1. Einleitung

Unterschiedliche Lebensverläufe der Menschen lassen sich zu einem gehörigen Teil darauf zurückführen, ob sie eine qualitativ hochwertige Bildung erfahren haben oder nicht. So geht längere und qualitativ hochwertigere Bildung systematisch mit geringerer Arbeitslosigkeit, höherem Erwerbseinkommen und höherem volkswirtschaftlichem Wachstum einher (vgl. Hanushek/Wößmann 2008a). Insofern können Bildungsausgaben als Investitionen verstanden werden, die in der Zukunft greifbare Erträge bringen.

Aber wo sind die Bildungsausgaben am besten investiert? Sollte sich die Bildungsfinanzierung zum Beispiel eher auf die frühkindliche Bildung oder auf die Hochschulbildung konzentrieren? In welchem Lebensabschnitt sollte der Staat wie viel der Finanzlast übernehmen? Und ist das Geld besser angelegt, wenn er Schwerpunkte bei benachteiligten oder bei bildungsmäßig bereits besser gestellten Kindern legt? Muss zwischen Bildungsgerechtigkeit im Sinne einer Förderung benachteiligter Kinder und Leistungseffizienz im Sinne einer möglichst hohen Ertragsrate auf die Bildungsinvestitionen abgewogen werden?Footnote 1

Zur Beantwortung dieser Fragen hat sich in der bildungsökonomischen Forschung in den letzten Jahren eine Perspektive herausgebildet, die Veränderungen der Bildungserträge im Verlaufe des Bildungslebenszyklus von der frühkindlichen Bildung bis zum Lernen im Erwachsenenalter betont. Ein führender Vertreter dieser Perspektive ist etwa der Nobelpreisträger James J. Heckman (2006; Cunha/Heckman 2007; u. v. a.), der sowohl in theoretischen Modellen als auch anhand umfassender, zumeist US-amerikanischer Evidenz vor allem herausstellt, dass die Erträge von Bildungsinvestitionen im Lebenszyklus tendenziell abnehmen. Darüber hinaus scheinen die Erträge frühkindlicher Bildung besonders hoch für Kinder aus bildungsfernen Schichten. Die vorliegende europäische Evidenz, obwohl wesentlich weniger ausgeprägt, deutet darauf hin, dass die Sachlage in Europa ganz ähnlich ist (vgl. Wößmann 2008).

Der vorliegende Beitrag beurteilt die Struktur der Bildungsfinanzierung in Deutschland im Lichte dieser Lebenszyklusperspektive. Nach einer kurzen Motivation mit einem Überblick über den großen wirtschaftlichen Nutzen von effizienter und gerechter Bildung wird der Lebenszyklus der Bildungsfinanzierung zunächst theoretisch und empirisch hergeleitet. Dabei wird ein besonderes Augenmerk darauf gelegt, ob und wann ein System der Bildungsfinanzierung, das auf größere Bildungsgerechtigkeit abzielt, im Widerspruch zu einer effizienzorientierten Ausgestaltung steht. Darauf aufbauend wird die Struktur der Bildungsfinanzierung in Deutschland im internationalen Vergleich dargestellt und im Licht der Lebenszyklusperspektive bewertet.

Das Thema „Gerechtigkeit versus Leistung“ steckt im Kern vieler überholter ideologischer Debatten, die die deutsche Bildungspolitik über Jahrzehnte gelähmt haben. Hier soll es stattdessen darum gehen, was sich aus empirischer Sicht zum Verhältnis von Bildungsgerechtigkeit und Leistungseffizienz im Rahmen der Bildungsfinanzierung sagen lässt. Es wird sich zeigen, dass bei sinnvoller Ausgestaltung der Bildungsfinanzierung nicht zwangsläufig ein Zielkonflikt zwischen Gerechtigkeit und Effizienz bestehen muss. Allerdings ist die Realität der Bildungsfinanzierung in Deutschland von solch einer gerechtigkeits- und effizienzfördernden Ausgestaltung weit entfernt.

Bei all diesen Erörterungen ist allerdings vorweg zu betonen, dass höhere Bildungsausgaben nicht automatisch mit besseren Bildungsergebnissen gleichgesetzt werden können. Zahlreiche wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass der Zusammenhang von Ausgaben und erzielten Leistungen im Bildungsbereich bestenfalls sehr gering ist (vgl. z. B. Hanushek 2002; Wößmann 2007a, Kapitel 3; Wößmann 2007b). Ebenso deutet wenig darauf hin, dass Ausgabenerhöhungen, die auf Schüler aus benachteiligten Hintergründen abzielen, für sich genommen eine effektive Verbesserung der Bildungsergebnisse dieser Kinder mit sich bringen würden (vgl. etwa Bénabou/Kramarz/Prost 2004; Hanushek 2007; Leuven/Oosterbeek 2007). Es ist demnach eine Illusion zu glauben, bessere Bildungsleistungen und mehr Bildungsgerechtigkeit könnten durch eine bloße Ausweitung der finanziellen Mittel und ohne strukturelle Veränderungen des Bildungssystems erreicht werden.

Das deutsche Bildungssystem leidet also größtenteils weniger an Unterfinanzierung als unter ineffizienten Strukturen. In nahezu allen Bereichen des deutschen Bildungssystems erscheint es möglich, gegebenenfalls benötigte Zuwächse verstärkt durch Effizienzgewinne zu erzielen. In den meisten Fällen bedarf eine Verbesserung der Bildungsergebnisse sogar zwingend einer Effizienzsteigerung. Strukturelle Reformen, die auf diesem Wege zu einer Verbesserung von Leistungsniveau und Bildungsgerechtigkeit beitragen können, werden etwa in Wößmann (2007a, Kapitel 4-5) diskutiert. Hier soll es dagegen darum gehen, inwiefern auch eine Umstrukturierung der öffentlichen Finanzierung der Bildung über den Lebenszyklus zu einem besseren Erreichen von hohem Bildungsniveau und Bildungsgerechtigkeit beitragen kann.

2. Der wirtschaftliche Nutzen von effizienter und gerechter Bildung

Wenn das Erreichen einer qualitativ hochwertigen Bildung und die Herstellung von Bildungsgerechtigkeit nicht schon aus vielen anderen Gründen erstrebenswert wären, so ließe sich zusätzlich der wirtschaftliche Nutzen von Bildung dazu anführen. Die empirischen Belege für die wirtschaftliche Bedeutung von Bildung, etwa in Form von Beschäftigungschancen, Erwerbseinkommen und volkswirtschaftlichem Wachstum, sind überwältigend (für einen Überblick vgl. Wößmann 2007a, Kapitel 2).

Wie aus Abbildung 1 ersichtlich ist, variiert die Arbeitslosigkeit stark mit dem Bildungsniveau. Während weit mehr als jeder vierte Deutsche ohne Schulabschluss arbeitslos ist, ist unter den Universitätsabsolventen nur jeder zwanzigste arbeitslos. Arbeitslosigkeit ist insofern vor allem ein Problem der Geringqualifizierten. Besonders frappierend ist, dass die Arbeitslosigkeit mit jedem der sieben betrachteten aufeinander folgenden Bildungsabschlüsse stetig abnimmt. Auch wenn dieser Zusammenhang in Deutschland besonders ausgeprägt ist, so besteht er zumindest in abgeschwächter Form auch in allen anderen entwickelten Ländern mit größerem Arbeitslosigkeitsproblem.

Abbildung 1:
figure 1

Arbeitslosigkeit in Abhängigkeit vom Bildungsniveau in Deutschland

Anmerkung: Arbeitslosenrate nach höchstem Bildungsabschluss, in Prozent, 25- bis 64-jährige Männer, 2005.

Quelle: Basierend auf OECD (2007).

Unter den Beschäftigten ist das Bildungsniveau darüber hinaus auch eng mit dem erzielten Einkommen verknüpft. Abbildung 2 zeigt, dass das durchschnittliche individuelle Erwerbseinkommen in allen betrachteten Ländern stetig mit dem erreichten Bildungsniveau ansteigt. In Deutschland liegt das durchschnittliche Einkommen von Erwerbspersonen mit abgeschlossenem Hochschulstudium 56 % über dem von Erwerbspersonen mit höherer Sekundarbildung (Abitur oder Berufsschulabschluss), das von Erwerbspersonen ohne abgeschlossene höhere Sekundarbildung liegt 12 % darunter. Die arbeitsmarktökonomische Forschung hat mittlerweile eindrucksvoll belegt, dass diese Einkommensunterschiede weitgehend als kausaler Effekt der Bildung angesehen werden können (vgl. Card 1999).

Abbildung 2:
figure 2

Relatives Erwerbseinkommen in Abhängigkeit vom Bildungsniveau

Anmerkungen: Relatives Einkommen nach höchstem Bildungsabschluss in ausgewählten Ländern, höhere Sekundarbildung (Äquivalent zu Abitur oder Berufsschulabschluss) im jeweiligen Land = 100. Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren mit Erwerbseinkommen. Letztes verfügbares Jahr (2002-2005).

Quelle: Basierend auf OECD (2007).

Da sich demzufolge ein höheres Bildungsniveau positiv auf das Erwerbseinkommen auswirkt, wirkt sich die Ungleichverteilung von Bildung in der Bevölkerung auch stark auf die wirtschaftliche Einkommensverteilung aus. So zeigt Nickell (2004) anhand einer internationalen Vergleichsanalyse, dass es gerade internationale Unterschiede in der Streuung der Bildungsleistungen sind, auf die sich die existierenden Unterschiede in der Einkommensungleichheit zwischen Ländern zurückführen lassen. Im internationalen Vergleich liegt die Korrelation zwischen Einkommensungleichheit und Ungleichheit in den Bildungsleistungen, die definitionsgemäß von –1 bis +1 reichen kann, bei sehr hohen 0,85 (siehe Abbildung 3). Im Gegensatz dazu tragen etwa Unterschiede im Mindestlohn und im gewerkschaftlichen Organisationsgrad der Arbeiter so gut wie gar nicht zu einer Erklärung der internationalen Unterschiede in der Einkommensungleichheit bei.

Abbildung 3:
figure 3

Bildungsungleichheit und Einkommensungleichheit

Anmerkungen: Streuungsmaß ist jeweils das Verhältnis zwischen dem neunten und ersten Dezil. Testleistungen sind Ergebnisse im Textverständnistest des International Adult Literacy Survey.

Quelle: Basierend auf Nickell (2004).

Eine Gesellschaft, die auf einen Ausgleich der Einkommen bedacht ist, täte also gut daran, allen Bürgern eine gute Bildung zu verschaffen. Wenn es gelingt, im Bildungssystem ein möglichst hohes Maß an Chancengleichheit herzustellen, bedarf es nicht eines exzessiven Sozialstaates, der versucht, Gleichheit im Nachhinein herzustellen. Ein allzu umfangreicher Sozialstaat ist nicht nur teuer, sondern auch leistungsfeindlich und stellt nach weitläufiger ökonomischer Meinung die zentrale Ursache für die hohe Arbeitslosigkeit der Geringqualifizierten in Deutschland dar. Die Schaffung von Bildungsgerechtigkeit birgt demnach ein erhebliches Potential zur Steigerung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Durch eine Verringerung der Ungleichheit im Vorhinein bei der Ausbildung der Schüler, so etwa Sinn (2006), „könnte sich der Staat einen Teil der hohen Umverteilungslasten ersparen, von denen Privatinitiative und Leistungsbereitschaft erdrückt werden“.

Letztlich erweist sich eine qualitativ hochwertige Bildung der Bevölkerung als wohl der entscheidende Einflussfaktor auf das langfristige Wachstum von Volkswirtschaften (vgl. Hanushek/Wößmann 2008a). Wenn man die Bildungsqualität mit dem Abschneiden in internationalen kognitiven Schülerleistungstests – also quasi den PISA-Vorgängerstudien – misst, dann weisen Länder mit höherer Bildungsqualität ein wesentlich höheres langfristiges Wachstum des Bruttoinlandsprodukts pro Kopf auf (siehe Abbildung 4). Die Größenordnung des berechneten Effektes bedeutet, dass eine Verbesserung Deutschlands aus dem PISA-Mittelfeld zu den PISA-Spitzenreitern langfristig – der volle Effekt setzt realistischerweise erst nach gut 30 Jahren ein – mit einem zusätzlichen jährlichen Wirtschaftswachstum von 0,5-0,8 Prozentpunkten einhergehen würde. Unser jährliches wirtschaftliches Wachstum, das im Durchschnitt der letzten zehn Jahre nur 1,26 Prozent betrug, ließe sich dadurch um rund die Hälfte vergrößern. Das unbefriedigende volkswirtschaftliche Wachstum in Deutschland ist zu einem ganzen Teil ebenfalls auf eine unzureichende Qualität der Bildung zurückzuführen.Footnote 2

Abbildung 4:
figure 4

Bildungsleistungen und Wirtschaftswachstum

Anmerkungen: Zusammenhang zwischen den durchschnittlichen Bildungsleistungen in zahlreichen internationalen Schülerleistungstests und dem Wirtschaftswachstum pro Kopf zwischen 1960 und 2000, unter Herausrechnung der Effekte der Ausgangsniveaus von Bruttoinlandsprodukt und Bildungsjahren. Jeder Punkt steht für einen Staat.

Quelle: Basierend auf Hanushek/Wößmann (2008a).

Höhere und insbesondere bessere Bildung ist also eine lohnende Investition in die Zukunft. Hohe Arbeitslosigkeit, ungleiche Einkommensverteilung und unbefriedigendes Wachstum der Volkswirtschaft – all dies ließe sich durch eine effiziente und gerechte Bildungspolitik angehen. Einer auf Leistungseffizienz und Bildungsgerechtigkeit abzielenden Bildungsfinanzierung kommt also eine Schlüsselfunktion für Wohlstand, Entwicklung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben der zukünftigen Generationen zu.

3. Der Lebenszyklus der Bildungsfinanzierung

Der folgende Abschnitt stellt dar, wie sich die Erträge von Bildungsinvestitionen im Lebenszyklus von der frühkindlichen Bildung bis zur Weiterbildung im Erwachsenenalter verändern. Der Zusammenhang wird sowohl theoretisch hergeleitet als auch empirisch belegt und mit entsprechenden Schlussfolgerungen für die Bildungspolitik abgeschlossen.

3.1 Theoretische Herleitung

Die Ertragsrate von Bildungsinvestitionen betrachtet den über die Zeit kumulierten Nutzen einer Bildungsinvestition abzüglich ihrer anfänglichen Kosten. Heckman (z. B. 2000) führt, teils in Arbeiten zusammen mit Koautoren (insbesondere Cunha et al. 2006), zwei Gründe für einen fallenden Verlauf der Bildungsertragsraten über den Lebenszyklus an.

Erstens sprechen Argumente der klassischen Humankapitaltheorie (vgl. etwa Becker 1964/1993) für im Lebenszyklus sinkende Ertragsraten: Mit zunehmendem Alter wird der Zeithorizont, über den sich einmal getätigte Bildungsinvestitionen in Erträge umsetzen lassen, immer kürzer. Junge Menschen haben einfach einen längeren Horizont, über den sie die Früchte ihrer Investitionen ernten können. Daher sind mögliche kumulierte Erträge in höherem Alter geringer als in jüngerem Alter und damit ist auch das in der Ertragsrate abgebildete Nutzen-Kosten-Verhältnis schlechter. Als Folge sinkt die Bildungsertragsrate im Verlauf des Lebenszyklus.

Zweitens betonen Heckman und Koautoren, dass Bildung ein dynamischer Prozess mit starken synergetischen Komponenten ist. In ihrem ökonomischen Modell der Technologie der Wissensgenerierung steigern einmal erlernte Fähigkeiten die Produktivität des Erlernens weiterer Fähigkeiten. Aufgrund solcher intertemporalen Komplementaritäten im Fähigkeitserwerb erleichtern früh erlernte kognitive und nicht-kognitive Fähigkeiten späteres Lernen. Daher senken frühe Investitionen die Kosten späterer Investitionen. Einfach ausgedrückt: „Bildung zeugt Bildung.“ Erfolgreiche frühe Investitionen begünstigen spätere Investitionen und sind zum Teil eine notwendige Voraussetzung für letztere (siehe Cunha et al. 2006 für Details).Footnote 3

Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass die Ertragsraten von Bildungsinvestitionen über den gesamten Lebenszyklus einer Person von der frühkindlichen Bildung bis hin zur Erwachsenenbildung tendenziell abnehmen. Anders ausgedrückt: Die „Nettokosten“ von Bildungsinvestitionen nehmen über den Lebenszyklus stetig zu.

Gleichzeitig ergibt sich insbesondere aus der zweiten Überlegung, dass die Ertragsraten im frühkindlichen Bereich für Kinder aus sozial benachteiligten Schichten tendenziell besonders hoch sind. Weil frühe Bildungsinvestitionen nicht nur direkt nutzbares Wissen aufbauen, sondern auch noch die darauf folgenden Bildungsinvestitionen wirksamer machen, indem diese nun auf eine bessere Wissensbasis aufbauen können, ist es für Kinder, die im frühkindlichen Alter nicht schon zu Hause ein bildungsanregendes Umfeld erfahren, ganz besonders wichtig, frühkindliche Bildungsinvestitionen zu erlangen. Dies kann quasi ihren gesamten Bildungslebenszyklus positiv verändern. Damit sind die Bildungserträge im frühkindlichen Alter bei ihnen höher als bei Kindern, die schon von Haus aus als Kleinkinder ein bildungsförderndes Klima erfahren.

Im Erwachsenenbereich liegt der Sachverhalt hingegen genau umgekehrt: Dort sind die Ertragsraten für Individuen, die bis dahin nicht schon einen sehr guten Bildungshintergrund erfahren haben – was ohne zusätzliche frühe Bildungsinterventionen tendenziell diejenigen mit sozial benachteiligtem Hintergrund sind –, tendenziell besonders niedrig. Denn wie produktiv die späte Bildungsinvestition ist, hängt davon ab, wie hoch das bereits im früheren Bereich erworbene Wissen ist.

Damit ergibt sich insgesamt der in Abbildung 5 dargestellte stilisierte Verlauf der Bildungsertragsraten über den Lebenszyklus (vgl. Wößmann 2008 für Details). Für alle Gruppen nimmt die Bildungsertragsrate im Lebenszyklus tendenziell ab. Im frühkindlichen Bereich ist sie für benachteiligte Kinder höher als für besser gestellte Kinder. Dies dreht sich im Verlauf des Lebenszyklus um, so dass die Bildungsertragsraten im Erwachsenenalter für diejenigen höher sind, die schon eine bessere Bildung aufweisen können.

Abbildung 5:
figure 5

Stilisierter Ertrag eines in verschiedenen Bildungsabschnitten zusätzlich investierten Euro

Quelle: Wößmann (2008), aufbauend auf Cunha et al. (2006).

Der in Abbildung 5 dargestellte Zusammenhang gilt aus theoretischer Sicht zunächst einmal für den Fall, dass das Investitionsniveau über den gesamten Lebenszyklus gleich gesetzt wird. In Anbetracht der gegenwärtigen Ausgabenniveaus auf verschiedenen Bildungsniveaus (siehe unten) sollte der grundlegende Zusammenhang aber auch bei der derzeitigen Investitionsstruktur gelten. Und in Anbetracht der offensichtlichen Unterschiede privater Bildungsausgaben in Abhängigkeit vom sozioökonomischen Hintergrund sollte der Verlauf abnehmender Bildungserträge für öffentliche Bildungsinvestitionen umso mehr gelten als für die gesamten Bildungsinvestitionen.

Natürlich ist der dargestellte stilisierte Zusammenhang nur eine grobe Darstellung durchschnittlicher Effekte und es gibt sehr viel Heterogenität der Bildungserträge innerhalb der beiden dargestellten Gruppen, so dass einige Schüler mit benachteiligtem Hintergrund in der höheren Bildung ganz besonders gut abschneiden werden. Auch ist zu beachten, dass die hier vorgenommene Analyse die relative Größe der Erträge im Lebenszyklus betont, auch wenn vermutlich selbst in späten Phasen des Lebenszyklus positive Durchschnittserträge zu erwarten sind – nur, dass diese wesentlich geringer sind als in den frühen Phasen.

3.2 Empirische Belege

Heckman und seine Koautoren fassen eine gewaltige empirische Literatur zusammen, die tendenziell den in Abbildung 5 dargestellten Verlauf der Ertragsraten von Bildungsinvestitionen über den Lebenszyklus und dessen Abhängigkeit vom sozioökonomischen Hintergrund empirisch untermauert (vgl. Heckman 2000; Carneiro/Heckman 2003; Cunha et al. 2006).Footnote 4 Auch wenn der Großteil der dort zitierten Evidenz sich auf die Vereinigten Staaten bezieht, deutet die existierende Evidenz für europäische Staaten auf ein ganz ähnliches Muster hin (vgl. Wößmann 2008).

Aus der umfangreichen, diesem Muster zugrunde liegenden Literatur sei hier beispielhaft auf Bildungsinterventionen für benachteiligte Personen im frühkindlichen Bereich sowie im Weiterbildungsbereich verwiesen. Es gibt etliche Belege dafür, dass frühkindliche Bildungsinterventionen in Form vorschulischer Programme sehr effektiv in der Förderung langfristiger Bildungs- und Arbeitsmarkterfolge sein können – gerade für Kinder aus problembelasteten familiären Verhältnissen (vgl. Blau/Currie 2006 für einen Überblick). Der langfristige Nutzen solcher Interventionen übersteigt ihre Kosten oftmals um ein Vielfaches. Auch im internationalen Vergleich weisen Länder mit einem ausgebauten System frühkindlicher Bildung systematisch geringere Unterschiede der erzielten Bildungsleistungen für Kinder aus unterschiedlichen sozioökonomischen Hintergründen auf (vgl. Schütz/Ursprung/Wößmann 2008).

Im Weiterbildungsbereich sind die Ergebnisse öffentlicher Bildungsinterventionen dagegen wesentlich dürftiger. So finden Evaluationsstudien der staatlichen Weiterbildungsförderung im Rahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik zumeist sehr geringe oder sogar negative Nettoerträge der Maßnahmen in dem Sinn, dass die Kosten signifikant höher sind als die Erträge in Form von erhöhten Beschäftigungswahrscheinlichkeiten und Einkommen (siehe etwa Heckman/LaLonde/Smith 1999; Kluve/Schmidt 2002). Oftmals ist es bei solchen Maßnahmen in Deutschland sogar schwer, überhaupt einen positiven Effekt auf die Teilnehmer zu finden (vgl. etwa Fitzenberger/Prey 2000; Lechner 2000).

3.3 Schlussfolgerungen für die Bildungspolitik

Aus den der Abbildung 5 zugrundeliegenden theoretischen Überlegungen und der ihr zugrundeliegenden empirischen Evidenz lässt sich folgender Bewertungsrahmen ableiten:

  1. 1.

    Je früher öffentliche Bildungsinvestitionen ansetzen, desto höher sind ihre Erträge. Daher gibt es einen Lebenszyklus der öffentlichen Bildungsfinanzierung, im Verlaufe dessen die Ertragsraten der Bildungsinvestitionen sinken.

  2. 2.

    Je früher Bildungsinvestitionen ansetzen, desto größer ist die Chance, Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Öffentliche Interventionen zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit sollten also so früh im Lebenszyklus ansetzen wie möglich. Bei im Erwachsenenalter ansetzenden Interventionen mit dem Ziel der Förderung von Bildungsgerechtigkeit ist eine Rationalität der Maßnahmen aufgrund der geringen Erträge zumeist nicht mehr gegeben.

  3. 3.

    In jungen Jahren besteht eine Komplementarität zwischen Bildungsgerechtigkeit und Effizienz, die sich aber spätestens im Erwachsenenalter in einen Trade-off umdreht. Stilisiert ließe sich sagen, dass der Nutzen von Interventionen zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit ihre Kosten im frühkindlichen Bildungsbereich sogar übersteigt, wohingegen die Interventionskosten (relativ zu ihrem Nutzen) zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit im Erwachsenenalter exorbitant und vermutlich bald ins Prohibitive ansteigen. Abbildung 6 stellt dieses Muster ansteigender Nettokosten von Interventionen zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit graphisch dar.

Abbildung 6:
figure 6

Nettokosten von Interventionen zur Herstellung von Bildungsgerechtigkeit

4. Die Bildungsfinanzierung in Deutschland im Licht der Lebenszyklusperspektive

Der folgende Abschnitt nutzt die soeben entwickelte Lebenszyklusperspektive der Bildungsfinanzierung, um den derzeitigen Zustand der Bildungsfinanzierung in Deutschland kritisch zu beurteilen.

4.1 Die Finanzierungsstruktur des deutschen Bildungssystems im internationalen Vergleich

Um einen Überblick über die derzeitige Situation der Bildungsfinanzierung zu geben, stellt Abbildung 7 die Bildungsausgaben in den einzelnen Bildungsstufen für Deutschland und verschiedene Vergleichsländer dar. Der oftmals herangezogene Indikator Bildungsausgaben relativ zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) scheint dabei wenig geeignet, da er stark durch demographische Einflüsse verzerrt wird und deshalb wenig über die pro Schüler verfügbaren Ressourcen aussagt. Deshalb werden hier die Bildungsausgaben pro Schüler betrachtet, die zur internationalen Vergleichbarkeit zum BIP pro Kopf ins Verhältnis gesetzt werden.Footnote 5 Dieses Ausgabenmaß relativ zur wirtschaftlichen Leistungskraft eines Landes ist nichts anderes als die für den Anteil der Schüler an der Gesamtbevölkerung angepassten Bildungsausgaben relativ zum BIP.Footnote 6

Abbildung 7:
figure 7figure 7

Bildungsausgaben pro Schüler (relativ zum BIP pro Kopf)

Anmerkungen: Jährliche Ausgaben für Bildungsinstitutionen pro Schüler relativ zum Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in ausgewählten Ländern sowie im Durchschnitt der OECD-Länder, 2004. unterer Balkenabschnitt: Anteil der öffentlichen Ausgaben; oberer Balkenabschnitt: Anteil der privaten Ausgaben; Linie: OECD-Durchschnitt des Anteils der öffentlichen Ausgaben; obere Linie: OECD-Durchschnitt des Anteils der öffentlichen Ausgaben. Länder jeweils sortiert nach Höhe der öffentlichen Ausgaben. (Die relative Aufteilung öffentlicher und privater Ausgaben bei „Primar“, „Sekundar I“ und „Sekundar II“ ist der Durchschnitt von Primar-, Sekundar- und Postsekundar-/Nichttertiär-Bildung.)

Quelle: Basierend auf OECD (2007, Tabellen B1.4, B3.2, C1.2 und X2.1).

Bei den so gemessenen öffentlichen Bildungsausgaben pro Schüler verzeichnet Deutschland vom Vorschul- bis zum unteren Sekundarschulbereich sowie im allgemeinbildenden Teil der Sekundarstufe II im Vergleich der OECD-Länder unterdurchschnittliche öffentliche Bildungsausgaben, im berufsbildenden Teil der Sekundarstufe II und im Tertiärbereich dagegen überdurchschnittliche.Footnote 7 Die staatlichen Bildungsausgaben sind also im jüngeren Alter relativ niedrig, im älteren Alter relativ hoch.

Das gleiche Muster ergibt sich auch, wenn die internationale Vergleichbarkeit der Bildungsausgaben pro Schüler nicht durch eine relative Betrachtung zum BIP pro Kopf erreicht wird, sondern durch eine Berechnung der Bildungsausgaben pro Schüler in US-Dollar-Äquivalenten auf Kaufkraftparitätenbasis. Auch bei einer solchen Betrachtung liegen die öffentlichen Bildungsausgaben in Deutschland im Vorschulbereich etwa auf par mit dem Durchschnitt der OECD-Länder, weit darunter im Grundschulbereich und in der Sekundarstufe I, aber weit darüber im Tertiärbereich.

Die privaten Bildungsausgaben liegen demgegenüber in Deutschland im Vorschul- und Schulbereich weit über dem Durchschnitt der OECD-Länder, im Tertiärbereich dagegen weit darunter. So liegt der Anteil der privaten an den Gesamtausgaben im Vorschulbereich in Deutschland bei 28 % im Vergleich zu 20 % im OECD-Durchschnitt, im Schulbereich bei 18 % im Vergleich zu 8 % und im Hochschulbereich bei 14 % im Vergleich zu 24 %.

Im internationalen Vergleich lässt sich zum Status quo der Bildungsfinanzierung in Deutschland also Folgendes festhalten: Die öffentlichen Ausgaben sind in den frühen Bildungsbereichen relativ gering und in den späten Bildungsbereichen relativ hoch. Dies steht einem umgekehrten Muster bei den privaten Bildungsausgaben gegenüber. Natürlich treten bei einer solchen international vergleichenden Betrachtung zahlreiche Unwägbarkeiten auf, die eine dezidierte Diskussion von Unterschieden im Nachkommabereich verbieten. Nicht zuletzt die Unterschiede zwischen Systemen allgemeiner und beruflicher Bildung und die schwierige Abgrenzung von Kosten und Nutzen im Berufsbildungsbereich erschweren den Vergleich zusätzlich. Gleichwohl wird das grobe Muster der Finanzierungsstruktur von solchen Überlegungen weitgehend untangiert bleiben und nur auf dieses grobe Muster kommt es hier an.

4.2 Bewertung und Schlussfolgerungen für die deutsche Bildungsfinanzierung

Zwischen dem im vorhergehenden Abschnitt hergeleiteten Lebenszyklus der Bildungsfinanzierung und der dort beschriebenen Evidenz einerseits und dem in Abbildung 7 aufgezeigten Muster der öffentlichen Bildungsfinanzierung in Deutschland andererseits besteht eine klar erkennbare Diskrepanz. In Deutschland investiert der Staat relativ viel im tertiären Bildungsbereich, wo die Erträge geringer als in früheren Bereichen sind und Bildungsgerechtigkeit kaum mehr zu erreichen ist, und relativ wenig in den frühen Bildungsbereichen, in denen die Erträge relativ hoch sind und eine Förderung der Bildungsgerechtigkeit eher möglich wäre.

Im Bewertungsrahmen der Lebenszyklusperspektive erscheint die derzeitige Situation der öffentlichen Bildungsfinanzierung in Deutschland also in einer Schieflage. Dies gilt sowohl aus Gründen der Gerechtigkeit als auch der Effizienz. Beide Gründe würden dafür sprechen, die staatliche finanzielle Förderung von Bildung stärker auf jüngere und weniger auf ältere Altersstufen zu konzentrieren. Der Zielkonflikt zwischen Bildungsgerechtigkeit und Effizienz, der sich bei einer öffentlichen Finanzierung der höheren Bildung ergibt, ließe sich auflösen, wenn stattdessen stärker in eine öffentliche Finanzierung früher Bildung umgeschichtet würde.

Sowohl Gerechtigkeits- als auch Effizienzgesichtspunkte sprächen dafür, in Deutschland die öffentliche Finanzierung von Hochschul- und weiterführender Bildung (relativ) zu verringern und die öffentliche Finanzierung von frühkindlicher Bildung, mit besonderem Fokus auf sozial Schwache, auszuweiten. Eine solche Umorientierung sollte sicherlich nicht dazu führen, die späteren Stadien zu vernachlässigen. Die vorgestellte Lebenszyklusperspektive legt aber eine entsprechende Prioritätensetzung unter den öffentlichen Aufgaben nahe.

Die gebotene stärkere staatliche Förderung im jüngeren Alter entspricht etwa der Empfehlung des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung () zum „Ausbau eines kostenlosen, aber auch verpflichtenden Förder- und Betreuungsangebots ... im Vorschulbereich“(2004,S.3). Ein bedenkenswerter Weg wäre dabei ein System sozial gestaffelter Kindergartengutscheine, die eine gezielte Unterstützung von Kindern aus sozial benachteiligten Schichten im Rahmen von Ko- bis hin zur Vollfinanzierung ermöglichen. Aufgrund der stark unterschiedlichen kommunalen Belastung in diesem Bereich erscheint eine Ansiedlung der entsprechenden Finanzierungslast bei den Bundesländern sinnvoll. Durch ein Gutscheinsystem wäre eine Beibehaltung der grundsätzlichen Gebührenfinanzierung der Kindergärten möglich, welche neben zusätzlichen wettbewerblichen Elementen zur Vermeidung von Steuerungsproblemen, zur Effizienzsicherung und Qualitätswahrung beitragen kann. Eine verpflichtende Gestaltung des Besuchs frühkindlicher Bildungseinrichtungen gerade für Kinder aus sozioökonomisch schwachem Hintergrund könnte zusätzlich verstärkte Bildungsgerechtigkeit ermöglichen.

Gleichzeitig könnte eine Verlagerung der Aufgabenstellung vorschulischer Einrichtungen von einer reinen Betreuungsfunktion hin zu einem expliziten Bildungsauftrag dabei helfen, insbesondere Kindern aus sozial schwachen Milieus einen fundierten Start in den Bildungslebenszyklus zu ermöglichen. Dazu könnte gegebenenfalls auch eine fundiertere Ausbildung des Erziehungs- und Lehrpersonals in Bezug auf frühzeitiges Erkennen und Beheben von Lernhindernissen und Förderung spielerischen Lernens beitragen, was mit entsprechend höheren Gehältern und dadurch steigendem Finanzaufwand einhergehen würde.

Dagegen legt die Lebenszyklusperspektive nahe, die Finanzierung der Bildung im Erwachsenenbereich verstärkt in die individuelle Verantwortung zu übergeben. Dafür sprechen auch Gründe der Bildungsgerechtigkeit, weil den entsprechenden Individuen in Zukunft die wirtschaftlichen Erträge der höheren Bildung zufallen. Insgesamt muss es dabei nicht zu einer Absenkung der Ausgaben im Hochschulbereich kommen, vor allem nicht im Bereich der Forschung. Aber im Bereich der Lehre empfiehlt die Lebenszyklusperspektive eine verstärkte Gebührenfinanzierung des Studiums, welche auch Effizienzgewinne in der Organisation der Hochschullehre verspricht. Eine weitgehende Gebührenfinanzierung würde auch die Anreizprobleme verringern, die derzeit aufgrund von Spillovers zwischen den Bundesländern durch umfangreiche Studierendenwanderungen zustande kommen. Die Schaffung eines stärkeren Verständnisses in der Gesellschaft für den Charakter und Wert der höheren Bildung als private Investition könnte darüber hinaus zur Akzeptanz einer verstärkten Gebührenfinanzierung beitragen.

Durch eine Begleitung der Studiengebühren mit einem ausgebauten Kreditsystem könnte sichergestellt werden, dass Studienwillige und –fähige aus sozioökonomisch benachteiligten Hintergründen nicht aus finanziellen Gründen auf eine höhere Bildung verzichten müssen. Der staatlichen Seite käme in einem solchen System die Aufgabe zu, dafür zu sorgen, dass alle Studierenden Zugang zu einem umfassenden Studienkreditsystem hätten, welches eine Rückzahlung der Kredite in Abhängigkeit von und aus dem späteren Einkommen der Studienabsolventen vorsehen würde (siehe Barr 2004 für Details).

In Deutschland bestünde eine Möglichkeit, ein solches System zu erreichen, etwa darin, das BAföG-System entsprechend umzuorganisieren und in Richtung einer vorausgehenden Finanzierung der Studiengebühren auszubauen. Dadurch würde dem Bund eine größere finanzielle Rolle bei der Finanzierung der hochschulischen Ausbildung zufallen, wofür die genannten Spillovers sowie auch die spätere Mobilität der Bevölkerung zwischen den Bundesländern und die Sicherstellung der nachgelagerten Rückzahlung sprechen würden. Gleichzeitig käme dem Bund aufgrund der uniformen Einkommenssteuer auch eine tragendere finanzielle Rolle im Rahmen der steuerlichen Absetzbarkeit privater Bildungsausgaben zu. Effizienzgründe sprächen bei der Trägerschaft der Bildungseinrichtungen aber wiederum eher für eine Dezentralisierung und Deregulierung zur Ermöglichung zusätzlicher privater Angebote und stärkeren Wettbewerbs zwischen den Anbietern (vgl. etwa Aghion 2008).

Die Verantwortlichkeit verschiedener föderativer Ebenen auf den verschiedenen Stufen des deutschen Bildungssystems könnte einige der hier abgeleiteten Reformen erschweren. Allerdings erscheint es durchaus möglich, dass die angesprochenen Umschichtungen im Rahmen der föderativen Struktur der Bildungsfinanzierung in Deutschland letztlich ohne fundamentale Strukturveränderungen möglich wären. Eine entsprechende Umstrukturierung könnte etwa dadurch erfolgen, dass die Länder finanzielle Mittel aus der Finanzierung der Hochschullehre abziehen und diese in die Finanzierung von Kindergartengutscheinen umleiten. Gleichzeitig würde die finanzielle Verantwortung im Hochschulbereich stärker in den privaten Bereich gelegt, wobei der Bund hier im Rahmen des Steuerabzuges und der Studienkredite ebenfalls eine stärkere finanzielle Rolle übernehmen würde. An der Trägerschaft der frühkindlichen Bildungseinrichtungen und der Hochschulen müssten diese Reformen der Finanzierung nichts ändern; nur erschiene durch eine Stärkung der Wahlmöglichkeiten zwischen dezentral organisierten Angeboten unter weitgehender Ermöglichung privater Trägerschaft eine Verbesserung der Bildungsergebnisse möglich.

5. Zusammenfassung und Ausblick

Da sowohl die Kosten als auch der Nutzen der Bildung über den Lebenszyklus der Lernenden variieren, bedarf die Analyse der Bildungsfinanzierung einer über den Lebenszyklus differenzierten Betrachtungsweise. Sowohl aus theoretischer als auch aus empirischer Sicht nehmen die Erträge von Bildungsinvestitionen im Verlauf des Lebenszyklus tendenziell ab. Darüber hinaus sind sie im jungen Alter tendenziell höher für Kinder aus benachteiligten Schichten, während sie spätestens im Erwachsenenalter tendenziell höher sind für diejenigen, die bereits eine qualitativ hochwertige Bildung erfahren konnten. Damit stehen Bildungsgerechtigkeit und Leistungseffizienz bei frühkindlichen Bildungsinvestitionen im Einklang, der sich aber in späten Phasen des Bildungslebenszyklus in einen Widerstreit verwandelt.

Betrachtet man die Struktur der öffentlichen Bildungsfinanzierung in Deutschland im Licht dieser Lebenszyklusperspektive, so muss konstatiert werden, dass sie sowohl einer gerechtigkeits- als auch einer Effizienz fördernden Ausrichtung tendenziell zuwiderläuft. Im internationalen Vergleich sind die öffentlichen Bildungsinvestitionen in Deutschland im frühkindlichen und Grundschulbereich relativ gering, im Tertiärbereich relativ hoch. Verkürzt ausgedrückt: Hierzulande müssen die Eltern durch Krippen- und Kindergartengebühren einen gehörigen Teil der Bildung der Kleinkinder selber finanzieren, während der Staat einen Großteil der Kosten des Hochschulstudiums trägt.

Damit investiert der Staat in Deutschland relativ viel in solche Bildungsbereiche, in denen die Erträge am geringsten sind und Bildungsgerechtigkeit kaum mehr zu erreichen ist, und relativ wenig in jene Bildungsbereiche, in denen die Erträge am höchsten sind und eine Förderung der Bildungsgerechtigkeit wesentlich realistischere Chancen hätte. Eine Verlagerung der öffentlichen Bildungsausgaben aus den späten in die frühen Phasen des Bildungslebenszyklus hätte das Potential, die deutsche Bildungsfinanzierung sowohl gerechter als auch effizienter zu machen. Auch der in der derzeitigen öffentlichen Finanzierungsstruktur angelegte Zielkonflikt zwischen Bildungsgerechtigkeit und Effizienz ließe sich dadurch überwinden. Es bleibt zu betonen, dass um höhere Bildungsleistungen und mehr Bildungsgerechtigkeit zu erreichen, die Politik nicht auf eine einfache Erhöhung der Finanzmittel im ansonsten unveränderten Bildungssystem hoffen sollte. Die vorliegende Evidenz legt nahe, dass dies allein nur unwesentliche Fortschritte bringen würde. Für echte Verbesserungen bedarf es struktureller Veränderungen – sowohl in Bezug auf die Struktur der Bildungsfinanzierung als auch in Bezug auf die institutionellen Rahmenbedingungen innerhalb jeder Bildungsphase.

Die Europäische Kommission (Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2006) etwa hat sich diese Perspektive bereits zu eigen gemacht und den in Abbildung 5 dargestellten Zusammenhang explizit zum Ausgangspunkt ihrer Empfehlungen für mehr Effizienz und Gerechtigkeit in den europäischen Bildungssystemen gemacht. Die im Rat der Europäischen Union versammelten Regierungen der Mitgliedstaaten haben diese Lebenszyklusperspektive ebenfalls betont (Rat der Europäischen Union 2006). Zumindest in der Realität der deutschen Bildungsfinanzierung steht diese Erkenntnis noch aus.

Abschließend muss allerdings konstatiert werden, dass in Deutschland viel zu wenig empirische Evidenz über die langfristigen Erträge von Bildungsinvestitionen in verschiedenen Phasen des Lebenszyklus vorliegt. Über die Erträge von Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen im Erwachsenenbereich liegen in der arbeitsmarktökonomischen Literatur durchaus einige Studien vor und die Evidenzlage wächst etwa aufgrund der wissenschaftlichen Evaluationen der Förderung beruflicher Weiterbildung im Rahmen der Reform der aktiven Arbeitsmarktpolitik weiter. Über die langfristigen Erträge qualitativ hochwertiger frühkindlicher und Grundschulbildung ist demgegenüber hierzulande nur wenig Greifbares bekannt. Für eine an Fakten orientierte Bildungspolitik, die tatsächlich das Potential hätte, die Lebensbedingungen der Bevölkerung bestmöglich zu fördern, sind solche Analysen aber unerlässlich.