1 Naturwissenschaftliche Kompetenz jüngerer Kinder

1.1 Forschungsanliegen des SNaKE-Projekts

Naturwissenschaften gelten als ein Bildungsschwerpunkt des Elementarbereichs (KMK2009) und sind in den Bildungsplänen verankert. Es ist aber nur wenig darüber bekannt, wie das naturwissenschaftliche Lernen in diesem Alter unterstützt werden kann. Erkenntnisse über die Struktur und Entwicklung sowie die Förderung naturwissenschaftlicher Kompetenz sind für die Aus- und Fortbildung von pädagogischen Fachkräften notwendig, damit diese geeignete Lerngelegenheiten im Kindergarten anbieten können. Im Projekt SNaKE („Studie zurnaturwissenschaftlichenKompetenzentwicklung imElementarbereich“) wird die naturwissenschaftliche Kompetenz von Kindern im letzten Kindergartenjahr sowie die Entwicklung und Förderung dieser Kompetenz durch verschiedene Lernangebote an einem exemplarischen Inhaltsbereich untersucht.

In diesem Beitrag vergleichen wir die Wirkung dreier Lernangebote auf das Wissen der Kinder. Zunächst skizzieren wir die Ziele des naturwissenschaftlichen Lernens (1.2) sowie Erkenntnisse zur Wirkung von Lernangeboten für jüngere Kinder (1.3). Im Abschn. 2 stellen wir das Design der Studie (2.1), den Inhalt (2.2) und die Gestaltung (2.3) der Lernangebote sowie die eingesetzten Instrumente (2.4) vor und berichten dann im dritten Abschnitt Befunde zur Wirkung der Lernangebote, die abschließend diskutiert werden (4).

1.2 Zielbereiche des frühen naturwissenschaftlichen Lernens

Im Zusammenhang mit dem frühen naturwissenschaftlichen Lernen findet man national wie international eine Orientierung an dem Bildungskonzeptscientific literacy (z. B. Fthenakis2009; Gelman und Brenneman2004; Samarapungavan et al.2008; French2004). Naturwissenschaftliche Kompetenz im Sinne vonscientific literacy umfasst Wissenskomponenten sowie Komponenten wie Einstellungen, Interesse, Freude an der Auseinandersetzung mit Naturwissenschaften (Bybee et al.2009), die allerdings in diesem Beitrag nicht weiter thematisiert werden. Wissen, im Sinne vonscientific literacy, wird als verstandenes, zusammenhängendes und anwendbares Wissen aufgefasst. Es wird differenziert innaturwissenschaftliches Wissen undWissen über Naturwissenschaften (Bybee et al.2009). Im Zentrum des naturwissenschaftlichen Wissens steht das Verständnis zentraler Konzepte und Theorien aus unterschiedlichen naturwissenschaftlichen Inhaltsbereichen. Zum Wissen über Naturwissenschaften gehören ein Verständnis naturwissenschaftlicher Denk- und Arbeitsweisen sowie ein Verständnis der Naturwissenschaft als Disziplin(nature of science). Das im Kindergarten angestrebte Wissen über grundlegende naturwissenschaftliche Konzepte sowie Denk- und Arbeitsweisen wird auch als erfahrungsbasiertes, anschlussfähiges und alltagsnahes Wissen beschrieben (Fthenakis2009; Gelman und Brenneman2004; Möller und Steffensky2010), das Kinder z. B. nutzen können, um naturwissenschaftlich-relevante Alltagssituationen zu beschreiben oder Vorhersagen zu treffen. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass bereits Kindergartenkinder in beiden Wissensbereichen anschlussfähige Vorstellungen entwickeln können (z. B. Carey2009; Zimmermann2007). Anschlussfähige Vorstellungen sind hier als wahrnehmungsgeleitete Vorstellungen zu verstehen, die für das Herstellen von Zusammenhängen herangezogen werden können und die die Basis für differenzierte wissenschaftliche Konzepte darstellen.

1.3 Unterstützung des frühen naturwissenschaftlichen Lernens

Trotz dieser positiven Befunde werden nach bisherigen Einschätzungen naturwissenschaftliche Bildungsprozesse im Kindergarten nur wenig gefördert (Roßbach2006; Sylva et al.2004). Auch die Qualität der Umsetzungen wird in den meisten Untersuchungen, die sich allerdings nicht nur auf den naturwissenschaftlichen Bereich beziehen, als eher niedrig eingeschätzt: So scheinen Lernsituationen, in denen bedeutungsvolle Gespräche stattfinden, die die Kinder kognitiv aktivieren und zum weiterführenden Denken anregen (in der elementarpädagogischen Diskussion oft alssustained shared thinking bezeichnet), selten vorzukommen (König2007; Kuger und Kluczniok2008; Siraj-Blatchford und Manni2008; Sylva et al.2004).

Zwei Möglichkeiten naturwissenschaftliche Lernumgebungen im Elementarbereich zu realisieren, sind ExperimenteFootnote 1 oder AlltagssituationenFootnote 2, in denen ein naturwissenschaftliches Phänomen, z. B. eine zugefrorene Pfütze, zu beobachten ist und die als Lernanlass genutzt werden können (Leuchter et al.2010). Welche Lerngelegenheiten im Kindergarten häufiger realisiert werden, ist unklar; vermutlich liegt der Schwerpunkt auf dem Experimentieren (Gelman und Brenneman2004). Eine Analyse aktueller didaktischer Materialien für das frühe naturwissenschaftliche Lernen zeigt, dass in erster Linie Experimente vorgeschlagen werden, Bezüge zum Erfahrungsraum der Kinder und Anregungen zu Gesprächen darüber finden sich dagegen nur selten (Lankes et al.2011). Eine Befragung von Fachkräften zeigte, dass diese sich in der Lage sehen, Experimente durchzuführen, das Erkennen naturwissenschaftlich relevanter Phänomene im Alltag aber als schwieriger einschätzen (Lankes et al.2011). Auch dies lässt darauf schließen, dass eher Experimente ohne explizite Alltagsbezüge durchgeführt werden als dass Alltagssituationen als Lerngelegenheiten genutzt werden.

Hinweise zur Wirksamkeit von Experimenten und als Lernanlass genutzten Alltagssituationen im Kindergarten liegen bislang kaum vor. Untersuchungen aus der Schule legen nahe, dass das Durchführen praktischer Tätigkeiten beim Experimentieren nicht per se das Lernen unterstützt (Mayer2004); das gilt sowohl für das konzeptuelle naturwissenschaftliche Wissen (Butts et al.1994; Hofstein und Lunetta2004) als auch für das Wissen über Naturwissenschaften (Khishfe und Ab-El-Khalick2002). Lernwirksam werden die praktischen Handlungen erst, wenn die kognitive Aktivität der Lernenden angeregt wird, z. B. durch Reflexion eigener Ideen, Vorgehensweisen und Ergebnisse (White und Frederiksen1998). Alltagssituationen als Lernanlässe sollten für die Unterstützung von Lernprozessen gut geeignet sein, da sie einen authentischen Kontext darstellen und Möglichkeiten bieten, an eigene Erfahrungen anzuknüpfen (Cobb und Bowers1999; Reinmann-Rothmeier und Mandl1998). Gleiches ist auch für Experimente anzunehmen, in denen Bezüge zu Alltagssituationen hergestellt werden. Allerdings sind naturwissenschaftlich relevante Alltagssituationen oft sehr komplex, sodass das eigentliche Phänomen nicht unbedingt als solches erkannt wird oder einfache Erklärungen nicht ausreichen (Taasoobshirazi und Carr2008). Mit (entsprechend ausgewählten) Experimenten dagegen können Sachverhalte und Phänomene fokussiert, z. B. ohne ablenkende Zusätze, dargestellt werden.

Damit Experimente sowie Alltagssituationen als Lerngelegenheiten im Elementarbereich lernwirksam werden, wird davon ausgegangen, dass die in der Unterrichtsforschung etablierten Merkmale der kognitiven Aktivierung und Strukturierung ebenfalls auch hier sind (Rakoczy et al.2010; für den Elementarbereich: vgl. Siraj-Blatchford und Manni2008). Außer den bereits genannten Merkmalen der kognitiven Aktivierung, wie Reflexion, Versprachlichung und Exploration eigener Vorstellungen sowie Anknüpfen an eigene Erfahrungen, sind auch Aspekte wie die Anwendung des Wissens in verschiedenen Kontexten und das Herstellen von Zusammenhängen zwischen Beobachtungen wichtige Merkmale kognitiver Aktivierung im naturwissenschaftlichen Kontext (Vosniadou et al.2001). Gerade für jüngere Lerner scheinen zudem Strukturierungsmaßnahmen wie z. B. die Veranschaulichung des Lernstoffes bedeutsam für das Lernen zu sein; z. B. können Sachverhalte durch Versuche, konkrete Gegenstände oder Handlungen dargestellt werden (Aebli1994). Entsprechende Veranschaulichungen sind möglicherweise auch hilfreich für gemeinsame Gespräche von Lernern, die die Bezeichnungen der Sachverhalte, Phänomene und Handlungen noch nicht kennen (vgl. Hardy et al.2004). Die genannten Aspekte können Kinder darin unterstützen, ihre Begriffe und Vorstellungen durch Differenzierung, Integration oder Umstrukturierung im Sinne eines konzeptuellen Wandels zu verändern (Carey2000).

Wie beschrieben, sollten Experimente und Alltagssituationen, die als Lernanlässe genutzt werden, aus unterschiedlichen Gründen geeignete Lerngelegenheiten für das naturwissenschaftliche Lernen im Kindergarten darstellen. Voraussetzung für das Lernen in den beiden Lerngelegenheiten ist die kognitive Aktivität und die Unterstützung der Lernenden. Es fehlen Erkenntnisse darüber, ob diese Lerngelegenheiten bei jüngeren Kindern tatsächlich die Entwicklung eines anwendbaren alltagsnahen Wissens (s. 1.2) unterstützen und welche Wirkung die Kombination der beiden Lerngelegenheiten, bei der die Vorteile der beiden Merkmale genutzt werden können, hat.

Vor diesem Hintergrund wird im Projekt SNaKE der Frage nachgegangen, wie sich Experimente und Alltagssituationen, die als Lernanlass genutzt werden, sowie eine Kombination der beiden Lerngelegenheiten auf das Wissen der Kinder auswirken.

2 Das Projekt SNaKE

2.1 Design der Studie

Um dieser Frage nachzugehen, wurden in einem quasi-experimentellen Design drei Lernangebote konzipiert und verglichen (s. Abb. 1). In der Experimentalgruppe (EG) 1 wurden Experimente durchgeführt, wobei über Vermutungen, Vorgehensweisen und Deutungen gesprochen, aber kein expliziter Alltagsbezug hergestellt wurde. In der EG 2 wurden Gespräche über naturwissenschaftliche Alltagssituationen (im Folgenden verkürzt als Alltagssituationen bezeichnet) geführt, die herbeigeführt oder durch Gegenstände, Bilder, spielerische Handlungen veranschaulicht wurden, während in der EG 3 eine Kombination von Experimenten und Alltagssituationen erfolgte. Außer den Experimentalgruppen gab es zwei Kontrollgruppen. Die eine Kontrollgruppe diente als Baseline und erhielt keinerlei Treatment (BG), während die zweite Kontrollgruppe zur Kontrolle des Time-on-Task-Effekts ein Treatment erfuhr, bei dem weder Experimente noch Gespräche über Alltagssituationen eingesetzt wurden (KG). Die Untersuchung wurde mit einem Prä-Post-Follow-up-DesignFootnote 3 durchgeführt. Die Intervention bestand aus drei 90-minütigen Einheiten im Zeitraum von vier Monaten.

Abb. 1
figure 1

Anlage der Studie

Abb. 2
figure 2

Beispiel für eine Multiple-Choice-Aufgabe aus dem Inhaltsbereich Lösen und dem Wissens Denk und Arbeitsweisen

An der Studie nahmen 257 Kinder aus 13 Kindergärten aus dem Umland von Münster teil. Die Kindergärten sind in städtischer und kirchlicher Trägerschaft, keiner der Kindergärten wies zum Zeitpunkt der Studie ein besonderes naturwissenschaftliches Profil auf.Footnote 4 Insgesamt liegen vollständige Daten von 245 Kindern (120 Mädchen und 125 Jungen) vor. Pro Kindergarten wurden eine der drei Experimental- und beide Kontrollbedingungen (KG und BG) durchgeführt. Es wurde nur eine Experimentalbedingung pro Kindergarten ausgewählt, um zu verhindern, dass es zwischen den Kindern oder pädagogischen Fachkräften der natürlichen Kindergartengruppen einen Austausch über die Experimentalbedingungen gab.Footnote 5 Die teilnehmenden Kindergärten wurden zufällig einer der drei Experimentalbedingungen zugeordnet. Innerhalb eines Kindergartens wurden die Kinder stratifiziert nach Geschlecht und allgemeinen kognitiven Fähigkeiten (s. 2.4) zufällig der Experimental- und den beiden Kontrollbedingungen (KG und BG) zugewiesen.

Die zentrale Fragestellung dieses Beitrags ist, ob sich Unterschiede in den Lernfortschritten vom ersten bis zum zweiten Messzeitpunkt zwischen den Experimentalgruppen (EG1, EG 2, EG 3) und den Kontrollgruppen (KG und BG) feststellen lassen. Wir erwarten, dass alle drei Experimentalgruppen größere Lernfortschritte aufweisen im Vergleich zu den Kontrollgruppen. Außerdem gehen wir davon aus, dass die Kombination der beiden Lerngelegenheiten den anderen Gruppen überlegen ist. Zu klären ist, ob eine der beiden Lerngelegenheiten (Experimente oder Alltagssituationen) wirksamer ist.

2.2 Inhalte des Lernangebotes

Die Themen der drei Einheiten des Lernangebotes waren 1. „Schmelzen und Gefrieren von Eis/Wasser“, 2. „Verdunsten und Kondensieren von Wasser/Dampf“ sowie 3. „Lösen und Nicht-Lösen in Wasser“. Die ausgewählten Konzepte sind in den meisten Bildungsplänen für den Elementarbereich aufgeführt und sie sind exemplarisch für die Naturwissenschaften, da sich daran grundlegende und auf viele andere Stoffe übertragbare Erfahrungen machen lassen (Steffensky et al.2012). Für die Wahl des Themas spricht auch, dass Kinder schon sehr früh erste Erfahrungen mit Wasser machen (Steffensky et al.2011). Gleichzeitig unterscheiden sich die drei Inhaltsbereiche in ihrer Schwierigkeit, sodass eine vielschichtige Kompetenzmodellierung aussichtsreich scheint. Bisherige Befunde zeigen, dass Schmelzen und Gefrieren (auf der Phänomenebene) im Vergleich zur Verdunstung als relativ einfache Konzepte angenommen werden, da sowohl der feste als auch der flüssige Zustand direkt beobachtbar sind und Vorschulkinder in der Regel zwischen den Stoffeigenschaften fest und flüssig unterscheiden können (Driver et al.1994). Schwieriger ist es, ein Verständnis der Prozesse Verdampfen und Kondensieren zu entwickeln, weil der gasförmige Zustand nicht direkt wahrnehmbar ist (Tytler2000). Vorstellungen zum Prozess des Lösens sind auch stark von Beobachtungen auf der makroskopischen Ebene beeinflusst, z. B. die Vorstellung des Verschwindens des Stoffes (Piaget und Inhelder1974) oder der Übertragung der Eigenschaften des Stoffes auf das Wasser (Kikas2001).

Unter Berücksichtigung dieser Befunde und einer explorativen Vorstudie (Steffensky et al.2011) wurden die relevanten Begriffe, Konzepte und Zusammenhänge für die Experimentalgruppen zusammengestellt, um so die angestrebten Inhalte und Ziele festzulegen (s. Tab. 1). Konzepte sind hier in einem sehr weiten Sinn zu verstehen, im Anschluss an dieconceptual-change-Forschung könnte man auch von Vorstellungen sprechen. Es wird nicht erwartet, dass die Kinder in diesem Alter Konzeptveränderungen von naiven Vorstellungen zu fortgeschrittenen, wissenschaftlichen Konzepten vollziehen; angestrebt wird ein anschlussfähiges, alltagstaugliches Niveau (vgl. 1.2). Erklärungen werden als das Herstellen von Zusammenhängen verstanden, nicht jedoch im Sinne der Modellierung von nicht-beobachtbaren Zusammenhängen. Eine Erklärung in diesem Sinne wäre zum Beispiel: Der Schneemann schmilzt, weil es warm ist.

Tab. 1 Relevante Begriffe und Konzepte für die Treatments

2.3 Beschreibung der Experimentalgruppen und der Kontrollgruppe

Zu den drei Themen wurden für die Experimentalgruppen jeweils 90-minütige Angebote entwickelt, die sich zwar in der Gestaltung unterscheiden, aber die gleichen Begriffe und Konzepte behandeln. Denk- und Arbeitsweisen wurden zwar in den Treatments genutzt, z. B. beobachten oder vergleichen, sie wurden aber in keinem der Treatments explizit angesprochen. Die Gestaltung der drei Experimentalgruppen orientierte sich an den in Abschn. 1.3 beschriebenen Merkmalen. Zu den in Tab. 1 skizzierten inhaltlichen Zielen wurden passende Alltagssituationen und Kindergarten-geeignete Experimente zusammengetragen, die die Grundlage für die Konzeption darstellten.

Die Treatments der Experimentalgruppen und der Kontrollgruppe wurden mit 5–8 Kindern durchgeführt. Die pädagogischen Fachkräfte waren bei den Treatments nicht anwesend. Um einen Effekt des Treatmentleiters gering zu halten, wurden die drei Experimentalgruppen zu zwei Themen von derselben wissenschaftlichen Mitarbeiterin geleitet, lediglich die Angebote für die drei Experimentalgruppen zum dritten Thema mussten aus organisatorischen Gründen von einem anderen wissenschaftlichen Mitarbeiter durchgeführt werden. Alle Gruppen der Kontrollgruppe wurden bei den ersten beiden Treatments von einer wissenschaftlichen Hilfskraft geleitet, beim letzten Treatment übernahm aus organisatorischen Gründen eine andere wissenschaftliche Hilfskraft die Gruppen. Einschränkend muss gesagt werden, dass trotz der gleichen Treatmentleiter sowie eines standardisierten Ablaufplans der Treatments das interaktive Geschehen in den Gruppen nicht vollständig kontrolliert werden kann. Alle Treatments wurden vor der Studie mehrfach erprobt und überarbeitet.

EG 1 (Experimente).

Die Experimente, die im Mittelpunkt der EG 1 standen, waren aus verschiedenen didaktischen Materialien für das frühe naturwissenschaftliche Lernen zusammengestellt. Um zu gewährleisten, dass die Kinder nicht nur handeln, sondern auch die Chance bekommen kognitiv aktiv zu sein, wurden die Experimente mit den Kindern zur Vor- und Nachbereitung reflektiert, z. B. durch Fragen nach ihren Ideen, Beobachtungen und Erklärungen und Anregungen, Beobachtungen bei verschiedenen Versuchen zu vergleichen. Die Experimente bauten inhaltlich aufeinander auf; z. B. wurden erst Experimente zum Kennenlernen des Zustands fest und flüssig durchgeführt und erst dann Experimente zum Übergang zwischen den beiden Zuständen. In der Regel führten die Kinder die Experimente selbstständig in Zweiergruppen oder mit verteilten Aufgaben in der Gesamtgruppe durch. Einige Experimente, z. B. Handabdruck auf einem Stück Stoff, wurden von jedem Kind durchgeführt. Lediglich gefährliche Experiment, z. B. einen Eiswürfel in einer heißen Pfanne schmelzen, wurden von der Treatmentleiterin durchgeführt. Für die Experimente wurden durchaus Alltagsmaterialien wie Eiswürfel oder Marmeladengläser verwendet, explizite Bezüge zu Alltagssituationen wurden aber nicht hergestellt. Nannte ein Kind von sich aus eine entsprechende Alltagssituation, wurde dieses gewürdigt, aber nicht weiter darauf eingegangen.

EG 2 (Alltagssituationen).

Mit den Kindern der EG 2 wurden zu den hier relevanten Themen Alltagssituationen besprochen. Diese Alltagssituationen wurden durch eine alltagsnahe und unspektakuläre Rahmengeschichte, z. B. ein Picknick an einem sehr heißen Sommertag, verknüpft. Bilder, konkrete Gegenstände oder Repräsentationen, z. B. eine flüssige und eine zugefrorene Papppfütze über die man laufen konnte, stellten Impulse und Repräsentationen für das Gespräch über die Alltagssituationen dar. In das Treatment wurden spielerische Handlungsmöglichkeiten eingebaut; z. B. wurden Puppenkleider an eine Puppenwäscheleine gehängt (Alltagssituation Wäsche trocknen). Auch hier wurden die Kinder im Gespräch angeregt ihre Ideen, Beobachtungen und Erklärungen für die Situationen zu reflektieren oder die verschiedenen Situationen zu vergleichen und weitere ähnliche Situationen zu nennen, in denen man den entsprechenden Sachverhalt beobachten kann.

EG 3 (Experimente und Alltagssituationen).

In der EG 3 wurden Alltagssituationen mit Experimenten, in denen man das Phänomen oder den entsprechenden Sachverhalt beobachten kann, verknüpft. In der EG 1 und EG 2 wurden jeweils zwei vergleichbare Experimente bzw. Alltagssituationen bearbeitet, sodass es möglich war, für die EG 3 jeweils eine Alltagssituation mit einem Experiment zu verknüpfen. Um zum Beispiel der Frage, was passiert, wenn man farbige Stoffe im Wasser löst, nachzugehen, wurde zunächst die Alltagssituation „eine Brausetablette im Wasser lösen“ besprochen und anschließend ein Versuch gemacht, bei dem ein eingefärbter Zuckerwürfel im Wasser gelöst wurde. Die Reflexionen über die Experimente und Alltagssituationen verliefen in der beschriebenen Weise.

KG (keine Experimente und keine Alltagssituationen).

Den Kindern dieser Kontrollgruppe wurden unter Konstanthaltung der Zeit Kinderbücher, z. B. Lars der Eisbär oder das Pfützenungeheuer, vorgelesen, in denen die relevanten Begriffe und Konzepte vorkommen oder an mehreren Stellen eingearbeitet worden waren. Um die Konzentrationsfähigkeit der Kinder nicht durch 90-minütiges Vorlesen zu überfordern, wurden kurze Spiele, z. B. Pfützenungeheuer nachspielen, oder Fragen zu der Geschichte, die sich nicht auf naturwissenschaftliche Inhalte bezogen, in das Treatment integriert.

2.4 Instrumente

Zur Erfassung der Lernfortschritte wurde ein Wissenstest eingesetzt. In Anlehnung anscientific literacy wurden darin naturwissenschaftliches Wissen und Wissen über Naturwissenschaften in den hier ausgewählten Inhaltsbereichen erfasst. In diesem Beitrag wird nur ein kurzer Überblick über den Test gegeben, eine genauere Beschreibung der Testkonstruktion und der Modellierung der Kompetenz finden sich in Steffensky et al. (2012) bzw. Carstensen et al. (2011).

Unternaturwissenschaftlichem Wissen fassen wir Begriffe und Konzepte zusammen. Dabei geht es zum einen darum, Begriffe zu kennen und Phänomene und Vorgänge mit altersangemessenen Begriffen richtig zu benennen oder zu beschreiben und zum anderen hinter dem Vorgang wirkende Konzepte zu benennen und Phänomene mit einem Konzept zu erklären. Für Vorgänge, bei denen die zur Beschreibung notwendigen Begriffe für Kinder dieser Altersstufe wenig gebräuchlich sind, z. B. verdunsten und kondensieren, werden kindliche Umschreibungen wie „zu Luft werden“, „in die Luft gehen“, „trocknen“ bzw. „beschlagen“ verwendet oder erwartet (vgl. Tab. 1). Eine genaue Trennung zwischen Begriffen und Konzepten ist auf dieser Altersstufe nicht möglich; es gibt einen graduellen Übergang zwischen beiden Bereichen, da die Konzepte der Kinder stark an die situativen Beobachtungen geknüpft sind und damit schwierig von den Begriffen zu differenzieren sind. Auch empirisch zeigt sich eine enge Beziehung zwischen den beiden Bereichen, so findet man eine latente Korrelation von 0,83 (Items des 1. MZPs).

Im BereichWissen über Naturwissenschaften beschränken wir uns auf ausgewählte Aspekte der Denk- und Arbeitsweisen und wählten hier das Beobachten/Messen sowie das (systematische) Vergleichen aus, weil beide bereits im Elementarbereich eine wichtige Rolle spielen und grundlegend für andere naturwissenschaftliche Denk- und Arbeitsweisen, z. B. das Experimentieren, sind.

Beide Wissensbereiche wurden bei der Testkonstruktion berücksichtigt, um die Kompetenz in theoretisch fundierter Breite zu erfassen. Die Dimensionen können wegen des geringen Testumfangs nicht einzeln empirisch überprüft werden, da durch das junge Alter die Testzeit und damit die Anzahl der Aufgaben begrenzt ist.

Der Test wurde in Form eines eng strukturierten Einzelinterviews durchgeführt, das zwischen 20 und 30 Min. dauerte. Es wurden Multiple-Choice-Aufgaben (Abb. 2), offene Aufgaben, Aufgaben mit Richtig-Falsch-Items und Zuordnungsaufgaben eingesetzt. Die Testleiter waren 22 geschulte studentische Hilfskräfte, die die Auswahl der vorgegebenen Antwortalternativen protokollierten; Antworten auf offene Aufgaben konnten sofort kodiert werden oder in Stichworten notiert und später am selben Tag kodiert werden.

Richtige Antworten, im oben beschriebenen alltagsnahen und anschlussfähigen Sinne, wurden mit zwei Punkten bewertet, falsche Antworten mit null Punkten. Für einen Teil der Aufgaben gab es zusätzlich eine mittlere Kategorie, die mit einem Punkt bewertet wurde. Die mittlere Kategorie umfasste Umschreibungen von Zusammenhängen oder Begriffen, z. B. das Umschreiben des Begriffes schmelzen mit „zerfließen“ oder „flüssig werden“ (s. a. Carstensen et al.2011).

Die statistische Modellierung des Tests erfolgt mit einem Ordered-Partition-Modell (Wilson1992). Mit dieser Variante eines Rasch-Modells setzen wir eine gleiche Gewichtung von dichotomen und mehrkategoriellen Antwortformaten um. Es verallgemeinert das Partial-Credit-Modell (Masters1982) für mehr als zwei geordnete Antwortkategorien auf Fälle, in denen nicht alle Kategorien bei allen Items beobachtet werden. Zu beiden Messzeitpunkten bestand der Test aus 29 Items (nach der Itemanalyse, s. Carstensen et al.2011), von denen 18 Items Ankeritems waren, die zu beiden Messzeitpunkten eingesetzt wurden (WLE-Reliabilitäten: 0,75 [MZP 1] und 0,80 [MZP 2]). Die Verbindung der Daten zu beiden Messzeitpunkten erfolgt mittels Gleichsetzung der Itemparameter in einer gemeinsamen Schätzung über die beiden Erhebungszeitpunkte im Projekt (vgl. Carstensen et al.eingereicht). Hinweise auf die interne Validität des Tests geben verschiedene Modellvergleiche, die in Carstensen et al. (2011) beschrieben sind. Auch die erwartungsgemäß vorhandene, aber schwache manifeste Korrelation bzw. mittlere latente Korrelation des Tests (MZP1) mit den allgemeinen kognitiven Fähigkeiten von 0,33 bzw. 0,49 gibt im Sinne der diskriminanten Validität einen Hinweis auf die Validität des Tests. Allgemeine kognitive Fähigkeiten wurden mit dem Untertest 4 des CFT-1 zu figuralen Analogien (Cattell et al.1997) erhoben. Um weitere Hinweise auf die Validität zu erhalten, wurde der Ansatz bekannter Gruppen genutzt. Hierzu wurde der Test mit Grundschülerinnen und -schülern der 1. Klasse durchgeführt. Die Ergebnisse können Hinweise auf die Kriteriumsvalidität liefern; das Kriterium ist dabei die Zugehörigkeit zu einer bekannten Gruppe (in diese Fall Grundschülerinnen und -schüler) bei der das zu erfassende Konstrukt anders (in diesem Fall höher) ausgeprägt ist. Aufgrund des Sachunterrichts und der durch den Altersunterschied bedingten zusätzlichen informellen Gelegenheiten, in denen naturwissenschaftlich-relevante Erfahrungen gesammelt, alltagsnahe naturwissenschaftliche Begriffe gelernt und Beobachtungen gemacht werden, gehen wir davon aus, dass die Grundschülerinnen und -schüler im Wissensest bei Kontrolle der kognitiven Fähigkeiten besser abschneiden als die Kindergartenkinder. An einer Gruppe von 85 Kindern aus der 1. Klasse wurde deshalb der hier beschriebene Test auch in Form eines Einzelinterviews sowie der entsprechenden Subtests zu figuralen Analogien (siehe oben) eingesetzt. Es zeigt sich, dass der Mittelwert der Personenparameter der Vorschülerinnen und -schüler im Vergleich zu den Grundschülerinnen und -schüler bei Kontrolle der kognitiven Fähigkeiten um 0,98 Einheiten auf der Logitskala niedriger ist (s. Tab. 2). Die jüngeren Kinder schneiden in dem Test signifikant schlechter ab (T = - 7,156, p = 0,000). Das bestätigt die Annahme, dass der Test für ältere Kinder mit erwartungsgemäß höherem naturwissenschaftlichen Wissen leichter ist, was einen weiteren Hinweis auf die Validität des Tests gibt.

Tab. 2 Personenparameter der Kindergartenkinder und Schülerinnen und Schüler der ersten Klasse

Da für den Kompetenzerwerb auch Struktur- und Prozessmerkmale der Familie, dem wichtigsten Umfeld von Vorschulkindern, entscheidend sind (McElvany et al.2010), wurden die Eltern nach sozialem Hintergrund sowie nach der Bedeutung von Naturwissenschaften in der Familie befragt. In die hier berichteten Untersuchung geht nur die Skala zu naturwissenschaftlichen Aktivitäten in der Familie (s. Tab. 3) sowie der HISCED (Highest International Standard Classification of Education) des Elternfragebogens ein. Die Skala „naturwissenschaftliche Aktivitäten“ beschreibt die Häufigkeit mit der in Familien naturwissenschaftliche Aktivitäten, wie naturwissenschaftliche Sachbücher vorlesen, ausgeführt werden. Sie stellt einen Indikator für bildungsbezogene Praktiken der Familien dar. Der HISCED beschreibt dem höchsten beruflichen Bildungsabschluss in der Familie, dazu werden in dem Elternfragebogen von beiden Elternteilen oder Erziehungsberechtigten der höchste Schul- und der höchste berufliche Bildungsabschluss erfasst und nach ISCED (OECD1999) klassifiziert. Der HISCED entspricht der ISCED-Stufe des Elternteils mit dem jeweils höheren Bildungsabschluss.

Tab. 3 Skala zu naturwissenschaftlichen Aktivitäten des Elternfragebogens

3 Ergebnisse

In einem ersten Schritt wird überprüft, ob sich die Prätestwerte trotz der Zuteilung der Kinder auf die Gruppen aufgrund der allgemeinen kognitiven Fähigkeiten (CFT-Werte) in den verschiedenen Gruppen signifikant voneinander unterscheiden. Es zeigen sich zwar geringe deskriptive Unterschiede in den Prätestwerten, diese sind aber nicht signifikant (F (4,248) = 0,95, ns; in Post-hoc-Tests liegen die p-Werte zwischen 0,33 und 1).

Zur Beantwortung der Frage nach Unterschieden in den Lernfortschritten zwischen den fünf Gruppen werden Regressionsanalysen gerechnet. Da das Design der Studie ein Quasi-Experiment darstellt, müssen Voraussetzungen auf Seiten der Kinder kontrolliert werden. Die abhängige Variable ist der Personenparameter des zweiten Messzeitpunktes, durch das Einbeziehen des Vorwissens und der kognitiven Fähigkeiten als Kontrollvariablen lassen sich Unterschiede in der Wirkung der Lernangebote analysieren. Berücksichtigt man nur die Gruppenzugehörigkeit (EG1, EG 2, EG 3 und KG; die Baselinegruppe [BG] wurde als Vergleich genutzt) lassen sich lediglich 5 % der Varianz (R2 = 0,045, korrigiertes R2 = 0,29, s. Tab. 4) aufklären (Gesamtmodell: p < 0,05). Die EG 3 unterscheidet sich hier signifikant von der Baselinegruppe (T = 3,181, p < 0,003) sowie von der Kontrollgruppe (T = 2,336, p < 0,03). In weiteren Analysen wurden außer der Gruppenzugehörigkeit als zusätzliche Prädiktorvariablen der Prätestwert, also der Personenparameter des ersten Messzeitpunktes, und die kognitiven Fähigkeiten (z-standardisiert) als Kontrollvariablen sowie das Geschlecht, der höchste berufliche Bildungsabschluss in der Familie (HISCED; z-standardisiert) und familiäre naturwissenschaftliche Aktivitäten (z-standardisiert) als Analysevariablen aufgenommen. Auch bei der Kontrolle der aufgeführten Variablen zeigen die Kinder der EG 3 signifikant höhere Lernergebnisse im Vergleich zur Baselinegruppe (s. Abb. 3). Auch wenn man die Kontrollgruppe als Referenzgruppe heranzieht, bleibt das Ergebnis signifikant.

Tab. 4 Prädiktoren zur Vorhersage des Personenparameters zum zweiten Messzeitpunkt. Dargestellt sind die Regressionskoeffizienten B
Abb. 3
figure 3

Mittlere Personenparameter vom 1 MZP und 2 MZP unter Kontrolle allgemeiner kognitiver Fähigkeiten, HISCED, familiäre naturwissenschaftliche Aktivitäten und Geschlecht

Durch diese zusätzlich eingeführten Prädiktoren kann ca. 50 % der zwischen den Kindern liegenden Varianz im Posttest aufgeklärt werden. Die Regressionskoeffizienten in Tab. 4 zeigen, dass das Vorwissen der stärkste Prädiktor für die Posttestleistung ist. Allgemeine kognitive Fähigkeiten, der Bildungshintergrund der Eltern sowie das Geschlecht haben zusätzliche, aber kleine Effekte auf die Posttestleistung. Jungen zeigen dabei größere Lernfortschritte als Mädchen. Von den Experimentalgruppen hat nur die Teilnahme an der EG 3 einen signifikanten Einfluss auf die Posttestleistung. Naturwissenschaftliche Aktivitäten in der Familie haben nur einen geringen Einfluss auf die Posttestleistung, ähnliche Befunde lassen sich für den Prätest feststellen. Nutzt man anstatt der naturwissenschaftlichen Aktivitäten in der Familie Variablen wie das naturwissenschaftliche Interesse der Eltern oder naturwissenschaftliche Gegenstände, z. B. naturwissenschaftliche Sachbücher, bleiben die jeweiligen Regressionskoeffizienten in derselben Größenordnung.

4 Diskussion

In der vorliegenden Studie stand die Frage nach der Unterstützung des naturwissenschaftlichen Lernens von Kindern im letzten Kindergartenjahr im Mittelpunkt. Verglichen wurden drei Lernangebote, in denen Experimente und Gespräche über naturwissenschaftliche Alltagssituationen systematisch variiert wurden. Zur Erfassung der Lernfortschritte wurde ein valides Testinstrument eingesetzt, mit dem in den hier relevanten Inhaltsbereichen ein alltagsnahes und anschlussfähiges naturwissenschaftliches Wissen erhoben wurde.

Erwartungsgemäß zeigen die Analysen, dass das Vorwissen (Personenparameter des Prätests) ein starker Prädiktor für die Leistung im Posttest ist. Auch die, wenn auch hier schwächere Bedeutung des elterlichen Bildungshintergrund ist erwartungskonform (Sirin2005). Der Vorteil von Jungen beim naturwissenschaftlichen Lernen wurde auch in anderen Untersuchungen beobachtet (Blumberg et al.2008; Hopf2011). Als relevant für den Kompetenzerwerb werden auch familiäre bildungsförderliche Aktivitäten erachtet (Mullis et al.2007). In der vorliegenden Untersuchung zeigen aber Indikatoren für die naturwissenschaftliche Anregung in der Familie, z. B. naturwissenschaftliche Sachbücher vorlesen, nur einen geringen Einfluss auf die Lernzuwächse. Dies ist vermutlich mit dem eingesetzten Test zu erklären, der sich stark an einem sehr alltagsnahen Wissen orientiert, während viele der gezielten naturwissenschaftlichen Aktivitäten bereits ein stärker wissenschaftlich orientiertes Wissen anstreben.

Die zentrale Frage dieser Untersuchung war, ob sich Unterschiede in den Lernfortschritten der Gruppen feststellen lassen. Hier zeigt sich, dass nur die EG 3, also die Experimentalgruppe, in denen Experimente mit Alltagssituationen kombiniert wurden, signifikant mehr lernt als die Kontroll- und die Baseline-Gruppe.Footnote 6 Dieses Ergebnis ist erwartungskonform, da in dieser Gruppe zwei Lerngelegenheiten verknüpft wurden, sodass im besten Fall die Vorteile beider Lerngelegenheiten genutzt werden konnten. So können in einem Experiment Phänomene und Sachverhalte besonders deutlich herausgearbeitet werden, sodass sie leicht erkannt werden. Voraussetzung dafür ist, dass die Experimente mit den Lernern nicht nur durchgeführt, sondern die Ideen, Beobachtungen und Ergebnisse auch ausführlich besprochen werden, was hier der Fall war. Gleichzeitig wird durch die Kombination mit Alltagssituationen der Bezug zu Kontexten hergestellt. Dies erleichtert das Wiederentdecken in anderen Situationen und unterstützt damit die Entwicklung eines stärker generalisierten Wissens (diSessa und Wagner2005).

Entgegen unseren Erwartungen fielen die Ergebnisse der EG 1 (Experimente) und EG 2 (Alltagssituationen) aus. Beide Gruppen unterscheiden sich nicht signifikant von der Kontroll- und Baselinegruppe. Die Gruppen unterscheiden sich auch untereinander nicht signifikant, auch wenn die EG 1 (Experimente) deskriptiv mehr lernt als bei die EG 2 (Alltagssituationen). Eine Erklärung für das schlechte Abschneiden der EG 2 (Alltagssituationen) ist die mögliche Schwierigkeit, den hier wesentlichen naturwissenschaftlichen Aspekt der Alltagssituation zu erkennen. Möglicherweise lenken die Kontexte durch weitere Details davon ab, was im Zusammenhang mit dem kontextbasierten Lernen immer wieder diskutiert wird (Bennett et al.2005) und für jüngere Kinder mit geringem Vorwissen und geringen Erfahrungen in formalisierten Lernsituationen ein besonderes Problem darstellen könnte. Auch wird die geeignete Sequenzierung der thematisierten Konzepte und Zusammenhänge, als einem wichtigen Strukturierungsmerkmal (Hardy et al.2006), durch die Komplexität von Alltagssituationen erschwert. Experimente können dagegen so gewählt werden, dass einzelne Aspekte leichter sequenziell bearbeitet werden können, z. B. durch Experimente, in denen zunächstfestesEis undflüssiges Wasser verglichen werden und erst im darauffolgenden Schritt der Übergang zwischen beiden Zuständen in den Blick genommen wird. Hinzu kommt die mögliche Überforderung von Lernern mit geringem Vorwissen, das Gemeinsame zwischen äußerlich unähnlichen Situationen, in denen das gleiche Phänomen zu beobachten ist, zu erkennen (vgl. Wagner2010). So ist z. B. das Gemeinsame der Situationen „der Eiswürfel schmilzt im Getränk“ und „der Schneemann schmilzt in der Sonne“ für Kinder möglicherweise weniger deutlich, weil die eine Situation im Winter, die andere eher im Sommer zu erleben ist, es einmal um Eis und dann um Schnee geht usw. Auch wenn in den Treatments die Zusammenhänge zwischen den Situationen explizit thematisiert wurden, scheint die für das Lernen wichtige Anregung von Vergleichsprozessen (Chi2008) nicht gelungen zu sein. Hier müssen weitere Untersuchungen zeigen, welche Merkmale von Alltagssituationen für jüngere Kinder das Herstellen von Zusammenhängen erleichtern bzw. behindern. Hinsichtlich der EG 1 (Experimente) vermuten wir, dass die ledigliche Verwendung von Alltagsmaterialien, ohne dass die Bezüge explizit gemacht werden, nicht ausreicht um ein alltagsnahes anwendbares Wissen zu entwickeln. Den Zusammenhang zwischen z. B. einem Versuch, in dem das Schmelzen eines Eiswürfels in kaltem und warmem Wasser verglichen wird, und dem Schmelzen eines Eiswürfels im Getränk herzustellen, erkennen Kinder dieser Altersstufe möglicherweise nicht von sich aus.

Wir gehen aufgrund der in Abschn. 1.3 skizzierten Befunde davon aus, dass Gespräche über Alltagssituationen und das Experimentieren durchaus potenzielle Lerngelegenheiten darstellen können, wenn mehr Zeit vorhanden ist. Die aufgewendete Zeit für die hier durchgeführten Treatments von nur 90 Min. pro Inhaltsbereich ist sehr kurz. Gleichwohl muss man sich fragen, ob in Kindergärten, die nicht an spezifischen naturwissenschaftlichen Programmen teilnehmen, tatsächlich viel länger an einem Thema gearbeitet wird. Experimentierbücher, mit denen Kindergärten gut ausgestattet sind, legen eher einzelne Experimente zu sehr vielen verschiedenen Themen/Phänomenen nahe, sodass man vermuten kann, dass pro Inhaltsbereich nicht sehr viel mehr Zeit aufgewendet wird. Genauere Erkenntnisse darüber fehlen aber.

In dieser Studie hat sich die Kombination der beiden Lerngelegenheiten Experimente und Gespräche über Alltagssituationen als besonders geeignet für das naturwissenschaftliche Lernen herausgestellt. Nimmt man wie eingangs beschrieben an, dass pädagogische Fachkräfte Experimente durchführen und dabei nur wenige Bezüge zum Erfahrungsraum der Kinder herstellen (s. 1.3), zeigt sich, dass das Potenzial des frühen naturwissenschaftlichen Lernens nicht genutzt wird. Weitere Studien sind notwendig, um detaillierter zu untersuchen, wie z. B. eine Verknüpfung von Alltagssituationen und Experimenten besonders gut gelingt. Gleichwohl ist dieses erste Ergebnis ein Befund, der auch in der Aus- und Fortbildung des pädagogischen Fachpersonals von Kindergärten thematisiert werden sollte, um das frühe naturwissenschaftliche Lernen zu fördern.