Zusammenfassung
Jugendliche, die die allgemeinbildende Schule ohne Abschluss verlassen, tragen ein erhöhtes Risiko, keine Berufsausbildung abzuschließen und langfristig von stabiler Beschäftigung ausgeschlossen zu bleiben. Allerdings gelingt einem Teil der Absolventen ohne Abschluss der Zugang zu Ausbildung und Erwerbsarbeit. Auf der Basis einer repräsentativen Stichprobe von Absolventen der bayerischen Praxisklassen zeichnet der Beitrag die an den Schulbesuch anschließenden Bildungs- und Ausbildungswege nach. In einer Längsschnittanalyse werden einerseits Bildungswege identifiziert, die direkt oder mit Zwischenschritten in Ausbildungsverhältnisse führen und andererseits Verlaufsmuster dargestellt, in denen sich Jugendliche sukzessiv vom Bildungs- und Ausbildungssystem entfernen. Ein Vergleich von gelungenen und misslungenen Übergangsverläufen macht u.a. folgende Determinanten sichtbar, die pädagogisch gestaltet werden können: Betriebspraktika, Unterstützung durch die Herkunftsfamilie und eine professionelle Unterstützung des Berufswahlprozesses. Neben diesen Einflussfaktoren ist auch die Lage auf den regionalen Arbeitsmärkten für eine gelungene Eingliederung in ein Ausbildungsverhältnis von großer Bedeutung. Durch die enge Verknüpfung mit dem (z.T. schlechten) Arbeitsmarkt, sind den pädagogischen Interventionsmöglichkeiten Grenzen gesetzt.
Abstract
Young people who leave school without obtaining a secondary school certificate bear an increased risk of not completing vocational training and being excluded from stable employment in their working life. However, some of these young people do achieve access to vocational training and employment. Based on a longitudinal study of school-to-work transitions of a representative sample of graduates from Praxisklassen in Bavaria (a course especially designed for potential school drop outs at the lower secondary school – Hauptschule), patterns of transition that lead into vocational training and employment are compared with patterns that end up in exclusion from education, training and employment. Determinants of successful transitions, which can be targeted by pedagogical measures, are inter alia: participation in internships in enterprises during the last year of schooling, help and support received from parents and professional career guidance. However, besides these influential factors, regional labor market conditions are important for a successful school-to-work transition. This close link to the labor market ultimately limits the effects of educational interventions.
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1. Ausgangssituation, Forschungsstand und Fragestellung
Schulische Abschlüsse stellen eine Mindestvoraussetzung für den erfolgreichen Eintritt in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt dar. Der Anteil der Jugendlichen, die in Deutschland die Schule ohne Abschluss verlassen, beträgt ca. 8%(Statistisches Bundesamt 2007, S. 242). Dies betrifft insbesondere Schülerinnen und Schüler aus Hauptschulen (bzw. Hauptschulzweigen an Schulen mit mehreren Bildungsgängen) sowie Förderschulen (Statistisches Bundesamt 2007, S. 251). Jungen verlassen allgemeinbildende Schulen fast doppelt so häufig wie Mädchen ohne Schulabschluss (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 73). Besonders hoch ist der Anteil der Jugendlichen ohne Schulabschluss unter den ausländischen Schülerinnen und Schülern. Fast 20% der ausländischen Jungen erreichen am Ende der Schulzeit keinen Schulabschluss, bei den ausländischen Mädchen sind es 13% (Konsortium Bildungsberichterstattung 2006, S. 73).
Dass der schulische Werdegang und Bildungsabschlüsse einen starken Einfluss auf die Platzierung auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt haben, darauf verweisen Forschungsergebnisse internationaler und nationaler Studien, die die Übergangsverläufe Jugendlicher und junger Erwachsener von der Schule ins Erwerbsleben untersucht haben. So zeigen die Daten des Longitudinal Surveys of Australian Youth (LSAY), dass neben der sozialen Herkunft der Jugendlichen insbesondere schulische Faktoren für die Qualität von Übergängen in den Arbeitsmarkt von Bedeutung sind (Lamb/McKenzie 2001; Marks 2006). Gute Schulleistungen (vor allem Sprach- und Mathematikkenntnisse), Praktika und Teilzeitjobs während oder nach der Schulzeit sowie die Teilnahme an beruflichen Ausbildungstrainings erhöhen die Chancen auf eine Vollzeitbeschäftigung. Jugendliche, die einen niedrigen Bildungsabschluss erreicht haben, nur geringe Arbeitsmarkterfahrungen besitzen und kein berufliches Ausbildungstraining absolviert haben, tragen dagegen ein hohes Risiko, nur in Teilzeitjobs zu arbeiten oder arbeitslos zu bleiben. Der im Ansatz der LSAY-Studie vergleichbare kanadische Youth in Transition Survey (YITS) zeigt, dass dort von prekären Verläufen eher männliche Jugendliche, Jugendliche aus sozial schwachen Familien und Jugendliche mit gering ausgeprägten Bildungsaspirationen betroffen sind (Shaienks/Eisl-Culkin/Bussière 2006). Furlong et al. (2003) kommen bezogen auf Großbritannien zu dem Ergebnis, dass Personen mit geringwertigen Bildungsabschlüssen ein erhöhtes Arbeitsmarktrisiko tragen. Als zentrale Einflussfaktoren für prekäre Übergangsverläufe identifizieren die Autoren folgende Faktoren: ein niedriges Bildungsniveau, häufige Phasen von Arbeitslosigkeit und häufiger Statuswechsel in den ersten drei Jahren sowie ein geringes soziokulturelles und ökonomisches Kapital der Herkunftsfamilie. Für die Schweiz zeigen sich ähnliche Ergebnisse: Imdorf hat die Platzierungen im Ausbildungssystem für eine repräsentative Stichprobe von Schülerinnen und Schülern untersucht, die im Jahr 2001 ihr neuntes Schuljahr in Sekundarschulen der deutschsprachigen Schweiz absolviert hatten. Nach seinen Ergebnissen bestand insbesondere für Jugendliche mit dem niedrigsten Sekundarschulabschluss und einer schlechten Mathematiknote eine hohe Wahrscheinlichkeit, keine Lehre zu beginnen, sondern stattdessen sog. „Brückenangebote“ anzunehmen. Diese mündeten zwar teilweise über Umwege in reguläre Berufsausbildungen, führten die Betroffenen aber häufig auch ohne weitere formale Qualifizierung in prekäre Erwerbsarbeitsverhältnisse (Imdorf 2005, S. 353; vgl. auch Böni 2003, S. 98).Footnote 1
Auch für Deutschland liegen eine Reihe von empirischen Untersuchungen vor, deren Ergebnisse auf einen engen Zusammenhang zwischen niedrigem Bildungsniveau und erhöhten Arbeitsmarktrisiken beim Übergang vom Bildungssystem in den Arbeitsmarkt verweisen (Bertram et al. 1994; Bien et al. 1994; Büchtemann/Schupp/Soloff 1993; Friebel 1999; Hillmert/Mayer 2004; Mansel/Hurrelmann 1992; Max-Planck-Institut für Bildungsforschung 1995; Meulemann 1995; Schweikert 1999).
Trotz der Bedeutung, die in Deutschland dem Schulabschluss für das Gelingen der beruflichen Integration zugesprochen wird, sind die Übergangsschwierigkeiten von Jugendlichen ohne Schulabschluss, bisher kaum erforscht. Zu den wichtigsten Untersuchungen zählen die Studien von Solga (2004, 2005). Auf der Basis der Daten der Lebensverlaufsuntersuchungen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (Geburtskohorten 1964 und 1971) wurden die Bildungs-, Ausbildungs- und Erwerbsverläufe von Personen analysiert, die am Ende ihres Regelschulbesuchs in Förder- oder Hauptschulen den Hauptschulabschluss nicht erworben hatten. Zu fast 90% traten sie in das Berufsbildungssystem (einschließlich des Systems der Förderangebote) ein und schlossen zu fast 60% eine Berufsausbildung ab (ebd., S. 52). Eintritts- und Abschlussquoten unterscheiden sich allerdings deutlich zwischen denjenigen, die nach dem Regelschulbesuch noch nachträglich den Hauptschulabschluss erwarben, und den jungen Erwachsenen, die bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres noch immer keinen Hauptschulabschluss hatten. Fast alle, die den Hauptschulabschluss nachgeholt hatten, traten auch ins Berufsbildungssystem ein, und knapp 80% erwarben einen Ausbildungsabschluss. Bei der Vergleichsgruppe ohne Hauptschulabschluss waren dies nur 77%, wovon lediglich 44% einen Ausbildungsabschluss erwarben (ebd., S. 52). Diese Ergebnisse weisen einerseits auf die Möglichkeit hin, auch nach dem Ende des Regelschulbesuches durch nachgelagerte Bildungs- und Qualifizierungsangebote die Voraussetzung für Erwerbsarbeit zu schaffen (Solga 2004, S. 61). Sie belegen andererseits aber auch das hohe Risiko einer Ausgrenzung vom Arbeitsmarkt für diejenigen, denen auch nach der regulären Schulzeit das Nachholen von Bildungsabschlüssen nicht gelingt.
Prein (2006) hat die Bildungs-, Ausbildungs- und Erwerbskarrieren von 5.469 jungen Erwachsenen (retrospektiv) erhoben, die in den Jahren 2000 bis 2004 eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme absolviert hatten. Von diesen hatten 5% den Abschluss der Sonderschule, weitere 42% verfügten über keinen Hauptschulabschluss. Zudem zeigten sich Hinweise auf verlängerte Schulbesuchszeiten für diese Gruppe (Prein 2006, S. 28). In ihren Bildungs-, Ausbildungs- und Erwerbsverläufen weisen Absolventinnen und Absolventen der Sonderschule bzw. ohne Hauptschulabschluss im Vergleich zu Befragten mit Real- und Hauptschulabschluss eine Reihe von Unterschieden auf: Deutlich häufiger waren sie von Phasen lang anhaltender Arbeitslosigkeit betroffen. Zudem hielten sie sich in größerem Maße überwiegend oder sogar ausschließlich in Angeboten des zweiten Arbeitsmarktes auf, während Jugendliche mit Schulabschluss häufiger Qualifizierungs- und Beschäftigungsphasen im ersten Arbeitsmarkt absolvieren konnten (Prein 2006, S. 43). Personen, die keinen Hauptschulabschluss erworben bzw. die Sonderschule absolviert hatten, trugen danach ein erhöhtes Risiko, längere Zeit arbeitslos zu bleiben und bei Qualifizierung und Beschäftigung die Schwelle zum ersten Markt nicht überwinden zu können.
Lex (1997) hat retrospektiv die Bildungs-, Ausbildungs- und Erwerbsverläufe von 2.232 Jugendlichen und jungen Erwachsenen erhoben, die sich zum Zeitpunkt der Befragung in einem Förderangebot der Jugendsozialarbeit befanden. Vier von zehn Befragten hatten keinen Hauptschulabschluss bzw. nur den Abschluss der Sonderschule. (Lex 1997, S. 119f.). Die Analysen belegen einen klaren Zusammenhang zwischen erworbenem Schulabschluss und der Häufigkeit der nachfolgenden Teilnahme an Fördermaßnahmen: Je geringer die Qualität des Schulabschlusses, desto häufiger nahmen die Jugendlichen an Fördermaßnahmen teil (Lex 1997, S. 238). Gleichzeitig erhöhte sich insbesondere bei Personen ohne Schulabschluss mit zunehmender Dauer der absolvierten „Förderschleifen“ das Risiko, dass der Einstieg in eine reguläre Berufsausbildung nicht gelang (Lex 1997, S. 167).
In einer prospektiv angelegten Längsschnittstudie verfolgten Dietz et al. die Bildungs- und Ausbildungswege von 424 Bremer Schulabgängern. Dabei wurden Hauptschülerinnen und -schüler mit Abschluss mit Hauptschülerinnen und -schülern ohne Abschluss bzw. Absolventinnen und Absolventen der Sonderschule verglichen. Nach dreieinhalb Jahren hatten knapp 20% der Hauptschülerinnen und -schülern mit Abschluss eine Berufsausbildung abgeschlossen. In der Vergleichsgruppe war dies lediglich 4% gelungen. Knapp 30% der Befragten mit Abschluss befanden sich zum Befragungszeitpunkt noch in einem Ausbildungsverhältnis (Vergleichsgruppe: nur 6%). 35% der Jugendlichen ohne Abschluss (aber nur 6% der Jugendlichen mit Hauptschulabschluss) hatten ihre Qualifizierungsanstrengungen eingestellt (Dietz et al. 1997, S. 266).
Die Ergebnisse der ausgewerteten Studien lassen sich wie folgt zusammenfassen: Jugendliche ohne Hauptschulabschluss haben geringe Chancen, unmittelbar nach dem Ende der Regelschulzeit eine Berufsausbildung beginnen zu können. Sie nutzen nur selten die Möglichkeit, durch einen weiteren bzw. erneuten Schulbesuch einen Abschluss nachzuholen, obwohl dies ihre Startchancen verbessern würde. Stattdessen sind sie häufig auf Fördermaßnahmen angewiesen. Sie tragen ein hohes Risiko, durch eine Aneinanderreihung von Fördermaßnahmen und durch längere Phasen der Arbeitslosigkeit vom regulären Ausbildungssystem abgekoppelt zu werden. Trotzdem, und auch das zeigen die Ergebnisse der aufgeführten Untersuchungen, platziert sich ein Teil der Jugendlichen auch ohne Schulabschluss (erfolgreich) auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt. Die Frage, wie es einem Teil der Jugendlichen trotz schwieriger schulischer Voraussetzungen gelingt, beruflich Fuß zu fassen, ist allerdings bisher kaum empirisch untersucht.
Untersuchungen, die sich mit Jugendlichen ohne Schulabschluss befassen, vergleichen diese fast ausnahmslosFootnote 2 mit Jugendlichen, die einen Schulabschluss erreicht haben. Obwohl bekannt ist, dass auch Jugendliche ohne Schulabschluss unterschiedliche Ausbildungs- und Erwerbswege einschlagen, sind die Determinanten dieser unterschiedlichen Wege bisher kaum erforscht. Hier setzt unser Beitrag an: Wir gehen in einem ersten Schritt Unterschieden in den Bildungs- und Ausbildungswegen von Jugendlichen ohne Schulabschluss nach und ermitteln in einem zweiten Schritt die möglichen Determinanten der festgestellten Unterschiede.
Zunächst werden die Bildungs- und Ausbildungswege dahingehend untersucht, ob sich unterschiedliche Verlaufsmuster identifizieren lassen. In welchem Maße gelingt es Jugendlichen ohne Schulabschluss, direkt nach der Schule oder auch zeitlich verzögert, eine Ausbildung zu beginnen? Inwiefern unterscheidet sich der Verlauf bei „Erfolgreichen“ und „weniger Erfolgreichen“? Welche Rolle spielen dabei absolvierte Praktika? Welchen Weg schlagen die Jugendlichen nach dem Schulbesuch ein und wie wirkt sich dies auf den weiteren Verlauf aus? Welche Rolle spielen Angebote der Berufsvorbereitung? Daran anschließend untersuchen wir mögliche Determinanten für unterschiedliche Bildungs- und Ausbildungswege. Welchen Jugendlichen gelingt der Übergang von der Schule in den Beruf? Welche ausgewählten Merkmale sind für einen erfolgreichen Einstieg in das Berufsleben bedeutsam?
2. Datengrundlage und Beschreibung der Stichprobe
Datenbasis für die folgenden Analysen bildet eine Teilstichprobe des DJI-ÜbergangspanelsFootnote 3, einer bundesweiten Längsschnittuntersuchung zu den Bildungs-, Ausbildungs- und Erwerbswegen von Jugendlichen mit Hauptschulbildung. Die Basiserhebung fand im März 2004 als Fragebogenerhebung im Klassenverband statt, die FolgebefragungenFootnote 4 wurden telefonisch per CATIFootnote 5 durchgeführt. Die Untersuchung wird bis 2009 fortgeführt und erstreckt sich damit insgesamt über einen Zeitraum, der sowohl die Übergangsphase nach dem Schulbesuch als auch den Übergang von der Berufsausbildung in die Beschäftigung umfasst.
Die hier analysierte Teilstichprobe von Jugendlichen ohne Schulabschluss rekrutiert sich aus Absolventinnen und Absolventen bayerischer Praxisklassen. Die bayerischen Praxisklassen sind ein freiwilliges einjähriges Angebot für Hauptschülerinnen und -schüler, für die erwartet wird, dass sie den Hauptschulabschluss nicht mehr erreichen können. Aufgrund von Schuljahrswiederholungen befinden sie sich häufig bereits im neunten Schulbesuchsjahr, haben aber die 6. oder 7. Klassenstufe noch nicht erfolgreich absolviert. Zentrales Merkmal der bayerischen Praxisklassen ist eine Unterrichtsform, die nicht auf den Hauptschulabschluss vorbereiten soll, sondern in erster Linie praxis- und berufsorientiert ist. Der Praxisanteil ist in Form von Langzeit- oder Blockpraktika organisiert: Entweder nehmen die Jugendlichen während des Schuljahrs an ein oder zwei Tagen in der Woche an einem betrieblichen Praktikum teil oder sie absolvieren alternierende Phasen von schulischem Unterricht und betrieblichen Blockpraktika. In aller Regel existiert eine sozialpädagogische Betreuung.
Ziel der Praxisklassen ist die Förderung der Lernmotivation, die Verbesserung der schulischen Leistungen, die Entwicklung berufsrelevanter Kompetenzen sowie die Vermittlung von Arbeitserfahrungen. In den Praktika können Betriebe Schülerinnen und Schüler als potenzielle Auszubildende kennen lernen. Betriebe, die Absolventinnen und Absolventen aus Praxisklassen ausbilden, erhalten eine finanzielle Förderung.
Die hier analysierte Teilstichprobe ist für die bayerischen Praxisklassen repräsentativ: Aus den (im Jahr 2004 bestehenden) 90 Hauptschulen mit jeweils einer Praxisklasse wurde eine nach Regierungsbezirken geschichtete 50% Zufallsstichprobe gezogen. Von den 45 angeschriebenen Schulen beteiligten sich 36 an der Basisbefragung. Die Ausgangsstichprobe der folgenden Analysen bilden 477 Jugendliche, die an der Basiserhebung teilgenommen haben. 390 Jugendliche erklärten sich bereit, auch an der Folgebefragung teilzunehmen. In der zweiten Erhebungswelle konnten mittels CATI 316 Interviews realisiert werden. Dies entspricht einer Ausschöpfungsquote von 66%. Die dritte Erhebung wurde im November 2004, etwa ein halbes Jahr nachdem die Jugendlichen die Schule verlassen hatten, mit 308 Schülerinnen und Schülern durchgeführt. Zwei weitere Befragungswellen erfolgten im November 2005 und November 2006. An diesen Befragungen nahmen 254 bzw. 208 Jugendliche teil.
Zum Zeitpunkt der Basiserhebung bestand die Stichprobe zu 77% aus Jungen und zu 23% aus Mädchen. Die Mehrheit der Jugendlichen (94%) war im März 2004 15 oder 16 Jahre alt, nur wenige waren jünger oder älter. 50% der Jugendlichen sind junge Migrantinnen und MigrantenFootnote 6 (21% sind in Deutschland geboren, 29% sind selbst nach Deutschland zugezogen). Über die Erhebungswellen finden in einem geringen Ausmaß systematische Ausfallprozesse statt, die zu einer veränderten Zusammensetzung der Stichprobe führen. So verbleiben Mädchen (März 2004 22,7%, November 2006 25,5%) sowie junge Migrantinnen und Migranten (März 2004 50,0%, November 2006 53,1%) etwas häufiger in der Stichprobe als Jungen und Jugendliche deutscher Herkunft.
3. Auswertungsschritte
Der erste Analyseschritt besteht in der deskriptiven Darstellung der Bildungs- und Ausbildungsstationen in den ersten drei Übergangsjahren. Die Gesamtverteilung der Jugendlichen auf verschiedene Bildungs- und Ausbildungsstationen zu den drei untersuchten Zeitpunkten November 2004, 2005 und 2006 wird dargestellt (4.1).
Die darauf folgenden Analysen beziehen sich auf die Bildungs- und Ausbildungsverläufe (4.2). Die diesem Beitrag zugrunde liegenden Längsschnitt- oder Sequenzdaten umfassen 30 Monate und sechs mögliche Stationen: Schule, Berufsausbildung, Berufsvorbereitung/Praktikum/Freiwilliges Jahr (zu einer Kategorie zusammengefasst), Erwerbsarbeit, ohne Ausbildung/Arbeit und „Lücke“ (keine Information zur Tätigkeit vorhanden).
Als Verfahren zur Analyse der Verlaufs- oder Sequenzdaten wird die Optimal-Matching-Methode eingesetzt. Durch den Vergleich von Sequenzen können Muster, Regelmäßigkeiten und Strukturen in Sequenzen – in unserem Fall in Bildungsverläufen – erkannt werden.Footnote 7 Ergebnis des Optimal-Matching-Verfahrens sind Distanzen, die das Ausmaß der Nähe zwischen Verläufen bestimmen (Erzberger/Prein 1997, S. 64). Die Berechnung der Distanzen wurde mit dem Statistikprogramm „Transition Data Analysis“ (TDA)Footnote 8 vorgenommen, in dem der Optimal-Matching Algorithmus implementiert ist. Die ermittelten Distanzen liefern die notwendige Grundlage, um in einem weiteren Schritt clusteranalytisch Verlaufsmuster identifizieren und klassifizieren zu können. Die Ordnung der Muster zu in sich möglichst homogenen und voneinander gut unterscheidbaren Gruppen erfolgte mithilfe einer Clusteranalyse unter Verwendung des Fusionsalgorithmus von Ward.
Der letzte Analyseschritt besteht in einer binären logistischen Regression (4.3). Nachdem die ermittelten Cluster zu zwei Gruppen zusammengefasst wurden, wird anhand eines binären Regressionsmodells untersucht, welche der von uns untersuchten Prädiktoren die Unterschiedlichkeit der Bildungs- und Ausbildungswege erklären können.
4. Ergebnisse
4.1 Bildungs- und Ausbildungsstationen der Jugendlichen in den ersten drei Übergangsjahren
Im ersten Schritt werden die beruflichen Pläne der Jugendlichen sowie die Bildungs- und Ausbildungsstationen in den drei ersten Übergangsjahren beschrieben. In der Basiserhebung im März 2004 wurden die Jugendlichen gefragt, was sie im Herbst nach dem aktuellen Schuljahr am wahrscheinlichsten tun werden. Im November 2004, d.h. etwa vier Monate nach Verlassen der Schule, im November 2005 und im November 2006 wurden die realisierten Bildungs- und Ausbildungssituationen der Jugendlichen erhobenFootnote 9 (vgl. Abbildung 1).
Zwei Drittel der Schülerinnen und Schüler orientieren sich im März des letzten Schulbesuchsjahres an der traditionellen Abfolge Schule – Ausbildung – Arbeit und planen, nach der Schule eine Ausbildung zu beginnen. Für 13% ist bereits klar, dass sich an die Schule zunächst eine Berufsvorbereitung als Zwischenstation anschließen wird. Ein weiterer Schulbesuch steht nur für eine sehr kleine Minderheit zur Diskussion. Die Option, unmittelbar nach der Schule zu arbeiten und damit auf eine berufliche Ausbildung oder schulische Weiterqualifikation zumindest zunächst zu verzichten, erwägen nur 5% der Jugendlichen. Fast jede/r Zehnte konnte im März keinen konkreten Plan für den Herbst nennen.
Der Vergleich der realen Situation im Herbst 2004 mit den Plänen aus dem Frühjahr zeigt, dass weniger als die Hälfte der Jugendlichen, die eine Berufsausbildung beginnen wollten, dieses Ziel auch erreicht haben: nur 29% haben tatsächlich eine Ausbildung begonnen, obwohl es 68% geplant hatten. Während nur 13% der befragten Jugendlichen angegeben hatten, eine berufsvorbereitende Maßnahme zu absolvieren, schlagen etwa drei Mal so viele diesen Weg tatsächlich ein. Damit ist die Berufsvorbereitung für Absolventinnen und Absolventen bayerischer Praxisklassen die mit Abstand häufigste Bildungsstation im ersten Herbst nach der Schule. Gut jede/r Zehnte geht den Weg eines weiteren Schulbesuchs, um doch noch einen Schulabschluss zu erwerben. Sehr wenige Jugendliche sind im Herbst in ungelernter Erwerbsarbeit, 10% bleiben unversorgt.
Gegenüber dem Herbst des ersten Übergangsjahres ergeben sich im Folgejahr starke Veränderungen: Der Anteil der Jugendlichen mit begonnener Ausbildung, hat sich nahezu verdoppelt. Mehr als halbiert hat sich dagegen der Anteil der Jugendlichen, die eine berufsvorbereitende Fördermaßnahme besucht. Die größte Gruppe derjenigen, die im Herbst 2004 in einer Berufsvorbereitung waren, hat im zweiten Jahr eine Berufsausbildung begonnen. Für diese Jugendlichen hatte die Berufsvorbereitung die intendierte Funktion einer einjährigen Vorbereitung auf die Aufnahme einer Ausbildung erfüllt. Deutlich weniger Jugendliche als im Vorjahr gehen im Herbst 2005 noch weiter zur Schule. Der Anteil an unversorgten Jugendlichen, die sich weder in Bildung, Ausbildung oder Arbeit befinden, ist auf 12% angewachsen. Hierbei ist anzumerken, dass nur ein kleiner Teil dieser Jugendlichen bereits im ersten Jahr ohne Ausbildung oder Arbeit war. Die meisten sind erst nach einer Berufsvorbereitung oder einer abgebrochenen Ausbildung in diesen Status gewechselt.
Im dritten Übergangsjahr (November 2006) ist der Anteil der Jugendlichen, die sich in einer Berufsausbildung befinden, auf 62% angewachsen. Besonders deutliche Veränderungen gegenüber dem Vorjahr zeigen sich bei den Stationen Berufsvorbereitung und (ungelernte) Arbeit. Nur 3% nehmen im dritten Übergangsjahr noch an einem berufsvorbereitenden Angebot teil, darunter eine sehr geringe Zahl von Jugendlichen, die sich bereits über drei Jahre in Berufsvorbereitung befanden. Der Anteil an Jugendlichen, die einer ungelernten Erwerbsarbeit nachgehen, ist über die drei Jahre kontinuierlich auf 13% im Herbst 2006 angestiegen. Weiter gewachsen ist auch der Anteil der Jugendlichen, die ohne Ausbildung und Arbeit sind. Dies betrifft inzwischen fast jede/n Fünfte/n. Die Option des weiteren Schulbesuchs verfolgen im Herbst 2006 nur noch 3% der Jugendlichen.
Die Ergebnisse zeigen, dass innerhalb von drei Jahren zwei Drittel der Jugendlichen – obwohl sie ohne Hauptschulabschluss die Schule verlassen haben – eine Ausbildung beginnen konnten.
Häufig haben die ausbildenden Betriebe diese Jugendlichen bereits zuvor im Rahmen eines Praktikums kennenlernen können und boten ihnen aus diesem Grund trotz der schlechten schulischen Voraussetzungen und dem fehlenden Schulabschluss eine Ausbildungsstelle an. Auffallend ist, dass dieser durch Praktika hergestellte „Klebeeffekt“ nicht nur im ersten, sondern – wenn auch in geringerem Umfang – auch im zweiten und dritten Jahr nach der Schulzeit trotz eingeschobener Zwischenstationen zu beobachten ist. 91% der Jugendlichen, die im ersten Herbst eine betriebliche Ausbildung begannen, hatten zuvor ein Praktikum im Ausbildungsbetrieb absolviert. Bei den Ausbildungs-Beginnern im zweiten Übergangsjahr galt das für 81% und im dritten Übergangsjahr noch für 58%.
Alles in allem zeigt sich im dritten Übergangsjahr, dass sich die Praxisklassenabsolventinnen und -absolventen in zwei Gruppen aufspalten. Die erste Gruppe – etwa zwei Drittel der Jugendlichen – hat trotz schwieriger schulischer Ausgangssituation den Weg in eine Berufsausbildung gefunden. Dagegen befindet sich die zweite Gruppe (etwa ein Drittel) im dritten Jahr in keiner Form von schulischer oder beruflicher Bildung. Diese Jugendlichen sind entweder arbeitslos oder arbeiten ungelernt. Für sie besteht ein hohes Risiko, dass sie auch nachträglich keinen Schulabschluss mehr erlangen, keinen Zugang zu Berufsausbildung finden und damit möglicherweise langfristig von stabiler Erwerbsarbeit ausgeschlossen sein werden.
4.2 Unterschiedliche Verläufe der Bildungs- und Ausbildungswege
In der dargestellten deskriptiven Gesamtbetrachtung finden sich erste Hinweise auf Unterschiede in den Bildungs- und Ausbildungswegen der Jugendlichen. Im Folgenden wird daher untersucht, ob sich mittels einer Clusteranalyse nach der Ward-Methode unterschiedliche Verlaufstypen identifizieren lassen. Aufgrund des Vergleichs verschiedener Clusterlösungen, für die inhaltliche Kriterien, Clustergröße und Scree-Plot ausschlaggebend waren, fiel die Entscheidung zugunsten einer 9-Cluster-Struktur, so dass im Folgenden insgesamt neun Verlaufstypen unterschieden werden. Abbildung 2 zeigt die prozentualen Anteile der verschiedenen Bildungs- und Ausbildungsstationen in den ersten 30 Monaten je Verlaufstyp. Zusätzliche „optische“ Analysen der einzelnen Verläufe auf Fallebene erlauben zudem, die zeitliche Abfolge der verschiedenen Stationen zu beschreiben.
Das Verlaufscluster „Ausbildung“ ist mit 30% das größte Cluster. Es setzt sich aus Jugendlichen zusammen, die bereits im Herbst des ersten Übergangsjahres eine Berufsausbildung begonnen haben und sich auch nach 30 Monaten noch in einem Ausbildungsverhältnis befinden. Nach einer kurzen Orientierungsphase von ein bis drei Monaten haben diese Jugendlichen den Einstieg in eine Berufsausbildung gefunden und bleiben auch – mit wenigen Ausnahmen – stabil in diesem Ausbildungsverhältnis.
Das zweite, relativ kleine Cluster kann mit der Formel „über Schule in Ausbildung“ beschrieben werden. Typischerweise gehen die Jugendlichen dieser Gruppe ein weiteres Jahr in die Schule, bevor sie im Herbst des zweiten Jahres eine Ausbildung beginnen.
Ähnlich gestaltet sich der Verlaufstyp „über Berufsvorbereitung in Ausbildung“, der knapp ein Viertel der Jugendlichen umfasst. Dieser Gruppe gelingt der Einstieg in eine Berufsausbildung nach einer etwa zehn- bis zwölfmonatigen Phase der Berufsvorbereitung. Nachfolgend bleiben sie zu großen Teilen stabil in einem Ausbildungsverhältnis.
Jugendliche, die sich den Großteil der Zeit in berufsvorbereitenden Angeboten befinden, bilden das vierte Cluster: „zweite Runde Berufsvorbereitung“. Sie beginnen unmittelbar oder mit einer kurzen Verzögerung von bis zu zwei Monaten eine Berufsvorbereitung. An den Besuch eines ersten berufsvorbereitenden Angebotes schließt sich direkt der Besuch eines zweiten an. Häufig besuchen diese Jugendlichen dabei zunächst eine schulisch organisierte Berufsvorbereitung (z.B. BVJ) und anschließend ein berufsvorbereitendes Bildungsangebot der Arbeitsagentur.
Das kleinste Cluster „Schule“ besteht aus nur 6 Jugendlichen. Diese setzten ihren Schulbesuch nach dem letzten Pflichtschuljahr ohne nennenswerte Unterbrechung fort und verbleiben konstant in schulischer Bildung.
Im Verlaufstyp „Schule und Berufsvorbereitung“ befinden sich ebenfalls nur wenige Jugendliche. Die meisten Jugendlichen dieser Gruppe schlossen nach dem Pflichtschulbesuch ein weiteres Schuljahr an, bevor sie in ein berufsvorbereitendes Angebot münden.
Der Verlaufstyp „Schule, ohne Ausbildung/Arbeit, Sonstiges“ ist relativ heterogen. Zu jedem Zeitpunkt befindet sich etwa die Hälfte der Jugendlichen dieses Cluster in der Schule. Innerhalb der ersten zwölf Monate besucht ein weiterer Teil der Jugendlichen eine Maßnahme zur Berufsvorbereitung. Je später der Beobachtungszeitraum, desto mehr Jugendliche dieses Clusters sind ohne Ausbildung und Arbeit.
Ein weiterer Verlaufstyp wird dadurch charakterisiert, dass die Jugendlichen ungelernt in Arbeitsverhältnisse eintreten. Ein Teil dieser Jugendlichen tut dies bereits wenige Monate nach dem Ende des letzten Pflichtschuljahres, während ein anderer Teil zunächst eine Ausbildung oder Berufsvorbereitung beginnt. Diese werden dann aber nach einem Jahr bzw. nach eineinhalb Jahren zugunsten eines Arbeitsplatzes (ungelernte Tätigkeit) abgebrochen.
Das letzte Cluster umfasst rund 14% der Jugendlichen. Der Großteil dieser Jugendlichen ist über den gesamten Zeitraum ohne Ausbildung und Arbeit. Einige hatten im Anschluss an das letzte Pflichtschuljahr eine etwa einjährige Phase von Berufsvorbereitung. Die Zahl der Jugendlichen, die zumindest zeitweise in schulischer oder beruflicher Bildung sind, ist verschwindend gering.
4.3 Determinanten der Bildungs- und Ausbildungswege
Im nachfolgenden Analyseschritt wird anhand eines Regressionsmodells untersucht, welche der benannten Merkmale die Verläufe der Bildungs- und Ausbildungswege vorhersagen. Wodurch lassen sich die unterschiedlichen Verlaufsmuster der ersten 30 Monate nach dem Pflichtschulbesuch erklären? Individuelle Merkmale der Jugendlichen, askriptive und strukturelle Variablen gehen als Prädiktoren in das Modell ein, deren Einfluss auf den Verlauf der Übergangswege untersucht wird. Dabei geht es nicht darum, umfassend alle denkbaren Einflüsse abzubilden, sondern Faktoren heranzuziehen, die nach dem aktuellen Stand der Forschung die unterschiedlichen Platzierungen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt bedingen. Die differenzierten Verläufe des Bildungs- und Ausbildungsweges stellen die zu erklärende Variable dar.
Als vorbereitender Schritt wird die Anzahl der Cluster reduziert, indem die neun beschriebenen Verlaufstypen nach inhaltlichen Gesichtspunkten zu zwei Gruppen zusammengefasst werden. Dies ist notwendig, da die Fallzahlen in den neun Verlaufstypen teilweise sehr klein sind. Der ersten Gruppe werden die Jugendlichen zugeordnet, die unmittelbar oder nach einem Zwischenschritt eine Ausbildung begonnen haben. Die Gruppe setzt sich aus den drei Verlaufstypen „Ausbildung“, „über Schule in Ausbildung“ und „über Berufsvorbereitung in Ausbildung“ (Cluster 1, 2, 3) zusammen (insgesamt 58,1% der Jugendlichen). Die restlichen sechs Verlaufstypen bilden die zweite Gruppe derjenigen Jugendlichen, die sich zum Ende des untersuchten Zeitraumes nicht in einer Berufsausbildung befinden. Diese Jugendlichen gehen weiterhin/erneut zur Schule bzw. besuchen Maßnahmen der Berufsvorbereitung (Cluster 4, 5, 6 und 7), arbeiten ungelernt (Cluster 8) oder sind weder erwerbstätig noch in Bildung oder Ausbildung (Cluster 9 „ohne Ausbildung und Arbeit“).
Die Auswahl der Prädiktoren erfolgte mit Bezug auf den Forschungsstand. Dem liegen zwei Hauptannahmen zugrunde: Auch innerhalb der vermeintlich homogenen Gruppe der Praxisklassenschülerinnen und -schüler finden sich Jugendliche mit sehr unterschiedlichen „Schulerfahrungen“. Wir gehen davon aus, dass nicht nur das Zertifikat des Schulabschlusses (auf das sich die meisten der entsprechenden Untersuchungen beziehen), sondern dass auch schulbezogene Merkmale wie Schulleistung (ermittelt über die Mathematiknote im letzten Zeugnis; vgl. Beicht/Ulrich 2008), Ausmaß des Schulschwänzens (Schreiber-Kittl/Schröpfer 2002), Anzahl absolvierter Praktika (Rebien/Spitznagel 2007; Scharrer/Vogler 2007), Klassenwiederholungen (Tillmann/Meier 2001) sowie das Vorhandensein eines Berufswunsches (Herzog/Neuenschwander/Wannack 2006) am Ende des letzten Pflichtschuljahres Einfluss auf die folgenden Platzierungen haben.
Zweitens nehmen wir an, dass unterschiedliche außerschulische Formen der Unterstützung und Vorbereitung einen bedeutsamen Einfluss auf den Übergang von der Schule in den Beruf und auf die Bildungs- und Ausbildungswege nach der Schule haben. Hierbei beziehen wir uns konkret auf Unterstützungsleistungen, die in Vorbereitung auf diesen Übergang erfolgen und der beruflichen Orientierung dienen. Es wird davon ausgegangen, dass insbesondere Jugendliche mit schwierigen Startchancen einer solchen intensiven Unterstützung bedürfen (Stauber/Walther/Pohl 2007) und dass sich diese Form der Unterstützung positiv auf den Übergangsprozess auswirkt. Dazu werden auf der einen Seite das familiäre Umfeld und auf der anderen Seite die professionelle Beratung in den Blick genommen. In die Analyse einbezogen werden der Einfluss elterlicher Unterstützung beim Erstellen von Bewerbungsunterlagen sowie die Nutzung von Leistungen der Berufsberatung.
Auf der Ebene von Merkmalen werden die askriptiven Merkmale der Jugendlichen Geschlecht und Migrationshintergrund (Imdorf 2005; Wagner 2005; Hillmert/Mayer 2004) als Prädiktoren in das Modell aufgenommen. Schließlich wird die Arbeitslosenquote auf Kreisebene (für das Jahr 2003) als Indikator für die Arbeitsmarktlage (Blien/Hirschenauer/van Hong 2006) am Schulort der Jugendlichen in das Modell einbezogen. Tabelle 1 zeigt deskriptiv die Ausprägung der Prädiktorvariablen in den beiden neu gebildeten Gruppen von Verlaufstypen.
Die Ergebnisse des Regressionsmodells sind in Tabelle 2 dargestellt. Mädchen haben gegenüber Jungen eine hochsignifikant geringere Chance auf einen Bildungsverlauf, der sie letztendlich in ein Ausbildungsverhältnis führt. Der Migrationshintergrund hat nur einen sehr geringen Effekt. Von den schulbezogenen Merkmalen haben der Umfang von Praktikumserfahrungen, das Ausmaß des Schulschwänzens sowie die Klarheit des Berufswunsches einen signifikanten Effekt. Jugendliche mit fünf und mehr Praktika haben eine höhere Chance, eine Ausbildung zu beginnen als Jugendliche mit maximal vier Praktika. Dagegen steigert das tage- oder stundenweise Schwänzen das Risiko eines Weges, der nicht in Ausbildung führt. Gegenüber Jugendlichen, die noch keinen konkreten Berufswunsch angeben können, treten Jugendliche mit einem sicheren Berufswunsch häufiger in eine Ausbildung ein. Unterstützung durch die Eltern im Bewerbungsprozess erhöht ebenfalls die Wahrscheinlichkeit einer Berufsausbildung. Eine hohe Arbeitslosenquote hat einen ähnlich starken hochsignifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit eines Bildungsverlaufs, der in Ausbildung mündet, wie das Geschlecht der Jugendlichen. Jugendliche, die in Regionen wohnen, in denen die Arbeitslosenquote über 10% liegt, beginnen in den ersten 30 Monaten nach der Schulzeit deutlich seltener eine Berufsausbildung als Jugendliche aus Regionen mit niedrigerer Arbeitslosigkeit.
5. Fazit
Eine Reihe von Untersuchungen hat gezeigt, dass es Jugendlichen ohne Schulabschluss deutlich schwerer gelingt, sich erfolgreich auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu platzieren (Böni 2003; Dietz et al. 1997; Imdorf 2005; Lex 2004; Prein 2006). Dennoch schafft ein Teil der Schulabsolventinnen und -absolventen ohne Abschluss den Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung. Welche Faktoren innerhalb dieser Gruppe den gelungenen Übergang in die Berufsausbildung positiv beeinflussen, wurde in der empirischen Forschung bislang unzureichend behandelt. Dieser Frage wurde darum in einer Analyse von Längsschnittdaten zu den Bildungs- und Ausbildungswegen von Absolventinnen und Absolventen der bayerischen Praxisklassen nachgegangen.
Die vorgestellten Ergebnisse müssen vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass es sich bei den Absolventinnen und Absolventen bayerischer Praxisklassen um eine spezifische Gruppe Jugendlicher ohne Schulabschluss handelt, die im Rahmen des Praxisklassenansatzes in besonderer Weise pädagogisch unterstützt werden.
Ein erster Befund lautet: Der direkte Übergang aus der Schule in eine Ausbildung gelingt nur einer Minderheit. In den darauf folgenden beiden Jahren beginnen jedoch fast zwei Drittel der Jugendlichen eine Ausbildung. Neben dieser positiven Tendenz wird eine zweite Entwicklung sichtbar. Zwischenschritte wie berufsvorbereitende Maßnahmen oder der weitere Schulbesuch werden im Verlauf der ersten drei Jahre nach dem Verlassen der Praxisklassen immer seltener. Wer bis ins dritte Jahr den Sprung aus solchen Zwischenschritten in eine Ausbildung nicht geschafft hat, verbleibt zunächst mit hoher Wahrscheinlichkeit in ungelernter Arbeit oder Arbeitslosigkeit. Es zeichnen sich damit zwei deutlich zu unterscheidende Verlaufswege ab: Ein Weg führt in Ausbildung, der zweite führt immer weiter davon weg.
Was sind Determinanten, die bei Jugendlichen ohne Schulabschluss Einfluss auf die Platzierung in Ausbildung haben und damit zu einer Binnendifferenzierung der Wege innerhalb dieser Gruppe führen?
Auf der Ebene der (im weiteren Sinne) schulischen Erfahrungen der Jugendlichen ist der Umfang an Praktikumserfahrung ein wichtiger Einflussfaktor. Auch darüber hinaus wirken schulische Erfahrungen auf den weiteren Bildungs- und Ausbildungsweg. Unterrichtsschwänzen vermindert die Wahrscheinlichkeit einer Ausbildungsaufnahme. Eine erfolgreiche Berufsorientierung, die zu einer klaren Vorstellung über den zu erlernenden Beruf führt, erhöht sie.
In Bezug auf Unterstützung außerhalb der Schule zeigt sich, dass sich Hilfe durch die Eltern positiv auf die Möglichkeit eines Ausbildungsbeginns auswirkt. Einmal mehr wird die wichtige Rolle der Eltern und somit auch die Notwendigkeit der bewussten Einbeziehung der Eltern in das schulische Geschehen deutlich.
Auf der Ebene askriptiver Merkmale fällt auf, dass Mädchen gegenüber den Jungen eine geringere Chance haben, einen Ausbildungsplatz zu erhalten. Ob sich diese Tendenz verstetigt und langfristig zu einer geringeren Ausbildungsquote in der Gruppe der jungen Frauen führt oder ob die Mädchen nur verzögert in Ausbildung gelangen, werden erst die weiteren Bildungswege zeigen.
Erwartungsgemäß wurde ein großer Einfluss der regionalen Arbeitslosenquote festgestellt. Der Zugang zu (betrieblicher) Ausbildung trotz fehlenden Schulabschlusses gelingt seltener in Landkreisen und kreisfreien Städten mit hoher Arbeitslosigkeit. Anstrengungen auf institutioneller und individueller Ebene, bildungsschwachen Jugendlichen eine erfolgreiche Platzierung in Ausbildung zu ermöglichen, sind damit durch das Arbeitsmarktgeschehen Grenzen gesetzt.
Offen bleibt, ob die identifizierten Determinanten über den Analysezeitraum hinaus Aussagekraft besitzen. Denn es muss sich erst zeigen, ob diejenigen Jugendlichen, die eine Berufsausbildung begonnen haben, diese auch weiterverfolgen und erfolgreich beenden werden. Auch die Frage nach der Bewältigung der zweiten Schwelle wird erst zu einem späteren Zeitpunkt zu beantworten sein. Die noch folgenden Erhebungswellen des DJI-Übergangspanels könnten einen Beitrag zur Beantwortung dieser Fragen leisten.
Notes
Die Schweizer Längsschnittuntersuchung geht den Bildungs-, Ausbildungs- und Erwerbsverläufen von 5.000 Schülerinnen und Schülern nach, die im Jahr 2000 in der Schweiz an der PISA-Untersuchung teilgenommen haben.
Eine Ausnahme bildet die Studie von Heike Solga (vgl. 2004).
Das DJI-Übergangspanel wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert. Anlage und Methode der Untersuchung sind ausführlich dokumentiert in: Reißig/Gaupp/Lex (2008).
Im Juni 2004 wurde die erste Folgeerhebung durchgeführt. Ab November 2004, dem ersten Übergangsjahr, fanden die Befragungswellen im halbjährlichen Abstand, ab dem dritten Übergangsjahr 2007 finden sie jährlich statt.
CATI = Computer assisted telephone interviewing. Um möglichen Effekten des Einsatzes unterschiedlicher Befragungstechniken bei der Untersuchungsgruppe bildungsbenachteiligter Jugendlicher nachzugehen, wurde auf der Grundlage eines empirischen Vergleichs von schriftlicher, telefonischer und online-basierter Befragung eine Methodenstudie durchgeführt. Der Methodenvergleich lieferte keine zwingenden Argumente, die gegen einen notwendigen Methodenwechsel innerhalb von Längsschnittuntersuchungen sprechen (Gaupp/Kuhnke 2008).
Als Jugendliche mit Migrationshintergrund werden definiert: Jugendliche, die nicht in Deutschland geboren sind und/oder deren Eltern bzw. ein Elternteil nicht in Deutschland geboren sind und/oder wenn zuhause (auch) eine andere Sprache als deutsch gesprochen wird und/oder Jugendliche, die (auch) eine andere als die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.
Kern der Sequenzdatenanalyse bildet der paarweise Vergleich aller Sequenzen, mit dem Ziel, eine Ausgangssequenz mithilfe grundlegender Operationen in eine Zielsequenz zu transformieren. Auf der Grundlage der elementaren Operationen Substitution (Ersetzen) und Indel (Einfügen und Löschen) und der mit diesen Operationen verbundenen Kosten ermittelt der Optimal-Matching-Algorithmus als Maß für die Distanz, die billigste Möglichkeit die eine Sequenz in die andere zu überführen (Abbot/Hrycak 1990; Elzinga 2005; Erzberger/Prein 1997). Das Verfahren verlangt eine a-priori-Festlegung von Aufwandswerten. Jeder möglichen Operation wird dabei ein Gewicht zugeordnet. Für die nachfolgenden Analysen wurde dem Standardvorgehen gefolgt, d.h. die Kosten für die Indel-Operationen wurden auf die Hälfte der maximalen Substitutionskosten festgesetzt (Abbot/Hrycak 1990, S. 178). Die Substitutionskosten wurden im Anwendungsfall generell auf 2, die Kosten für Einfügen und Löschen auf 1 gesetzt.
Das Programm wurde an der Fakultät für Sozialwissenschaften der Ruhr-Universität Bochum von Rohwer/Pötter entwickelt und steht als Freeware zur Verfügung (http://www.stat.ruhr-uni-bochum.de/tda.html).
Neben der dualen betrieblichen Ausbildung (Lehre) umfasst die Kategorie „Ausbildung“ auch die vollzeitschulische Ausbildung in beruflichen Schulen sowie die staatlich geförderte Ausbildung in außerbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen. Die Kategorie „Weiter Schule“ umfasst neben allgemeinbildenden Schulen auch berufsbildende Schulen, wenn dort ein allgemeinbildender Schulabschluss angestrebt wird. Unter „Berufsvorbereitung“ werden alle Angebote gefasst, die eine Vorbereitung oder Orientierung auf eine Berufsausbildung darstellen. Neben Angeboten zur Berufsvorbereitung in Berufsschulen, Berufsfachschulen oder Berufskollegs (z.B. BVJ, BGJ) sind dies insbesondere berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit.
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Gaupp, N., Lex, T. & Reißig, B. Ohne Schulabschluss in die Berufsausbildung: Ergebnisse einer Längsschnittuntersuchung. ZfE 11, 388–405 (2008). https://doi.org/10.1007/s11618-008-0034-2
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