Zusammenfassung
Die flächendeckende Einführung der Orientierungsstufe in Niedersachsen war eng mit dem Ziel des Ausgleichs sozialer Benachteiligung verbunden. Bis vor kurzem lagen jedoch kaum Erkenntnisse darüber vor, wie die Wirksamkeit dieser Schulstufe unter den Bedingungen eines obligatorischen Regelangebots einzuschätzen ist. Im vorlie genden Beitrag wird überprüft, inwiefern es der Orientierungsstufe gelingt, die Bedingungen für eine leistungsgerechte Verteilung der Schüler auf die Schulformen der Sekundarstufe I zu schaffen. Dafür werden die Daten einer aktuellen repräsentativen Studie an nie dersächsischen Orientierungsstufen und Schulformen des Sekundarbereichs verwendet. Die empirischen Ergebnisse weisen darauf hin, dass es der Orientierungsstufe einerseits nicht gelingt, ihren Auftrag der individuellen Förderung und objektiven Leistungsbeurteilung zu erfüllen. Andererseits schafft sie es nicht, korrigierend auf die schichtbedingten elterlichen Bildungsaspirationen einzuwirken.
Summary
The Effectiveness of the Orientation-Level in Schools in Lower Saxony in Re-balancing Social Disparities in Educational Participation
The introduction of the so-called “Orientation-Level” into the schools of Lower Saxony was originally connected to the goal of re-balancing social disadvantage. Until recently, there was little evidence for judging the effectiveness of this obligatory provision. This paper investigates the success of the orientation-level in creating conditions for an ability-based distribution of pupils between the different schools types at secondary level. A recent representative study of the orientation-level and different school types will be presented. The empirical results indicate that the orientation-level neither fulfils its task of individual support and objective ability assessment nor does it re-balance the different educational aspirations of parents from different social groups.
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Schuchart, C. Die Bedeutung der Niedersächsischen Orientierungsstufe für den Ausgleich sozialer Disparitäten in der Bildungsbeteiligung. ZfE 6, 403–420 (2003). https://doi.org/10.1007/s11618-003-0042-1
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