1 Einleitung

Auf Basis langjähriger empirischer Forschungen rund um arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für unterschiedliche arbeitsmarktpolitische Zielgruppen, vor allem Jugendliche und junge ErwachseneFootnote 1, möchte ich in dieser Forschungsnotiz einige rezente Entwicklungen in dem Feld skizzieren – exemplarisch im Bereich der Jugendbeschäftigungspolitik. Neben der Darstellung der Entwicklung dieses Feldes werden Rolle und Funktion der Sozialen Arbeit am Übergang Schule, Ausbildung und Beschäftigung diskutiert. Die Forschungsnotiz basiert vor allem auf der kritischen Reflexion eigener Evaluierungstätigkeiten im Feld.

Spätestens seit dem EU-Beitritt Österreichs hat sich die Arbeitsmarktpolitik in Österreich von der „Verwaltung“ Arbeitsuchender zu einer aktiven, sprich aktivierenden Arbeitsmarktpolitik entwickelt mit dem Fokus auf die Stärkung der so genannten Beschäftigungsfähigkeit Arbeitsuchender. Neoliberale Umstrukturierungen und Umbauten sowie eine funktionellere Ausrichtung werden im Bereich der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik unter dem Titel „Workfare“ diskutiert. „Kern dieser Entwicklung ist die ideologische Rekonfiguration des Inhaltes wie auch der Instrumente arbeitsmarkt- und sozialpolitischer Maßnahmen und die damit verbundene Rekon-stitution der AdressatInnen dieser Politiken. Arbeitslosigkeit und die damit verbundenen sozialen Folgen (Verarmung, sozialer Ausschluss, Veralten von Qualifikationen etc.) werden nicht mehr als Ergebnis von Arbeitsmarktproblemen nach dem Ende der Vollbeschäftigung gesehen. Vielmehr wird die Eigenverantwortung der Individuen für ihr Schicksal betont. (…) Je nachdem, ob die Ursache für Arbeitslosigkeit und Armut eher in moralischen Defiziten oder qualifikatorischen Mängeln der Individuen verortet wird, changieren aktivierende Programme zur Sicherung der „Employability“ zwischen disziplinierenden oder therapeutischen und fördernden Maßnahmen“ (Atzmüller 2009, 25).

Grundlegend ist also die Annahme, dass es nicht unbedingt die gesellschaftlichen Strukturen sind, sondern unterschiedliche „Defizite“, die Menschen daran hindern, am Arbeitsleben teilzunehmen. Diese Mängel beziehen sich nicht nur auf arbeitsmarktpolitische Parameter im engeren Sinn, wie etwa mangelnde Qualifikation, sondern zahlreiche weiter gefasste Problemfelder, beispielsweise Lernmüdigkeit, Sucht, gesundheitliche Einschränkungen, psychische Probleme etc. Vor allem den im vorliegenden Artikel im Zentrum stehenden „drop-out-gefährdeten“ oder bereits aus dem System gefallenen Jugendlichen wird ein breites Spektrum an Problemen zugeschrieben, die sozialarbeiterischer und -pädagogischer Intervention bedürfen.

Wenn auch generell die nationalen Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitiken immer deutlicheren Vorgaben seitens der EU unterliegen, ist die im Zentrum dieses Beitrags stehende Jugendbeschäftigung besonders stark von europäischen Einflüssen geprägt, da den Jugendlichen in den verschiedenen Leitlinien und Zielen im Rahmen von Europa2020 viel Raum gegeben wird (vgl. European Commission 2010). Vor dem Hintergrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit während und nach der Wirtschaftskrise wurden seitens der Europäischen Kommission verschiedene „Youth Employment Packages“ und „Youth Opportunities Initiatives“ geschnürt (European Commission 2013). Konkret steht nun angesichts der noch immer relativ hohen Jugendarbeitslosigkeit in Europa sowie der Annahme, dass vor allem eine Höher- und Weiterqualifizierung diese senken kann, die Einführung von „Jugendgarantien“ auf der europäischen Agenda. Unter anderem auch auf Betreiben Österreichs wurde am 22. April 2013 eine Empfehlung des Rates veröffentlicht, welche die Mitgliedstaaten auffordert, „Jugendgarantien“ umzusetzen. Dies bedeutet konkret, dass jungen Menschen vier Monate nach Verlassen der Schule oder dem Verlust einer Arbeitsstelle „eine hochwertige Arbeitsstelle bzw. weiterführende Ausbildung oder einen hochwertigen Praktikums- bzw. Ausbildungsplatz“ zur Verfügung gestellt bekommen sollen. Weitere Empfehlungen beziehen sich auf die bessere Verknüpfung der Bildungs-, Ausbildungs- und Arbeitsmarktsysteme, die Einführung von Strategien gegen Early School Leaving und die „Aktivierung“ junger Menschen, um Systemausstiege zu verhindern. Partnerschaften zwischen Schul-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie öffentlichen und privaten AkteurInnen werden ebenfalls empfohlen (vgl. Europäische Union 2013; European Union 2014).

2 Wer ist die Zielgruppe der verschiedenen Ansätze im Bereich der Jugendbeschäftigung?

Mittlerweile gibt es unterschiedliche EU-weit vergleichbare Indikatoren, wie sich Jugend(arbeitslosigkeit) und der Übergang Schule, Ausbildung, Beschäftigung in den EU-Mitgliedsstaaten beziffern lassen und inwiefern es gelingt, Jugendliche im Bildungs-, Beschäftigungs- oder zumindest im System der Arbeitsuchenden zu halten.Footnote 2 Zentrale Indikatoren sind unter anderen die (Langzeit-)Arbeitslosenquote von jungen Erwachsenen, die Quote der „Early School Leavers“ (Jugendliche zwischen 18 und 24 Jahren, die höchstens einen Pflichtschulabschluss aufweisen) und die NEET-Quote (Neither in Employment nor in Education and Training), also Jugendliche zwischen 15 und 24 Jahre, die weder in Beschäftigung noch in Aus- oder Weiterbildung stehen.

In das Zentrum der Aufmerksamkeit ist dabei EU-weit wie national die Reduktion der Early School Leavers sowie die Prävention der NEETs gerückt. In Österreich waren 2013 7 % der jungen Menschen so genannte Early School Leavers (EU-weit 12 %), etwas mehr junge Männer (7,7 %) als Frauen (7,0 %). Rund 4 % der Schüle-rInnen einer Kohorte steigen aus dem Schulsystem ohne abgeschlossene Pflichtschule aus (vgl. Statistik Austria 2014). Verschiedene Analysen zeigen, dass bestimmte Gruppen von Jugendlichen ungleich betroffen sind. Während in Österreich – im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern – kaum Unterschiede zwischen Frauen und Männern bestehen, zeigen sich ausgeprägte Unterschiede nach anderen Merkmalen. So ist die Early-School-Leavers-Quote bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund viermal höher (22 %) als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund (6 %) (vgl. Bergmann et al. 2014). Neben dem Migrationshintergrund ist die sozioökonomische Herkunft bedeutsam: Das Bildungsniveau und der Arbeitsmarktstatus der Eltern haben hohen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, selbst keine weiterführende Ausbildung zu machen (vgl. Steiner 2009, 2013). Diese Ergebnisse verweisen auf die hohe Selektivität des österreichischen Bildungssystems.

Die NEETs-Quote betrug 2013 7 % (Männer 6,9 %, Frauen 7,3 %), im EU-Durchschnitt 13 %. Ähnlich wie bei den Early School Leavers ist die Gruppe der NEETs sehr heterogen bzw. gibt es einen engen Zusammenhang zwischen diesen beiden Gruppen. So sind rund die Hälfte der NEETs frühe SchulabgängerInnen (vgl. ISW/IBE/JKU 2013).

Problematisch an Early School Leaving – so die nationale und EU-weite Diskussion – ist vor allem auch die Tatsache, dass sich eine nicht vorhandene weiterführende Ausbildung negativ auf die nachfolgende Beschäftigungssituation niederschlägt (vgl. European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions 2012). Early School Leavers weisen EU-weit wie in Österreich deutlich geringere Beschäftigungsquoten auf als Personen mit weiterführender oder tertiärer Ausbildung. So betrug die Beschäftigungsquote von Personen mit tertiärer Ausbildung in Österreich 85,9 %, mit weiterführender Ausbildung (also Matura oder einem entsprechenden Fachabschluss) 77,1 % und ohne weiterführende Ausbildung nur 48,3 % (Daten für das Jahr 2013). Hinsichtlich der zeitlichen Entwicklung in den letzten zehn Jahren zeigt sich zudem, dass die Beschäftigungsquote für Personen ohne weiterführende Ausbildung leicht abgenommen hat, während diese für die anderen Gruppen sta-gnierte oder leicht anstieg (vgl. Bergmann et al. 2014).

Zusätzlich zur geringen Beschäftigungsquote ist das Arbeitslosigkeitsrisiko für Personen mit nur Pflichtschulabschluss unverhältnismäßig größer als jenes für höher qualifizierte Personen: 2013 lag das Arbeitslosigkeitsrisiko für Männer ohne weiterführender Ausbildung bei 23,2 % und für Frauen bei 18,4 %, im Vergleich dazu war dieses bei Personen mit akademischer Ausbildung sehr gering: für Akademiker 2,6 %, für Akademikerinnen 2,8 %.Footnote 3

Die Jugendarbeitslosigkeit lag 2013 in Österreich bei 9,2 % (EU-Durschnitt 23,5 %), für junge Frauen erstmals seit einigen Jahren etwas höher (9,4 %) als für junge Männer (8,9 %). Auch hier zeigen sich – wie bereits weiter oben für die Early School Leavers angesprochen – große Unterschiede nach Migrations- und Ausbildungshintergrund (vgl. Sozialministerium 2013).

3 Entwicklung von Ansätzen: vom Auffangnetz zur Jugendgarantie

Angesichts der kurz skizzierten Problemlage wird deutlich, dass die im europäischen und nationalen Kontext identifizierten „Zielgruppen“ in Österreich – wie auch in unterschiedlicher Ausprägung in den anderen EU-Ländern – in großem Ausmaß durch die soziale Selektivität im Bildungssystem und am Arbeitsmarkt geprägt sind und soziale Ungleichheiten durch diese Systeme verstärkt oder zumindest nicht abgebaut werden.

Da hier nicht im Detail auf sämtliche bildungs- und beschäftigungspolitische Ansätze eingegangen werden kann, bleibt festzuhalten, dass eines der Kernprobleme des österreichischen Bildungssystems, welches für die hohe soziale Selektivität verantwortlich ist, nämlich die hohe Differenzierung und frühe Selektierung im Bildungssystem (vgl. Kritikos und Ching 2005), zwar immer wieder diskutiert wird, dass aber keine grundlegenden Änderungen feststellbar sind. Mittlerweile gibt es eine „Nationale Strategie zur Verhinderung frühzeitigen (Aus-)Bildungsabbruchs Österreich“ (vgl. Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur 2012), welche einige präventive Ansätze enthält. Steiner (2013) zeigt sich vorsichtig optimistisch, dass mit dieser und weiteren Strategien neue Anstrengungen unternommen werden, um Bildungsarmut bzw. die soziale Selektivität des Bildungssystems zu reduzieren, wenn auch der „große Wurf“ weiterhin fehle.

Zudem muss festgehalten werden, dass die Ausbildungshöhe am österreichischen Arbeitsmarkt zwar ein wichtiges, aber nicht das einzige Inklusions- bzw. Exklusionskriterium ist, sondern viele weitere diskriminierende Faktoren wirken (vgl. Riesenfelder et al. 2011; Schmatz und Wetzel 2011).

Im Folgenden sollen arbeitsmarktpolitische Ansätze für Jugendliche kurz skizziert werden. Generell ist festzuhalten, dass es – in unterschiedlichen quantitativen und qualitativen Sprüngen – schon lange ein breites Spektrum unterschiedlicher Ansätze gab – von der klassischen Berufsorientierung, über Qualifizierungsmaßangebote bis hin zu niederschwelligen arbeitsmarktpolitischen Angeboten, etwa den Produktionsschulen (vgl. Bergmann und Schelepa 2011). Diese Ansätze blieben aber oft auf einer quantitativ relativ kleinen Basis. Im Gegensatz dazu wurde – spätestens seit den 1990er Jahren – ein immer größerer quantitativer Fokus auf den Bereich der Förderung eines Lehrabschlusses gelegt. Bereits 1998 wurde das Auffangnetz für erfolglos lehrstellensuchende Jugendliche implementiert. Ziel dabei war der Umstieg in ein betriebliches Lehrverhältnis (vgl. Lechner und Willsberger 2004). Diese Form der überbetrieblichen Lehrausbildung wurde im Jahr 2008 einer maßgeblichen Reform unterzogen: Seit dem Ausbildungsjahr 2008/09 ist die überbetriebliche Lehrausbildung gleichwertiger und regulärer Bestandteil der dualen Berufsausbildung und wird unter dem Titel „Ausbildungsgarantie“ beworben (vgl. Bergmann et al. 2011; Wieser und Dornmayr 2012). Gab es auch zusätzlich verschiedene andere Maßnahmenangebote für Jugendliche, kann dennoch festgehalten werden, dass ein starker (finanzieller) Fokus auf den Lehrstellenmarkt gerichtet war mit dem Anliegen, Jugendlichen den Abschluss einer Lehre, also einer formalen Berufsausbildung, zu ermöglichen. Im Rahmen von Evaluierungen wurde deutlich, dass die überbetriebliche Lehrausbildung zwar sehr vielen Jugendlichen einen Eintritt in eine Lehre ermöglicht, aber für viele zu hochschwellig angelegt war, um diese bewältigen zu können bzw. dass auch der (forcierte) Übertritt auf eine betriebliche Lehrstelle nicht möglich war (vgl. Bergmann et al. 2011).

Sukzessive kamen in den letzten beiden Jahren größer konzipierte Programme hinzu, die neue Unterstützung im Kernbereich des Übergangs Schule – Arbeitsmarkt bieten sollen. Sie zielen nicht nur auf bereits arbeits- und/oder lehrstellensuchende Jugendliche ab, sondern sollen auch ein Drop-out aus dem Schul- und Ausbildungssystem verhindern bzw. gänzlich systemfernen Jugendlichen wieder Brücken zurück ins System bieten. An erster Stelle ist hier das „Jugendcoaching“ zu nennen, welches sich als „Beratung und Hilfestellung in der schwierigen Phase der Entscheidung über den weiteren Bildungs- und Berufsweg“ für Jugendliche und Erziehungsberechtigte sieht und einen Case-Management-Ansatz verfolgt. Das seit Beginn 2014 bestehende Programm „AusbildungsFit“ richtet sich (als möglichen Folgeschritt) an Jugendliche, die beim Übergang von der Schule in den Beruf mehr Zeit und Unterstützung benötigen. „AusbildungsFit“ kann nach dem Jugendcoaching absolviert werden und umfasst u. a. Trainingsmodule mit den Schwerpunkten Aktivierung, berufliche Orientierung und Spezialisierung für eine spezifische Berufsausbildung (vgl. Sozialministeriumsservice o. J).

Diese Kernstücke – Ausbildungsgarantie, Jugendcoaching und AusbildungsFit – sowie auch weitere Ansätze für Jugendliche wurden nun – dem oben angeführten Aufruf an die EU-Mitgliedstaaten folgend – zu der österreichischen Jugendgarantie zusammengefasst (vgl. BMASK et al. 2014). Als weitere Elemente der Jugendgarantie wurden die „Nationale Strategie zur Verhinderung frühzeitigen (Aus-)Bildungsabbruchs Österreich“, niederschwellige Ansätze wie die Produktionsschulen und – eher vage – eine verstärkte Einbindung der außerschulischen Jugendarbeit im Kontext des Übergangs Schule und Beruf angeführt (vgl. BMASK et al. 2014).

Auffallend ist, dass Themen wie Armut im Rahmen der Jugendgarantie kaum angeschnitten werden, ebenso wenig wie die wachsende Prekarisierung von Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnissen für immer breitere Schichten. Diskriminierungen und Ausschluss aus dem System werden nicht als systemimmanentes Problem gesehen, sondern individualisiert. Dennoch muss positiv angemerkt werden, dass im Rahmen der neueren Maßnahmen mit sehr niederschwelligen, zielgruppenorientierten Zugängen und Konzepten gearbeitet wird und dies gegenüber den früheren Ansätzen zumindest neue Sichtweisen und Problemwahrnehmungen bedeutet. Steiner – der mit weiteren KollegInnen einige Elemente der Jugendgarantie evaluierend begleitet – sieht mit der Einführung der neueren Ansätze wie dem Jugendcoaching auch eine Stärkung von Präventivmaßnahmen (vgl. Steiner 2013; Steiner et al. 2013), wenn auch die noch immer bestehende Schwerpunktsetzung auf individuelle und nachsorgende Betreuung anstelle aktiver Vermeidung und von Reformen im Bildungssystem bemängelt wird.

4 Soziale Arbeit im Kontext der Jugendgarantie

Der Fokus auf den Übergang von Schule bzw. Ausbildung in den Beruf ist seit einigen Jahren ein besonders breit und intensiv diskutiertes Thema, welches auch im Gefüge von Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik neue Überschneidungen, aber auch Bruchlinien zwischen klassisch arbeitsmarktbezogenen und sozialarbeiterischen Zugängen erkennen lässt.

Prinzipiell kann konstatiert werden, dass der (politische) Wille, „schwierige“ Zielgruppen zu aktivieren, in den letzten Jahren enorm zugenommen hat und Early School Leaving bzw. Drop-outs stärker als bisher auf der Agenda stehen. Das arbeitsmarktpolitische Spektrum wurde stärker um sozialarbeiterische Ansätze erweitert. Eine Vielzahl der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, die im Rahmen der oben beschriebenen Jugendgarantie (vgl. BMASK et al. 2014) aufgenommen wurden, setzen auf die „Aktivierung“ und „Stabilisierung“ der Jugendlichen, und zwar in einem für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sehr breitem Ausmaß auf sozialarbeiterische Elemente. Insbesondere niederschwellige Maßnahmensettings im Bereich der Produktionsschulen, Jugendcoaching, „AusbildungsFit“, aber auch Überlegungen, verstärkt mit der offenen Kinder- und Jugendarbeit zusammenzuarbeiten, um Jugendliche zu erreichen, die durch klassische Institutionen wie Schule oder Arbeitsmarktservice nicht erreicht werden, stehen im Zentrum (vgl. BMASK et al. 2014).

Interessant ist hier in kritischer Reflexion festzuhalten, dass aus Sicht der Arbeitsmarktpolitik bzw. auch entsprechender Evaluierungen Soziale Arbeit dennoch eher als „Black Box“ zu bezeichnen ist. Zwar werden immer mehr qualitative Ziele aufgenommen, die neben klassischen Indikatoren wie Arbeitsmarkt- und Bildungsintegration auch eine „Stabilisierung“ der Jugendlichen, deren Aktivierung, die Vermittlung sozialer und arbeitsmarktrelevanter Grundtugenden etc. in den Mittelpunkt rücken (vgl. Bergmann und Schelepa 2011; Bergmann et al. 2011; Steiner et al. 2013), wie aber genau Soziale Arbeit eingesetzt wird, um diese Ziele zu erreichen, und wie diese wirkt, ist hingegen aus Sicht der arbeitsmarktpolitischen AkteurInnen ebenso wie aus Sicht der in Auftrag gegebenen Evaluierungen kaum von Interesse. „Am Ende sollen sie funktionieren, das ist so eine mechanistische Vorstellung. Und das auch noch schnell, schnell“ ist eine der Erfahrungen eines Projektträgers, die exemplarisch für viele SozialarbeiterInnen im Feld steht (vgl. Bergmann und Schelepa 2011).

Durch die Einbettung der Sozialen Arbeit in die Arbeitsmarktpolitik erhält das „Case Management“ einen spezifischen Fokus, unter dem die verschiedenen Ansätze für „schwierige“ Zielgruppen angeboten werden (vgl. Bergmann et al. 2012; Sedmak et al. 2014; Stelzer-Orthofer und Brunner-Kranzmayr 2013; Steiner et al. 2013).

Während Galuske (2007) die Kernfunktion von Case Management folgendermaßen beschreibt: „den Klienten-Systemen (einzelnen Menschen, Familien und ihren Angehörigen, Kleingruppen, Nachbarn, Freunden usw.) in koordinierter Weise Dienstleistungen zugänglich zu machen, die von ihnen zur Lösung von Problemen und zur Verringerung von Spannungen und Stress benötigt werden“ (Galuske 2007, S. 197), wird dieser Ansatz im Kontext der Arbeitsmarktpolitik schon recht eng verstanden als „eine personenbezogene, individuelle Maßnahme der aktiven Arbeitsmarktpolitik (...). Dabei steht ein maßgeschneiderter Einsatz und Nachhaltigkeit im Vordergrund (Abkehr vom ‚work first-Prinzip‘), wo Entwicklungsschritte in Richtung Arbeitsmarktintegration ermöglicht werden sollen“ (Stelzer-Orthofer und Brunner-Kranzmayr 2013, S. 43). Im Bereich der Ansätze für Jugendliche findet einerseits eine individuelle Begleitung statt, und andererseits wird in Kooperation mit NetzwerkpartnerInnen an den bildungs- und arbeitsmarkthemmenden Faktoren gearbeitet. Neben der Inangriffnahme von Suchtproblematiken oder Wohnungslosigkeit sollen – so sie als notwendig gesehen werden – mögliche passende weiterführende Maßnahmen gefunden werden, von Höherqualifikationen über soziales Lernen bis zu psychosozialen Angeboten. Hier stößt das Case Management allerdings häufig schon an Grenzen, da derartige Angebote nicht in ausreichendem Ausmaß zur Verfügung stehen, vor allem nicht im niederschwelligen Bereich (vgl. Steiner 2013; Bergmann et al. 2012).

Galuske kommentiert diesen Zuschnitt des Case Management-Ansatzes kritisch: „Gerade im Horizont der Rezeption in der Arbeits- und Sozialverwaltung erweist sich das Case Management als ein sozialtechnisches Instrument der Anpassung Sozialer Arbeit an den neuen, neoliberalen Zeitgeist des aktivierenden Sozialstaats“ (Galuske 2007, S. 204).

Unbestritten und von unterschiedlichen Evaluierungen immer wieder bestätigt ist, dass die verschiedenen Problemlagen, mit denen – in diesem Fall – arbeitsmarkt- und bildungsferne Jugendliche konfrontiert sind, im Sinne einer Re-Integration „abgearbeitet“ werden müssen, um überhaupt weiterführende Schritte gehen zu können. Die Kritik bezieht sich aber vor allem darauf, dass Soziale Arbeit bzw. spezifische Ansätze hier in einem systemstabilisierenden Sinn gesehen und eingesetzt werden: Die Jugendlichen sollen für den Arbeitsmarkt/das Bildungssystem repariert werden, integrationshemmende Umfeldprobleme wie Schulden oder Wohnungslosigkeit „abgebaut“ werden, damit die Personen dann zügig in den Arbeitsmarkt/das Bildungssystem integriert werden können. Diese Entwicklung wird auch vor dem Hintergrund kritisch gesehen, dass bei anderen Institutionen nicht unbedingt mehr sozialarbeiterische Ressourcen zur Verfügung stehen, weshalb dieser Bereich nun vermehrt in die Arbeitsmarktpolitik „wandert“, dort aber in einem engen Kontext „aktivierend“ eingesetzt wird. In zahlreichen qualitativen Interviews mit Projektträgern in diesen Feldern kommt diese Einschätzung zum Ausdruck: „Zu beobachten ist, dass sich bereits eine gewisse Verschiebung der Bearbeitung weitreichender Problemstellungen hin zur Arbeitsmarktpolitik abgezeichnet hat“ (Bergmann et al. 2012, S. 59).

Anknüpfend an die einleitend vorgestellte „Workfare“-Diskussion kann diese Verschränkung von Arbeitsmarktpolitik und Sozialer Arbeit auch so interpretiert werden, dass immer breitere Felder im Sinne der Herstellung von Beschäftigungsfähigkeit instrumentalisiert werden, auch um weitreichende strukturelle Systemänderungen scheinbar nicht notwendig zu machen.

Oehme, Beran und Krisch (2007) formulieren als Vision einer Jugendarbeit an der Schnittstelle zu Bildungs- und Beschäftigungsförderung weitreichende Zielsetzungen: Partizipation der Jugendlichen, Fokussierung auf Sinnstiftung, Reflexion und Einbezug sozialräumlicher Bedingungen, Schaffung neuer sozialräumlicher Bildungs- und Beschäftigungsstrukturen. Derartige Zielsetzungen gehen vollkommen unter, wenn im Rahmen von arbeitsmarktpolitischen Projekten sozialarbeiterische Elemente lediglich als individualisierter Lösungsansatz für sozioökonomische Probleme eingesetzt werden. Dies soll keineswegs die Notwendigkeit oder den Erfolg derartiger Ansätze schmälern, aber aufzeigen, dass Soziale Arbeit auch in einem umfassenderen, gesellschaftskritischen und -verändernden Sinn gedacht werden kann, der im Rahmen dieser Projekte nicht zur Entfaltung kommen kann.

In kritischem Licht betrachtet können sozialarbeiterische und -pädagogische Interventionen als „Pädagogisierung von Ausschluss“ oder „Exklusionsverwaltung durch Soziale Arbeit“ begriffen werden, da im Mittelpunkt der Intervention nicht Fragen der Beseitigung sozialer Ungerechtigkeit und gesellschaftlichen Ausschlusses stehen, sondern bestimmte Gruppen von Menschen so definiert werden, dass sie einer besonderen staatlichen Behandlung bedürfen.

Diese Sichtweise soll allerdings nicht die Bedeutsamkeit kurzfristiger unterstützender Interventionen und Hilfestellungen in Frage stellen. Auch wenn langfristige Systemänderungen das Ziel sind, sind in momentan schwierigen Lagen kurzfristige Unterstützungen und Lösungen hilfreich, die öffentlich bereitzustellen sind und auch sozialarbeiterische Ansätze beinhalten sollen, um tatsächlich zu greifen und zu wirken.

Ein wünschenswertes „Sowohl-als-auch“ würde voraussetzen, dass neben der Einbettung (und teilweisen Verlagerung) der Sozialen Arbeit in die Arbeitsmarktpo-litik auch eine von der „Instrumentalisierung“ für Zwecke des Arbeitsmarktes unabhängige Soziale Arbeit weiterhin Raum, Budget und Entfaltungsmöglichkeiten hat; eine stärker generalistisch konzipierte Soziale Arbeit, die sich in ihrer inhaltlichen, methodischen und zeitlichen Ausgestaltung mehr auf die Ziele und Bedürfnisse der KlientInnen ausrichten und sich gesellschaftskritischen Ansprüchen und Zielen verpflichtet sehen kann, ohne bloß an vorgegebenen Zielen – beispielsweise Arbeits-marktintegration – gemessen zu werden.