterschiedlicher Lehrerprofessionen untersucht. Diese Beliefs beziehen sich auf die Förderung, Unterstützung, Therapie und Integration marginalisierter und/oder behinderter Schülerinnen und Schüler im Unterricht und rekurrieren damit zunächst auf das historisch gewachsene Kerngeschäft sonderpädagogischer Fachkräfte, das im Zuge der Inklusion aber auch in den Aufgabenbereich anderer Lehrkräfte eintritt. Es soll geklärt werden, ob sich Studierende unterschiedlicher Lehrerprofessionen in diesem Bereich unterscheiden.

Das Instrument zur Erfassung von Beliefs im Bereich schulischer Förderung befindet sich in diesem Zusammenhang in seiner Evaluationsphase, was im Ergebnisbericht Berücksichtigung findet.

2 Beliefs im Bereich schulischer Förderung: Definitionen und Forschungsbefunde

Wir danken Katja Zehbe für ihre Mitarbeit in diesem Kapitel.

Lehrerseitige Beliefs umfassen Einstellungen, von denen angenommen wird, dass sie als subjektive Werthaltungen handlungsleitend wirksam sind. „The term is used to designate individual, subjectively true, value-laden mental constructs that are the relatively stable results of substantial social experiences and that have significant impact on one’s interpretations of and contributions to classroom practice“ (Skott 2015, S. 18). Beliefs sind im Gegensatz zu Überzeugungen, die einen rationalen Zugang signalisieren, eher als ‚educational philosophy‘ (Yilmaz et al. 2011; Levin 2015) zu verstehen: Beliefssysteme bestehen aus „an electic mix of rules of thumb, generalisations, opinions, values, and expectations grouped in a more or less structured way“ (Hermans et al. 2008, S. 1500). Sie sind damit auch von epistemologischen Überzeugungen abzugrenzen, die u. a. auch in den Studien COACTIV (Professionswissen von Lehrkräften, kognitiv aktivierender Mathematikunterricht und die Entwicklung mathematischer Kompetenz) und TEDS-M (Teacher Education and Development Study in Mathematics) untersucht wurden und sich vorwiegend auf den Erwerb von Wissen beziehen: „Epistemological beliefs are those beliefs about the nature of knowledge, knowing and how people acquire knowledge“ (Jordan et al. 2009, S. 535; vgl. Yilmaz und Sahin 2011).

Aufgrund ihrer Komplexität werden Beliefs mit unterschiedlichen theoretischen Referenzsystemen aufgeklärt – dazu zählen Persönlichkeitstheorien, Verhaltenstheorien, subjektive Theorien, Untersuchungen zu Werthaltungen, Einstellungen, Motivationen, persönlichen Orientierungen, etc. (vgl. Blömeke et al. 2008a; Sang et al. 2009; Hofmann und Gottstein 2011; Trautwein 2013). Daher sind die Bereiche, für die lehrerseitige Beliefs untersucht werden, folgendermaßen ausdifferenziert: In einem Review von 745 empirischen Studien zeigen Fives und Buehl (2012) auf, dass sich die bisherigen einschlägigen Forschungen auf das Selbstkonzept, den Kontext des Lehr-Lernprozesses, den Wissenserwerb, die Unterrichtspraktiken, didaktische Konzepte oder die Schüler/innen beziehen. Als Funktionen von Beliefs werden das Filtern von Informationen und Erlebnissen, Dimensionen der Handlungsleitung und das Verstehen von Situationen und Problemen angenommen (ebd.). Insofern finden sich lehrerbezogene Beliefs-Studien zu Themenfeldern der „(Aus-) Bildung, zum Lehren, Lernen und zu Lernenden (…), zu Erwartungen, die Leistungen der Schülerinnen und Schüler beeinflussen zu können (Lehrerwirksamkeit), zum Wesen des Wissens (epistemologische Überzeugungen) oder zu den Ursachen von Lehrer- und Schülerleistung (Attributionen)“ (Schlichter 2012, S. 10).

Darüber hinaus weisen Beliefs eine quasi-logische Struktur auf und sind in Clusterform – thematisch wie strukturell – komponiert, d. h., sie bestehen aus mehreren (thematischen) Bereichen, die miteinander korrelieren (vgl. Furinghetti und Pehkonen 2002, S. 44 f.; Hermans et al. 2008, S. 1500). Dass eine starre Abgrenzung von kognitiven, motivationalen und volitionalen Faktoren möglich ist, wird in allen einschlägigen Darstellungen durchgehend bezweifelt. Die vorgetragenen Probleme veranlassten allerdings Pajares (1992) dazu, Beliefs als ein ‚messy construct‘ zu bezeichnen.

Forschungspraktisch verstehen wir Beliefs als „ein gegenstandsbezogenes, wertebasiertes, individuelles, in Clustern verankertes Überzeugungssystem, das teils bewusst, teils unbewusst das eigene Handeln steuert. Beliefs können sowohl affektive wie kognitive Komponenten beinhalten, die über Erfahrungen, Erkenntnisse, Instruktionen und/oder Informationen erworben wurden und die über einen längeren Zeitraum konsistent und stabil, aber nicht über die Lebensspanne unveränderlich sind“ (Kuhl et al. 2013, S. 6; vgl. auch Fives und Buehl 2012, S. 473).

Zu den Forschungsergebnissen ist zu berichten, dass insbesondere im Bereich des Mathematikunterrichts Untersuchungen zu konstruktivistischen Überzeugungen zum Lehr-Lernprozess gezeigt haben, dass individuelle Überzeugungssysteme das Lehrerhandeln beeinflussen und Effekte auf Lernerfolge der Schüler/innen zeigen (u. a. Blömeke 2007; Kunter et al. 2007, 2011; Blömeke et al. 2008a; Dubberke et al. 2008; Fives und Buehl 2012; zusammenfassend Skott 2015). Offenbar korreliert eine höhere Ausprägung des Professionswissens mit konstruktivistischen Lernüberzeugungen (Baumert und Kunter 2006; Brunner et al. 2006). Allerdings ist die Frage, ob diese Überzeugungen domänenspezifisch (unterrichtsfachbezogen) oder domänenübergreifend sind, noch ungeklärt (vgl. Sulimma 2012, S. 34 ff.). Demgegenüber finden sich eher schwache Zusammenhänge zwischen allgemeinen Persönlichkeitsmerkmalen (wie z. B. Umgang mit Stress) und Schülerleistungen sowie der Qualität von Unterricht (Kunter et al. 2011, S. 291; vgl. Foerster 2008, S. 30). Insgesamt ist die Forschungslage aber auch widersprüchlich: So „ließen sich keine Effekte zwischen den Überzeugungen einer Lehrkraft und den Lernergebnissen der Schüler in Bezug auf inhaltliches Wissen, begriffliches Verständnis und Interesse an Physik feststellen (Seidel et al. 2008). Diese Ergebnisse stehen im Widerspruch zu den Erkenntnissen von Staub und Stern (2002) und auch der COACTIV-Studie (Dubberke et al. 2008), die Zusammenhänge zwischen Überzeugungen von Lehrkräften, deren Unterrichtshandeln und Schülerleistungen feststellen konnten“ (Korneck et al. 2013, S. 3). Auch allgemein steht in Frage, inwiefern direkte Zusammenhänge von Überzeugungen und konkretem Handeln bestehen und welche weiteren Faktoren auf das tatsächliche Handeln Einfluss haben (vgl. Trautmann 2008, S. 48 f.; Skott 2015).

Im Bereich der sonder- und inklusionspädagogischen Forschung liegen Studien vor, die lehrerseitige Überzeugungen zur Inklusion (Cook et al. 1999; Avramidis et al. 2000; Jordan und Stanovich 2004; Silverman 2007; Chambers und Forlin 2010; Kiel et. al. 2012), zu Behinderung (psychopathologische vs. interventionistische) (Tait und Purdie 2000; Jordan et al. 2009) und zur Selbstwirksamkeit bezüglich des Unterrichtens heterogener Lerngruppen (Buell et al. 1999; Grosche und Grünke 2008; Forlin und Chambers 2011; Werner und Drinhaus 2012) untersuchen. Hier wurde u. a. herausgearbeitet, dass das Fehlen basaler Kompetenzen zur praktischen Umsetzung von Inklusion und ein generelles Wissen über Behinderung Auswirkungen auf Selbstwirksamkeitsüberzeugungen bezüglich des eigenen Unterrichtens haben. Dabei korrelieren förderbezogene Einstellungen stärker mit allgemein didaktischen Überzeugungen als mit Einstellungen pro oder contra Inklusion (zusammenfassend Kiely et al. 2015).

Um nun Beliefs im Bereich schulischer Förderung zu untersuchen, empfiehlt es sich, die für das gewählte Konstrukt wichtigen Diskurslinien aufzuzeigen und „insbesondere den Gegenstandsbezug klar zu explizieren“ (Trautwein 2013, S. 12). Daher wird in dieser Studie auf die einschlägige sonderpädagogische Fachliteratur und die sonderpädagogische Profession betreffende Forschung zurückgegriffen, in der schulische Förderung als das Kerngeschäft sonderpädagogischer Lehrkräfte erscheint. Dies bedeutet aber nicht, dass hierauf bezogene Beliefs nur bei Förderschullehrkräften vorhanden sind. Vielmehr ist anzunehmen, dass sich alle Lehrkräfte mit schulischer Förderung von leistungsschwachen und/oder anders auffälligen Schüler/innen auseinandersetzen und entsprechende Beliefs ausbilden. Dementsprechend extrahieren Weiß et al. (2013, S. 178) aus Gruppendiskussionen mit Expertinnen aller Lehrämter in Deutschland, dass eine „Orientierung am Kind, soziales Feingefühl, Einfühlungsvermögen und die generelle Freude am Umgang mit Menschen“ als domänenübergreifende Überzeugung aufgefasst und von Professionellen aller Lehrämter geteilt werden; im Unterschied zu allen anderen Lehrerprofessionen ist aber ausschließlich für Förderschullehrkräfte „die Bedeutung der Haltung gegenüber den Schülerinnen und Schülern“ relevant (ebd., S. 180). Auch Moser (2003) förderte in einer Untersuchung einschlägiger sonderpädagogischer Kompendien eine generelle professionelle ethische Orientierung zutage, die sich in einer ‚Dialogizität‘ als besonderem Merkmal sonderpädagogischen Handelns niederschlägt. Dem zugrunde liegt die Annahme einer ‚verstörten Subjektivität‘ bzw. im Anschluss an Goffman (1963) auch einer ‚beschädigten Identität‘, die einen besonderen pädagogischen Zugang erforderlich mache – dieses Paradigma sonderpädagogischer Professionalität vereint ganz unterschiedliche Theorieströme, von geisteswissenschaftlichen Traditionen (vgl. Moor 1965; Kobi 1993; Haeberlin 1996, 1998) über humanistisch-psychologischen (vgl. Reiser 1998) bis hin zu materialistischen Ansätzen (vgl. Jantzen 1987/1992; Feuser 1994). In diesem Zusammenhang wird auch ein „anderer Blickwinkel auf die Kinder“ beschrieben mit einer stärkeren Aufmerksamkeit „auf das einzelne Kind, seine spezielle Situation und Entwicklung“ (Hinz et al. 1998, S. 52 ff.), der sich an einer individuellen Bezugsnorm orientiert, kontrastierend zu Grundschulkolleg/innen, die durch eine „Zentrierung auf die Gruppe, den Überblick, den Lehrplan und die Vermittlung der Kulturtechniken“ (ebd.), primär an einer sozialen Bezugsnorm orientiert, charakterisiert werden (vgl. auch Gehrmann 2001). Innerhalb der Studienwahlforschung wurde bei Sonderpädagogikstudierenden dementsprechend die höchste „adressatenbezogene Motivation“ gegenüber allen anderen Lehramtsstudierenden nachgewiesen sowie ein vergleichsweise geringes fachspezifisches Interesse (Kiel et al. 2012, S. 194).

Eine andere Facette dieser Klientelorientierung beinhaltet, dass eine medizinische oder funktionale Störung des Individuums als Ausgangslage von Behinderung und Marginalisierung gesehen wird. Dieses individualtheoretische Paradigma (Bleidick 1999) ist für die Sonderpädagogik (trotz anhaltender Kritik) prägend und favorisiert Interventionen und Förderungen als handlungsleitende Perspektive. Differenzierter haben Jordan et al. (2009) herausgearbeitet, dass Behinderung in lehrerseitigen Beliefs entweder pathologisierend oder interventionistisch repräsentiert ist.

Im gegenwärtigen Prozess der Reformierung der Lehrerbildung wird zudem mit Bezug auf Inklusion reklamiert, dass Lehrkräfte nicht nur im Sinne von Fach- und Reflexionswissen zu professionalisieren, sondern auch Wertüberzeugungen in die Ausbildung zu integrieren sind als „berufsorientierte Wissenschaftlichkeit“ (Lindmeier 2014).

Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Diskussion entwickelten Moser et al. (2010) induktiv aus der sonderpädagogischen Fachliteratur mit Hilfe einer Frequenzanalyse aus ca. 2.000 Items ein heuristisches Beliefs-Modell, welches sieben Dimensionen enthält, die allerdings nicht trennscharf zwischen normativen und deskriptiven, eher kognitiven oder affektiven bzw. auch core oder dispositional beliefs unterscheiden. Dabei handelt es sich um eine schulklima-inklusionsorientierte Dimension (Beachtung der sozialen Integration der Schüler/innen), eine individuell-förderbezogen-orientierte Dimension (Berücksichtigung individueller Lernwege und Lernstände), eine biografisch-lebenslagen-orientierte Dimension (ökosystemische Perspektive auf den einzelnen Schüler), eine dialogisch-psychotherapeutische Dimension (professionelle Beziehungs- und Empathiefähigkeit), eine behinderungsbezogen medizinisch-therapeutische Dimension (pathologisches Behinderungsverständnis), eine selektionsorientierte Dimension (Favorisierung homogener Lerngruppen) sowie eine gesellschafts-/schulkritisch orientierte Dimension (reflexives Menschenbild und kritische Reflexion der Funktionen von Schule) von Beliefs, die domänenübergreifend (nicht auf ein Unterrichtsfach oder eine sonderpädagogische Fachrichtung bezogen) sind. Auf Basis dieses Modells wurde das ‚Beliefsinventar Lehrkräfte im Bereich schulischer Förderung (BILF)‘ in Anlehnung an das Modell der TEDS-M-Studie konstruiert, in welchem die genannten Dimensionen auf die Ebenen der Überzeugungen zum Lehrerhandeln, zum Unterricht und zur Funktion von Schule (vgl. Blömeke et al. 2008b) in die Itemkonstruktion aufgenommen wurden.

Dieses Instrument kam in der Untersuchung von Kuhl et al. (2013) mit Förderschullehrkräften, Grundschullehrkräften und den entsprechenden Studiengängen beider Lehrämter (= 330) zum Einsatz. Hier ergaben sich Hinweise auf eine lediglich dreifaktorielle Struktur der Beliefs im Bereich schulischer Förderung, wobei die Faktoren die Dimensionen des heuristischen Modells in geclusterter Form enthalten. Der erste Faktor umfasst die Dimensionen individuell-förderbezogen-orientiert, biografisch-lebenslagen-orientiert und dialogisch-psychotherapeutisch-orientiert (IFLD) und bezieht sich damit auf die Berücksichtigung individueller Lernwege und Lernstände, eine professionelle Beziehungs- und Empathiefähigkeit sowie eine ökosystemische Perspektive auf den einzelnen Schüler; der zweite Faktor umfasst die Dimension behinderungsbezogen medizinisch-therapeutisch- orientiert (PT), der sich auf ein pathologisierendes Behinderungsverständnis bezieht und der dritte Faktor vereint die Dimensionen selektionsorientiert sowie gesellschafts-/schulkritisch orientiert (SO), welche sich sowohl auf ein reflexives Menschenbild und die kritische Reflexion der Funktionen von Schule beziehen wie auch auf die Konzeption homogener Lerngruppen. Es zeigten sich bei Förderschullehrkräften signifikant höhere Mittelwerte als bei Grundschullehrkräften bezüglich der Faktoren Individuumsbezogener, empathisch, ökosystemischer Belief(IFLD) und Selektionsorientierung (SO). Beim Faktor Medizinisch-therapeutische Orientierung (PT) zeigte sich hingegen kein bedeutsamer Unterschied. Bei den Studierenden des Förderschullehramts zeigten sich bezüglich des Faktors IFLD und PT signifikante Unterschiede gegenüber den Studierenden des Grundschullehramts. Zwischen den Lehrkräften und den Studierenden desselben Lehramts zeigten sich hingegen keine signifikanten Unterschiede. Dies deutet darauf hin, dass die Genese berufsbezogener Beliefs bereits in die Zeit der Ausbildung oder davor fällt. Bezüglich der Güte des Instruments musste allerdings die Notwendigkeit einer weiteren Bearbeitung konstatiert werden (vgl. Kuhl et al. 2013).

Ziel der vorliegenden Untersuchung ist die Überarbeitung und weitere Analyse des ‚Beliefsinventars Lehrkräfte im Bereich schulischer Förderung (BILF)‘. Der Fragebogen sollte zufriedenstellende Item- und Skalenkennwerte aufweisen. Weiterhin soll untersucht werden, ob sich das dreifaktorielle Modell, für welches es erste empirische Hinweise gibt, auch bei einer Studierenden-Stichprobe bestätigen lässt. Darüber hinaus geht die Studie der Frage nach, ob sich die Studierenden unterschiedlicher Lehramtsstudiengänge hinsichtlich der Ausprägung dieser Beliefs unterscheiden. Dabei soll die folgende Hypothese geprüft werden:

H1: Es bestehen hinsichtlich der Ausprägung der drei im Fragebogen erfassten Beliefs-Cluster Unterschiede zwischen den Studierenden des Lehramts an Förderschulen und der Studierenden des Lehramts an Grundschulen.

3 Methode

3.1 Entwicklung des Messinstrumentes

Ausgehend von den Vorarbeiten (vgl. Kuhl et al. 2013) wurde der bisherige Fragebogen grundlegend überarbeitet. Dabei wurde nun eine dreifaktorielle Struktur von Beliefs angenommen und entsprechend ein Fragebogen mit den drei Skalen individuumsbezogen, empathisch, ökosystemische orientiert (IFLD), inklusionsorientiert (IO) und psychiatrisch-therapeutisch orientiert (PT) konstruiert. Da sich zu viele Items als ungeeignet herausgestellt hatten, wurden die Skalen mit neuen, nach theoretischen Überlegungen konstruierten Items aufgefüllt. Bei allen Items handelt es sich um schulnahe Situationen, für deren Bewertung kein allgemein anerkannter Konsens unter Lehrkräften vorliegt. Damit sollte eine Beantwortung nach sozialer Erwünschtheit sowie eine intuitive Zuordnung zu den Clustern weitestgehend ausgeschlossen sein. Zudem wurde auf eine Zuweisung der Items zu bestimmten sonderpädagogischen Förderschwerpunkten verzichtet, um die Stichprobe nicht zu klein werden zu lassen und um dem Fakt zu entsprechen, dass Förderschullehrkräfte in der Inklusion nicht (nur) für den studierten Förderschwerpunkt eingesetzt werden.

Vor allem die vorhergehende SO-Skala wies in den bisherigen Untersuchungen noch sehr unbefriedigende Kennwerte auf und bedurfte daher einer gründlichen Überarbeitung. Im Rahmen dieser Revision erschien es sinnvoll, nicht nur negative Einstellungen zur Inklusion zu erfassen, sondern auch Fragen aufzunehmen, die positive Einstellungen zur Inklusion repräsentieren. Im Ergebnis entstand eine Skala, die Selektionsorientierung und Inklusionsorientierung als zwei gegensätzliche Pole eines Kontinuums erfassen sollte. Für die neue Skala wurde das Kürzel IO verwendet.

In der neuen Version enthielt die Skala IFLD 17 Items, die Skala IO 12 Items und die Skala PT 6 Items. Als Antwortformat wurde – wie in der Vorstudie – eine vierstufige Likert-Skala verwendet. Diese wurde gewählt, um eine Tendenz zur Mitte zu vermeiden. Die Antworten wurden mit den Ziffern von 0 (für „trifft gar nicht zu“) bis 3 (für „trifft voll zu“) codiert. Ein hoher Wert drückt dadurch eine hohe Zustimmung und ein niedriger Wert eine niedrige Zustimmung zum jeweiligen Item aus. Da die Skala IO sowohl Items enthielt, die eine Inklusionsorientierung als auch Items, die eine Selektionsorientierung ausdrücken, wurden die selektionsorientierten Items zur Auswertung umcodiert. Ein hoher Wert in der Skala IO repräsentiert somit eine Zustimmung zur Inklusion und eine Ablehnung von Segregation. Die Gesamtwerte der Skalen wurden durch das Aufaddieren der Rohwerte aller der Skalen zugrundeliegenden Items berechnet. Bei der Betrachtung der Gesamtwerte ist zu beachten, dass die Skalen unterschiedlich viele Items und damit unterschiedliche maximale Punktzahlen haben. Zusätzlich zu den 35 Items enthielt der Fragebogen allgemeine Angaben wie Alter, Geschlecht, Studiengang, Studienort, Semesterzahl.

3.2 Stichprobe und Untersuchungsablauf

Für die vorliegende Studie wurden im März 2013 alle Studienstätten in Deutschland angeschrieben, die ein förderschul- und weitere lehramtsbezogene Studienangebote vorhalten (N = 16). Sie wurden gebeten, jeweils 100 Fragebögen in mehreren Lehrveranstaltungen der Förderschulpädagogik und der Grundschulpädagogik zu verteilen. Um eine Mischung der Studierenden zu erhalten, sollten jeweils Studienanfänger/innen und höhere Semester einbezogen werden. Von einer Universität abgesehen sagten alle Studienstätten ihre Mitarbeit zu. Da an der Universität Gießen ein besonders guter Zugang zu den großen Lehrveranstaltungen bestand, wurden hier für das Lehramt Sonderpädagogik 200 Fragebögen ausgegeben. Somit wurden insgesamt 3300 Fragebögen verteilt. Der Rücklauf betrug insgesamt 41,36 %, wobei dieser im Bereich Sonderpädagogik wesentlich höher war, was offensichtlich auf die größere Nähe der Autor/innen zu den für die Durchführung angefragten Dozent/innen des Lehramtes an Förderschulen zurückzuführen ist.

Da sich in der Stichprobe auch Fragebögen von Studierenden des Lehramts an Gymnasien und an Haupt-/Realschulen befanden, allerdings nur in sehr geringer Zahl, wurden nur Studierende des Lehramts an Förderschulen und Studierende des Lehramts an Grundschulen in die Stichprobe aufgenommen. Auch wurden nur vollständig bearbeitete Fragebögen in die Analyse einbezogen, sodass sich keine Missings in den Daten befinden. Dieses Vorgehen wurde gewählt, da unvollständig ausgefüllte Fragebögen auf eine geringere Sorgfalt und Motivation der Probanden hindeuten könnten. Somit gingen 69,67 % (= 951) des Rücklaufs in die Auswertung ein. Dabei stellten die Studierenden des Lehramts an Förderschulen (n = 782) 82,2 % der Stichprobe, während Studierende des Lehramts an Grundschulen (= 169) nur 17,8 % der Stichprobe ausmachten. Die genaue Verteilung der Stichprobe in Bezug auf die weiteren allgemeinen Variablen ist der Tab. 1 zu entnehmen.

Tab. 1 Stichprobenverteilung

4 Ergebnisse

4.1 Faktoren-, Item- und Skalenanalyse des Messinstruments

Die Analyse des Fragebogens erfolgte anhand der Gesamtstichprobe, da es bisher keine Hinweise auf eine abweichende Struktur der Beliefs von Förderschullehrer/innen und Grundschullehrer/innen gibt. Auch bei einer getrennten Analyse der vorliegenden Daten ergaben sich darauf keine Hinweise.

Um zu verhindern, dass ungeeignete Items die Analyse der Faktorenstruktur des Fragebogens verfälschen, wurde zunächst eine Item- und Skalenanalyse durchgeführt. Die Itemtrennschärfen wurden in Bezug auf die einzelnen Skalen (korrigierte Item-Skalen-Korrelation) und an der Gesamtstichprobe berechnet. Items mit Trennschärfen r itc  < 0,25 wurden aus den weiteren Analysen ausgeschlossen. In der Skala IFLD verblieben danach noch 11 Items, in der Skala IO noch 10 Items und in der Skala PT noch 5 Items.

Um die auf Grundlage der bisherigen Untersuchungen angenommenen Faktorenstruktur des Fragebogens und damit auch die Skaleneinteilung zu bestätigen, wurde eine konfirmatorische Faktorenanalyse gerechnet. Die Ergebnisse sind in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Konfirmatorische Faktorenanalyse

Es wurde ein dreifaktorielles Modell gewählt. Die drei Skalen (IFLD, IO, PT) stellten dabei die latenten Dimensionen dar. Der signifikant ausfallende Modelltest zeigt an, dass Abweichungen zu einem perfekten Modell vorliegen. Dies passiert allerdings bei größeren Stichproben bereits bei kleinen Abweichungen (vgl. Bühner 2006). Eine Methode, die Güte des Modells zu beurteilen, ist es daher, den χ2-Wert durch die Freiheitsgrade zu teilen. Im hier vorliegenden Fall liegt dieser Wert bei χ2/df = 2,9 und spricht daher für eine noch annehmbare Modellgüte. Eine weitere Beurteilung des Modells kann durch Fit-Indizes erfolgen (vgl. Bühner 2006). Hier liegt der CFI mit 0,86 unter dem geforderten Wert für ein gutes Modell, der niedrige RMSEA (0,045) spricht hingegen für eine gute Passung.

Die latenten Dimensionen sind teilweise korreliert und teilweise unkorreliert. So korreliert die Skala IFLD niedrig bis mittelhoch mit den Skalen IO und PT. Zwischen den Skalen IO und PT besteht hingegen keine Korrelation, weshalb diese im finalen Modell auf 0 fixiert wurde. Des Weiteren wurde der Fragebogen einer Skalen- und Itemanalyse unterzogen.

Die innere Konsistenz für den gesamten Fragebogen betrug A = 0,80. Die Kennwerte der Analyse der einzelnen Skalen sind in Tab. 2 dargestellt. Die dargestellten Trennschärfen sind auf die jeweilige Skala bezogen und nicht auf den Gesamtfragebogen.

Tab. 2 Item- und Skalenkennwerte

Die Items der Skala IFLD wiesen mit meist > 2 (bei max. 3) insgesamt sehr hohe Mittelwerte auf, was für die hohe Akzeptanz dieser Beliefs spricht. Allerdings ist dadurch auch die Varianz der Items relativ gering. Die Trennschärfen der Items lagen in den meisten Fällen im mittleren Bereich (0,30–0,50; Bewertung nach Fisseni 2004). Fünf Items wiesen allerdings niedrige Trennschärfen auf (< 0,30). Die innere Konsistenz war zwar nicht gering, lag aber knapp unterhalb des gänzlich akzeptablen Bereichs. Den Aussagen der Skala IO wurde in deutlich geringerem Maße zugestimmt als denen der anderen Skalen. Die Trennschärfen lagen durchgängig im mittleren bis hohen Bereich und die innere Konsistenz war gut. Die Zustimmung zu den Aussagen der Skala PT lag bei vier der fünf Items bei > 2 und ist damit als hoch anzusehen. Die Trennschärfen der Items lagen mit einer Ausnahme im hohen Bereich und die innere Konsistenz der Skala knapp unterhalb des gänzlich akzeptablen Bereichs. Die Skala IFLD korrelierte signifikant mit den Skalen IO und PT. Zwischen den Skalen IO und PT zeigte sich hingegen keine Korrelation (Tab. 3).

Tab. 3 Korrelationen zwischen den Skalen

4.2 Unterschiede zwischen den Studierenden verschiedener Lehrämter

Anhand der drei Skalen des Fragebogens (IFLD, IO, PT) wurden die Studierenden des Lehramts an Förderschulen und die Studierenden des Lehramts an Grundschulen in Bezug auf ihre Beliefs miteinander verglichen. Da in der Literatur durchaus Einstellungsunterschiede zwischen Männern und Frauen berichtet werden (vgl. Cloerkes 2007), wurde auch geprüft, ob sich Männer und Frauen in der Ausprägung ihrer Beliefs unterscheiden. Dazu wurde eine zweifakorielle Varianzanalyse mit den Faktoren Lehramt und Geschlecht gerechnet. In Tab. 4 sind die Mittelwerte und Standardabweichungen in Bezug auf beide Faktoren sowie die varianzanalytische Auswertung dargestellt.

Tab. 4 Mittelwerte und Standardabweichungen sowie varianzanalytische Auswertung

Hinsichtlich des Faktors Lehramt sind bedeutsame Unterschiede zu berichten. So lagen die Mittelwerte der Studierenden des Lehramts an Förderschulen in allen drei Skalen über denen der Studierenden des Lehramts an Grundschulen. Mittels der Varianzanalyse konnten diese Unterschiede als signifikant abgesichert werden. Hingegen gab es in allen drei Skalen nur sehr geringe Unterschiede zwischen den Mittelwerten von weiblichen und männlichen Studierenden. Entsprechend zeigte sich bei allen drei Skalen in der Varianzanalyse kein signifikanter Effekt bezüglich des Faktors Geschlecht. Ein Interaktionseffekt der beiden Faktoren Lehramt und Geschlecht konnte bei keiner der drei Skalen beobachtet werden. Da die Gruppe männliche Studierende des Lehramts an Grundschulen aber nur sehr klein war (n = 20), sind die Befunde zum Interaktionseffekt nur bedingt belastbar.

Um die Größe der Unterschiede zwischen den Lehrämtern einschätzen und vergleichen zu können, wurde Cohens d berechnet. Dabei zeigten sich bei der Skala IFLD, mit = 0,59, und der Skala PT, mit = 0,69, mittlere Effekte zugunsten der Studierenden des Lehramts an Förderschulen. Bei der Skala IO zeigt sich, mit = 0,46, ein kleiner Effekt zugunsten der Studierenden des Lehramts an Förderschulen.

Abschließend wurde noch geprüft, ob sich die Zusammenhänge zwischen den Beliefs-Faktoren bei den Studierenden der unterschiedlichen Lehrämter unterscheiden. Dazu wurden Korrelationen zwischen den Skalen des Fragebogens getrennt nach Studiengang berechnet. Dabei zeigten sich allerdings kaum Abweichungen von den Gesamtkorrelationen. So korrelierten die Skalen IFLD und IO bei beiden Gruppen niedrig miteinander (Lehramt Förderschule: = 0,33; Lehramt Grundschule: = 0,29). Die Korrelation zwischen IFLD und PT lag etwas höher (bei beiden Gruppen = 0,40), aber auch noch im niedrigen Bereich. Zwischen IO und PT bestand bei beiden Gruppen keine bedeutsame Korrelation (Lehramt Förderschule: = −0,04; Lehramt Grundschule: = 0,07).

5 Diskussion

Das in den bisherigen Studien entwickelte Beliefs-Modell konnte anhand der vorliegenden Daten als annehmbar bestätigt werden. Allerdings ist der Modellfit noch nicht optimal. Nachdem offensichtlich ungeeignete Items entfernt wurden, weisen die drei Skalen des Fragebogens insgesamt annehmbare Item- und Skalenkennwerte auf. Rundherum zufriedenstellend fallen jedoch nur die Kennwerte der Skala IO aus. Besonders die schwache innere Konsistenz der Skala IFLD (bei 11 Items) ist etwas unbefriedigend. Dieser Befund könnte darauf hinweisen, dass die Items der Skala doch etwas unterschiedliche Beliefs erfassen und die Skala mehrere Faktoren beinhaltet. Allerdings haben die Versuche, mehr Faktoren zu trennen, zu keinen besseren Ergebnissen geführt. Trotz der aufgeführten Abstriche kann die Qualität des Fragebogens als belastbar genug angesehen werden, um ihn bei weiteren Unter­suchungen einzusetzen. Dass sich Gruppenunterschiede auch in der hier vorliegenden Untersuchung als sehr konsistent erwiesen, ist als Hinweis auf die Güte des Messinstrumentes zu interpretieren.

Interessant sind die Zusammenhänge zwischen den Beliefs-Clustern. So bestätigte sich der in früheren Untersuchungen (vgl. Kuhl et al. 2013) gefundene Zusammenhang zwischen den Skalen IFLD und PT sowie der nicht vorhandene Zusammenhang zwischen den Skalen IO und PT. Im Gegensatz zu den bisherigen Befunden korrelieren aber auch die Skalen IFLD und IO. Ob dieser Befund im Zusammenhang mit der anderen Stichprobenzusammensetzung (nur Studierende) oder der neu gestalteten Skala IO (die bisherige Skala bestand nur aus selektionsorientierten Items, die neue Skala enthält zusätzlich inklusionsorientierte Items) steht, kann an dieser Stelle nicht festgestellt werden. Festzuhalten bleibt, dass ein höherer individuumsbezogener, empathisch, ökosystemischer Belief von Studierenden mit einer höheren Inklusionsorientierung und einer höheren psychiatrisch-therapeutischen Orientierung einhergeht. Dies gilt unabhängig vom studierten Lehramt.

Bezüglich der H1 zeigt sich, dass die Studierenden des Lehramts an Förderschulen – unabhängig vom Geschlecht – in allen drei Skalen signifikant höhere Mittelwerte als die Studierenden des Lehramts an Grundschulen haben. Die Unterschiede sind niedrig bis mittelhoch ausgeprägt und damit durchaus praktisch relevant. Konträr zu den bisherigen Befunden steht der signifikante Unterschied bei der Skala IO. In der Vorgängeruntersuchung (vgl. Kuhl et al. 2013) wurde kein bedeutsamer Unterschied in der Inklusions- bzw. Selektionsorientierung von Studierenden des Lehramts an Förder- und Grundschulen gefunden, wobei der Unterschied bei der Inklusionsorientierung in der vorliegenden Untersuchung im Vergleich zu den anderen Beliefs-Faktoren am geringsten ausfällt. Dies ist durchaus als positiv zu bewerten, da bei der gemeinsamen Umsetzung von Inklusion ähnliche (möglichst positive) Beliefs von Grundschul- und Förderschullehrkräften sicherlich von Vorteil sind, um den als so wichtig beschriebenen Austausch- und Kooperationsprozessen zwischen den Professionen und wissenschaftlichen Disziplinen (Heinrich et al. 2013) den Weg zu ebnen. Unterschiedliche IFLD- und PT- Beliefs müssen hingegen einer produktiven Zusammenarbeit nicht im Wege stehen, sondern könnten sogar zur Profilschärfung der verschiedenen Professionen innerhalb der Kooperation in inklusiven Settings führen. Denn es ist davon auszugehen, dass multiprofessionelle Teams, die in inklusiven Schulklassen unterrichten, unterschiedliche Perspektiven qua Ausbildung (Lizenz) und professioneller Aushandlung (Mandat) vertreten sollten, so dass Beliefs, die sich an Individualität, Förderung, Dialogizität und Lebenslagen orientieren, gegenüber solchen, die sich an Gruppen- und Standardnormen orientieren, weiterhin von zentraler Bedeutung sind.

Mit der vorliegenden Studie konnte insbesondere gezeigt werden, dass die aktuelle Diskussion um sogenannte ‚inklusive Werthaltungen‘, die ubiquitär vorgetragen werden, auszudifferenzieren ist. Über die Frage nach pro- und contra-inklusiven Haltungen hinaus liegt hiermit ein erster Ansatz vor, Beliefs differenzierter in den Blick zu nehmen, die bei Lehrkräften in inklusiven Settings offenbar auch in unterschiedlicher, professionsabhängiger Ausprägung vorfindbar sind.

Zusammenfassend legen die Ergebnisse zwar nahe, dass es tatsächlich so etwas wie professionsspezifische Überzeugungen bei Lehrkräften gibt und dass diese Unterschiede bereits während der Ausbildung ausgeprägt sind. Diese Befunde bestätigen auch vorsichtig vorhandene Studien, die Unterschiede zwischen ‚general‘ und ‚special educational teachers‘ hinsichtlich ihrer Überzeugung, Schüler/innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichten zu können, aufgezeigt haben (zusammenfassend Kiely et al. 2015). Inwiefern entsprechende professionsbezogene Beliefs aber tatsächlich Effekte für das kooperative unterrichtliche Handeln zeitigen, kann diese Untersuchung nicht klären. Hier sind weitere, insbesondere qualitative Studien anzuschließen. Insofern kann noch nicht beantwortet werden, ob die gefundenen Unterschiede einer Zusammenarbeit von Lehrkräften unterschiedlicher Professionen zuträglich sind oder aber sich die Ausbildung zwischen Förder- und anderen Schulpädagog/innen angleichen sollte zugunsten eines ‚Merged Models‘ (eine schulartenübergreifende inklusionsorientierte Lehramtsausbildung), wie sie beispielsweise die European Agency for the Development in Special Needs Education (2011) und die Monitoringstelle am Deutschen Institut für Menschenrechte (Mißling und Ückart 2014) fordern.

Weitere Anschlussforschung sollte sich auf die Zusammenhänge zwischen den Beliefs bezüglich schulischer Förderung, den Selbstwirksamkeitsüberzeugungen hinsichtlich der Unterrichtung heterogener Lerngruppen sowie vorhandener Behinderungskonzepte in Anlehnung an Jordan et al. (2009) beziehen. Hier könnte das vorliegende Instrument um entsprechende Items ergänzt werden.

Weiterhin wären Untersuchungen anzuschließen, die über das Zustandekommen der gefundenen lehramtsspezifischen Überzeugungen Auskunft geben. Hierzu bedarf es explorativer Studien zur Studienmotivation sowie längsschnittliche Studien zu Studieneintritt, zu Studienende und zur beruflichen Einmündung vor dem Hintergrund einer detaillierten Analyse des Ausbildungsprogramms (Studienordnungen). Dies wäre ein wichtiger Baustein in dem insgesamt großen Desiderat der Lehrerbildungsforschung, aber auch der Beliefsforschung, in der die Entstehung von Überzeugungssystemen wie auch längsschnittliche Studien über mögliche Veränderungen von Beliefs nach wie vor zentrale Forschungsfragen darstellen (vgl. auch Skott 2015).