1 Einleitung

Spätestens seit den 1980er Jahren hat die deutsche Kommunikationswissenschaft das kontinuierlich sich professionalisierende PR-BerufsfeldFootnote 1 mit seinen Merkmalen, Funktionen und Entwicklungen intensiv verfolgt und erforscht. Dem steht jedoch ein Bild von PRFootnote 2 in der Öffentlichkeit gegenüber, das meist nur aus vagen Vorstellungen über eine nicht näher definierbare „Abart nicht-öffentlicher Werbung“ (Ahrens und Knödler-Bunte2003b, S. 13) besteht. Neben ridikülisierenden Klischees (z. B. ‚Sektglashalter‘ oder ‚PR-Tussi‘) finden sich in der öffentlichen Kommunikation über PR häufig auch skandalisierende Attribute wie ‚Drahtzieher‘ oder ‚Beziehungsmakler‘, etwa im Kontext umstrittener Beraterpersönlichkeiten wie Moritz Hunzinger (im Sommer 2002; vgl. Ahrens und Knödler-Bunte2003a).Footnote 3 Insbesondere PR-Praktiker selbst fürchten dabei oft negative Verallgemeinerungstendenzen, sprechen vom „‚Image-Gau‘ für die gesamte Branche“ (Ahrens und Knödler-Bunte2003b, S. 13).

Kurz nach der Hunzinger-Affäre untersuchten Bentele und Seidenglanz (2004) das Image von PR in der deutschen Bevölkerung und bei Journalisten auf repräsentativer Basis. In beiden Befragtengruppen gab es erhebliche Probleme vor allem bei der Frage nach der Abgrenzung von PR zu Werbung und Propaganda. Die Mehrheit der Deutschen vermutete außerdem starke PR-Einflüsse auf Journalismus und Politik und brachte PR nur geringes Vertrauen entgegen. Vor allem das Moralverhalten von PR wurde negativ bewertet. Interessant dabei: Je höher der Medienkonsum der Befragten, desto höher war die (schlichte) Bekanntheit einschlägiger PR-Begriffe, und desto häufiger wurde PR mit Werbung und Propaganda assoziiert und/oder negativ beurteilt. Unter Journalisten waren negative Deutungsmuster besonders ausgeprägt (vgl. Bentele und Seidenglanz2004, S. 36–113). Die Zusammenhänge legen die Vermutung nahe, dass die Art und Weise der journalistischen Darstellung von PR das Bild der PR in der Bevölkerung prägt. Hierfür müssten aber zwischen medialem PR-Bild und dem PR-Image in der Bevölkerung tatsächlich Kongruenzen nachgewiesen werden. Das fällt schwer, weil zur medialen Darstellung von PR im deutschsprachigen Raum kaum empirische Befunde vorliegen. Unsere Studie untersuchte deshalb das PR-Bild der Berichterstattung deutscher Qualitätsprintmedien zwischen 1993 und 2006 – und damit erstmals über einen längeren Zeitraum. Weitere Relevanzaspekte diskutieren wir im Rahmen der theoretischen Grundlegung.

2 Theoretische und Empirische Grundlagen

2.1 Public Relations als Medienthema

Im Unterschied zur Bevölkerung haben Journalisten täglich und unmittelbar mit PR Kontakt. Dabei ignorieren sie die Informationen von Kommunikationsverantwortlichen aus Unternehmen, Verbänden oder Parteien nicht pauschal als Manipulationsversuch, sondern betrachten zumindest einen Teil davon als relevante, zur Weiterverarbeitung in ihren Artikeln taugliche Botschaften (vgl. Raupp2005). In der Berichterstattung über PR müsste es Journalisten also auch möglich sein, das Phänomen PR wie jedes andere Thema zu behandeln und es so objektiv und ausgewogen wie möglich und „unbeeinflusst von persönlichen Interessen und sachfremden Beweggründen“ (Präambel Pressekodex) zu reflektieren. Wie einleitend gezeigt, geht aber z. B. die PR-Branche selbst von einer realitätsverzerrenden Thematisierung der PR in den Medien aus. Befunde aus Journalistenbefragungen (Bentele und Seidenglanz2004; Weischenberg1997) legen diese Vermutung auch nahe.

Für einen überwiegend negativen Tenor in journalistischer Berichterstattung über PR sprechen einige wenige inhaltsanalytische Befunde: Brandstetter und Hörschinger (2004) fanden für die österreichische Presse eine überwiegend negative PR-Darstellung v. a. im politischen Kontext sowie allgemein im Hinblick auf Seriosität und Glaubwürdigkeit der PR-Branche. Eine Studie im Auftrag der britischen „Public Relations Consultants Association“ förderte Ähnliches auch für die britischen Medien zu Tage (Echo Research1999; vgl. Bentele und Seidenglanz2004, S. 17–18; vgl. auch Echo Research2002). Und auch eine neuere US-amerikanische Langzeitstudie (1975 bis 2005) bestätigt ältere Befunde zur negativen Darstellung von PR in US-amerikanischen Medien (Bishop1988; Spicer1993; Tankard und Sumpter1993; Keenan1996; Henderson1998; Jo2003) und kommt zu dem Schluss: „The number of clichés is disheartening. To have more than 45 % of the PR references [in Network Newscasts; RF & KK] come in the form of a platitude is likely to send a message that the industry itself is stale“ (Kinsky und Callison2009, S. 8–9). Für Deutschland liegen bisher keine Befunde vor.

Auch andere Sachverhalte lassen die Annahme plausibel erscheinen, in der medialen PR-Berichterstattung dominiere ein Negativ-Bias. So lehrt z. B. die Nachrichtenwerttheorie, dass negative Ereignisse hohe journalistische Aufmerksamkeit nach sich ziehen; schon deshalb wird der PR-Skandal als Abweichung vom ethisch korrekten PR-Normalfall mit größerer Wahrscheinlichkeit zur Berichterstattung ausgewählt. Außerdem macht es die Intransparenz des PR-Berufsfelds selbst Außenstehenden schwer, immer zweifelsfrei zu erkennen, welche Kommunikationsbereiche tatsächlich unter Rubren wie ‚PR‘, ‚Kommunikationsmanagement‘ usw. firmieren und was genau eigentlich die Funktion von PR ist.

Da man insbesondere die Dimension ‚Medien- und Pressearbeit‘ der PR dem unmittelbaren „Strukturkontext“ des Journalismus zuordnen kann (Malik2004, S. 185) und die Berichterstattung über PR damit ressortübergreifend dem Medienjournalismus zuzurechnen ist, erhält die Untersuchung von PR als Medienthema eine spezifische Relevanz: Im Medienjournalismus stellen sich für die journalistische SelbstbeobachtungFootnote 4 typische „strukturfunktionale Latenzen“ ein, d. h. hier kommt es besonders häufig zu einer Nicht- bzw. De-Thematisierung speziell solcher Themen, die für das journalistische System schädliche Umweltreaktionen hervorrufen können (vgl. Malik2004, S. 112–114). Eine Offenlegung aller Aspekte der professionellen Beziehung zu PR könnte, so vielleicht die Befürchtung der Journalisten, zu eigenen Glaubwürdigkeitsverlusten auf Publikumsseite führen. Die beschriebenen Interdependenzen determinieren so beim Thema PR die Selbstkontrollfunktion des „Journalismusjournalismus“ (Malik2004). Außerdem schreibt gerade das journalistische Schweigen über die Rolle der PR im öffentlichen Informationsaustausch deren undurchsichtiges Image weiter fort.

Für die Annahme, die mediale PR-Berichterstattung in Deutschland werde dem Phänomen PR nicht gerecht, biete stark stereotypisierende Dar- und Vorstellungen von PR und weise überwiegend eine negative Tendenz auf, steht eine empirische Überprüfung noch aus. Deshalb bleiben auch Annahmen zu einem Zusammenhang zwischen dem überwiegend negativen PR-Image in der Bevölkerung und medialer PR-Berichterstattung bisher Spekulation. Und damit kann auch zum möglichen Versagen der Selbstkontrollfunktion des „Journalismusjournalismus“ im Falle von PR nichts gesagt werden. Aus diesen Forschungslücken leitet sich die Relevanz unserer Untersuchung ab.

Allerdings wollen wir ein spezifisches Manko bisheriger (ausländischer) Studien zum medialen PR-Bild vermeiden: Für die Messung einer möglichen Abweichung von einer angenommenen ‚Realität‘ der PR wurde in keiner der bisherigen Studien ein entsprechendes Untersuchungsdesign entwickelt. Stattdessen wurde der jeweilige Status quo der PR-Berichterstattung schlicht über wertende (positiv, negativ, neutral) Aussagen zu PR erhoben sowie über werthaltige Themenkontexte, in die PR gestellt wird. Auf dieser Basis beschreiben bisherige Untersuchungen dann ‚Abweichungen‘ von einem angeblich existierenden Realbild der PR, das aber nicht einmal ansatzweise intersubjektiv nachprüfbar beschrieben wird.

Unsere Studie geht in dieser Frage einen anderen, komplexeren Weg: Wir versuchen, die Vorstellung von einer ‚Realität‘ der PR zuzulassen und zu entwickeln, an der sich die PR-Berichterstattung messen lassen muss. Wir sind uns bewusst, dass eine solche Realitätskonstruktion kritikwürdig ist, weil es aus konstruktivistischer Sicht keine ontologische Realität gibt und journalistische Objektivität deshalb bestenfalls eine „brauchbare Prozedur“ und eine „handlungsleitende Norm“ des Journalismus sein kann (Weischenberg1993, S. 133). Wir wagen den Versuch trotzdem, weil selbst nach konstruktivistischer Sichtweise Journalismus zwar nicht zu ontologischer Realität verpflichtet werden kann, sich aber durchaus an den legitimen Erwartungen der Mediennutzer zur Glaubwürdigkeit und zum Nutzwert medialer Inhalte orientieren muss (vgl. Weischenberg1993, S. 129).

Wir halten dieses Vorgehen trotz aller erkenntnistheoretischen Vorbehalte außerdem für notwendig, weil in methodischer Hinsicht das Phänomen PR alsUntersuchungsgegenstand über konkrete, intersubjektiv nachvollziehbare Vorstellungsinhalte präzisiert werden muss. Nur auf Basis einer solchen Präzisierung kann PR dann über einen trennscharfen Merkmalskatalog operationalisiert und bei der Auswahl des Analysematerials im journalistischen Text als Thema mit Sub-Themen identifiziert werden.

2.2 Die ‚Realität‘ der Public Relations

Unsere Rekonstruktion einer extramedialen ‚Wirklichkeit‘ von PR stützt sich auf empirische Befunde zum PR-Berufsfeld und seiner Interaktion mit dem journalistischen System, reflektiert berufsständische Prämissen und institutionelle Vorkehrungen und berücksichtigt wissenschaftliche Theorieansätze (auch kritische) über Wesen und Funktion der PR ebenso wie allgemeine Entwicklungen oder Einzelereignisse gängiger PR-Praxis. Eine Übersicht über die verwendeten Quellen der PR-Forschung zeigt Tab. 1.

Tab. 1 PR-Forschungsquellen (Auswahl)

Dabei stellen wir zunächst einmal fest, dass PR in ihrer Funktionalität eine zu Journalismus, Werbung, Marketing und Propagandadistinkte sowie im Sinne von Bentele und Liebert (2005, S. 224)organisierte, d. h. professionelleForm öffentlicher Kommunikation darstellt. PR unterscheidet sich durch die Verpflichtung auf Partikularinteressen (Baerns1985, S. 16) erstens vom Journalismus, der in Ableitung von Artikel 5 GG dem Allgemeinwohl verpflichtet ist und (idealtypisch gesehen) nicht Selbst- sondern Fremddarstellungen produziert. PR ist zweitens nicht gleichbedeutend mit Propaganda, da sie keinen Absolutheitsanspruch vertritt und nicht mit Drohung und Verheißung arbeitet (vgl. Merten2000, S. 244–245), sondern nur auf Basis öffentlichen Vertrauens agieren kann, was sie durch rekonstruktive Information und Konfliktaushandlung fortwährend zu stabilisieren sucht (vgl. Bentele1994). PR ist drittens auch kein Synonym für Werbung, da sie für die Verbreitung ihrer Botschaften in redaktionellen Teilen von Massenmedien keinen Raum (Printmedien) und keine Zeit (elektronische Medien) kauft (kaufen darf). Im ethisch korrekten und professionellen Normalfall, der auch die geldwerte Leistungsvergütung von Journalisten ausschließt, liegt deshalb die Kontrolle über die Weiterverbreitung von PR-Inhalten in den Händen des Journalismus (vgl. Fröhlich2008, S. 104–105). Wenngleich insbesondere bei Unternehmen Schnittflächen zwischen Werbung und PR bestehen (z. B. sog. Produkt-PR), ist PR letztlich auch nicht ein der Werbung gleichgeordnetes Marketinginstrument, da sie allgemein und überwiegend ‚Beziehungsprobleme‘ bearbeitet, die nicht nur auf der meso- und mikroökonomischen Ebene des Marktes sondern explizit auch auf der Makroebene der Gesamtgesellschaft gelöst werden müssen (vgl. Szyszka2005a, S. 243, 252). In diesem Sinne wird PR als Subsystem des zwischen den sozialen Teilsystemen (Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, etc.) vermittelnden publizistischen Teilsystems verstanden. PR unterstützt darin als Kommunikator zweiter Ordnung das ressourcenknappe journalistische Subsystem bei der Informationsproduktion (vgl. Merten1992, S. 35–36;2005, S. 145; Barthenheier1982, S. 24). Der dadurch gegebene starke Einfluss der PR auf Themen und Timing der journalistischen Berichterstattung ist – unbenommen diverser systemischerInterdependenzen (vgl. Bentele2005a) – mehrfach empirisch belegt (vgl. Baerns1985; Raupp2005).

Unbenommen der Ausgangsfeststellung, dass PR eine zu Werbung, Marketing und Propaganda distinkte Form öffentlicher Kommunikation darstellt, erfüllt PR als partikulare Interessenvertretung in der Praxis gleichwohl auch Funktionen, die sich an der Grenze zu diesen anderen Formen persuasiver Kommunikation bewegen. Dazu gehören Funktionen wie Einfluss/Persuasion, Selbstdarstellung/Imagekonstruktion, Absatzförderung (insbesondere bei Wirtschaftsunternehmen) ebenso wie Manipulation, Desinformation und Geheimhaltung. In der konkreten Ausführung sind diesen Funktionen aber Grenzen gesetzt, denn sie sind überwiegend nur (so lange) einsetzbar, wie sie von den intendierten Zielgruppen nicht als solche erkannt werden. Außerhalb dieses funktionalen Konstruktionsspielraums (vgl. Merten1992, S. 43–44) muss PR, um vertrauenswürdig zu bleiben, immer auch wahrhaftes Beziehungsmanagement durch glaubwürdige Konfliktvermeidung und -bewältigung betreiben – ein PR-Handeln, das sich u. a. im stark dominierenden Selbstverständnis von Praktikern als ‚Mittler‘ widerspiegelt (Bentele et al.2005,2007/2009). Aus ethischer Sicht potenziell bedenkliche Aktionen sind also in der Tat Teil der ‚PR-Realität‘; gegengesteuert wird diesen jedoch systemisch durch Dependenzverhältnisse der PR zum Journalismus, normativ durch Gesetze und Ethikkodizes des Berufsstands.Footnote 5

In Abgrenzung zur wirtschaftswissenschaftlichen Perspektive, die PR als Mittel der Absatzkommunikation behandelt, ergibt sich ein weiteres für die Rekonstruktion der ‚PR-Realität‘ relevantes PR-Verständnis: PR ist heute zunehmend eineFührungsaufgabe, die das Ziel verfolgt, die Kommunikationsprozesse zwischen einer Organisation und ihren verschiedenen Teilöffentlichkeiten (Politik, Kunden, Medien, Mitarbeiter usw.) zu steuern. Wie die Studien von Bentele et al. (2005,2007/2009) zeigen, scheint sich diese integrative Sichtweise im deutschen PR-Berufsfeld strukturell auch mehr und mehr durchzusetzen. Beobachtbar sind im Zuge dieser Entwicklung ferner terminologische Veränderungen: Während z. B. einschlägige Berufsverbände in ihren Verbandsnamen noch klassische Begriffe wie ‚PR‘ (DPRG und DRPR)Footnote 6 oder ‚Pressesprecher‘ (BdP)Footnote 7 führen, wird in der wissenschaftlichen und der Handbuch-Literatur das so verstandene „management of communication“ (Grunig und Hunt1984, S. 6) zumeist nicht mehr (nur) als ‚Public Relations‘ oder ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ bezeichnet, sondern zunehmend mit modernen Dachbegriffen wie ‚(Integrierte oder Strategische) Kommunikation‘‚ ‚Corporate Communications‘, oder ‚Communication Management‘ belegt (vgl. Merten2000, S. 59; Szyszka2005b, S. 608).

2.3 Forschungsleitende Fragen

Vor dem beschriebenen theoretischen und empirischen Hintergrund haben wir in unserem Projekt über die PR-Berichterstattung deutscher Printmedien folgende Forschungsfragen formuliert:

F 1

Welches PR-Verständnis liegt in der Berichterstattung deutscher Printmedien vor?

Das theoretische Konstrukt ‚PR-Verständnis‘ sollte dabei hinsichtlich drei verschiedener Dimensionen untersucht werden:

F 1.1

im Hinblick auf dieterminologische Trennschärfe zwischen PR einerseits und den anderen (teil-)öffentlichen, persuasiven Kommunikationsformen Werbung/Marketing und Propaganda andererseits sowie zwischen PR und dem PR-Instrument ‚Pressearbeit‘;

F 1.2

im Hinblick auf diefunktionale Trennschärfe zwischen PR einerseits und Werbung/Marketing und Propaganda andererseits sowie zwischen PR und ‚Pressearbeit‘;

F 1.3

im Hinblick auf die potentielle Thematisierung einesFührungsverständnisses von PR.

F 2

Wie wird PR in der deutschen Presseberichterstattung bewertet?

F 3

Findet in der deutschen Berichterstattung eine Reflexion der professionellen Beziehung zwischen Journalismus und PR statt? Falls ja, wie wird diese Beziehung dargestellt?

F 4

Lassen sich in der deutschen Presseberichterstattung über PR Unterschiede zwischen verschiedenen Medien und Ressorts finden?

F 5

Verändert sich die deutsche Presseberichterstattung über PR im Zeitverlauf und wenn ja, wie?

3 Methode und Operationalisierung

3.1 Untersuchungsmaterial und Zeitraum

Unsere Studie basiert auf einer quantitativen Inhaltsanalyse. Die Konzentration der Analyse aufPrintjournalismus begründet sich aus dessen besonderem Ruf als Korrektiv potenziell unzureichender Informationsleistungen des Rundfunks sowie als „soziales Register“, das Raum bietet für verschiedene gesellschaftliche Themenfelder (Weischenberg2004, S. 275). Mit der Konzentration auf Qualitätspresse soll ferner vermieden werden, dass zu untypische inhaltliche Besonderheiten der Medienberichterstattung zum Tragen kommen, wie es z. B. im Boulevardjournalismus der Fall sein kann. Zur Beantwortung unserer Forschungsfragen untersuchten wir deshalb im Zeitraum zwischen 1993 und 2006Footnote 8 die Berichterstattung über PR-Themen in den beiden überregionalen TageszeitungenFrankfurter Allgemeine Zeitung (inkl.Sonntagszeitung) undSüddeutsche Zeitung sowie in den NachrichtenmagazinenDer Spiegel undFocus. Die ausgewählten Qualitätsmedien repräsentieren vier deutsche Leitmedien unterschiedlicher Blattlinie und Mediengattung, die abgesehen von ihren hohen Reichweiten insbesondere unter Journalisten auch Orientierungs- und Meinungsführerfunktion erfüllen (vgl. Weischenberg et al.2006, S. 359).

Das Analysematerial wurde über einen wissenschaftlich elaborierten, repräsentativen SuchbegriffskatalogFootnote 9 aus elektronischen Mediendatenbanken gewonnen (Tab. 2). Um dieRelevanzquote Footnote 10 möglichst hoch zu halten, wurde dabei anstelle einer Volltextrecherche eine Titeltextrecherche – Dachzeile, Headline, Subline bzw. bei Texten ohne Titel ‚Lead‘ – durchgeführt. Dadurch ergab sich eine Grundgesamtheit von insgesamt 721 Artikeln (Ngesamt), die zwischen 1993 und 2006 mindestens einen der ausgewählten Suchbegriffe im Titelbereich enthielten. 504 Artikel (Nthema) berichteten davon auch im Textkorpussachbezogen (vgl. Anm. 10) über PR bzw. Kommunikationsmanagement. Sie repräsentieren valide die PR-Berichterstattung der ausgewählten Medien im Untersuchungszeitraum und wurden einer Vollerhebung unterzogen.

Tab. 2 Suchbegriffe für die Datenbankrecherche

3.2 ErhebungsinstrumentFootnote 11

Zur Durchführung der Analyse haben wir ein an Forschungsfragen und rekonstruierter ‚PR-Realität‘ ausgerichtetes, theorie- und empiriegeleitetes Kategoriensystem entwickelt, das formale (Medium, Ressort, Länge usw.) und inhaltliche Kategorien (verwendete Begriffsklassen (vgl. Tab. 2), terminologische Gleichsetzungen, PR-Funktionen, Themenbereiche, PR-Zielgruppen, PR-Auftraggeber usw.) enthält. Letztere lassen sich je nach Analyseeinheit in Kategorien aufTitelebene,Beitragsebene undThemenebene untergliedern. Bei der Erhebung von Bewertungskategorien (‚Tendenz‘, ‚semantische Dimensionen‘ und ‚Hauptargument‘) stellte darüber hinaus dieEbene der wertenden Aussagen eine weitere Einheit dar. Für diese Aussagen waren jedoch keine eigenständigen Variablen vorgesehen, d. h. sie wurden auf Datenebene nicht durch eigene Codes abgebildet. Stattdessen war der Codierer aufgefordert, einzelne wertende Aussagen im Text zu identifizieren und nach Tendenz und Semantik zu gewichten, um aus ihrer ‚Verrechnung‘ die Ausprägungen für die entsprechenden Bewertungskategorien einer Untersuchungseinheit zu ermitteln.Footnote 12

Die einzelnen Kategorien, deren Validität, Vollständigkeit und Trennschärfe nach theoretischer Herleitung durch Probecodierungen empirisch optimiert und im Codebuch zusätzlich über Indikatoren definiert wurden, sind in der Ergebnisdarstellung (Abschn. 4) aufgeführt und werden dort näher erläutert. Ein Intra-Coder-Reliabilitätstest ergab eine durchschnittliche Kategorienverlässlichkeit von 0,949 – nach Früh (2001, S. 181) ein sehr guter Wert.

4 Ergebnisse und Interpretation

Da unsere Studie eineVollerhebung der Grundgesamtheit Ngesamt bzw. (in Gänze) der um die irrelevanten Beiträge bereinigten Grundgesamtheit Nthema ist, wird bei der Ergebnisdarstellung auf die Angabe von Signifikanzniveaus verzichtet.

4.1 Wo PR draufsteht, ist nicht immer PR drin

Die Verteilung der n = 217 Artikel, die mangels sachlicher PR-Information im Fließtext aus der weiteren Analyse ausgeschlossen wurden, gibt erste Hinweise darauf, wo in der journalistischen Berichterstattung PR-Vokabular tendenziellsachfremd zum Einsatz kommt. Als ‚sachfremd‘ wurden Beiträge eingestuft, wenn PR-Begriffe ausschließlich in einem nicht sachlichen oder fachbezogenen Kontext benutzt wurden (z. B. schlicht als Synonyme für ‚Inszenierung‘, ‚Lüge‘, ‚Scherz‘) oder wenn außer in der Überschrift im sonstigen Beitrag kein weiterer relevanter Such-/Schlüsselbegriff enthalten war (vgl. Anm. 10).

Unter den Artikeln der MagazineSpiegel undFocus finden sich deutlich häufigersachfremde Beiträge als in den Tageszeitungen (Tab. 3). Entsprechendes gilt für das Ressort ‚Sport‘ und die sog. weichen Ressorts, in deren Schlagzeilen also auffallend häufig PR-Begriffe vorkommen, ohne dass auch in der Sache über PR berichtet wird (Tab. 4).

Tab. 3 Anteil sachfremder vs. sachbezogener PR-Berichterstattung nach Medium
Tab. 4 Anteil sachfremder vs. sachbezogener PR-Berichterstattung nach Ressort

Allgemein weist die hohe Ausschussquote von 30 % der Artikel – zumal in der Qualitätspresse – darauf hin, dass PR-Terminologie in der öffentlichen Kommunikation doch recht häufig außerhalb eines sachlichen Kontextes benutzt wird. Für die um Professionalisierung bemühte PR-Branche mag dieser erste Befund problematisch sein.

4.2 Die PR-Berichterstattung in Frankfurter Allgemeine (Sonntags-)Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Spiegel und Focus

4.2.1 Verständnis und Bewertung von PR in der Berichterstattung

Die originäre PR-Berichterstattung der untersuchten Printmedien (Nthema = 504) zeichnet sich überwiegend durchterminologische Trennschärfe aus (vgl. Tab. 9). In nur 4 % der Beiträge (1 % davon im Titelbereich) wird PR mit ‚Propaganda‘-Begriffen gleichgesetzt, und lediglich 6 % der Artikel (nur eineinziger im Titelbereich) nennen ‚Pressearbeit‘ als Synonym für PR. Deutlich häufiger kommt es dagegen zu terminologischen Gleichsetzungen von PR und Marketing: In 33 % der Fälle werden PR und ‚Werbung/Marketing‘ als Alternativbegriffe verwendet bzw. durch den Gebrauch einschlägiger Wortfamilien wie ‚Vermarktung‘, ‚Promotion‘ oder ‚Reklame‘ parallelisiert. Insgesamt weisen damit 39 % der Artikel mindestenseine Begriffsgleichsetzung auf. Darunter sind überraschenderweise sogarExpertenbeiträge. Footnote 13 Selbst 20 % der vorgefundenenPR-Veranstaltungshinweise differenzieren nicht zwischen PR und Marketing. Die Medien lassen also (trotz funktionaler Verschiedenheit von PR und Marketing) hier den Eindruck von funktionaler Geichheit entstehen. Dies ist, so unsere Befunde, zumindest teilweise aber auch auf unpräzise oder rein auf die Absatzmarktkommunikation fokussierte Begriffsverwendungen der PR- und Marketingpraktiker selbst zurückzuführen.

Die teils mangelnde Begriffspräzision findet eine deutlichere Entsprechung in derfunktionalen Trennschärfe der PR-Berichterstattung, die wir in Abhängigkeit der in einem Beitrag thematisierten PR-Funktionen Footnote 14 bestimmten: In mehr als jedem dritten Artikel (37 %) werden ausschließlichwerbe- und propagandaähnliche PR-Funktionen genannt (vgl. unten Tab. 7); für den Leser sind funktionale (und damit definitorische) Unterschiede zwischen PR, Marketing und Propaganda also nicht erkennbar. Darüber hinaus werden auch eindeutig negativ konnotierte Kommunikationsfunktionen (‚Geheimhaltung‘, ‚Manipulation‘ oder ‚Desinformation‘) in 32 % der Beiträge mit PR in Verbindung gebracht. Funktionen aus der Gruppe derPR-spezifischen Funktionen (z. B. ‚Beziehungsmanagement‘) werden dagegen nur in 48 % der Fälle thematisiert. Analysiert man dieeinzelnen PR-Funktionen im Detail, so nimmt die Funktion ‚Selbstdarstellung‘ (55 %) den prominentesten Platz ein, gefolgt von ‚Einfluss/Persuasion‘ (38 %), ‚Information‘ (34 %) und ‚Beziehungsmanagement‘ (34 %). ‚Soziale Integration‘ (9 %) und interne PR-Funktionen (5 %) bilden das Schlusslicht.

Die offenkundig starke Präsenz marketingtheoretischer Konnotationen in der analysierten Berichterstattung über PR ließ vermuten, dass die Medien PR eher nicht alsFührungsaufgabe thematisieren, und falls doch, dann weniger im Zusammenhang mit den vergleichsweise konkreten Begrifflichkeiten ‚PR/Public Relations‘ und ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ als vielmehr im Zusammenhang mit weniger konkreten Dachbegriffen wie ‚Kommunikationsmanagement‘ oder ‚Unternehmenskommunikation‘ (vgl. Tab. 2). Unsere Daten bestätigen diese Annahmen teilweise: Insgesamt bringen nur 14 % der Beiträge ein Führungsverständnis von PR zum Ausdruck – in nur 2 % der Fälleexplizit, d. h. PR wird hier ausdrücklich als Leitfunktion im Integrationsprozess organisationaler Kommunikationsdisziplinen beschrieben. Im Rest der Beiträge kommt das PR-Führungsverständnis nurimplizit vor.Footnote 15 Allerdings wird in 9 % der untersuchten Artikel PR als Führungsaufgabe sehr wohl im Zusammenhang mit den klassischen PR-Begriffen ‚PR/Public Relations‘ und ‚Öffentlichkeitsarbeit‘ thematisiert. Von einer Favorisierung modernerer Dachbegriffe insbesondere im Kontext der Führungsthematik kann – entgegen unserer Annahme – nicht die Rede sein.

Zu den Befragungsbefunden über die kritisch-distanzierte Haltung der Öffentlichkeit gegenüber PR findet unsere Studie ebenfalls Parallelen: Insgesamt 46 % der untersuchten Artikel stellen PR (überwiegendFootnote 16) negativ dar (Tab. 5). In 21 % der Fälle wird ausgewogen oder neutral (d. h. ohne Wertungen) berichtet, der Rest weist einen überwiegend positiven Tenor auf.Footnote 17

Tab. 5 Tendenz der PR-Bewertung im Beitrag in Abhängigkeit zur Thematisierung der Begriffe ‚PR/Public Relations‘

Zwei Detailbefunde sind hier interessant: Erstens bestätigen unsere inhaltsanalytischen Befunde die Annahme von Bentele und Seidenglanz (2004), wonach insbesondere die Begriffe ‚PR‘ und ‚Public Relations‘ negativ konnotiert werden. Sind diese Begriffe explizit in einem Beitrag enthalten, so kommt es mit 52 % überdurchschnittlich oft zu einem negativen Bewertungstenor. In Artikeln, die diese Begriffe nicht enthalten, dominieren mit 69 % dagegen positive oder ausgewogen/neutrale Darstellungen. Bedenkt man, dass PR, Unternehmenskommunikation oder Corporate Communications realiter dasselbe bezeichnen, ist diese Negativgewichtung des ‚PR‘-Begriffs in den Medien nicht gerechtfertigt.

Unabhängig von besonderen Begriffsverwendungen ist zweitens festzustellen, dass vor allemakteurszentrierte Berichte PR negativ beleuchten (ohne Abb.): 72 % der Beiträge, die das Handeln eines bestimmten PR-Schaffenden zum Thema haben, bewerten PR negativ. Daneben konnotieren auch Artikel über ‚PR für einen konkreten Auftraggeber‘ – im Übrigen der am häufigsten berichtete ThemenbereichFootnote 18 – PR überwiegend kritisch. Es scheint also, dass Journalisten – entgegen der berufsständischen Befürchtung negativer Verallgemeinerungen – insbesondere das PR-Handelneinzelner PR-Akteure und/oder PR-Auftraggeber, nicht aber generell das alltägliche PR-Business besonders kritisch beobachten und negativ beurteilen.

Auch für semantische Dimensionen von PR-Bewertungen (vgl. Anm. 12) ergeben sich Parallelen zwischen unseren Befunden und jenen von Bentele und Seidenglanz (2004) (Tab. 6).

Tab. 6 Tendenz der PR-Bewertung nach semantischen Dimensionen

Argumente in der Berichterstattung, die sich derMoraldimension zurechnen lassen (wertende Aussagen überEthik von PR-Handlungen), sind zu 72 % negativ konnotiert. Das Gleiche gilt für wertende Aussagen über PR-Kosten: 83 % der Argumente dieser semantischen Dimension sind negativ, bewerten also z. B. PR-Aktionen als ineffizient, Beraterhonorare als zu teuer u. ä. Auch dieRealisierung von PR (z. B. Qualität oder Professionalität von PR-Konzepten) wird mit immerhin 49 % noch oft negativ beurteilt. Hier hatten wir aufgrund der Befragungsbefunde zum PR-Erfolgsverhalten eine deutlich positivere mediale Darstellung von PR erwartet. Der einzige überwiegend positiv konnotierte Themenkontext (76 %) ist überraschend dieRelevanz von PR (z. B. für das Funktionieren der journalistischen Arbeit, für das Funktionieren von Gesellschaft usw.).

Neben derTendenz (positiv, ausgewogen/neutral, negativ) und den in den Beiträgen grundsätzlich vorzufindendensemantischen Dimensionen (Realisierung, Moral, Relevanz, Kosten) von PR-Bewertungen wurde auch das ‚Hauptargument im Beitrag‘ erhoben. Als Hauptargument eines Beitrags wurde, sofern eindeutig möglich, jene semantische Dimension bestimmt, der sich die meisten wertenden Aussagen (positiver oder negativer Art) in einem Beitrag zurechnen ließen (vgl. Anm. 12). Am häufigsten, nämlich in 31 % der Artikel, kam das Hauptargument alsnegatives Moralargument vor. Das bedeutet, in knapp einem Drittel aller Beiträge (mit PR-Bewertungen) war die Hauptaussage die Kritik an der (vermeintlich) unzureichenden Moral der PR. An zweiter Stelle rangieren unter den ‚Hauptargumenten‘ indes positiveRelevanzargumente (21 %) (zur Bedeutung und Wichtigkeit der PR). An dritter und vierter Stelle folgen Artikel, die positiv (19 %) oder negativ (17 %) über PR-Erfolge oder -Misserfolge berichteten (‚Hauptargumente‘ derRealisierung).

4.2.2 Die Thematisierung der professionellen Beziehung zwischen Journalismus und PR

Die Arbeitsbeziehung zwischen Journalismus und PR gehört mit einem Anteil von 16 % (n = 64) nicht gerade zu den Topthemen der PR-Berichterstattung. Dabei wird in nur 11 % dieser Fälle auf Befunde der PR-Forschung Bezug genommen, die etwa gegenseitige Dependenzrelationen oder den Themeneinfluss von PR auf die Medien belegen. Angesichts der vermuteten ‚strukturfunktionalen Latenzen‘ überraschen die Befunde nicht. Auch überrascht es wenig, dass PR in den thematischen Abschnitten, die sich mit der professionellen PR-Journalismus-Beziehung befassen, überwiegend (79 %) negativ bewertet werden. In 63 % der Artikel begründet sich der negative Tenor dabei durch kritische Aussagen über dasMoralverhalten der PR. Ethikcodes und -institutionen des PR-Berufsstands bleiben dabei (83 % der Fälle) unerwähnt. In nur 9 % der Fälle wird das ethische Verhalten der PR gegenüber Journalisten positiv gewertet. Dazu passt, dass in Beiträgen, die sich der PR-Journalismus-Beziehung annehmen, die PR-Funktionen ‚Einfluss/Persuasion‘ (60 % in Beiträgen mit vs. 35 % in Beiträgen ohne Thematisierung der PR-Journalismus-Beziehung) und ‚Manipulation‘ (38 % vs. 14 %) überdurchschnittlich häufig zur Sprache kommen.

Geht es bei der Beschreibung der Arbeitsbeziehung zwischen PR und Journalismus dagegen vorwiegend um eine Bewertung der Professionalität, der Qualität oder des Erfolgs von PR – entstammen Wertungen im PR-Journalismus-Kontext also vor allem der semantischen Dimension ‚Realisierung‘ –, so werden PR-Leistungen ebenfalls eher negativ (9 %) als positiv (6 %) beurteilt. In Beiträgen wiederum, die insbesondere dieRelevanz der PR für den Journalismus bewerten, sind diese Wertungen nahezu ausgewogen: In 6 % der Fälle wird positiv über die Relevanz der PR berichtet, in 5 % negativ.

4.2.3 Medien- und ressortspezifische Kennzeichen der PR-Berichterstattung

Medienspezifische Kennzeichen.

Die sachbezogene PR-Berichterstattung (Nthema = 504) verteilt sich mit 42 % auf Beiträge in derSZ, 38 % in derFAZ/FAS, 11 % imSpiegel und 9 % imFocus. Während 30 % der Beiträge inFAZ/FAS theoretisch falsche PR-Begriffsgleichsetzungen (mit Werbung/Marketing oder Propaganda) enthalten, trifft dies imFocus auf 42 % und in derSZ auf 45 % der Beiträge zu. Die geringsteterminologische Trennschärfe weist mit 48 % derSpiegel auf, der mit großem Abstand am häufigsten PR mit Propaganda gleichsetzt (21 % imSpiegel, 4 % inSZ, 2 % inFocus und 1 % inFAZ/FAS ). Eine Gleichsetzung mit Werbung/Marketing findet sich am häufigsten imFocus (40 %) und imSpiegel (39 %) (SZ 36 %;FAZ/FAS 26 %).

Für die Thematisierung vonPR-Funktionen ergibt sich ein ähnliches Bild (Tab. 7):

Tab. 7 Anteil der PR-Beiträge nach genannten PR-Funktionsgruppen und Medium

Ausschließlich ‚werbe- und propagandaähnliche PR-Funktionen‘ (vgl. Anm. 14) thematisieren die beiden Nachrichtenmagazine in 56 % bzw. 59 % der Fälle. Bei derSZ lassen 41 % der analysierten Fälle keinen funktionalen Unterschied zwischen PR und Werbung/Marketing bzw. Propaganda erkennen; bei FAZ/FAS ist das dagegen nur in 21 % der Beiträge so.Der Spiegel stellt ferner in 63 % der Fälle (SZ 35 %;Focus 27 %;FAZ/FAS 20 %) PR in den Kontext der unterstellten PR-Funktionen ‚Geheimhaltung‘, ‚Manipulation‘ oder ‚Desinformation‘.

Befunde zu denBewertungsmustern der einzelnen Medien unterstreichen die besondere Haltung desSpiegel dem Thema PR gegenüber (ohne Abb.): Er ist Spitzenreiter in Sachen negativer PR-Berichterstattung. 68 % seiner Beiträge weisen eine negative Tendenz in der PR-Bewertung auf. Die verwendeten Hauptargumente thematisieren dabei überwiegend (56 %) ethische Aspekte der PR (semantische Dimension ‚Moral‘). Generell ist in den untersuchten Medien mit ‚linker‘ Blattlinie die Berichterstattung mit negativem Tenor (SZ 53 %;FAZ/FAS 30 %,Focus 49 %)Footnote 19 und der Einsatz von Moralargumenten (SZ 43 %;FAZ/FAS 16 %,Focus 35 %) stärker ausgeprägt als in den Medien mit ‚rechter‘ Blattlinie. Das gilt auch für die kritische Betrachtung der Arbeitsbeziehung zwischen Journalismus und PR:SZ- undSpiegel-Journalisten problematisieren das Thema in 21 % ihrer Beiträge,FAZ/FAS undFocus nur in 11 % bzw. 9 % der Fälle.

Abb. 1
figure 1

Anteil Beiträge mit negativer PR-Bewertungstendenz im Zeitverlauf, nach Blattlinie

BeiFAZ/FAS ließen sich die meisten PR-Beiträge im Wirtschaftsressort finden. Hierin unterscheidet sich diese Zeitung mit großem Abstand von den anderen untersuchten Printmedien (Tab. 8). An der Spitze der Themenrangliste stehen inFAZ/FAS dabei ‚Branchenberichte‘ und der Bereich ‚PR allgemein‘ (ohne Abb.). 17 % derFAZ/FAS-Beiträge thematisieren ein Führungsverständnis von PR (SZ undSpiegel: 13 %;Focus: 11 %). Werden PR in derFAZ/FAS bewertet, weisen die Hauptargumente zu 47 % eine ‚Realisierungs-‘ und zu 34 % eine ‚Relevanz‘-Semantik auf. Moralaspekte und ethische Problematisierungen der PR spielen eine vergleichsweise untergeordnete Rolle.

Tab. 8 Ressortverteilung der PR-Beiträge nach Medium

Die PR-Berichterstattung derSZ ähnelt in ihren Grundzügen dem PR-Bild, das für die PR-Berichterstattung der ausgewählten Presseorganeinsgesamt festgestellt wurde. In derSZ finden sich die meisten Beiträge über PR (24 %) im Medienressort, dicht gefolgt vom Ressort ‚Politik und Gesellschaft‘ (22 %).

Was das Ressort ‚Politik und Gesellschaft‘ angeht, so ist dies bei den beiden Nachrichtenmagazinen mit großem Abstand der prominenteste Ort für die Berichterstattung über PR (jeweils 40 %). DerFocus wiederum fällt durch eine weitere Besonderheit auf: Knapp ein Viertel aller Artikel über PR finden sich hier im Ressort ‚Buntes/Lifestyle‘; kein anderes Printmedium erreicht hier einen annähernd hohen Anteil. Es scheint, als lege derFocus bei der PR-Berichterstattung eine gewisse Boulevardisierungstendenz an den Tag.

Ressortspezifische Kennzeichen.

Beachtlich sind auch die ressorttypischen Unterschiede hinsichtlich der begrifflichen und funktionalen Trennschärfe sowie des Bewertungstenors der PR-Berichterstattung (Tab. 911).Footnote 20 Eine weitgehend neutrale und sachliche Berichterstattung über PR findet in denRessortsWirtschaft undSpeziellesFootnote 21 statt. Terminologische Gleichsetzungen der PR mit Werbung/Marketing (20 %, 29 %) und Propaganda (1 %, 2 %) sind darin vergleichsweise selten. Das gleiche gilt für Beiträge, in denen ausschließlich werbe- und propagandaähnliche PR-Funktionen genannt sind (19 %). Ein werbenahes PR-Verständnis ist damit eher nicht im Wirtschaftsteil vorzufinden. Das überrascht durchaus, denn wir haben für die hier tätigen (Fach)Journalisten eine dominierende BWL-Sicht angenommen und deshalb ein vorherrschendes Verständnis von PR als Marketing-Instrument erwartet. Unsere Befunde bestätigen diese Vermutung aber nicht. Ein werbenahes PR-Verständnis dominiert eher in Sport-, Kultur- und Lifestyle-Ressorts.

Tab. 9 Anteil der PR-Beiträge mit terminologischen Gleichsetzungen von PR mit Werbung/Marketing, Propaganda und Pressearbeit nach Ressort
Tab. 10 Anteil der PR-Beiträge nach genannten PR-Funktionsgruppen und Ressort
Tab. 11 Tendenz der PR-Bewertung im Beitrag nach Ressort

PR-spezifische Funktionen (v. a. ‚Information‘ und ‚Beziehungsmanagement‘) werden in den Ressorts ‚Wirtschaft‘ und ‚Spezielles‘ im Vergleich zu anderen Ressorts überdurchschnittlich häufig (Wirtschaft: 64 %; Spezielles: 49 %) thematisiert; der Grundton der Berichterstattung ist hier mit großem Abstand überwiegend neutral/ausgewogen bis positiv. In der Bewertung von PR überwiegen dabei Realisierungs- und Relevanzargumente gegenüber Moralargumenten (ohne Abb.). In der Ressortgruppe ‚Spezielles‘ sind z. T. sogar leicht idealisierende Züge von PR erkennbar (auffallend positive Moralbewertung, überdurchschnittliche Thematisierung der Relevanz von PR).

Relativ unvoreingenommen (Tab. 11) und mit einem akzeptablen Maß funktionaler Trennschärfe (Tab. 10) berichten auchFeuilleton-Journalisten über PR. Die häufigen Begriffsgleichsetzungen von PR mit Werbung (41 %) und mit Pressearbeit (18 %) (Tab. 9) zeigen jedoch einen gewissen Mangel an Fachspezifik.

DieRessortsMedien undPolitik‘ schließlich weisen wesentliche Züge jenes PR-Bilds auf, das sich für denSpiegel als charakteristisch erwiesen hatte: Hier wird PR zu 75 % (‚Medien‘) bzw. 63 % (‚Politik‘) negativ konnotiert (Tab. 11). Der Befund geht einher mit den jeweils höchsten Werten für Propagandagleichsetzungen (13 %, 9 %; Tab. 9) und vergleichsweise großer funktionaler Unschärfe (52 %, 50 %; Tab. 10). Beide Ressorts rücken vor allem die potentielle Manipulationsfunktion von PR in den Mittelpunkt, konnotieren die Termini ‚PR/Public Relations‘ überdurchschnittlich häufig negativ und weisen eine klare Dominanz bei (ebenfalls überwiegend negativ konnotierten) Moralargumenten auf (ohne Abb.). Im Unterschied zum Politikressort, das sich nach unseren Befunden vornehmlich mit konkreten Akteuren und PR-Handlungen bestimmter Auftraggeber befasst, bietet das Medienressort aber auch Informationen über PR allgemein sowie Branchennachrichten und lässt in 5 % der Fälle auch PR-Experten zu Wort kommen (vgl. Anm. 13). Darüber hinaus wird in keinem anderen Ressort so oft die professionelle Journalismus-PR-Beziehung thematisiert (43 %). Wenn dieses Thema in den analysierten Medien überhaupt vorkommt, dann hier. Die Thematisierung dieser Beziehung geht allerdings auch hier ganz überwiegend mit einer Abwertung der PR einher.

4.2.4 Die PR-Berichterstattung im Zeitverlauf

Für viele der im Kontext unseres Forschungsinteresses relevanten Kategorien zeigte eine Analyse der PR-Berichterstattung im Zeitverlauf überraschenderweise keine auffallenden Veränderungen: Die Thematisierungshäufigkeit von PR, die Länge der Beiträge, die Verteilung der PR-Berichterstattung über verschiedene Ressorts sowie die Trennschärfe des medialen PR-Bilds zu Werbung/Marketing und Propaganda bleiben über den analysierten Zeitraum von immerhin 14 Jahren hinweg weitgehend konstant. Dasselbe gilt für die Darstellung und Thematisierung eines Führungsverständnisses von PR.Footnote 22 In den untersuchten Medien sind hierzu ebenfalls keine signifikanten Entwicklungen erkennbar. Obwohl also in der extramedialen Realität seit Beginn der 90er Jahre mit dem Wachstum der PR auch ihre Ausdifferenzierung und Professionalisierung zu beobachten sind, ergeben sich hieraus keine Effekte für die Medienberichterstattung über PR.

Ein deutlicher Wandel zeichnete sich dagegen für die zeitliche Entwicklung vonPR-Bewertungen ab. Seit etwa Ende der 90er Jahre nimmt der Negativismus in der PR-Berichterstattung zu und sinkt danach nie wieder auf das Niveau vor 2000 ab (Abb. 1). Hierbei fallen für 1994 ein vergleichsweise hoher und für 1998 der insgesamt niedrigste Anteil negativ konnotierter PR-Beiträge auf. Spezifische Schlüsselereignisse, die diese Ausreißerwerte verursacht haben könnten, ließen sich in diesen Jahren nicht identifizieren.

Abgesehen von der sonst moderaten Entwicklung in der Thematisierungshäufigkeit von PR finden wir beiallen untersuchten Medien eine relative (in derSZ sogar eine absolute) quantitative Berichterstattungsspitze im Jahr 2002.Footnote 23 Dieser ‚Hype‘ lässt sich anhand diverser Merkmale (Akteurszentrierung, Erscheinungsmonat, Häufigkeit des Begriffs ‚Berater‘) eindeutig auf die skandalträchtigen Vorfälle um den Lobbyisten Moritz Hunzinger im Juli 2002 zurückführen. Wie unsere Ergebnisse zeigen, bewirkte die ‚Hunzinger-Affäre‘ entgegen der Befürchtungen des PR-Berufsstands aber wohl eher keinen pauschalen und anhaltenden Imageschaden für PR. Zwar dominierte 2002 in allen untersuchten Medien ein kritischer Ton (negativer PR-Bewertungstenor in 64 % der Beiträge; Abb. 1); der Trend, über PR allgemein negativ zu berichten, hatte jedoch bereits vorher eingesetzt und sank nach der Affäre auch wieder auf das gewohnte Niveau.

Die Auswirkungen der Hunzinger-Affäre auf den analysierten medialen PR-Diskurs waren stattdessen vor allem semantischer Natur: Zum einen bewerteten die betreffenden Journalisten statt wie bisher Erfolge und Misserfolge der ‚Realisierung‘ von PR nach 2002 auffallend häufig standes- und medienethische Fragen der PR (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Hauptargumente von PR-Bewertungen im Zeitverlauf

Zum anderen hält sich seither neben der durchweg stark thematisierten ‚Selbstdarstellungsfunktion‘ der PR die PR-Funktion ‚Einfluss/Persuasion‘ als Thema auf vergleichsweise hohem Niveau und verdrängt die bis dahin gleichfalls vielzitierten PR-Funktionen ‚Information‘ und ‚Beziehungsmanagement‘ (Abb. 3). Diese Veränderungen interpretieren wir als einen Wandel von eineminformationsbetont-rekonstruktiven zu einempersuasionsbetont-konstruktivistischen Bild der PR in den von uns untersuchten Medien.

Abb. 3
figure 3

Thematisierung von PR-Funktionen (Auswahl) im Zeitverlauf

Ob der erneute Anstieg in der Thematisierung der Informationsfunktion von PR im Jahr 2006 wiederum eine dieser Diagnose entgegenstehende Kehrtwende ankündigt, müssen Folgestudien klären.

5 Fazit

Unsere Befunde zeigen für die PR-Berichterstattung der deutschen Qualitätspresse terminologische und funktionale Unschärfen in der Abgrenzung der PR zu Werbung/Marketing und Propaganda.Footnote 24 Ein Führungsverständnis von PR, wie es aus berufsständischer und sozialwissenschaftlicher Perspektive vertreten wird und sich strukturell auch in der PR-Praxis zunehmend durchsetzt, kommt nur in jedem siebten der untersuchten Beiträge zum Ausdruck. In ihren Wertungen tendieren die Journalisten mehrheitlich zu einem kritisch-negativen Ton – vor allem im Zusammenhang mit den klassischen Begriffen ‚PR/Public Relations‘. Im Kontext der Berichterstattung über die ethisch-moralische Qualität von PR-Handeln identifizieren wir – besonders ausgeprägt inSpiegel undSZ, sowie im Politik- und Medienressort – Skandalisierungstendenzen: das Moralverhalten der PR wird in 72 % der Fälle negativ bewertet; Ethik-Vorkehrungen des PR-Berufsstands bleiben nahezu unerwähnt. Dies gilt auch und insbesondere im Hinblick auf die (insgesamt selten thematisierte) professionelle Arbeitsbeziehung zwischen PR und Journalismus.

Damit werden Parallelen zu den vagen PR-Kenntnissen und negativen Einstellungen deutscher Journalisten und Bundesbürger (vgl. Bentele und Seidenglanz2004) sichtbar. Auffallend ist aber auch die häufige Darstellung von Relevanz und Einfluss der PR, die unsere Vermutung zu „strukturfunktionalen Latenzen“ in der Darstellung besonders der PR-Journalismus-Beziehung teilweise relativiert. Als eher nicht zutreffend erweist sich ebenso die Befürchtung des PR-Berufsstands, negatives Handeln einzelner PR-Akteure werde auf die gesamte Branche übertragen.

Vor dem Hintergrund der ‚PR-Realität‘ (vgl. Kap. 2.2) scheint das PR-Bild der untersuchten Medien in vielerlei Hinsicht adäquat. Denn Trennschärfemängel sind teils wohl auch der Intransparenz des PR-Berufsfelds selbst geschuldet. Als unangemessen muss demgegenüber die mediale Überbetonung negativen PR-Moralverhaltens gelten. Die Zunahme des Negativismus in der von uns untersuchten PR-Berichterstattung seit Ende der 90er Jahre lässt sich dabei unter Umständen zur „Prekarisierung“ des Journalismus in Bezug setzen, die im gleichen Zeitraum kontinuierlich steigt (vgl. Fröhlich2009): Man könnte mutmaßen, dass der Journalismus auf die eigene strukturelle und ökonomische Krise mit zunehmender Kritik am Gegenspieler PR reagiert, der möglicherweise immer mehr als ein System betrachtet wird, das mit Kanonen auf Spatzen schießt. Weiterführende Analysen müssen nun prüfen, inwieweit unsere Befunde auch für die Berichterstattung anderer Medien (z. B. Rundfunk, Onlinepresse, Boulevardmedien) gelten.