1 Mittelstand und Coaching – Abgrenzungen und Definitionen

Mittelständische Unternehmen haben in der Regel eine andere Kultur und Organisationsstruktur als größere Unternehmen und Konzerne. Dementsprechend unterscheiden sich auch die speziellen Herausforderungen und Themen und damit die Anforderungen an Instrumente der Personalentwicklung. Ein akuter Fachkräftemangel etwa ist für Mittelständler ebenso wie für Konzerne ein zentrales Problem in der weiteren Unternehmensentwicklung. Die Möglichkeiten, diesem zu begegnen, differieren bei den Unternehmensarten allerdings. Während Konzerne eine starke Mitarbeiterfluktuation eher ausgleichen können, ist es für mittelständische Unternehmen wirtschaftlich überlebensnotwendig, ihre besten Arbeitnehmer langfristig zu binden. Die Besonderheiten mittelständischer Unternehmen führen dazu, dass die Personalarbeit wenig systematisiert ist und Coaching als Instrument der Personalentwicklung in vergleichsweise geringem Maß genutzt wird. Zugleich sind mittelständische Unternehmen ein zentraler Faktor unserer Wirtschaft. 99,6 % der Unternehmen zählten nach Angaben des Instituts für Mittelstandsforschung IfM im Jahr 2010 in Deutschland zu den kleinen und mittleren Unternehmen. Auf diese entfielen 36,9 % aller steuerbaren Umsätze und 60 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Von den insgesamt 3,6 Mio. Unternehmen in Deutschland waren 436118 mittelständische Unternehmen gemäß der Mittelstands-Definition des IfM Bonn (vgl. 1.2). Es ist eine wichtige Aufgabe, sie in ihrer Zukunftsfähigkeit zu stärken und in ihrer Unternehmensentwicklung zu fördern.

Was sind die speziellen Rahmenbedingungen für Coachings im Mittelstand? Gibt es hier spezifische Themen und dementsprechend auch Lösungen? Braucht ein Coach für den Mittelstand besondere Qualifikationen? Und wie können mittelständische Unternehmen das Instrument Coaching optimal für ihren Unternehmenserfolg nutzen? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt dieses einführenden Beitrags. Als Führungskräfte-Coaches haben wir beide langjährige Erfahrung mit mittelständischen Unternehmen, in unseren Ausführungen bewegen wir uns daher sehr nahe an der Praxis. Zunächst jedoch einige grundlegende Fragen: Wer oder was ist der Mittelstand eigentlich? Welche Definitionen und Abgrenzungen gibt es hier? Was verstehen wir unter Coaching?

1.1 Definition Coaching

Der Begriff Coaching wird sehr unterschiedlich verwendet, es gibt keine einheitliche, allgemeingültige Definition. Wir orientieren uns bei der Verwendung des Begriffs Coaching an der Definition des Deutschen Bundesverbands Coaching e. V. (DBVC): „Coaching ist die professionelle Beratung, Begleitung und Unterstützung von Personen mit Führungs-/Steuerungsfunktionen und von Experten in Unternehmen/Organisationen. Zielsetzung von Coaching ist die Weiterentwicklung von individuellen oder kollektiven Lern- und Leistungsprozessen bzgl. primär beruflicher Anliegen. Als ergebnis- und lösungsorientierte Beratungsform dient Coaching der Steigerung und dem Erhalt der Leistungsfähigkeit. Als ein auf individuelle Bedürfnisse abgestimmter Beratungsprozess unterstützt ein Coaching die Verbesserung der beruflichen Situation und das Gestalten von Rollen unter anspruchsvollen Bedingungen. Durch die Optimierung der menschlichen Potenziale soll die wertschöpfende und zukunftsgerichtete Entwicklung des Unternehmens/der Organisation gefördert werden. (…) Ein grundsätzliches Merkmal des professionellen Coachings ist die Förderung der Selbstreflexion und -wahrnehmung und die selbstgesteuerte Erweiterung bzw. Verbesserung der Möglichkeiten des Klienten bzgl. Wahrnehmung, Erleben und Verhalten“ (Deutscher Bundesverband Coaching 2012, S. 20).

Während in Trainings die Optimierung einzelner, idealer Verhaltensweisen im Mittelpunkt steht, wie z. B. beim Verkaufstraining, geht es beim Coaching um die Entwicklung individueller Lösungen. Der Klient erarbeitet sich mit Hilfe des Coachs eigene Wege, sein Verhalten und seine Einstellungen weiterzuentwickeln und damit nachhaltig effektivere Ergebnisse zu erreichen. Neben dem Einzel-Coaching als intensivster Form dieses Personalentwicklungsinstruments gibt es auch die Formen des Gruppen-Coachings und des Team-Coachings. Während im Gruppen-Coaching die Teilnehmer in der Regel in keinem direkten Arbeitszusammenhang stehen und sich auch häufig nicht kennen, arbeiten die Teilnehmer des Team-Coachings zusammen und verfolgen mit der Maßnahme ein gemeinsames Ziel. Im Gegensatz zum Einzel-Coaching fließen bei diesen beiden Formen die Erfahrungen und Kompetenzen der ganzen Gruppe mit ein. Während die Schwerpunkte im Einzel-Coaching gemäß Setting individuell gestaltet werden können, sind sie im Gruppen- und Team-Coaching durch das gemeinsame Thema, das Ziel und die Dynamik der Gruppe geprägt.

1.2 Definition Mittelstand

1.2.1 Quantitative Annäherung

Auch für „den Mittelstand“ gibt es keine einheitliche Definition. Das Institut für Mittelstandsforschung IfM in Bonn klassifiziert mittelständische Unternehmen quantitativ. Gemäß dieser Definition hat ein mittelständisches Unternehmen nicht weniger als zehn und nicht mehr als 499 Mitarbeiter, und der Jahresumsatz liegt unter 50 Mio. €. Firmen mit weniger oder mehr Mitarbeitern und Umsatz sind gemäß dieser Definition kleinere oder Groß- Unternehmen.

Die Europäische Kommission definiert Mittelständler als Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis zu 50 Mio. € oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. €. Gemäß der Empfehlung der Europäischen Kommission vom 6. Mai 2003 (Empfehlung 2003/361/EG) sind mittelständische Unternehmen per definitionem zudem nicht Teil einer Unternehmensgruppe und weitestgehend unabhängig.

1.2.2 Qualitative Annäherung

Klar ist: Die rein quantitative Definition von mittelständischen Unternehmen greift zu kurz, auch qualitative Aspekte müssen berücksichtigt werden. Hilfreich ist hier der Begriff „Familienunternehmen“, auch hier gibt es keine eindeutige Definition. Gemäß der Definition des Instituts für Mittelstandsforschung IfM halten bei Familienunternehmen bis zu zwei natürliche Personen oder ihre Familienangehörige mehr als 50 % der Anteile eines Unternehmens und gehören zudem der Geschäftsleitung an. Familienunternehmen werden vom IfM ausschließlich anhand qualitativer Kriterien klassifiziert.

Zwischen quantitativen Gesichtspunkten mittelständischen Unternehmen und den qualitativ klassifizierten Familienunternehmen gibt es eine große Schnittmenge. Aber längst nicht jedes Familienunternehmen erwirtschaftet weniger als 50 Mio. €. Familienunternehmen, welche die quantitativen Grenzen sprengen, bezeichnen sich aber trotzdem gerne als mittelständisch. In der Regel wollen diese Unternehmen damit auf eine bestimmte Tradition, Kultur, Werte und Struktur verweisen.

1.2.3 Fazit: Den einen Mittelstand gibt es nicht

Wir orientieren uns im Wesentlichen an den Definitionen des Instituts für Mittelstandsforschung für mittelständische und Familienunternehmen und sich der daraus ergebenden Schnittmenge, wenn wir von „Mittelstand“ sprechen. Natürlich gibt es zahlreiche Grenzfälle. Den einen Mittelstand gibt es ohnehin nicht. Der Mittelstand ist eine sehr heterogene Gruppe aus lokalen Hidden Champions und global agierenden Weltmarktführern. Je nachdem wie viele Mitarbeiter die Organisation hat und wie die Eigentümer-, die Leitungs- und die Organisationsstruktur sich im Einzelfall gestaltet, müssen auch im Coaching unterschiedliche Lösungswege eingeschlagen werden.

2 Besonderheiten der Personalarbeit im Mittelstand

Der Mittelstand wird gerne mit Werten wie Nachhaltigkeit, Ehrlichkeit, Menschlichkeit, Kundenorientierung in Verbindung gebracht. So wenig sich eine solche Aussage standardisieren lässt, so klar ist doch, dass sich Größe und Geschichte eines Unternehmens in seiner Führung, Struktur und Planung widerspiegeln.

2.1 Führung, Planung, Struktur

Bei den häufig eigentümergeführten Unternehmen mit wenig systematischer Organisation und flachen Hierarchien ist die Führung stark personenbezogen. Führung wird häufig nicht als Kompetenz, die erlernt werden muss, angesehen, sondern ist quasi als Amt an den Inhaber automatisch vergeben. Der Unternehmer, der oft verschiedene Funktionen innehat, ist nicht selten überlastet. Viele Führungskräfte in mittelständischen Unternehmen haben technisch und inhaltlich orientierte Ausbildungen absolviert, jedoch kaum systematisch entwickelte Führungskompetenzen.

Auf allen Ebenen ist die Teilnahme am Betriebsgeschehen viel unmittelbarer als in Großunternehmen. Die Struktur ist von kurzen und direkten Kommunikationswegen geprägt, durch die Konvergenz von Eigentum und Führung können Entscheidungen schnell gefällt werden. Das gilt auch für die großen Mittelständler. Zudem ist die Philosophie von mittelständischen Unternehmen in der Regel stark von dem Gedanken sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit geprägt. Die Kultur des Unternehmens ist mit dem Gründer verbunden (personalisierte Unternehmenskultur), Improvisation und Intuition haben eine große Bedeutung. „Erfolgreiche Familienunternehmen sind langfristig ausgerichtet und treffen Entscheidungen, zum Teil gegen die Logik der kurzfristigen Wirtschaftlichkeit, aber zugunsten des generationenübergreifenden Bestandes des Unternehmens“ (WeissmanGruppe 2013, S. 57). Auf der anderen Seite verfügen viele mittelständische Unternehmen über eine begrenzte strategische Planung und die Tendenz, Informationswissen kaum zu formalisieren. Fehlentscheidungen können schnell schwerwiegende Konsequenzen haben, denn es gibt wenige Ausgleichsmöglichkeiten.

Die Besonderheiten von mittelständischen Unternehmen hinsichtlich Führung, Struktur und Planung sind Grund für ihre Stärken am Markt. Mittelständler sind meistens stark kunden- und serviceorientiert. Als Nischenproduzenten sind sie es gewohnt, kleine Serien zu produzieren. „Die Konzentration auf klar definierte Kernkompetenzen, aus welchen spezialisierte Produkte und Dienstleistungen hervorgehen, die dann über die Landesgrenzen hinaus und idealerweise international abgesetzt werden, ist eines der Erfolgsrezepte von erfolgreichen Familienunternehmen“ (ebd., S. 41).

2.1.1 Einheit von Hand- und Kopfarbeit

Die Mitarbeiter identifizieren sich oft überdurchschnittlich stark mit dem Unternehmen. Sie zeichnen sich häufig durch besonders großes Engagement und starke Flexibilität aus. Viele mittelständische Unternehmen sind nur wenig taylorisiert, das heißt Hand- und Kopfarbeit bilden hier oft noch eine Einheit. Dies ist aber zugleich auch eine der Schwächen von mittelständischen Unternehmen: Vielen fehlt es an einer systematischen Organisation. Es gibt häufig noch keine strategische Personal- und Organisationsentwicklung. Weiterbildung ist zudem oft auf die Management-Ebene beschränkt. Die Entwicklungsplanung erfolgt oft so kurzfristig, dass Fehlentscheidungen kaum ausgeglichen werden können. Zudem fehlen dem Mittelstand oft im Vergleich mit größeren Unternehmen Ressourcen.

In der Summe scheinen jedoch die Stärken, die sich aus der Organisationsstruktur ergeben, zu überwiegen. „Getragen wird der Erfolg von gefestigten epochen- und situationsunabhängigen Werten, die für Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten und dem lokalen Umfeld täglich spürbar und erlebbar sind. Erfolgreiche Familienunternehmen leben einen gesunden Fanatismus, den wir als Kunden- und Qualitätsfanatismus bezeichnen“ (WeissmanGruppe 2013, S. 57). Gemäß der Studie „Entrepreneurial Familie“ der Universität St. Gallen sind gerade Familienunternehmen in der Lage, schwierige Jahre gut zu überstehen. Neben dem Schlüsselbegriff Verantwortung spielt hier gemäß den Studienautoren die Verbindung von Tradition und Innovation, die vielen Mittelständlern gelingt, eine große Rolle.

Ab einer gewissen Größe sind ein zu hoher Grad an Personalisierung und ein zu niedriger Grad an Formalisierung, verbunden mit einer geringen Wertschätzung der Managementfunktion und -kompetenz, allerdings riskant. „So lassen sich Organisationen ab einer gewissen Größe und Komplexität nicht mehr durch eine einzige Person oder wenige ‚Eingeweihte‘ situativ und ohne Formalisierung (Strukturen, Regeln, Instrumente, Standards etc.) steuern“ (Mollbach 2007, S. 74).

2.1.2 Typische Werte des Familienunternehmers (WeissmanGruppe 2013, S. 51)

  • Verlässlichkeit

  • Verantwortungsbewusstsein

  • Leistungsstreben

  • Freundlichkeit

  • Glaubwürdigkeit

  • Ehrlichkeit

  • Vertrauen

  • Loyalität

  • Langfristigkeit

  • Respekt und Wertschätzung

  • Authentizität

  • Handschlagqualität

  • Familie

  • Tradition

Zusammenfassend lässt sich also feststellen (vgl. Tab.1):

2.1.3 Stärken von mittelständischen Unternehmen

  • Kundenorientierung und Service

  • Hand- und Kopfarbeit bilden eine Einheit

  • Unmittelbare Kommunikation, Flexibilität, Engagement

2.1.4 Schwächen von mittelständischen Unternehmen

  • Mangelhafte systematische Organisation

  • kaum strategische Personal- und Organisationsentwicklung

  • kurzfristige Entwicklungsplanung

  • Weniger Ressourcen

Tab. 1 Spezifika von mittelständischen Unternehmen. (Mollbach 2007, S. 72)

2.2 Rahmenbedingungen für die Arbeit von Coaches in mittelständischen Unternehmen

Während die Entscheidung für eine Weiterbildungsmaßnahme, die Auswahl für einen Anbieter und der Ablauf der Personalentwicklung in größeren Organisationen meistens einem standardisierten Prozess folgt, ist die Personalentwicklung in vielen mittelständischen Firmen noch wenig systematisiert. Sie erfolgt häufig ad hoc und wenig strategisch. Oft fehlt auch bei der Unternehmensführung noch das Bewusstsein für Notwendigkeit und Nutzen von Coachings und anderen Maßnahmen. Aber der Mangel an hoch qualifizierten Mitarbeitern, die zunehmende Zahl von Menschen, die Überforderung und Stress krank machen, spezifisch mittelständische Herausforderungen wie die Nachfolgeproblematik in Familienunternehmen und darauf maßgeschneiderte Personalentwicklungsprogramme haben in den letzten Jahren den Mittelstand für Coachings offener gemacht.

2.2.1 Rahmenbedingungen grundlegend anders

Da Führung, Planung und Struktur im Mittelstand sich meistens von größeren Unternehmen unterscheiden, sind auch die Rahmenbedingungen für das Coaching hier grundlegend anders. Das fängt beim Ansprechpartner an: In Großunternehmen ist in der Regel ein hauptamtlicher Personalleiter für Personalentwicklungsmaßnahmen zuständig, der den Weiterbildungsmarkt genau kennt und über verschiedene Coaching-Arten, Methoden, den möglichen Ablauf und Nutzen genau informiert ist. Coaching als Instrument der Personalentwicklung ist hier bereits fest verankert. Coaching wird nicht mehr nur in Krisensituationen genutzt, sondern auch als Instrument der professionellen Reflexion, als präventive oder vorbereitende Maßnahme. Der Coach muss hier keine grundsätzliche Überzeugungsarbeit mehr leisten, sondern der Personalabteilung schlüssige Argumente für sein konkretes Angebot liefern.

Ganz anders im Mittelstand: Gemäß verschiedenen wissenschaftlichen Studien hat nur ein Viertel der Unternehmen mit weniger als 150 Mitarbeitern einen hauptamtlichen Personalleiter. Bei Firmen mit 150 bis 500 Mitarbeitern sind es 38 %. Bei Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern haben 72 % die Personalarbeit mit hauptamtlichen Stellen professionalisiert (Backes-Gellner et al. 2000, S. 10 ff). In der Regel ist der erste Ansprechpartner der Unternehmer, der Multifunktionsrollen innehat. Häufig ist er, was das Thema Coaching angeht, wenig informiert. In seltenen Fällen wird ein Coach im Vorfeld etwa einer Veränderungsmaßnahme beauftragt – meistens besteht bereits eine Krisensituation, und schnelle Unterstützung ist erwünscht.

Ist ein Personalleiter vorhanden, hat er oft ein sehr breites Aufgabenfeld und ist vor allem mit den operativen Maßnahmen beschäftigt. Die Entscheidung für eine Weiterbildung und die Auswahl von Maßnahmen und Anbieter obliegt dabei meistens dem Unternehmer. Zu unterscheiden ist zwischen einem Personalleiter (der alle Personalangelegenheiten verantwortet) und einem Personalentwickler, der nur für Coaching, Fortbildung etc. zuständig ist.

Für den Coach als Dienstleister bedeutet dies, dass er im Gespräch an einem völlig anderen Punkt ansetzen muss und dem potenziellen Auftraggeber zunächst allgemein die Merkmale und Zielsetzungen von Coaching vermitteln muss. Dabei spielen gerade die langfristigen Effekte und die Entwicklung individueller Lösungen als Abgrenzung zu anderen Maßnahmen wie Trainings sowie die Personenzentrierung mit Management-Impulsen als Abgrenzung zur Unternehmensberatung eine große Rolle. Erfahrungsgemäß rücken auch die Relation von Kosten und Nutzen und der zu erwartende Return on Investment (ROI) schnell in den Mittelpunkt des Gesprächs.

Zeigt sich der Entscheider im ersten Gespräch überzeugt, wird oft schnell und unbürokratisch der Auftrag erteilt: „Machen Sie mal!“ Der Auftraggeber ist häufig froh, dass er sich um die Maßnahme nicht weiter kümmern muss. Positiv interpretiert erhält der Coach sehr viele Gestaltungsspielräume, negativ bewertet wird er im Regen stehen gelassen und muss sich die notwendigen Informationen selbst beschaffen. Am Ende zählen die Ergebnisse. Coachings werden von mittelständischen Unternehmen aktuell in erster Linie als Maßnahme für das Management akzeptiert. In der Regel handelt es sich um Einzel-Coachings, seltener um Gruppen-Coachings für Führungskräfte. „Diese stehen bezüglich Verständnis, Funktionen und Instrumenten von Führung und Management, im Unterschied zu ihrem technischen und Produkt-Know-how, vor einem erheblichen Professionalisierungsdruck“ (Mollbach 2007, S. 70). Im systemischen, lösungsorientierten und funktionsorientierten Coaching kann es dann zunächst darum gehen, Führung als eigenständige Aufgabe mit spezifischen Kompetenzanforderungen zu verstehen und den oft über Jahrzehnte tradierten personalisierten, situativen Führungsstil zu hinterfragen.

2.3 Anforderungen an Coaches im Mittelstand

Für Coaches bedeuten diese Rahmenbedingungen eine besondere Herausforderung. Er muss im ersten Schritt klären, ob Coaching und Unternehmenskultur überhaupt kompatibel sind – wobei man nicht unerwähnt lassen darf, dass sich die Unternehmenskultur auch fundamental durch Coaching ändern kann. Sind Transfermöglichkeiten der Ergebnisse in die Organisation hinein gegeben? Besteht die Bereitschaft zur kritischen Reflexion? Die individuellen Coaching-Ergebnisse können im gegebenen Umfeld nur nachhaltig sein, wenn die Organisation diese unterstützt. Häufig muss der Coach erst ein Bewusstsein im Unternehmen für die Möglichkeiten von Coaching-Maßnahmen schaffen, aber auch für die dafür nötigen Rahmenbedingungen. Der Coach prüft, für welche(n) Adressat(en) eine Maßnahme infrage kommt und ob Coaching überhaupt sinnvoll ist. Der Coach führt die Klärung der Interessenlage für alle am Auftrag Beteiligten herbei. Es empfiehlt sich, die Einführung von Coachings in einem mittelständischen Unternehmen mit einem aktuellen Anlass oder einer aktuellen Veränderung von größerer Tragweite zu verbinden, denn dies erzeugt Betroffenheit und die Bereitschaft, zu lernen und sich persönlich zu verändern. Ein solcher Anlass können z. B. Fusionen oder unsichere Transfer-Situationen sein.

Der Coach im Mittelstand ist weit stärker bei der Formulierung realistischer Ziele und der Konzeption der Maßnahme in der Pflicht als bei Großunternehmen. Er muss die nötigen Informationen und die unbedingt nötigen Rahmenbedingungen klar einfordern. Und er braucht die Stärke, den Auftrag abzulehnen, wenn das Umfeld mit einem professionellen Coaching nicht kongruent ist. Coaching als Einzelmaßnahme ohne Einbindung in die Unternehmenskultur oder als Ersatz für Führung kann nicht gelingen. Der Schwerpunkt der Coachings im Mittelstand liegt häufig auf Führungsthemen. Dabei muss zunächst ein Verständnis von Management und Führung aufgebaut werden. Aber auch Vertriebsthemen und Konflikte können ein guter Einstieg sein. In der Regel ist es also eher ein „fachlicher“ Einstieg.

Möglich ist dies nur für Dienstleister, die ein besonderes Maß an Praxisnähe mitbringen, theoretische und praktische Erfahrungen in Management und Betriebswirtschaft haben. Empathie und psychologische Kenntnisse sind für Coaches im Mittelstand ebenfalls essentiell. Sie müssen sehr genau wissen, wie der Mittelstand tickt, welche besondere Organisationsstruktur und -kultur diese Unternehmen ausmacht, und bereit sein, sich darauf einzulassen und die Rolle des Impulsgeber zu übernehmen. Ein Coach für den Mittelstand sollte eine gemeinsame Sprache mit dem Unternehmen finden und dessen Hands-on-Mentalität teilen oder zumindest stark wertschätzen. Nur so kann eine solide Vertrauensbasis als Grundvoraussetzung für den Erfolg eines Coachings entstehen. Es ist daher von Vorteil, wenn der Coach neben langjähriger Coaching-Erfahrung im Mittelstand auch eigene unternehmerische Erfahrungen hat. „Voraussetzung ist (allerdings) auf Seiten des Coachs neben seinen individual- und interaktionspsychologischen Kompetenzen die Fähigkeit, sich in die Spezifität eines mittleren Unternehmens und dessen Führung zu versetzen, sowie profunde Kenntnisse in der Steuerung komplexer sozio-technisch-ökonomischer Systeme“ (Mollbach 2007, S. 70).

Wünschenswert für Gesellschaft und Wirtschaft ist es zudem, dass durch Verbände und Organisationen wie z. B. den DBVC weiter Aufklärungsarbeit darüber betrieben wird, welche enorm wirksame Maßnahme der Personalentwicklung Coachings im Mittelstand sein können. Gerade der Mittelstand ist ja im besonderen Maße davon abhängig, dass der richtige Mitarbeiter am richtigen Platz sitzt und dass es gelingt, die Top-Performer langfristig zu binden und die Unternehmensnachfolge nachhaltig zu regeln.

3 Coaching-Klassiker im Mittelstand – Themen und Lösungen

Aus den besonderen Rahmenbedingungen im Mittelstand ergeben sich auch spezifische Schwerpunkte für das Coaching bei diesem Organisationstyp. Natürlich gibt es auch etliche Themen, die sowohl in mittelständischen als auch in großen Unternehmen auftreten. Teilweise unterscheiden sich aber dann die Lösungswege. Bei mittelständischen Unternehmen ohne Personal(-entwicklungs)-abteilung werden häufig klassische Fach- und Beratungsthemen angefragt – dass hinter den Anlässen eine „menschliche“ Herausforderung steht, wird dabei (noch) nicht gesehen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass durch Globalisierung, Fachkräftemangel, härtere Markt- und Wettbewerbsbedingungen, technologische Entwicklungen, gestiegene Anforderungen für Finanzierungskonzepte, Wachstum, Überalterung der Führungsriege und gestiegene Kundenanforderungen an Produkte und Prozesse viele mittelständische Unternehmen unter einem starken „Professionalisierungs- und Entwicklungsdruck bzgl. Führung und Management“ stehen.(Mollbach 2007, S. 75).

Die folgende Auflistung typischer Coaching-Kernthemen im Mittelstand ist exemplarisch für eine Vielzahl von Beispielen, die wir in unserer Coaching-Praxis im Mittelstand erlebt haben. Alle „Fälle“ sind also im Kern authentisch, lediglich die äußeren Umstände sind verfremdet. Die Themen enthalten jeweils eine kurze Darstellung der typischen Ausgangssituation und des Lösungsweges.

3.1 Generationswechsel

Nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) steht zwischen 2010 bis 2014 in knapp 110 000 Familienunternehmen die Übergabe an. Das entspricht drei Prozent aller Familienunternehmen und rund 22 000 Übergaben pro Jahr. Bei der Bewältigung der Nachfolge entstehen Herausforderungen sowohl auf psychologischer als auch auf betriebswirtschaftlicher und rechtlicher Ebene. Die Begleitung eines Generationswechsels gehört daher zu den typischen Themen in mittelständischen Unternehmen.

Klassisch ist der Fall des inhabergeführten, erfolgreichen Unternehmens in der IT-Branche mit 70 Mitarbeitern. Der Vater will sich aus der Geschäftsführung zurückziehen, der 30-jährige Sohn hat nach dem Betriebswirtschaftsstudium in verschiedenen Unternehmen Erfahrungen gesammelt und will mit viel Tatendrang das Unternehmen in die Zukunft führen. Der Vater sagt: „Mach, wie du denkst“, mischt sich aber ständig ein und untergräbt damit die Autorität und die Bestrebungen des Sohnes, seinen eigenen Stil im Unternehmen zu etablieren. Der Nachfolger ist zu sehr in seiner Rolle als Sohn gefangen, sodass er sich kaum gegen den Vater durchzusetzen vermag. Aber auch wenn die Stelle des Geschäftsführers extern besetzt werden soll, ergeben sich oft ähnliche zwischenmenschliche Problematiken. Der Sohn entscheidet sich schließlich zu einer Coaching-Maßnahme.

Beim Thema Generationenwechsel ist viel Fingerspitzengefühl des Coachs nötig. Die „alte“ Generation ist häufig Coachings gegenüber weniger aufgeschlossen. Tatsächlich wird in diesem Beratungsprozess schließlich mit zwei Arbeitsansätzen und zwei Coaches gearbeitet. Der eine fungiert als Ansprechpartner für die fachlichen Fragen, der andere als Ansprechpartner für die weichen Faktoren. Diese Komplementärberatung hat sich gerade bei Veränderungsprozessen bewährt, bei denen es auch darum geht, Widerstände im Unternehmen aufzulösen, und bei denen einer der beiden Dienstleister oft als Vermittler auftritt. Mit dem Vater wird auf fachlich-strategischer Ebene gearbeitet. In der Sparrings-Partnerschaft mit dem Sohn geht es um weiche Faktoren. Der nicht offen kommunizierte Widerspruch „Sei du selbst, aber führe wie ich“, der ganz typisch für die Nachfolgeproblematik in mittelständischen Unternehmen ist, und die daraus resultierenden emotionalen Verstrickungen und Glaubenssätze werden herausgearbeitet. Schließlich werden genaue Spielregeln und ein Zeitplan definiert und die Modalitäten der Übergabe vereinbart und kommuniziert. Der Sohn entwickelt in der Folge das Selbstbewusstsein, das er benötigt, um sich gegen den Vater zu behaupten und das Unternehmen erfolgreich zu leiten.

3.2 Führung

Wie unter 2.3 bereits aufgeführt, steht der Coach im Mittelstand oft vor der Herausforderung, bei der Führungskraft ein professionalisiertes Verständnis von Führung und Management zu wecken. Dies gilt insbesondere für Unternehmen mit „Owner-Managern“. Aber auch wenn ein Fremdmanager die Unternehmensführung innehat, gibt es eine typisch mittelständische Führungs-Thematik.

Im Beispiel handelt es sich um einen bekannten mittelständischen Markenhersteller von Süßwaren mit mehr als 300 Mitarbeitern. Trotz des großen Erfolgs entschließt sich die Geschäftsführung zu einem Strategiewechsel in der Führung. „Die Herausforderungen im Business-Alltag sind so komplex geworden, wir kriegen unsere Aufgaben nicht mehr bewältigt. Mit unseren stark hierarchischen Strukturen dauern die Prozesse viel zu lange“, formuliert der 45-jährige Unternehmensleiter die Ausgangssituation. In jüngster Zeit sind zudem zunehmend jüngere Mitarbeiter in dem Unternehmen eingestellt worden, die mit der autoritär geprägten Kultur des Traditionsunternehmens Probleme haben und weit unter ihren Leistungsmöglichkeiten bleiben. Im Einzel-Coaching mit dem Unternehmensleiter werden seine Vorstellungen von Führung und die realistischen Rahmenbedingungen abgesteckt, unter denen diese im gesamten Unternehmen umgesetzt werden können. Die Geschäftsführung ist sich darüber im Klaren, dass ein Strategiewechsel hin zu einer partizipativen Führungskultur kein kurzfristiges Unterfangen sein kann. Das Führungskräfteentwicklungs-Programm wird auf mehrere Jahre angesetzt und beinhaltet Einzel-Coachings, Gruppen-Coachings und Seminare.

Nicht alle Mitarbeiter können mit der Kursänderung umgehen. Eine typische Herausforderung bei mittelständischen Unternehmen: Bei grundlegenden Änderungen stellen sich altgediente, treue Führungs-Mitarbeiter, oft seit Jahrzehnten Säulen des Unternehmens, quer: „Schließlich hat es bisher auch sehr gut funktioniert, und man muss nicht auf jeder Welle mitschwimmen.“ Im Beispiel lehnt der 50-jährige Vertriebsleiter, der bereits seine Lehre in dem Unternehmen gemacht hat und über lange Jahre rechte Hand des Gründers war, die neue Kultur ab. Der Unternehmensleiter zieht zunächst aus einem Gefühl der Dankbarkeit keine Konsequenzen, gewinnt aber im Einzel-Coaching seine Handlungsfähigkeit zurück. Trotz verschiedener Gespräche bleibt der Vertriebsleiter aus innerer Überzeugung bei seiner Ablehnung des Wandels. Schließlich trennt man sich ohne böses Blut. Der Markenhersteller hat zahlreiche innovative Produkte am Markt erfolgreich eingeführt, expandiert und gilt als vorbildlicher Arbeitgeber.

3.3 Stressmanagement, Gesundheit

Im von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin veröffentlichten „Stressreport Deutschland 2012“ gaben 58 % der Befragten an, dass ihre Tätigkeit häufig die gleichzeitige Betreuung verschiedenartiger Aufgaben verlangt. Damit steht Multitasking auf Platz 1 der häufigen Arbeitsanforderungen, gefolgt von starkem Termin- und Leistungsdruck (52 %), ständig wiederkehrenden Arbeitsvorgängen (50 %) und Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit (44 %). Dabei kennt die psychische Belastung weder Unternehmens- oder Hierarchiegrenzen, noch macht sie vor gewerblichen Branchen halt. Faktoren wie das gute soziale Klima in deutschen Betrieben oder Handlungsspielräume für die Beschäftigten, um ihre Arbeit zu planen und einzuteilen, helfen aber, die Belastung zu bewältigen. Neben der Bedeutung der Führung für die Gesundheit der Mitarbeiter wird in der Studie zudem eine bessere Begleitung von Veränderungsmaßnahmen im Unternehmen empfohlen. Insbesondere bei Mittelständlern ist das Fehlen von Strukturen häufig ein Problem.

So kommt es oft zu solchen und ähnlichen Situationen: Der Unternehmensleiter eines Maschinenbauunternehmens mit 100 Mitarbeitern macht einen verdienten Außendienstler zum Vertriebsleiter. Zwischen den beiden besteht eine Duz-Freundschaft. Der Inhaber erklärt den sechs anderen Außendienstlern die Maßnahme in einem kurzen Gespräch. Der Vertriebsleiter wird in den folgenden Monaten immer stiller, schließlich wird er krankgeschrieben. Der Arzt diagnostiziert eine depressive Verstimmung, verschreibt als Akut-Maßnahme Medikamente, sieht aber mittelfristig eine Änderung der Jobsituation als nötig an. Ein Coach wird hinzugezogen. Im Coaching wird dem Vertriebsleiter die besondere Belastung, unter der er steht, bewusst. Die ehemaligen Kollegen haben sich von ihm zurückgezogen, weil er nun ihr Chef ist. Er soll führen, hat viele Ideen im Kopf, hat aber dafür keinerlei Freiräume bekommen, denn er betreut genau die gleiche Kundenanzahl wie vor seiner Beförderung. Zudem hat der Inhaber mit ihm keinerlei Zielvereinbarungen getroffen, er weiß nicht, welche Erwartungen er an ihn als Führungskraft hat. Spontan, aus dem Bauch heraus und mit typisch mittelständischer Hands-on Mentalität hatte der Chef seinen Freund zum Vertriebsleiter gemacht – ohne Struktur und ohne Planung. Im Coaching werden diese Schritte nachgeholt, auch der Inhaber erkennt die Versäumnisse. Zielgespräche geben dem Vertriebsleiter Klarheit und Orientierung, er erhält die Freiräume und den Rahmen, den er braucht, um seine Aufgaben als Führungskraft, die nun klar definiert sind, zu erfüllen.

3.4 Mitarbeiterbindung und -gewinnung; Employer Branding

Gemäß einer Studie des Centre of Human Resources Information Systems (2013) gelten als wichtigste Personal-Themen bei den mittelständischen Unternehmen der demografische Wandel und der Fachkräftemangel, aber auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die Mitarbeiterbindung und (internes) Employer Branding. Mittelständische Unternehmen sind aufgrund ihrer Größe und Struktur in besonderem Maße von qualifizierten Mitarbeitern anhängig; der Weggang von Schlüsselfiguren und der Verlust von Know-how trifft sie besonders hart. Gleichzeitig glauben Mittelständler oft, als Arbeitgeber nicht attraktiv zu sein, – schließlich könne man nicht so hohe Gehälter wie größere Unternehmen bezahlen. Im Zuge der Entwicklung eines Employer Brandings sollte der Coach zunächst das Bewusstsein für die besonderen Rahmenbedingungen wecken, die der Mittelstand seinen Mitarbeitern bieten kann. Zahlreiche Untersuchungen (z. B. PwC International 2013) zeigen, dass gerade die junge Generation der Arbeitnehmer mehr Wert auf individuelle Entwicklungsmöglichkeiten und Mitbestimmung als auf hohe Gehälter legt.

Im Beispiel fürchtet ein IT-Unternehmen, einen seiner besten Mitarbeiter zu verlieren. Im Einzel-Coaching soll die Frage beantwortet werden, ob er eine Führungs- oder eine Fachkarriere anstrebt. Der Mitarbeiter wirkt im Coaching-Prozess sehr unsicher, daher wird zunächst eine Persönlichkeitsanalyse durchgeführt, die Aufschluss über seine Werte und Motive gibt. Mit einer besonderen strategischen Begabung ausgestattet, Zusammenhänge schnell zu erkennen und Lösungsvorschläge zu entwickeln, hat er im Unternehmen bereits den Spitznamen „Special Agent“ erhalten. Er kann sich vorstellen, ein kleines schlagkräftiges Team zu führen – nicht um des Führens willen, sondern um abteilungsübergreifend im Unternehmen strategische Lösungen zu erarbeiten. Das Unternehmen entschließt sich, eine solche Position in seiner Organisationsstruktur aufzunehmen. Es profitiert davon, dass es einen seiner besten Mitarbeiter langfristig gebunden hat und dieser auf seiner Idealposition sein Potenzial voll ausschöpfen kann.

Mittelständler können grundsätzlich flexibler und schneller agieren als Großunternehmen und sollten dies nutzen. Wenn sie individuelle Coaching-Prozesse mit ihren wichtigsten Mitarbeitern durchführen, verhindern sie, dass diese eine Karriererichtung einschlagen, die ihren Talenten nicht entspricht, was in Weggang und/oder Leistungsabfall resultieren kann.

3.5 Umbruch, Krisen, Konflikte

In Umbruch-, Krisen- und Konfliktsituation sind klare Organisations-, Prozess- und Gesprächsstrukturen besonders wichtig. Da vielen mittelständischen Unternehmen diese Strukturen fehlen, sind sie oft besonders anfällig für Eskalation und Scheitern.

In einem Stahlbauunternehmen verspricht der Außendienst-Mitarbeiter dem Kunden, dass er in drei Tagen ein Angebot für eine Stahlbrücke bekommt. Der Innendienst braucht für die Preiskalkulation genaue Angaben des Schweißfachingenieurs, wie viel Material und Aufwand er kalkuliert. Der lässt sich für die Berechnungen Zeit, schließlich haftet er persönlich für die technische Sicherheit. Nach mehrmaligen Rückfragen, wo denn die Zahlen bleiben, schaukelt sich schließlich der Konflikt hoch. Der Außendienst-Mitarbeiter nennt seinen Kollegen einen Pedanten, „der doch spinnt.“ Der Schweißfachingenieur fühlt sich unter Druck gesetzt und sagt, er „will schließlich nicht ins Gefängnis.“ Der Konflikt lähmt das Unternehmen und könnte schließlich so eskalieren, dass einer der beiden das Unternehmen verlassen muss. Der Chef schaltet schließlich einen Coach ein, der vermitteln soll. Im Coaching werden die beiden Kontrahenten angeleitet, einen Per­spektivwechsel vorzunehmen und das Verhalten des anderen neu zu bewerten. Die Genauigkeit des Ingenieurs etwa könnte vom Außendienst auch als Top-Qualität interpretiert werden. Dieses innere Bild transportiert er nach außen zu den Kunden. Der Ingenieur wird angeleitet, die Rolle des Außendienstlers besser zu verstehen. Die beiden entschuldigen sich in der Folge und kommen wieder ins Gespräch. In welcher Reihenfolge müssen Themen wie oft besprochen werden? Wie können übliche Fragestellungen schnell geklärt werden, die immer wieder auftauchen? Als eigentliches Problem kristallisiert sich im Coaching heraus, dass es im Unternehmen keine Strukturen für Besprechungen gibt. In der Folge wird eine Gesprächsstruktur im ganzen Unternehmen etabliert, mit der viele Konflikte im Ansatz vermieden werden können.

3.6 Klarheit, Positionierung

Mittelständische Unternehmen sind in ihren Produkten und Dienstleistungen meistens hoch spezialisiert und konzentrieren sich auf klare Kernkompetenzen. Häufig gibt es seit Jahrzehnten eine bestimmte Produktlinie, das eine Erfolgsgeheimnis. Langfristigen, krisenfesten Erfolg allerdings bringt erst die Verknüpfung von Tradition mit Innovation. Dazu ist es nötig, in regelmäßigen Abständen die eigene Positionierung zu überprüfen.

Der Leiter eines Familienunternehmens der Medienbranche hatte bei der Gründung mit einer innovativen Produktidee großen Erfolg gehabt. Jahrzehnte später handelt es sich immer noch um dasselbe Produkt. Die Tochter, die das Unternehmen übernimmt, möchte eine Marktanpassung vornehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmen, die sich an den Mitbewerbern orientieren, beschließt sie im Rahmen eines Coaching-Prozesses, nicht von außen, sondern von innen neue Impulse zu holen. Mitarbeiter mit Kundenkontakt werden nach Ideen befragt, Kern-Kompetenzen werden mit der EKS-Strategie herausgearbeitet. Es entstehen so neue Produkte, die zum Unternehmen und zu den Kundenbedürfnissen passen. Innerhalb eines Jahres ist der Mittelständler Marktführer in seinem Segment.