Vertrauen ist seit jeher eine zentrale Kategorie der PR-Forschung. Dahinter steht zumeist die Annahme, dass die Ressource „Vertrauen“ für Organisationen aus ganz unterschiedlichen Gründen wichtig ist und dass PR dieses Vertrauen beschaffen könne (vgl. Bentele 1994a, S. 141). Es geht also um Vertrauen durch PR in Organisationen. In einer solchen Perspektive beobachtet man dann, wie PR Vertrauen vermittelt. Wie Kohring (2004) analog für den Journalismus gezeigt hat, wird man durch PR in Organisationen nur dann vertrauen, wenn man in PR vertraut. Vertrauen in PR wird damit zu einer zentralen Voraussetzung für Vertrauen durch PR. Dies gilt für Beziehungen zum Journalismus ebenso wie für Beziehungen der PR zu anderen Organisationsumwelten. Daher überrascht es, dass Vertrauen in PR in der PR-Forschung bislang ein weitgehend unbearbeitetes Feld ist, das bisher insbesondere PR-Praktiker betreten haben.

Im Mittelpunkt des Beitrags stehen die Fragen, was Vertrauen in PR ist und worin es besteht. Damit verbunden sind nachgeordnete Fragen, deren Beantwortung jeweils einen originären Beitrag zu verschiedenen Diskursen leistet. So ist PR wie jede strategische Kommunikation seit jeher einem Motiv- und Manipulationsverdacht ausgesetzt (vgl. Hellmann 2003, S. 265). Dies führt zur Frage, warum PR in der Organisationsumwelt trotz aller augenscheinlichen Vorbehalte mitunter noch vertraut wird. Zweitens wird zu zeigen sein, dass Vertrauen nicht nur in der PR-Forschung heute noch oft mit realistischen Annahmen begründet wird. Dies führt zur Frage, welche erkenntnistheoretisch plausiblen Alternativen es zu Diskursen gibt, die an der Differenz von (realem) Sein und (inszeniertem) Schein festhalten. Drittens wird herauszuarbeiten sein, dass Vertrauen in der Forschung oft nur auf die Angemessenheit der PR-Botschaften bezogen wird. Daraus folgt die Frage, wie plausibel solche Erklärungsversuche angesichts aktueller Forschungsarbeiten sind, die PR nicht nur auf die externe Selbstdarstellungsleistung, sondern auch auf die interne Wirkungsrichtung hin untersuchen (vgl. Hoffjann 2009; Röttger 2008). Und viertens wird zu fragen sein, wie sich organisationsinternes und -externes Vertrauen in PR unterscheiden. Damit verbunden ist eine organisationstheoretische Perspektive des Beitrags, die Vertrauensbeziehungen zwischen Organisationen und ihren Umwelten beschreibt.

Sozialtheoretisch wird in dem Beitrag eine systemtheoretische Position eingenommen. Ein solcher Standpunkt bietet sich einerseits an, weil die systemtheoretische Vertrauenstheorie hoch entwickelt ist und verschiedentlich auch weiterentwickelt wurde (vgl. z. B. Kohring 2001, 2004). Andererseits bewegt sich PR als Organisationsfunktion in einem Geflecht von Vertrauensbeziehungen. Organisationsintern sind dies Beziehungen zur Leitung und anderen Bereichen, extern wiederum vertrauen verschiedene Bezugsgruppen auf Organisationen. Um diese komplexen Beziehungen angemessen beschreiben zu können, verspricht insbesondere die systemische Organisationstheorie einen großen Gewinn. Erkenntnistheoretisch wird in dem Beitrag eine non-dualistische Perspektive nach Mitterer (1992, 2001) eingenommen. Der in der Kommunikationswissenschaft bislang wenig beachtete Ansatz (vgl. als Ausnahmen Weber 2005 und Schmidt 2003, 2008) berücksichtigt die Vorläufigkeit und damit Kontingenz aller Beschreibungen ebenso wie die Folgen für Vertrauens- bzw. Misstrauenshandlungen.

1 Vertrauen in der PR-Forschung

Vertrauen zählt zu den klassischen Begriffen der PR-Forschung (vgl. Szyszka 2009, S. 141), bei dem schon ein inflationärer Gebrauch zu beobachten ist. „Das Begriffsfeld ‚Vertrauen‘ gehört zu den am häufigsten verwendeten Termini der PR-Literatur, wenn es darum geht, die Beziehungen einer Organisation zu ihrer Umwelt qualitativ zu klassifizieren.“ (Bentele 1994a, S. 150) Ob als „Vertrauensspezialist“ (Löhn und Röttger 2009, S. 105) oder als „Vertrauensvermittler“ (Bentele 1994a, S. 141) – PR scheint in Vertrauensfragen eine zentrale Rolle zuzukommen.

Bereits in den 50er und 60er Jahren war Vertrauen eine zentrale Kategorie. Bei praxisorientierten Autoren wie Jahn (1953), Korte (1954), Haacke (1957), Hundhausen (1951), Oeckl (1960), Zedtwitz-Arnim (1961) und in einer aktuelleren Arbeit von Schulze-Fürstenow (1988) wurde Vertrauen als zentrales Ziel von PR genannt. Vertrauen wird hier zumeist als praktische Zielvorgabe erfolgreicher PR-Arbeit genannt – ähnlich wie es die Objektivität lange Zeit für den Journalismus war (vgl. Kelber 2000, S. 105; Bentele 1992a, S. 155; 2005b, S. 566). Stuiber kritisiert zu Recht, dass es den Autoren allerdings nicht einmal ansatzweise gelungen ist, die Bedeutung und Leistung von Vertrauen als sozialem Mechanismus aufzuzeigen (vgl. Stuiber 1992, S. 209).

Von einer ernst zu nehmenden theoretisch fundierten PR-Forschung zum Vertrauen kann erst seit den Arbeiten von Bentele gesprochen werden. Ausgehend von seiner Habilitationsschrift zum öffentlichen Vertrauen (1988, hier: 2008) hat er sich zunehmend mit Vertrauen und PR beschäftigt (u. a 1994a, Bentele und Seidenglanz 2005). Diese Arbeiten sind bis heute zentraler Referenzpunkt für dieses Themenfeld in der deutschen und internationalen PR-Forschung.

Bentele und Seidenglanz differenzieren zwischen drei verschiedenen Vertrauensbeziehungen der PR (vgl. Bentele und Seidenglanz 2005, S. 356–357). Erstens steht PR in einem Vertrauensverhältnis zum jeweiligen Arbeit- bzw. Auftraggeber, zweitens ist PR in klassischer Lesart ein Vertrauensvermittler zwischen Organisationen und den spezifischen Teilöffentlichkeiten, und drittens geht PR selbst eine Vertrauensbeziehung mit diesen Teilöffentlichkeiten ein. Diese Einteilung soll im Folgenden genutzt werden, um den Forschungsstand zum Bereich PR und Vertrauen zu diskutieren.

Die Vertrauensbeziehungen zwischen PR und der Organisationsleitung bzw. anderen Teilen der Organisation sind weitgehend unerforscht. Während Bentele und Seidenglanz diese Beziehung zumindest noch benennen, sucht man Ausführungen hierzu vergeblich. Dieser Befund muss überraschen, da internes Vertrauen in PR aus der momentan dominierenden organisationstheoretischen Perspektive eine nahe liegende Fragestellung wäre. Insbesondere im Kontext der Umweltbeobachtung übernimmt PR Leistungen für die Organisation, die in hohem Maße von Vertrauen geprägt sein dürften. Von diesem organisationsinternen Vertrauen in PR ist das Vertrauen von Auftraggebern in PR-Agenturen zu unterscheiden, das Löhn und Röttger (2009) untersucht haben. Denn neben einigen Gemeinsamkeiten scheinen die Unterschiede deutlich größer zu sein, die diese Vertrauensbeziehungen prägen. So ist der Auftraggeber in der Regel selbst eine PR-Abteilung und nicht die Organisationsleitung, zudem sind mögliche Risiken in der Beziehung zur PR-Agentur insbesondere die Auswahl der Agentur und ihre Leistungsfähigkeit (vgl. Löhn und Röttger 2009, S. 108).

Die zweite Vertrauensbeziehung ist die klassische Lesart: PR wird als Vertrauensvermittler zwischen Organisationen und den spezifischen Teilöffentlichkeiten beobachtet. Hierzu entwickelt Bentele eine Theorie des öffentlichen Vertrauens, die den Schwerpunkt seiner vertrauenstheoretischen Arbeiten darstellt. Als öffentliches Vertrauen definiert Bentele einen medienvermittelten Prozess, in dem die ‚Vertrauenssubjekte‘ zukunftsgerichtete Erwartungen haben, die stark von vergangenen Erfahrungen geprägt sind. Ein solches öffentliches Vertrauen vermitteln insbesondere PR und die Medien (vgl. Bentele 1994a, S. 141–142). Prozesse von Vertrauensbildung oder Vertrauensverlusten auf Rezeptionsseite hängen entsprechend von durch PR und Medien vermittelten Informationen ab (vgl. Bentele und Seidenglanz 2005, S. 355).

Vage bleibt Bentele bei der Frage nach dem spezifischen Beitrag der PR bei der Vertrauensvermittlung: „Public Relations können diesen Prozess wirksam unterstützen und gewinnen dabei eine Schlüsselposition im Vergleich zu anderen Formen institutionalisierter Kommunikation – wie zum Beispiel der Werbung.“ (Bentele und Seidenglanz 2005, S. 357) Ob und worin Unterschiede zur Werbung oder zum Journalismus bestehen, bleibt hingegen offen – so fordert er an anderer Stelle für PR dieselben Qualitätsstandards wie für Journalismus ein (vgl. Bentele 1992b, S. 42). Vage bleiben die Erläuterungen auch zur Unterscheidung zwischen PR und „ihrer“ Organisation. Wenn PR nur der (kommunikative) Vertrauensvermittler ist, der durch die externe Thematisierung Vertrauensprozesse beeinflusst, wäre sie für Fragen gesellschaftlicher Verantwortung (vgl. Bentele 1994a, S. 145) oder Diskrepanzen zwischen verschiedenen Handlungen einer Organisation (vgl. Bentele 1994a, S. 148), die Bentele an anderer Stelle anspricht, nicht zuständig. Letztlich bleibt offen, wo Vertrauensvermittlung durch PR endet. Daraus zieht Holmström die Konsequenz, öffentliches Vertrauen in Abgrenzung zu Bentele weniger auf die medienvermittelten Prozesse, sondern eher auf die soziale und öffentliche Verantwortung zu beziehen: „I would imagine that when the medium coupled to the concept of trust is social responsibility – the medium in the system of public communication – then we may use the term public trust. Hence, it is not a question of trust propagated in the mass media, as it is for Bentele and Rühl, but rather a question of the bearing logic in the symbolic medium it is coupled to.“ (Holmström 1996, S. 97)

Die Unschärfen in Benteles Konzipierung von PR als Vertrauensvermittler sind letztlich auf das Fehlen einer PR-Theorie zurückzuführen. Wenn das PR-Verständnis nicht expliziert wird, muss zwangsläufig auch die Rolle der PR bei der Vertrauensvermittlung vage bleiben.

Dieses Problem wirkt sich auch auf die dritte genannte Vertrauensbeziehung aus – die zwischen PR und ihren Teilöffentlichkeiten. Denn wenn die spezifische Leistung von PR bei der Vertrauensvermittlung offen bleibt, muss auch offen bleiben, was Vertrauenserwartungen in PR und in andere Teile der Organisation sind. Vertrauen in PR begründet Bentele insbesondere mit der Diskrepanzthese (vgl. Bentele 1994a, S. 148). So führen beobachtete Diskrepanzen zu Vertrauensverlusten. Dazu zählt Bentele zum Beispiel Diskrepanzen zwischen Informationen und zugrunde liegenden Sachverhalten, Unwahrheiten, Tabuisierungen, wahrnehmbare Beschönigungen oder die Auslassung negativer Informationen (vgl. Bentele 1994a, S. 148; Bentele 2005a, S. 157; Bentele und Seidenglanz 2005, S. 356). Das Publikum kann Diskrepanzen zwischen direkt wahrgenommenen Wirklichkeitsausschnitten und Medienwirklichkeiten (Realitätsvergleich) oder zwischen den verschiedenen Medienwirklichkeiten (Medienvergleich) wahrnehmen – und erhält so Hinweise auf die (fehlende) Glaubwürdigkeit von PR (vgl. Bentele 2005a, S. 157). Entsprechend ist eine Voraussetzung für Glaubwürdigkeit und Vertrauen, dass „eine Art von Repräsentations- oder Isomorphiebeziehung sowie ein Konsistenzverhältnis zwischen PR-Information und zugrunde liegenden Sachverhalten/Ereignissen nicht nur behauptet, sondern tatsächlich gewährleistet ist“ (Bentele 1992a, S. 164; vgl. 1994b, S. 255). In seinem rekonstruktiven Ansatz, der dem Realismus sehr nahe zu kommen scheint, ist Objektivität damit der zentrale Bezugspunkt. Demnach ist der Grad der Übereinstimmung von Realität und Medienrealität bzw. PR-Realität die Voraussetzung, um eine Vertrauensbeziehung zu sichern. Sobald ein bestimmter „Realitäts-‚Korridor‘“ (Bentele 2005a, S. 158) verlassen wird, entstehen Vertrauensprobleme. Denn adäquate „Wirklichkeitsrekonstruktion in der Wahrnehmung und im Denken ist eine biologisch erklärbare Leistung, adäquate Wirklichkeitsrekonstruktion der PR und der Medien ist eine sozial begründete Notwendigkeit, die mit Vertrauensverlusten sanktioniert wird, wenn sie durchbrochen wird“ (Bentele 2005a, S. 158). Bentele rückt bei der Frage nach Vertrauen in PR also Adäquatheit bzw. Objektivität von PR-Texten in den Mittelpunkt. Damit gerät allerdings die spezifische Selektivität von PR in den Hintergrund.

Bentele beharrt auf Kategorien, deren Erreichbarkeit bzw. Überprüfbarkeit in den Kommunikationswissenschaften seit einigen Jahren aus ganz unterschiedlichen theoretischen Perspektiven in Zweifel gezogen wird.Footnote 1 Zudem wird die eingangs genannte klare analytische Einteilung der verschiedenen Vertrauensbeziehungen in den Arbeiten zum Thema Vertrauen in sehr unterschiedlichem Maße ausgearbeitet und nicht immer durchgehalten. Und schließlich bleibt offen, in welchem Verhältnis diese drei Vertrauensbeziehungen zueinander stehen; dies gilt insbesondere für mögliche Konsequenzen eines fehlenden Vertrauens in PR für die Vertrauensvermittlung durch PR.

Während sich mit Fragen der Vertrauensvermittlung und des Vertrauens in PR fast ausschließlich Bentele eingehender befasst hat, finden sich Hinweise zur grundsätzlichen Relevanz von Vertrauen für Organisationen bei zahlreichen Autoren in ganz unterschiedlichen Kontexten. So zeigen Berufsfeldstudien in Deutschland und der Schweiz, dass das Schaffen von Vertrauen für etwa jeden vierten PR-Akteur das eigene Rollenverständnis bzw. das PR-Verständnis der Organisation ist (vgl. Szyszka et al. 2009, S. 285; Röttger et al. 2003, S. 158). Grunig, Grunig und Ehling nennen Vertrauen als eines von mehreren Kriterien, um die Qualität der Beziehungen zur Umwelt zu messen (vgl. Grunig et al. 1992, S. 83). Ähnlich bewerten Ronneberger und Rühl die Relevanz von Vertrauen, wenn sie die „Bildung von Vertrauen bzw. von Misstrauen zu einer alle Organisationskommunikationen durchdringenden Aufgabe der Public Relations“ (Ronneberger und Rühl 1992, S. 247–248) erklären und anschließend u. a. in der Stärkung von sozialem Vertrauen der Öffentlichkeit die Funktion von PR erkennen (vgl. Ronneberger und Rühl 1992, S. 252).

Eingehender untersucht Szyszka die Frage, warum Vertrauen für Organisationen wichtig ist. So schlägt sich die Beziehungsqualität von PR im Sozialkapital einer Organisation (Reputation, Image) nieder, was wiederum im sozialen Vertrauen zum Ausdruck kommt, das Bezugsgruppen bzw. Stakeholder einer Organisation entgegenbringen (vgl. Szyszka 2009, S. 135). Unter sozialem Vertrauen versteht er die Erwartung in die Kontinuität von Haltungen, Entscheidungen und Verhalten einer Organisation bzw. einer Bezugsgruppe in sachlicher, zeitlicher und sozialer Dimension. Vertrauen, so Szyszka, zeige sich u. a. dann, wenn Organisationen eben nicht beobachtet würden (vgl. Szyszka 2009, S. 141). Vercic kommt in seiner empirischen Analyse des Vertrauens in Organisationen zu dem ergänzenden Ergebnis, dass Vertrauen in Organisationen insbesondere die Umweltbedingungen und damit die Entwicklungschancen von Organisationen beeinflussen (vgl. Vercic 2000, S. 316).

Diesen Autoren stehen andere gegenüber, die „Vertrauen“ als zentrale PR-Kategorie grundsätzlich kritisch sehen und in entsprechenden Theorien nur PR für PR sehen. So kritisiert Faulstich Benteles Ansatz: „Eine solche Konzeptualisierung von ‚Vertrauen‘ als Schlüsselkategorie zum Verständnis von PR [...] kommt für eine Wissenschaft der Öffentlichkeit freilich nicht in Frage. Schon die Konfundierung empirischer und normativer Bestimmungen, zugleich seinsbezogen und sollensbezogen, lässt sich nicht aufrechterhalten“ (Faulstich 2000, S. 104). PR solle hier ideologisch aufgewertet werden, indem auf philosophische Grundbegriffe und Werte wie Vertrauen und Glaubwürdigkeit zurückgegriffen werde (vgl. Faulstich 2000, S. 101). Noch polemischer kritisiert er die praktizistischen Ansätze: „Der professionelle PR-Gestalter wird hier vom ‚Konfliktregler‘ gleich zum ‚Mediador‘, zum priesterähnlichen Therapeuten aufgepeppt“ (Faulstich 2000, S. 104). Ähnlich kritisch bewertet Moloney die Plausibilität von Vertrauen als zentrale PR-Kategorie, da PR gerade das Ziel verfolge, eigene Interessen und Werte zu vertreten, um eigene Vorteile zu vergrößern (vgl. Moloney 2005, S. 551).

2 Vertrauen in Public Relations

Die Diskussion des Forschungsstandes hat gezeigt, dass jenseits von Benteles Arbeiten die Themen „Internes und externes Vertrauen in PR“ weitgehend unbearbeitete Felder sind. Zudem hat die Diskussion von Benteles Arbeiten folgende Anforderungen an einen auszuarbeitenden Entwurf zum Vertrauen in PR ergeben:

Erstens erscheint es notwendig, zunächst das PR-Verständnis vorzustellen, bevor die Frage nach Vertrauen in PR beantwortet wird. Wenn Vertrauen in PR auf Aspekte wie Wahrhaftigkeit, Transparenz im Speziellen und fehlende Diskrepanzen im Allgemeinen reduziert wird, wie es Bentele nahelegt, dann wird PR auf die externe Darstellungsleistung reduziert. Aktuelle Arbeiten betonen aber gerade eine zweifache Wirkungsrichtung (vgl. Röttger 2008, S. 75; Hoffjann 2009): Zur externen Umweltbeeinflussung qua Kommunikation kommt die interne Reflexions- bzw. Selbststeuerungsleistung. Es ist offenkundig, dass ein solches PR-Verständnis auch zu einem anderen Verständnis von Vertrauen in PR führt. Daher wird im Folgenden nach der Skizzierung der vertrauenstheoretischen Grundlagen das PR-theoretische Verständnis vorgestellt.

Damit hängt zweitens eng zusammen, die Unterschiede zwischen Vertrauen in PR und Vertrauen in Organisationen zu untersuchen. Wenn Vertrauen in PR konzipiert ist, wird die Frage zu beantworten sein, worin Unterschiede bestehen bzw. ob eine Unterscheidung überhaupt noch sinnvoll ist. Dazu wird das interne und externe Vertrauen in PR organisationstheoretisch zu fundieren sein.

Drittens ergibt sich die Notwendigkeit, die grundsätzliche Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen externen Vertrauens in PR zu beantworten. So finden kritische PR-Forscher wie Faulstich ihre Entsprechung in kritischen Einschätzungen von Journalisten zur PR (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 127). Grundsätzlich wird hier zu fragen sein, welche „Erfolgschancen“ PR hat, auf Vertrauen zu „treffen“. Dazu wird externes Vertrauen in PR als reflexives Vertrauen vorgestellt.

Und schließlich erscheint es viertens notwendig, Vertrauen in PR erkenntnistheoretisch ohne Bezug auf eine ontische Realität zu erklären. Auch wenn aus einer „naiven“ Perspektive viel dafür spricht, dass über Vertrauen oder Misstrauen oft durch einen Vergleich von Beschreibungen und ontischen Objekten entschieden wird, so wirkt eine solche Position – jenseits aller erkenntnistheoretischen Grundsatzkritik insbesondere aus konstruktivistischer Sicht – angesichts zahlreicher Inszenierungen auf öffentlichen, halb-öffentlichen und nicht-öffentlichen Vorder- und Hinterbühnen unterkomplex. Hier erscheint eine Position gewinnbringender, die zugleich die Vorläufigkeit und damit Kontingenz aller Beschreibungen ebenso berücksichtigt wie die Folgen für Vertrauens- bzw. Misstrauenshandlungen. Alternative wäre eine non-dualistische Perspektive nach Mitterer (1992, 2001). Sie soll zumindest skizziert werden.

2.1 Vertrauenstheoretische Annahmen

Vertrauen ist lange Zeit in der Soziologie ein theoretisch vernachlässigtes Thema gewesen (vgl. Luhmann 2001, S. 143), um dann seit den 80er Jahren zu einem Modethema zu werden (vgl. Endress 2002, S. 27). Dies dürfte insbesondere mit Luhmanns Vertrauenstheorie zusammenhängen, die erstmals 1968 (hier: 1989) erschienen ist und die zentraler Ausgangspunkt für zahlreiche Theoriearbeiten zum Vertrauen ist (z. B. Bentele 2008; Kohring 2004). Insbesondere die Arbeiten von Kohring zum Vertrauen in Journalismus versprechen für die vorliegende Fragestellung einen großen Gewinn, weil er Luhmanns Vertrauenstheorie auf einen verwandten Bereich der öffentlichen Kommunikation anwendet und konsequent weiterentwickelt. Nachfolgend sollen zunächst zentrale vertrauenstheoretische Annahmen skizziert werden, die dieser Arbeit zugrunde liegen.

Unter „Vertrauen“ soll mit Luhmann ein Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität und zudem eine riskante Vorleistung verstanden werden. Luhmann spricht nur dann von Vertrauen, wenn die vertrauensvolle Erwartung bei einer Entscheidung ausschlaggebend ist (vgl. Luhmann 1989, S. 23–24). Auf dieser Basis hat Kohring das Konzept der Vertrauenshandlung ausgearbeitet. Demnach ist Vertrauen „die selektive Verknüpfung von Fremdhandlungen mit Eigenhandlungen unter der Bedingung einer nicht mittels Sachargumenten legitimierbaren Tolerierung des wahrgenommen Risikos“ (Kohring 2004, S. 130). Das Charakteristische einer solchen Vertrauenshandlung besteht darin, dass eigenes Anschlusshandeln auf der Basis des Handelns anderer ermöglicht wird, dass die Folgen der Übernahme einer Fremdselektion als kontingent wahrgenommen werden, dass die Fremdselektion trotz Risikowahrnehmung übernommen wird und schließlich, dass eine solche Übernahme einer Fremdselektion nicht unter Zuhilfenahme problemspezifischen Wissens begründet bzw. legitimiert werden kann, gerade weil eine Vertrauenssituation ja gerade den Mangel an problemspezifischem Wissen kennzeichnet (vgl. Kohring 2004, S. 129–130). Bereits hier wird deutlich, dass Vertrauenshandlungen zwar durchaus „freiwillig“, aber mitunter eben auch aus der „Not heraus geboren“ werden.

In modernen Gesellschaften hat sich zudem ein besonderer Vertrauenstyp ausdifferenziert: das Systemvertrauen (vgl. Luhmann 1989, S. 50–66). Der Erfolg des Tauschmediums Geld basiert zwar auch auf persönlichem Vertrauen – der andere könnte einem ja auch Falschgeld geben –, insbesondere aber auf der Vielfalt von Verwendungschancen; damit vertraut man letztlich auf das Funktionieren des gesamten Wirtschaftssystems (vgl. Luhmann 1989, S. 54). Systemvertrauen ist also zunächst grundsätzliches Vertrauen in generalisierte Kommunikationsmedien, also in das grundsätzliche Funktionieren eines Systems. Davon zu unterscheiden ist Vertrauen in die Systemprogrammierung – das „Wie“ der Systemoperationen. Auf der Programmebene wird über die Zuweisung eines Codes entschieden (vgl. Kohring 2004, S. 108–112). Für die vorliegende Fragestellung erscheint nur das Vertrauen in die Systemprogrammierung relevant.

2.2 PR-theoretische Annahmen

Bevor anschließend ein theoretischer Ansatz zum Vertrauen in PR entworfen wird, ist zunächst das PR-Verständnis zu explizieren. Die Diskussion des Forschungsstandes hat gezeigt, dass insbesondere Arbeiten zum Themenfeld Vertrauen dazu neigen, PR auf ihre externe Kommunikatorrolle zu reduzieren. Entsprechend wird Vertrauen in PR dann an Aspekten wie Wahrhaftigkeit festgemacht. Hingegen wird PR in der deutschen wie internationalen PR-Forschung zunehmend als „boundary spanner“ (Thompson 1967) und damit doppelt perspektiviert (vgl. dazu ausführlich Hoffjann 2009). In einer externen Wirkungsrichtung (vgl. Röttger 2008) sind Kontextsteuerungen zu beobachten, mit denen PR über Selbstbeschreibungen die Organisation zu legitimieren versucht. Und in einer internen Wirkungsrichtung sind unternehmerische Selbststeuerungen zu beobachten, die PR der Unternehmensleitung empfiehlt, um mögliche Konflikte mit externen Bezugsgruppen zu vermeiden. Diese doppelte Wirkungsrichtung ist ein erster relevanter Aspekt. Für die Forschungsfrage bedeutet dies, dass Vertrauen in PR auch darin besteht, wie PR Organisationen durch empfohlene Selbststeuerungen verändern.

Der zweite zentrale Aspekt ist die Frage, was das zu lösende Problem und damit die Funktion von PR ist. Organisationen wie UnternehmenFootnote 2 sind in modernen Gesellschaften von vielen Bezugsgruppen abhängig. Um künftige Handlungsspielräume zu sichern und Konflikte zu vermeiden, sind Organisationen wie Unternehmen auf Legitimität angewiesen. Mit Legitimität meint Fuchs-Heinritz, „dass Herrschende, politische Bewegungen und Institutionen aufgrund ihrer Übereinstimmung mit Gesetzen, Verfassungen, Prinzipien oder aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit für allgemein anerkannte Ziele akzeptiert, positiv bewertet und für rechtmäßig gehalten werden“ (Fuchs-Heinritz 1994, S. 396). Fehlende Legitimität ist damit das zentrale Problem, auf dessen Lösung sich PR spezialisiert hat. Legitimität bzw. Legitimation als zentrale Begriffe der PR besitzen in der PR-Forschung eine lange Tradition – genannt seien hier nur Ronneberger (1977), Everett (2000), Metzler (2000), Zerfaß (2004), Szyszka (2009) und Jarren und Röttger (2009). Die Funktion von Public Relations ist demnach die Legitimation der Organisationsfunktion gegenüber den als relevant eingestuften Bezugsgruppen in der Gesellschaft. Da PR und Legitimation kein Selbstzweck sind, sondern fehlende Legitimität zu einem Kaufboykott oder zur Einreichung einer Klage führen kann, haben sie immer nur Sinn in Relation zum Organisationserfolg. In systemtheoretischer Argumentation hat PR folglich keine gesellschaftliche Funktion, sondern löst ein organisationales Problem und wird mithin als Subsystem von Unternehmen modelliert (vgl. Hoffjann 2007). Aus diesem PR-Verständnis folgt u. a., dass es neben extern kommunizierten PR-Selbstbeschreibungen viele weitere extern kommunizierte Selbstbeschreibungen gibt – z. B. die des Absatzes.

Die organisationstheoretische Modellierung dieses PR-Verständnisses hat für die Fragestellung weitreichende Folgen. Wenn sich Systemvertrauen – und hier das für die Fragestellung relevante Vertrauen in die Systemprogrammierung – auf die Erwartung bezieht, dass ein System seiner spezifischen Funktion gerecht wird (vgl. Kohring 2004, S. 110), dann kann es eine solche Erwartung im Falle von PR nur innerhalb der jeweiligen Organisation geben. Denn PR bearbeitet als organisationales Subsystem das Problem notwendiger Legitimität – und dieses Problem stellt sich nur innerhalb der Organisation. Wenn PR dabei die Interessen externer Bezugsgruppen berücksichtigen und eine Änderung der Unternehmenspolitik empfehlen sollte, dann deshalb, weil das als funktional bei der Bearbeitung des Legitimitätsproblems erscheint. PR interessiert sich für mögliche negative Folgen einer Organisation in ihrer Umwelt immer nur so weit, wie sie die Legitimation tangieren. Normative Annahmen, PR diene der Öffentlichkeit (vgl. DPRG 1991), sind vor dem Hintergrund dieser Überlegungen nicht plausibel.

Es überrascht nicht, dass externe Bezugsgruppen eine völlig andere Position einnehmen. Bezugsgruppen interessieren sich nicht für die Legitimation einer Organisation, sondern ausschließlich für die negativen Folgen, die sie selbst betreffen und deren Ursache sie der Organisation zuschreiben. Eine Bezugsgruppe legitimiert eine Organisation zwar (oder eben nicht), sie interessiert sich aber nicht dafür, welche Folgen eine fehlende Legitimation für die Organisation hat – es sei denn, dass dies für die Bezugsgruppe wiederum relevant wäre. Entsprechend gibt es auch keine Kommunikation im Medium der Legitimation zwischen der Organisation und einer Bezugsgruppe. Und folglich kann es auch kein Vertrauen – genauso wenig wie Misstrauen – einer Bezugsgruppe in das PR-System einer Organisation geben.

Daher wird in diesem Beitrag ein organisationsexternes Verständnis von PR zu entwickeln sein. Eine solche „Hilfskonstruktion“ ermöglicht nicht nur, die Frage nach dem organisationsexternen Vertrauen in PR zu beantworten, sondern bietet auch Ansatzpunkte für eine grundlegende Analyse der Beziehungen von PR zu Bezugsgruppen.

2.3 Internes Vertrauen in PR

Das Vertrauen innerhalb von Organisationen in PR lässt sich direkt aus der jeweiligen Funktionserwartung ableiten (vgl. Kohring 2004, S. 124). Wenn andere Organisationsteile „ihrer“ PR vertrauen, dann vertrauen sie grundsätzlich darauf, dass PR die Organisation legitimiert und damit Handlungsspielräume sichert bzw. vergrößert. Der Blick auf PR und damit das jeweilige Vertrauen in PR variiert dabei innerhalb einer Organisation erheblich. Denn mit dem Vertrauen in die Systemprogrammierung von PR – also in PR-Entscheidungen – ist die Erwartung verbunden, dass PR ihrer Funktion in angemessener Weise gerecht wird. Ob etwas als angemessen bewertet wird, hängt von der jeweiligen Perspektive und damit den Erwartungen ab (vgl. Kohring 2004, S. 110). Während also zum Beispiel eine Forschungsabteilung erwarten könnte, dass PR mit großem Aufwand Handlungsspielräume auch in gesellschaftlich strittigen Forschungsfeldern schafft, könnte das Kostencontrolling eher erwarten, dass insgesamt möglichst geringe Kosten entstehen. Aufgrund dieser Vielzahl spezifischer Erwartungen befindet sich PR offenkundig bereits organisationsintern in einem Geflecht von Vertrauensbeziehungen.

Vertrauen in PR äußert sich organisationsintern vor allem in Vertrauenshandlungen, die auf kommunizierten PR-Beobachtungen beruhen. PR verspricht als organisationales Frühwarnsystem und als Grenzstelle, dass jenseits der intern kommunizierten Beobachtungen „nichts weiter los ist“ (Luhmann 1964, S. 224). Damit entlastet PR andere Organisationsteile in hohem Maße davon, die Umwelt in Bezug auf neue und „fremde“ Entwicklungen zu beobachten – unter der Voraussetzung, dass sie in PR vertrauen. Solche Beobachtungen der PR können verbunden sein mit Empfehlungen zur Änderung der Organisationspolitik, um mögliche Legitimitätsrisiken zu vermeiden. In solchen Fällen bestehen Vertrauenshandlungen darin, dass z. B. die Organisationsleitung den Empfehlungen der PR folgt, obwohl sie um die Risiken dieser Entscheidung weiß.

Es ist zu vermuten, dass PR auch intern in weit höherem Maße auf Vertrauen angewiesen ist als viele andere unternehmerische Bereiche. Denn eine Leistung von PR ist es, Kontingenz sichtbar zu machen. Wenn PR als „Frühwarnsystem“ Beobachtungen zu neuen und bislang unbekannten Entwicklungen in die Organisation kommuniziert, zeigt sie damit, dass die Zukunft des Unternehmens eben nicht nur von unmittelbar marktbezogenen und kurzfristigen Entwicklungen abhängt. PR vergegenwärtigt damit die Kontingenz der Zukunft. Mit anderen Worten: PR macht Kontingenz nicht nur sichtbar und weist auf mögliche Risiken hin, sondern macht dies selbst auch zum Thema. Daher dürfte letztlich fast jede „Übernahme“ einer PR-Beobachtung durch andere Organisationsteile eine Vertrauenshandlung sein.

Damit hängt zum Teil zusammen, dass sich in der PR im Gegensatz zu vielen anderen unternehmerischen Bereichen quasi-objektivierende und monetarisierende Quantifizierungsverfahren seltener durchgesetzt haben (vgl. Zerfaß et al. 2010). Zudem zeigt sich der Erfolg von PR oft nur mittelfristig – und selbst solche Erfolgs- bzw. Misserfolgsbewertungen sind dann nicht selten höchst umstritten. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen ist zu vermuten, dass fehlendes Vertrauen in PR schnell zu personellen Wechseln und organisatorischen Veränderungen führen dürfte.

2.4 Externes Vertrauen in PR

Es ist oben konstatiert worden, dass es PR in dem hier eingeführten Verständnis nur innerhalb von Organisationen gibt. Mithin kann es kein externes Vertrauen in PR geben. Dennoch sind in den Medien Vertrauens- und noch mehr Misstrauensbekundungen gegenüber PR zu finden. Im Folgenden soll daher eine „Hilfskonstruktion“ entwickelt werden, die einerseits die „Gefangenheit“ von PR in Organisationen berücksichtigt, andererseits aber plausibel organisationsexternes Vertrauen in Phänomene der PR erklären kann.

Organisationen wie Unternehmen befinden sich in modernen Gesellschaften in vielfachen Abhängigkeitsverhältnissen. Zunächst sind hier marktliche Beziehungen von Unternehmen mit (potenziellen) Kunden, Mitarbeitern oder Lieferanten zu nennen. Bei marktlichen Austauschbeziehungen ist Vertrauen zwar nicht irrelevant; Geld scheint hier aber ein wichtigeres Steuerungsmedium zu sein: Fehlendes Vertrauen in die Sicherheit einer Dienstleistung (etwa einer Fluglinie) kann z. B. durch einen geringeren Preis ausgeglichen werden. (Potenzielle) Kunden, Arbeitnehmer und Lieferanten werden wirtschaftliche Entscheidungen des Unternehmens primär immer in Hinblick auf wirtschaftliche Rationalitäten beobachten. In Anlehnung an Eiseneggers Reputations-Konzept (vgl. Eisenegger 2005, S. 30) kann dies auch als Vertrauen in die Leistungsfähigkeit, also Vertrauen in die Erfüllung teilsystemspezifischer, funktionaler Rollenanforderungen, verstanden werden. Wenn man davon ausgeht, dass das Unternehmen primär einer wirtschaftlichen Rationalität folgt, dann besteht das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit von Unternehmen also z. B. im Vertrauen auf den wirtschaftlichen Erfolg. Marktliche Beziehungen werden daher oft auch unter Nutzengesichtspunkten beobachtet.

Zudem gibt es in Unternehmen Beziehungen zu Bezugsgruppen jenseits des Wirtschaftssystems. BezugsgruppenFootnote 3 haben Ansprüche an Unternehmen bzw. sie schließen mit eigenen Selektionen an Selektionen der Organisation an. Anwohner eines Chemie-Unternehmens wohnen dort, weil sie auf die technische Sicherheit der Anlagen vertrauen, und eine Regierung verzichtet auf eine gesetzliche Regulierung, weil sie auf die verantwortliche Selbstregulierung einer Branche vertraut. Hier geht es also weniger um Vertrauen in die Leistungsfähigkeit einer Organisation, sondern eher um Vertrauen in das Fehlen von als negativ bewerteten Auswirkungen. Wenn Entscheidungen eines Unternehmens aus der Umwelt des Wirtschaftssystems beobachtet werden, ist die relevante Frage, in welchem Ausmaß das Unternehmen die eigenen Interessen berührt – ob negative Auswirkungen zu fürchten sind. Hier wird folglich gefragt, in welchem Ausmaß z. B. ein Unternehmen wirtschaftsfremde Interessen berücksichtigt. In diesem Kontext kann von Vertrauen in die Umweltverträglichkeit einer Organisation gesprochen werden. Vertrauen in die Umweltverträglichkeit wird hier ähnlich wie das bereits skizzierte Konzept des „public trust“ von Holmström (1996) verstanden.

Wenn man Organisationssysteme in einer systemtheoretischen Perspektive als „Multireferenten“ (vgl. Wehrsig und Tacke 1992, S. 234–235) konzipiert, deren Kommunikationen sich auf verschiedene Funktionssysteme beziehen, kann dieser Gedanke noch allgemeiner formuliert werden: Umweltverträglichkeit ist immer dann eine relevante Beobachtungskategorie, wenn Entscheidungen einer Organisation, die einem Funktionssystem zugeordnet werden, aus der Perspektive eines anderen Funktionssystems im Hinblick auf negativ bewertete Auswirkungen beobachtet werden. Spätestens hier wird deutlich, wie unterschiedlich und vielzählig die Erwartungen an Organisationen sein können.

Sowohl das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit als auch das Vertrauen in die Umweltverträglichkeit sind Vertrauen in die oben skizzierte Systemprogrammierung. Während das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit impliziert, dass ein Unternehmen in angemessener Weise die wirtschaftlichen Interessen von spezifischen Kundengruppen, Lieferanten oder (potenziellen) Arbeitgebern berücksichtigt, beinhaltet Vertrauen in die umweltverträgliche Systemprogrammierung, dass Unternehmen wirtschaftsfremde Interessen angemessen berücksichtigen. Es ist offenkundig, dass die Bewertung, ob ein Unternehmen angemessen umweltverträglich operiert, in hohem Maße von der jeweiligen Perspektive abhängt.

Vertrauen in die Umweltverträglichkeit kann aus einer analytischen Perspektive letztlich auch als externes Vertrauen in PR bezeichnet werden. Da dies dem oben eingeführten PR-Verständnis widerspricht, muss dies erläutert werden. Wie oben skizziert, ist die Funktion von PR die Legitimation der Organisation gegenüber relevanten Bezugsgruppen. Genau hierfür ist externes Vertrauen in die Umweltverträglichkeit eine zentrale Voraussetzung. Ohne ein externes Vertrauen in die Umweltverträglichkeit einer Organisation – also zum Beispiel die Berücksichtigung von Interessen jenseits wirtschaftlicher Interessen – ist eine Legitimation nicht möglich. Wenn externe Bezugsgruppen in die umweltverträgliche Systemprogrammierung einer Organisation vertrauen, legitimieren sie zugleich ein Unternehmen. Daher kann aus einer analytischen Perspektive Vertrauen in die Umweltverträglichkeit von Organisationen als externes Vertrauen in PR bezeichnet werden.

Die skizzierte „Hilfskonstruktion“ berücksichtigt damit, dass PR nur in Organisationen auftritt und als solche zunächst extern nicht zu erkennen ist. Da PR als interner Berater für eine umweltverträgliche Systemprogrammierung der Organisation zuständig ist, kann diese interne Beratungsleistung aus einer internen Perspektive wie folgt beschrieben werden: Wenn externe Bezugsgruppen die fehlende Umweltverträglichkeit eines Unternehmens kritisieren, ist dies entweder darauf zurückzuführen, dass PR dieses externe Interesse bzw. deren Relevanz nicht erkannt hat oder dass sich PR mit seinen Empfehlungen intern nicht durchsetzen konnte. Beides würde das externe Vertrauen in die Umweltverträglichkeit schwächen. Wenn im Folgenden von externem Vertrauen in PR gesprochen wird, ist entsprechend nicht organisationsexternes Vertrauen in das organisationale System PR gemeint, sondern Vertrauen in die Umweltverträglichkeit von Organisationen.

Externes Vertrauen in die Umweltverträglichkeit bzw. in PR äußert sich vor allem in Vertrauenshandlungen, die auf „Unterlassungen“ setzen. So entlastet Vertrauen in die Umweltverträglichkeit Organisationen von einem Beobachtungsdruck, da das Vertrauensobjekt aus der konkreten Beobachtung ausgeblendet wird (vgl. Szyszka 2009, S. 141). Weiterführend zeigt sich Vertrauen in die Umweltverträglichkeit in „unterlassenen“ Protest- bzw. Konflikthandlungen. Der Vorteil einer weithin legitimierten Organisation zeigt sich gerade darin, dass sie nicht Ziel von Boykotten und öffentlicher Kritik ist. Schließlich bestehen Vertrauenshandlungen darin, dass extern die Selbstbeschreibungen und die Argumente übernommen werden und dass man sich in möglichen Konflikten für die Organisation und gegen ihren Konfliktgegner einsetzt.

2.4.1 Externes Vertrauen in PR als reflexives Vertrauen

Wenn man sich anschaut, wie Journalisten ihre Beziehungen zur PR beschreiben (vgl. z. B. Weischenberg et al. 2006), könnte man vermuten, dass es vielversprechender erschiene, nicht Vertrauen in PR bzw. die Umweltverträglichkeit von Organisationen, sondern Misstrauen in PR zu untersuchen. Es scheint offenkundig Bereiche zu geben, in die mehr vertraut wird als in PR. Im Folgenden soll analysiert werden, warum (a) PR grundsätzlich überhaupt die Chance hat, dass ihr vertraut wird, und (b) mit welchen Einschränkungen Vertrauen in PR verbunden ist.

Gerade weil externe Bezugsgruppen erwarten, dass Unternehmen sich primär an wirtschaftlichen Rationalitäten orientieren, ist das Vertrauen in PR beschränkt. Daher stellt sich bei der Analyse des organisationsexternen Vertrauens in PR zunächst die grundsätzliche Frage, ob Selbstbeschreibungen überhaupt eine Chance auf externes Vertrauen haben. Wenn wir in einer „Inszenierungsgesellschaft“ (Willems und Jurga 1998) und „Lügengesellschaft“ (Hettlage 2003) leben sollten, wie verschiedentlich konstatiert wird, stellt sich die Frage, warum ausgerechnet PR als Selbstdarstellungskommunikation noch ernsthaft mit Vertrauen rechnen sollte.

Die vielfältigen Abhängigkeitsbeziehungen zwischen gesellschaftlichen Teilbereichen führen zur Notwendigkeit von Vertrauenshandlungen – ohne Vertrauenshandlungen würde sich die Gesellschaft wieder entdifferenzieren. „Die einzige Sicherheit, die wir in dieser Welt haben können, ist Vertrauen.“ (Krieg 1997, S. 11) Zur Orientierung in diesen unübersichtlichen Verhältnissen haben sich gesellschaftliche Beobachtungsinstanzen wie Journalismus oder Verbraucherschutzorganisationen herausgebildet, die sich darauf spezialisieren, gesellschaftliche Teilbereiche zu beobachten und diese Umweltbeschreibungen zu kommunizieren. Tendenziell ist das Vertrauen in diese Umweltbeschreibungen größer als das in Selbstbeschreibungen. Allerdings stoßen Beobachtungsinstanzen wie der Journalismus ihrerseits an Grenzen. Dies beginnt damit, dass der Journalismus in hohem Maße auf Selbstbeschreibungen der PR zurückgreift, setzt sich darin fort, dass er zeitlich, sachlich und sozial nur einen kleinen Teil der Gesellschaft beobachten kann, und endet schließlich damit, dass journalistische Beschreibungen selbst selektiv, damit kontingent und mithin nicht „wahrer“ sind als PR-Beschreibungen. Letztlich führt also kein Weg an Selbstbeschreibungen von Organisationen zur sozialen Orientierung vorbei.

Da Vertrauenshandlungen immer vom Vertrauenssubjekt abhängen, sind generalisierende Aussagen zum Vertrauen in Vertrauensobjekte mit Vorsicht zu treffen. Grundsätzlich erscheint es jedoch plausibel, dass aus den genannten Gründen journalistischen Fremdbeschreibungen mehr vertraut wird als PR-Selbstbeschreibungen. Die Frage ist, wie dies jenseits dieser allgemeinen Erläuterung und für Vertrauen in PR zu konkretisieren ist. Mit welchen Einschränkungen ist Vertrauen in PR also verbunden?

Bei einer näheren Beobachtung zeigt sich, dass Vertrauen ein fragiles Konstrukt ist. Während Vertrautheit sich durch ein völliges Fehlen von Risikobewusstsein auszeichnet (vgl. Kohring 2004, S. 101), also als unvermeidbare Tatsache des Lebens angesehen wird (vgl. Luhmann 2001, S. 144), beginnt Vertrauen da, wo dem Handelnden die Kontingenz des eigenen wie des fremden Handelns deutlich wird, wo ihm also das Risiko deutlich wird, trotz seines partiellen Nicht-Wissens sein Handeln fortzusetzen (vgl. Kohring 2004, S. 98). Ein Beispiel für eine solche Vertrauenshandlung ist ein Autofahrer, der aufgrund von Stauprognosen in den Medien eine andere Route wählt. Ihm ist dabei bewusst, dass er der Mediendarstellung vertraut. Dies kann mit Luhmann als spontanes Vertrauen verstanden werden (vgl. Luhmann 1989, S. 75).

Davon abzugrenzen ist durchschauendes Vertrauen; es „durchschaut die durch Arbeit an Symbolen konstituierte Welt des sozialen Kontakts als hergestellten Schein – aber als Schein, der für die Fortsetzung der Kontakte eine tragfähige Grundlage abgibt, sofern jedermann die Spielregeln beachtet und an der Erhaltung der Darstellung vertrauensvoll mitwirkt“ (Luhmann 1989, S. 74). Im Gegensatz zum spontanen Vertrauen geht der Vertrauenszuschreibung eine Reflexionsphase voraus, die wiederum Ressourcen kostet. Sie fordert vom Vertrauenden mehr Umsicht, mehr Überlegungen. Er vertraut nicht direkt dem anderen, sondern er vertraut den Gründen, aus denen das Vertrauen „trotzdem funktioniert“ (Luhmann 1989, S. 75). Durchschauendes Vertrauen reduziert daher Komplexität weniger als spontanes Vertrauen: Es belastet den Handelnden stärker mit Komplexität und ist daher schwieriger (vgl. Luhmann 1989, S. 75).

Letztlich ist durchschauendes Vertrauen ein reflexives Vertrauen: Weil man sowohl um die Risiken als auch um die Vorteile von Vertrauenshandlungen weiß, vertraut man hier in Vertrauen. Mithin dürfte Vertrauen in PR deutlich häufiger in der besonderen Form reflexiven Vertrauens vorliegen als zum Beispiel Vertrauen in Journalismus.

Doch ist dies immer noch deutlich abzugrenzen von Misstrauen in PR. Misstrauen ist funktional äquivalent zu Vertrauen. Beim Misstrauen werden die Erwartungen ins Negative zugespitzt – auch damit reduziert Misstrauen Komplexität (vgl. Luhmann 1989, S. 78–79). Der Autofahrer bleibt auf seiner Route, vielleicht gerade weil ein bestimmtes Medium vor einem Stau gewarnt hat. Misstrauen macht sich auch von einer Fremdselektion abhängig, aber in der Weise, dass dann wegen der Risikowahrnehmung die eigene Selektion unterbleibt (vgl. Kohring 2004, S. 134).

Damit können die Überlegungen zur (Un-)Möglichkeit von Vertrauen in PR noch einmal konkretisiert werden. PR wird auch in Zukunft nicht nur auf Misstrauen treffen – obwohl viele Bezugsgruppen einen Inszenierungs- und Lügenverdacht hegen. Und weil die Publika den Inszenierungscharakter zu kennen glauben und damit um die eigene Verletzbarkeit wissen, werden auch in Zukunft „ertappte“ Lügner mit Vertrauensentzug bestraft werden. Die Plausibilität dieser Vermutung zeigt eindrucksvoll das ambivalente Verhältnis des Journalismus zur PR. Einerseits sprechen sie der PR als Ganzes recht offen ihr Misstrauen aus, andererseits wissen sie, dass sie zumindest einem Teil der PR-Beschreibungen im Alltag vertrauen müssen (vgl. Weischenberg et al. 2006, S. 127) – so schwer es vielen auch fallen mag.

2.4.2 Externes Vertrauen in PR-Selbstbeschreibungen

Es ist gezeigt worden, dass Bezugsgruppen auf die Umweltverträglichkeit von Organisationen bzw. auf PR vertrauen, indem sie auf die Angemessenheit der PR-Selbstbeschreibungen und auf die umweltverträgliche Selbstregulierung bzw. Selbststeuerung vertrauen. Abschließend soll vor dem Hintergrund der bisherigen Überlegungen ein neuer Blick auf eine klassische Fragestellung geworfen werden: Wie lässt sich konkretisieren, worauf sich das Vertrauen externer Bezugsgruppen in PR-Selbstbeschreibungen bezieht? Wie eingangs aufgezeigt, nennt Bentele hier im Kern ein Konsistenzverhältnis zwischen PR-Informationen und zugrunde liegenden Sachverhalten/Ereignissen (vgl. Bentele 1992a, S. 164). Mit dieser realistischen Perspektive gerät jedoch die spezifische Selektivität von PR in den Hintergrund.

Daher sollen stattdessen in Anlehnung an Kohring (2004, S. 170–174) im Folgenden vier Dimensionen des Vertrauens in PR-Selbstbeschreibungen entwickelt werden. Kohring erklärt Vertrauen in den Journalismus mit den vier Dimensionen Vertrauen in die Themenselektivität, Vertrauen in die Faktenselektivität, Vertrauen in die Richtigkeit von Beschreibungen und Vertrauen in explizite Bewertungen. Es soll gezeigt werden, dass diese Dimensionen mit leichten Veränderungen auch externes Vertrauen in PR-Beschreibungen erklären. Inwieweit die folgenden Ausführungen zu den Vertrauensdimensionen auch andere organisationale Selbstbeschreibungen – wie z. B. des Absatzes – adäquat kennzeichnen, bleibt unberücksichtigt.

Die erste Dimension Vertrauen in die Themenselektivität beschreibt beim Journalismus die Themenauswahl, die selbst schon eine Information im Hinblick auf Aktualität ist, da der Journalismus bestimmten Themen Aufmerksamkeit schenkt und andere Themen ignoriert. Dies impliziert für Publika das Risiko, dass für sie wichtige Themen in der Berichterstattung nicht berücksichtigt wurden (vgl. Kohring 2004, S. 171). In der PR ist das Vertrauen hingegen nicht davon abhängig, ob die kommunizierten Themen relevant sind, sondern vielmehr davon, ob kein wichtiges Thema zurückgehalten wird. Die Publika erwarten, dass PR sie über Themen informiert, die sie wissen müssten. Das impliziert, dass nicht alle PR-Themen diesem Relevanz-Anspruch genügen müssen. Mit anderen Worten: PR kann auch „bunte“, nicht relevante Themen kommunizieren – es dürfen aber keine wichtigen fehlen. Das eigentliche Risiko für die PR besteht in der Frage, welche Themen relevant sind und bei welchen Themen Publika z. B. die Privatsphäre von Unternehmen akzeptieren. Genau diese Fragen scheinen der Ausgangspunkt vieler PR-Krisen zu sein. Während Publika davon überzeugt sind, dass sie einen wie auch immer begründeten Anspruch auf Informationen haben, berufen sich Unternehmen entweder auf das Recht der Privatsphäre oder darauf, dass ein solches Thema auch in der Vergangenheit nicht veröffentlicht wurde.

Ähnlich wie das Vertrauen in die Themenselektivität ist die zweite Dimension Vertrauen in die Faktenselektivität zu beurteilen. Die Selektion von Fakten stellt das Thema in einen bestimmten sozialen Kontext und ermöglichen es Publika, ein Ereignis einzuordnen und die Relevanz für sich selbst einzuschätzen (vgl. Kohring 2004, S. 172). Ähnlich wie in der ersten Dimension unterscheidet sich PR vom Journalismus darin, dass hier weniger die Relevanz der selektierten Fakten zählt als vielmehr der Umstand, dass keine wichtigen fehlen.

Die dritte Dimension Vertrauen in die Richtigkeit von Beschreibungen ist sicherlich die prominenteste und insbesondere im Rahmen des Themas Vertrauen in PR die am häufigsten diskutierte. Diesem Aspekt widmet sich z. B. fast die gesamte Forschung zur Medienglaubwürdigkeit (vgl. Kohring 2001, S. 87). Spätestens mit dieser Frage begibt man sich auf das dünne Eis erkenntnistheoretischer Diskussionen. Während Bentele hier dem Realismus sehr nahesteht, erscheinen konstruktivistische und insbesondere non-dualistische Positionen hier plausibler. In einer non-dualistischen Perspektive interessiert dann nicht die „tatsächliche“ Übereinstimmung eines beschreibungsverschiedenen Objektes und einer Beschreibung, sondern allein, ob die Beschreibung als „wahr“ bzw. „vertrauenswürdig“ beschrieben wird (vgl. Mitterer 1992). Eine solche „Ausflaggung“ als „wahr“ ist im Vertrauensprozess relevant: Denn würde nicht unterstellt, dass auch andere diese Auffassung für richtig und wahr halten, wären der Beliebigkeit keine Grenzen gesetzt, so dass Vertrauen zwangsläufig enttäuscht werden müsste (vgl. Luhmann 1989, S. 56). Die Richtigkeit bezieht sich auf die nachprüfbare Richtigkeit der Beschreibung oder Bezeichnung bereits selegierter Fakten und auch Themen (vgl. Kohring 2004, S. 172). In non-dualistischer Perspektive sind dies also „wahre“ Fakten im Sinne eines Basiskonsenses. Hier ist zu vermuten, dass es keinen Unterschied zwischen PR und Journalismus gibt.

Die vierte Dimension Vertrauen in explizite Bewertung bezieht sich auf die üblicherweise in Kommentaren verwendeten Adjektive. Solche Bewertungen bieten einerseits eine erhebliche Handlungsentlastung, sind andererseits aber auch besonders riskant (vgl. Kohring 2004, S. 173–174). Es ist zu vermuten, dass PR die größte „Narrenfreiheit“ genießt: Weil Publika um den Selbstdarstellungscharakter wissen, dürften z. B. kleinere Übertreibungen hier geduldet werden.

3 Fazit

Während PR in der Forschung bislang vor allem als Vertrauensexperte (Löhn und Röttger 2009) bzw. Vertrauensvermittler (Bentele 1994a) von Organisationen beschrieben worden ist, hat sich die Beschreibung von Vertrauen in PR bislang insbesondere auf das Fehlen von Diskrepanzen und Postulaten wie Wahrhaftigkeit beschränkt. Im vorliegenden Beitrag ist gezeigt worden, dass diese Annahmen zu weitreichend und verkürzend zugleich sind. Auf der Basis des vorgestellten PR-Verständnisses sind sie verkürzend, weil die interne Wirkungsrichtung von PR vernachlässigt wird – PR wirkt eben auch in die Organisation. Zugleich erscheinen sie zu weitreichend, weil Vertrauen auch in anderen Organisationsbereichen relevant zu sein scheint – Absatzkommunikation wäre in dieser Perspektive neben PR ebenfalls ein Vertrauensvermittler.

Zudem muss vor dem Hintergrund des erweiterten PR-Verständnisses die Rolle von PR als Vertrauensvermittler neu erörtert werden. In dem vorgestellten Entwurf ist Vertrauen in PR Vertrauen in das Fehlen von als negativ bewerteten Auswirkungen einer Organisation – Vertrauen in die Umweltverträglichkeit ist also Vertrauen in einen spezifischen Aspekt von Organisationen. Die Rolle der PR als Vertrauensvermittler beschränkt sich dann auf zwei Aspekte. Erstens vermittelt PR Vertrauen in sich selbst, indem sie durch Vertrauen in PR-Selbstbeschreibungen Vertrauen in die Umweltverträglichkeit einer Organisation und damit in die Selbststeuerungen schafft. Zweitens hat Vertrauen in PR auch Auswirkungen auf andere Vertrauensbeziehungen zu einer Bezugsgruppe; die öffentliche Skandalisierung fehlender Sicherheit von technischen Produktionsanlagen kann auch das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens schwächen. Da ein solches Beeinflussungsverhältnis aber auch vice versa vorhanden sein dürfte, wird deutlich, dass PR eben nur einer von mehreren organisationalen Vertrauensvermittlern ist.

Und schließlich ist am Ende mit dem Non-Dualismus nach Josef Mitterer eine erkenntnistheoretische Alternative zum Realismus und zum Konstruktivismus zumindest angedeutet worden, die im Einklang mit der systemtheoretischen Argumentation steht. Während mit der systemtheoretischen Perspektive die spezifische Selektivität von PR-Beschreibungen herausgearbeitet werden konnte, verdeutlicht der Non-Dualismus eindrucksvoll die „Willkür“, was als wahr und was als nicht wahr bezeichnet wird. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen kann dann für ein erweitertes Verständnis von Lügen in der PR plädiert werden. Bisher wird als Lüge in der Regel nur ein bewusster bzw. als bewusst unterstellter Verstoß gegen die Richtigkeit von Beschreibungen bezeichnet. Plausibler erscheint es, auch das bewusste Zurückhalten von als relevant eingeschätzten Themen und Fakten, also eine bewusste Nicht-Selektion von Themen und Fakten, als Lüge zu bewerten. Dies gilt umso mehr bei Organisationen, die eine Vielzahl von PR-Botschaften publizieren, aber von Publika als relevant eingestufte bewusst nicht kommunizieren. Die beliebte PR-Strategie „Ich lüge nie, lieber schweige ich“ (Josef von Ferenczy; zit. nach Westerbarkey 2000, S. 177) greift dann kaum mehr.