1 Vorbemerkung

„In welchen Aufgabenbereichen, glauben Sie, ist ethische Kompetenz besonders wichtig?“ – „Also, ich glaube, dass es überall wichtig ist, weil wir überall mit Menschen zu tun haben, und die haben was mit Kunden zu tun, die nachher unsere Erlöse machen. Da finde ich das schon enorm wichtig. Aber auch schon im Umgang miteinander, also jede Abteilung, wo man miteinander zu tun hat, […] ist das enorm wichtig.“ (Filialleiterin einer Genossenschaftsbank, seit 12 Jahren im UnternehmenFootnote 1)

„Wie verändert sich die Arbeitszufriedenheit der jeweiligen Führungskraft […], wenn Führungskräfte ethisch kompetent sind?“ – „Die Gefahr besteht natürlich, wenn mein Korsett mich so einengt, dass ich eben nicht so entscheiden kann, wie ich gerne möchte, auch auf dem ethischen Gebiet, dann werde ich mich sicher unwohl fühlen. Ja, und dadurch natürlich auch punktuell oder temporär unzufrieden sein. (Teamleiter Investment einer Genossenschaftsbank, seit 15 Jahren im Unternehmen)

Die Eingabe des Begriffspaares „ethische Kompetenz“ bei Google führt derzeit (Oktober 2008) zu knapp 570.000 Treffern. Der Begriff „Bankenpleite“ führt zu rund 360.000 Links, und bei der Suche der Kombination „ethische Kompetenz bei Managern“ listet Google immerhin noch knapp 230.000 Seiten auf. Gerade bei der letzten Suche fällt auf, dass sich die Kritik an der angeblich fehlenden ethischen Kompetenz von Managern praktisch laufend mit Angeboten zu einer Verbesserung ethischer Kompetenz (Schulungen, Bücher, Aufrufe usw.) abwechselt. Direkt hinter dem Satz „Managern fehlt ethische Kompetenz“ finden wir das erste Angebot „Ethik für Manager“. Ein wenig weiter aber formuliert M. Huppenbauer bereits einen Satz, den wir unserem Artikel voranstellen können: „Ich bin aber der Ansicht, dass es nicht ausreicht, eine ethische Überzeugung oder Option zu formulieren. Man muss sich auch immer überlegen, wie man das gesellschaftlich oder unternehmerisch umsetzen und individuell realisieren kann. Sonst verkommt Ethik leicht zur idealistischen Moralpredigt, und die Handlungsmöglichkeit bleibt nichts weiter als eine schöne Utopie.“Footnote 2

Ethisch-moralische Überzeugungen und Einstellungen wollen im beruflichen Alltag umgesetzt und verwirklicht werden, d. h. sie sollen zu konkreten Handlungen führen, die auch anders hätten aussehen können (denn eine Handlung, die keine Alternative hat, kann man auch nicht unter moralischen Kategorien beurteilen). Von da her ist es evident, Handlungstheorien aufzurufen und mit einer „ethischen Kompetenz“ zu verbinden. Es stellt sich auch die Frage, ob ethische Kompetenz mit der Arbeitszufriedenheit korrelieren könnte. Denn die Aussicht auf eine erhöhte Arbeitszufriedenheit wäre ein Anreiz, ethische Fragen ernst(er) zu nehmen und ethisch-moralisches Verhalten an den Tag zu legen. Andersherum könnte die Organisation die ethische Kompetenz ihrer Mitarbeitenden über den Umweg der Arbeitszufriedenheit fördern, sollte gerade diese der Nährboden für Ethik und moralisches Verhalten bilden. Aus unserer Sicht spannende Fragen, denen wir uns im Folgenden nähern wollen.

2 Hinführung

„Banks are people“, schreibt Wagner (1997, S. 76). Dies wird im Kielwasser der Bankenkrise deutlich: Die Fach- und Führungskräfte der Banken treffen Entscheidungen mit weit reichenden Konsequenzen, auch wenn sie dabei z. T. auch „Opfer“ eines Systems geworden sind, das sich in seiner Eigendynamik am Ende selbst überhitzt hat. Nach Kuhn und Weibler (2003, S. 379) stehen die Führungskräfte in einem „unauflösbaren Führungsdilemma“, da sie einerseits den Mitarbeiter als Produktionsfaktor zum Erfolg führen müssen und andererseits die Arbeitsqualität und -zufriedenheit fördern sollen (vgl. ebd., S. 375 ff.). Diese Dilemmasituation kann bei den Führungskräften selbst zu Unzufriedenheit, Leistungsdruck, innerer Kündigung und/oder dolosen Handlungen führen (vgl. ebd.). Holzapfel (2007, S. 17) bringt dies in krasser Form auf den Punkt: „Wer in deutschen Unternehmen Karriere machen will, muss sich offenbar einer systematischen Erziehung zu Unmoral und Rücksichtslosigkeit unterziehen.“

Wie kann es zu solchen Einschätzungen kommen, obwohl doch viele Banken über Ethikrichtlinien und Verhaltenskodizes verfügen (vgl. PricewaterhouseCoopers und Martin-Luther-Universität 2007, S. 10)? Neben einem möglichen Fehlen von „ethischer Kompetenz“ bzw. „ethischem Bewusstsein“ (vgl. Mesmer 2005) könnte auch die mangelnde Arbeitszufriedenheit von Führungskräften eine Begründung für die unzureichende Umsetzung von unternehmensethischen Standards sein. Organisationspsychologische Studien belegen, dass z. B. die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen (und damit Faktoren der Arbeitszufriedenheit) Auswirkungen auf das Ausmaß der wirtschaftskriminellen Handlungen haben (einen Überblick hierzu z. B. bei Eigenstetter et al. 2007; Patterson et al. 2005). Delikte werden z. B. auf ein anonymes Arbeitsumfeld oder auf berufliche Enttäuschungen, aber auch auf die Diskrepanz zwischen persönlichen und unternehmerischen Zielen zurückgeführt (PricewaterhouseCoopers und Martin-Luther-Universität 2007, S. 40 f.).

Damit ergibt sich eine doppelte Aufgabe für die Kreditinstitute: Es muss sowohl die ethische Kompetenz der Entscheidungsträger als auch die Arbeitszufriedenheit der Führungskräfte und Mitarbeiter gefördert werden, um die Identifikation mit der Organisation zu verbessern und schädigendes Verhalten auszuschalten. Wie die Aussage zu Beginn dieses Artikel belegt, kann es hierbei zu einem Dilemma kommen: Kann ein moralischer Anspruch von Seiten des Mitarbeiters auf Grund organisationaler Bedingungen nicht eingelöst werden, führt dies zu Arbeitsunzufriedenheit und als Folge davon wieder zu einer Distanzierung vom Unternehmen bis hin zu einer „inneren Kündigung“.

Wir sehen: Mit der Förderung der „ethischen Kompetenz“ allein muss/darf es nicht getan sein; ganz im Gegenteil kann eine partielle ethische Kompetenz im Unternehmen über den „Umweg“ der Arbeits(un)zufriedenheit sogar disparate Wirkungen entfalten! Unter psychoanalytischen Gesichtspunkten werden im Individuum Schuldgefühle induziert, die dann entstehen, „wenn die Beurteilung des Verhaltens zu der Feststellung führt, dass es sich nicht im Einklang mit den Forderungen, den depersonalisierten, bewusstseinsfähigen und in die ideale Selbstrepräsentanz aufgenommenen Verboten, bewegt“ (Zepf 2000, S. 368). Unbewältigte Schuldgefühle, auch (oder gerade) wenn sie unbewusst sind, führen zu den verschiedensten neurotischen Störungen, wie z. B. Hemmungen, Arbeitsstörungen oder Selbstbestrafungstendenzen, und nicht zuletzt in verschiedene Suchtproblematiken.

Aber zurück zum Ausgangspunkt. In folgenden Fragen kumulieren unsere Überlegungen: Sind ethisch kompetente Führungskräfte auch zufriedener? Oder sind unzufriedene Entscheidungsträger vielleicht ethisch inkompetent(er)? Oder gibt es vielleicht gar keine Beziehung zwischen diesen beiden Bereichen? Diese Fragen wurden im Rahmen einer Masterarbeit an der Fachhochschule für angewandtes Management in Erding (www.myfham.de) angegangen. Die wichtigsten Klärungen und Ergebnisse dieser Arbeit sollen hier in komprimierter Form dargestellt werden.

3 Die Vorgehensweise und das Forschungsdesign

Neben der Analyse der wichtigsten Literatur zum Thema wurden im Rahmen qualitativer Experteninterviews achtzehn Führungskräfte aus allen drei Säulen des deutschen Bankensystems (Kredit- oder Privatbanken, Banken des Genossenschaftssektors, Banken des Sparkassensektors) ausgewählt und befragt. Die Interviews wurden nach einer Vorstudie mit Hilfe eines halbstandardisierten Interviewleitfadens geführt und anschließend transkribiert. In Anlehnung an Mayring (2007) wurden die Interviews einer ausführlichen Inhaltsanalyse unterzogen und kategorisiert, um sie auswerten zu können. Der Interviewleitfaden war dabei in sachlogische Kategorien gegliedert:

  • Statistische Daten

  • Ethisches Grundverständnis und die Relevanz von Ethik auf Institutions- und Individuumsebene

  • Voraussetzungen für kooperatives Verhalten (wahrgenommene Verhaltenskontrolle)

  • Aspekte und Einflussfaktoren von ethischer Kompetenz

  • Ethische Kompetenz und Arbeitszufriedenheit.

Klar ist, dass eine Befragung in diesem Umfang keinen Anspruch auf Repräsentativität erheben kann (dazu ist N = 18 natürlich zu klein). Die Ergebnisse der Interviews sind aber u. E. soweit valide, dass sich daraus Hypothesen formulieren lassen, die in ausführlicheren Folgeuntersuchungen genauer geprüft werden könnten. Zunächst gilt es aber, die Begriffe einzugrenzen.

4 Ethische Kompetenz

Sparen wir uns im begrenzten Rahmen dieses Aufsatzes die Definitionen und Abgrenzungen von „Ethik“ und „Moral“ (vgl. hierzu z. B. Maak und Ulrich 2007, S. 447) und auch des Begriffs „Kompetenz“, auch wenn gerade bzgl. des letzteren in der Wissenschaft und Praxis derzeit eine Vielzahl von unterschiedlichen Vorstellungen im Raum stehen (vgl. Böhner 2005, S. 27). Wichtig ist der kurze Hinweis darauf, dass „ethische“ und „ökonomische Entscheidungsrationalität“ zu unterscheiden sind (Maak und Ulrich 2007, S. 449 ff.Footnote 3). Anhand einer Studie über das Rauchen in der tschechischen Republik folgern Maak und Ulrich (ebd., S. 450): „Die rein ökonomische Rationalität stößt augenscheinlich an moralische Empfindungsgrenzen. Doch nicht nur das; jede ökonomische Entscheidung hat stets auch eine ethische Dimension, jedenfalls solange Menschen involviert und von ökonomischen Entscheidungen betroffen sind. Ökonomisches Handeln – wie jedes menschliche Handeln ist deshalb grundsätzlich legitimationsbedürftig. Im Prozess der Legitimation kann jedoch auf Grund der schon angedeuteten Rationalitätsdifferenz die ethische mit der ökonomischen Rationalität kollidieren.“

Die Frage, was denn „Ethik“ eigentlich sei, ergab bei den Befragten einen bunten Strauß an Antworten:

Na ja, so eine Art verantwortliches Tun und Lassen… (Teamleiter Investment, Genossenschaftsbank)

[…] die Grundwerte, die ich hab’. Die menschlichen Kompetenzen, auch sag’ ich mal Menschenwürde und Glaubwürdigkeit spielt natürlich schon eine große Rolle bei mir als Führungskraft. (Filialleiter Privatbank)

Werte… Normen… Unternehmenskultur… Unternehmensethik… Sehr schwierig, kommt auf den Zusammenhang an. (Filialleiterin Genossenschaftsbank)

Und besonders dezidiert: „Andere Länder, Bayern, ist in gewisser Weise auch Ethik. Die bayerische Sprache ist Ethik. Andere Personen. […] Ja, wie geht man mit den Leuten um bezogen auf das Institut.“ (Abteilungsleiter einer öffentl.-rechtl. Bank)

„Ethische Kompetenz“ wird von uns folgendermaßen verstanden: „Dabei handelt es sich um Fähigkeiten einer Person, Entscheidungen auf der Grundlage ethischer Prinzipien zu treffen und spezifische Situationen ethisch beurteilen zu können. Dazu muss sie Lösungsalternativen abwägen und Handlungen reflektieren können, ohne durch automatische Reaktionen eingeschränkt zu werden“ (Spichal-Mößner 2007, S. 167). Ergänzend dazu die Definition von Maak und Ulrich (2007): „Ethikkompetenz umfasst ein fortschrittliches Moralbewusstsein, d. h. die Einnahme des ‚Moral Point of View’, der sowohl von Moralbewusstsein (Vernunftaspekt) als auch Empathie und Fürsorglichkeit (Einfühlungsvermögen)Footnote 4 geprägt ist, sowie Reflexionskompetenz, moralische Vorstellungskraft und moralischen Mut.“

„Moralische Kompetenz“ rekurriert stärker auf die korrekte Anwendung und Einhaltung von bestehenden Werten und Normen im Alltag, während „ethische Kompetenz“ aus einem distanzierteren Blickwinkel auch die bestehenden Moralvorstellungen unter die Lupe nimmt und kritisiertFootnote 5 (vgl. Steinmann und Löhr 1994, S. 9). Nach Krolzig (o.J.) „dokumentiert sich [ethische Kompetenz] in der Fähigkeit, in allen Situationen, die ein Handeln erforderlich machen, im Blick auf das Prinzip der Freiheit und Sinnerfüllung verbindlich, d. h. mit guten Gründen zu entscheiden, was zu tun ist“. Auch bei Rupp (2005, o. S.) beinhaltet ethische Kompetenz das Handlungsmoment: Ethische Kompetenz zeigt sich als „Fähigkeit, ethische Probleme zu identifizieren, zu analysieren, Handlungsalternativen aufzuzeigen, Lösungsvorschläge zu beurteilen und ein eigenes Urteil zu begründen, um auf dieser Grundlage verantwortlich zu handeln.“

Generell kann ethische Kompetenz unter den drei Perspektiven kognitiv, motivational und sozial-organisatorisch betrachtet werden. Aus diesen drei Perspektiven lässt sich eine individuelle ethische Handlungskompetenz ableiten, die auf verschiedenen Fähigkeiten beruht, wie z. B. Unterscheidung fachlicher/moralischer Fragen (moralisch-ethische Sensibilität), sich verantwortlich fühlen/eigenes Beteiligtsein, Wahrnehmung der Beteiligten eines Konflikts, Selbstwahrnehmung (Einstellungen, Werte), Wahrnehmung der Einstellungen anderer, Begründung der eigenen moralischen Einstellung, Konsensfähigkeit und Entscheidungen treffen durch Austausch, Vergleich und Bewertung von unterschiedlichen Argumenten/Werten, sowie Umsetzung und Rechtfertigung von Entscheidungen (vgl. Neitzke 2004). Diese Fähigkeiten werden aber in der Regel nur entwickelt und umgesetzt, wenn die individuelle Handlungsfähigkeit mit der Handlungsbereitschaft des Individuums und dem Organisationskontext einhergeht (vgl. Wittmann 1996, S. 32 ff.). Maak und Ulrich (2007, S. 492) drücken dies so aus: „Zur fortschrittlichen Ethikkompetenz gehört nicht nur ein Bewusstsein für entsprechende Standards und Prinzipien, sondern auch die Fähigkeit, diese in situativer und empathischer Weise im Rahmen des eigenen moralischen Ermessensspielraumes zur Anwendung zu bringen.“

Essentiell für eine „fortschrittliche Ethikkompetenz“ sind eine umfassende Reflexionskompetenz, moralische Vorstellungskraft und auch moralischer Mut (ebd., S. 481 ff.). Nach Meinung von Maak & Ulrich lässt sich diese „fortschrittliche Ethikkompetenz“ gezielt entwickeln, in besonderer Weise durch neue Formen des Erfahrungslernens, z. B. das „Service-Learning“, das an Einsichten John Deweys anknüpft (ebd., S. 486 ff.). Diesen Pfad wollen wir hier aber nicht weiter verfolgen, sondern zur „Theorie des geplanten Verhaltens“ übergehen.

5 Theorie des geplanten Verhaltens

Wie deutlich geworden sein sollte, zielt ethische Kompetenz auf begründete Entscheidungen und deren Umsetzung in Handlungen. Am Anfang steht die Erkenntnis, dass es sich überhaupt um ein moralisch relevantes Problem handelt, d. h. die Wahrnehmung, dass Werte und Prinzipien miteinander konkurrieren, welche abgewogen werden wollen.Footnote 6 Bei diesen Problemlösungs- und Entscheidungsprozessen spielen unterschiedliche Faktoren eine Rolle. Ein Modell, Handlungspräferenzen von Individuen zu beschreiben, ist die Theorie des geplanten Verhaltens nach Fishbein und Ajzen (1975). In der Theorie werden kognitive, motivationale und sozial-organisatorische Einflüsse auf spezifizierbares Verhalten beschrieben, wie sie oben bereits angedeutet wurden. Fishbein & Ajzen haben dabei drei grundlegende Faktoren herausgearbeitet, die zur Vorhersage von Verhalten dienen: Einstellung, subjektive Norm und wahrgenommene Verhaltenskontrolle. Kurland (1995, S. 297) hat diese Theorie um den Faktor der „moralischen Verpflichtung“ ergänzt, um ethische Handlungsintentionen speziell von Versicherungskaufleuten zu erklären. Nach heutigen Erkenntnissen (vgl. Gorsuch und Ortberg 1983, S. 1025, auch Kurland 1995, S. 297) scheint die „moralische Verpflichtung“ in Situationen mit „moralischer Relevanz“ ein bedeutsamer Vorhersagefaktor für die Verhaltensabsicht zu sein. Für die Untersuchung an den Führungskräften in Banken wurde das Konzept der „moralischen Verpflichtung“ um das der „ethischen Kompetenz“ erweitert, da Führungskräfte als „Professionelle“ idealerweise ethisch-reflektiert und nicht nur situationsbezogen „moralisch“ – was auch heißen kann: im Sinne der Unternehmenskultur – handeln sollten (vgl. die oben angedeutete Unterscheidung von „Ethik“ und „Moral“).

Abb. 1
figure 1

Modifiziertes Modell des geplanten Verhaltens in Anlehnung an Ajzen (1988, S. 133)

Die Bereiche Einstellung, Norm und Verhaltenskontrolle können im Rahmen dieses Aufsatzes nicht weiter ausgeführt werden. Es sollen aber einige Anmerkungen zur „ethischen Kompetenz“ als Einflussfaktor gemacht werden. Wichtig ist die Unterscheidung von „subjektiver Norm“ und „moralischer Verpflichtung“. Unter letzterer werden persönliche Normvorstellungen verstanden, die vom Individuum wahrgenommen und verinnerlicht werden. Die moralische Verpflichtung drückt nicht das aus, was andere bzw. das soziale Umfeld erwarten (dies wäre die subjektive Norm: die individuelle Wahrnehmung des sozialen Umgebungsdrucks in Bezug auf das Ausführen oder Unterlassen einer Handlung), sondern beinhaltet die von der handelnden Person „verinnerlichten moralischen Regeln“ (Döring 1999, S. 116). Subjektive Norm und moralische Verpflichtung können in bestimmten Situationen auseinanderfallen (ebd., S. 106) und den Akteur unter enormen psychischen Druck setzen. Von professionell Handelnden wäre idealerweise zu erwarten, im Rahmen ihrer „ethischen Kompetenz“ subjektive Norm und moralische Verpflichtung aus einer bestimmten Distanz heraus wahrnehmen und reflektieren zu können, um diskursfähige Entscheidungen zu treffen.

In unserem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, welche Motive Führungskräfte haben, sich in moralisch relevanten Situationen ethisch reflektiert zu verhalten. Im Rahmen einer weiteren ethischen Differenzierung kann man hier, in Anlehnung an Witte (2002), die Grundpositionen Hedonismus, Utilitarismus, Intuitionismus und Deontologie unterscheiden, um den Hintergrund einer ethischen Rechtfertigung zu verstehen.Footnote 7

6 Arbeitszufriedenheit

Theorien der Arbeitszufriedenheit sind heutzutage hinlänglich bekannt, sodass wir diesen Abschnitt kurz fassen wollen. Für das Projekt wurden zunächst die Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg und die Bedürfnistheorie nach Maslow herangezogen. Letztere v. a., da die beiden Begriffe Arbeitsmotivation und Arbeitszufriedenheit eng miteinander verflochten sind und den bekanntesten Theorien zur Arbeitszufriedenheit in der Regel Motivationstheorien zugrunde liegen (vgl. Lutz 1999, S. 29 ff.). Ergänzend wurde u. a. die VIE-Prozesstheorie (Valence-Instrumentality-Expectancy) nach Vroom (vgl. Schlick 2005) berücksichtigt, weil diese als Prozesstheorie mehr als die Herzbergsche Inhaltstheorie (Motivatoren und Hygienefaktoren) auf die Art und Weise fokussiert, wie ein bestimmtes Verhalten zustande kommt.

In Bezug auf die Befragung in den Banken dienten die Modelle der Arbeitszufriedenheitsforschung dazu, entsprechende Items in die Interviews einzubauen und bei der Analyse der Gespräche Kategorien zu bilden. Die Fragen nach dem Zusammenhang von ethischer Kompetenz und Arbeitszufriedenheit konnten damit differenziert gestellt und ausgewertet werden. In besonderer Weise wurde das Augenmerk darauf gerichtet, ob „ethische Kompetenz“ eher als ein Beitrag auf der Seite der Hygienefaktoren (Beseitigung von Arbeitsunzufriedenheit) oder der Seite der Motivatoren (Erhöhung der Arbeitszufriedenheit) gesehen werden kann.

7 Interdependenzen von ethischer Kompetenz und Arbeitszufriedenheit

Welche Interdependenzen lassen sich aber nun aufgrund der theoretischen Vorarbeiten vermuten und aufgrund der Datenanalyse verdichten?

7.1 Ethische Kompetenz als Bedingung von Arbeitszufriedenheit

Die Theorie des geplanten Verhaltens zeigt, dass ethische Kompetenz bei Führungskräften in Konfliktsituationen die Wahl kooperativer Verhaltensoptionen (d. h. kooperieren statt reflektieren) begünstigen kann. Hierbei wird angenommen, dass, je stärker die Ausprägung der ethischen Kompetenz ist, d. h. je besser eine Führungskraft moralisch-ethische Sachverhalte im Rahmen von moralisch relevanten Konfliktsituationen reflektieren kann, desto höher die Wahrscheinlichkeit sein wird, dass sie sich für die kooperative Verhaltensoption entscheidet. Auf dieser Basis lässt sich vermuten, dass sich kooperatives Verhalten in Konfliktsituationen positiv auf die Hygienefaktoren, z. B. soziale Beziehungen und Führungsstil, auswirkt. Darüber hinaus könnte die kooperative Handlungsstrategie auch Faktoren wie Anerkennung, Verantwortung oder Beförderung (Motivatoren) positiv beeinflussen.

So kann z. B. eine Führungskraft, die eine hohe ethische Kompetenz besitzt, bei einer Personalentscheidung auf ihre Kompetenz vertrauen und diese Situation gemäß ihrer zugrundeliegenden ethischen Grunddisposition reflektieren (hohe Ausprägung ethischer Kompetenz). Dadurch könnten bei den Beteiligten Frustrationsgefühle und Stressauslöser vermindert werden (positive Einstellung, soziale Norm), eine gewisse Kontrollierbarkeit der Entscheidung wahrgenommen werden (wahrgenommene Verhaltenskontrolle) und dies letztlich zu einer kooperativen Verhaltensabsicht bzw. zum Kooperationsverhalten (Verhaltensintention/Verhalten) führen. Dies kann sich z. B. in einer fairen, transparenten und rechtzeitigen Kommunikation äußern. Dieses kooperative Verhalten wiederum kann die Reputation der Führungskraft im Unternehmen erhöhen, soziale Beziehungen verbessern und letztlich die Einstellung gegenüber bestimmten Aspekten der Arbeit positiv beeinflussen (Arbeitszufriedenheit). Der Abteilungsleiter des Bereichs Sanierung und Abwicklung eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts:

Ethisch handeln heißt ja nicht, dass es nicht auch einmal zu Situationen kommt, die schwierig sind auch für den anderen. Z. B. sagen zu müssen, Sie müssen jetzt in eine andere Abteilung, ich habe keine andere Aufgabe für Sie. Aber ich kann’s halt ethisch sauber über die Bühne bringen, oder ich kann’s per Mail. Eine Meldung schicken, ab morgen sind Sie nicht mehr in meinem Team. Das wäre die schlechte Variante, die schlechte Form. Ich kann ihn aber auch zu mir bitten, ihm erklären, warum es ihn trifft, welche Auswahlkriterien ich angewendet habe, ihm die Chance geben, mit mir zu diskutieren, warum, und dann akzeptiert er das sicher einfacher, leichter und bleibt halt auch der Bank vielleicht als guter Mitarbeiter erhalten, und viele Mitarbeiter machen ja dann die Schotten dicht und sagen sich, das war’s, sprich innere Kündigung, und je fairer, ehrlicher, gerechter man solche schwierigen Themen versucht mit den Kollegen abzuklären und zu meistern, desto weniger wird das an seinem Selbstbewusstsein kratzen, weil er die Notwendigkeit der Entscheidung versteht, und dann könnte ich mir auch vorstellen, dass dann auch die innere Kündigung ausbleibt.

Deutlich wird, dass ethisch reflektiertes Verhalten nicht nur die eigene Arbeitszufriedenheit, sondern in besonderem Maße auch die der anderen Mitarbeiter oder Geschäftspartner beeinflusst.

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass sich die Ausprägung ethischer Kompetenz überwiegend indirekt über kooperative Verhaltensstrategien auf bestimmte Merkmale der Arbeitssituation auswirkt und somit zu erhöhter Arbeitszufriedenheit bzw. verringerter Unzufriedenheit führen kann.

7.2 Ethische Kompetenz als Folge von Arbeitszufriedenheit

Ist auch der andere Weg denkbar? Von Spector (1997) stammt ein Modell kontraproduktiven Verhaltens in Organisationen, nach dem destruktives Verhalten von Organisationsmitgliedern stark mit Belastungen, Stress und Ungerechtigkeitsempfinden im Rahmen der Arbeitssituation zusammenhängt, insbesondere dann, wenn die Verhaltenskontrolle als gering wahrgenommen wird. Eine positive Arbeitseinstellung zu bestimmten arbeitsrelevanten Aspekten (= Arbeitszufriedenheit) kann kooperatives Entscheidungsverhalten im Sinne einer ethischen Kompetenz fördern. Der Abteilungsleiter (Stab) eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstitutes:

Zufriedenheit wird sicher irgendwas dazu beitragen, dass die Leute ausgeglichener sind und dann vielleicht auch, falls sie nicht sonst so sind, dann auch etwas fairer oder pfleglicher im Umgang mit ihren Leuten sind. Wenn natürlich jemand schon mit seiner eigenen persönlichen Arbeitssituation komplett unzufrieden ist, dann, sag ich mal, ist es sicherlich noch mal ein Stück schwieriger, dann sozusagen sich trotzdem zurückzunehmen und dann zu sagen, jetzt mal unabhängig von meiner Situation Dritten gegenüber, sehe ich dann zu, sie trotzdem fair usw. zu… sollte natürlich so sein, man sollte sich aber nichts vormachen… wir sind alle nur Menschen. Dass es sicherlich einfacher ist, wenn sie selber sagen, ich habe ein gesetteltes, passendes Umfeld usw., als wenn sie selber nur am Kämpfen sind und sich vollkommen unbeachtet fühlen, das ist dann eher schwer.

Man kann von da her davon ausgehen, dass die jeweilige Ausprägung der Arbeitseinstellung bestimmte Verhaltensoptionen fördert oder unterbindet, die sich in der Umsetzung der „ethischen Kompetenz“ materialisieren. Stützend in diesem Zusammenhang sind die Ausführungen von Buer (2008, S. 360 f.), der an ein stärker utilitaristisches Denken anknüpft, wie es v. a. im angelsächsischen Raum verbreitet ist. Buer führ aus: „Wer also von seinen Mitarbeiter/innen gute Arbeit verlangt, der muss ihnen eine Arbeit geben, die sowohl vom Ziel als auch von der Arbeitsweise her so attraktiv ist, dass sie gut und gern gemacht wird. Und dieser Einsatz für unternehmerische Ziele schließt dann auch eine gute Zusammenarbeit mit den Kund/innen, den Kolleg/innen und mit den Vorgesetzten bzw. Untergebenen ein. Um die Moral braucht sich dann keiner mehr Sorgen machen. Die Wirtschaftsethik muss also die Moral mit dem Glück, die Ethik mit dem Interesse an einem guten Leben verbinden, wenn sie denn gute Arbeit fördern will, die sowohl das Unternehmen wie dessen Mitarbeiter zufrieden stellt. […] Eine Wirtschaftsethik ohne Bezug zum Glück wird immer anstrengend und beschwerlich wirken. Das erklärt auch, warum sie zwar immer öfter beschworen, aber immer weniger umgesetzt wird. Nur wenn es Freude macht, moralisch zu handeln, weil ich dann zusammen mit allen, die mir etwas bedeuten, glücklich sein kann, nur dann kann Ethik attraktiv sein.“ Mildern wir das „nur wenn“ in seinem ausschließlichen Sinne etwas ab, so kann der Bezug auf (empirische) Untersuchungen zur Arbeitszufriedenheit und Theorien des geplanten Verhaltens diesen offensichtlichen Mangel (zumindest nach Buer) ein Stück weit beheben. Arbeitszufriedenheit ist nicht gleich Glück, trägt aber doch einiges zu einem „glücklichen“ Leben bei.

8 Zusammenfassung und Ausblick

Im Sinne eines zirkulären Zusammenhangs kann ethische Kompetenz, verstanden als Handlungsanweisung, also sowohl als Bedingung als auch als Folge von Arbeitszufriedenheit gesehen werden. Ethische Kompetenz kann Auswirkungen auf verschiedene Aspekte der Arbeit haben, aber auch als Konsequenz einer positiven Einstellung zur Arbeit ermöglicht werden. Hierzu noch ein paar Blitzlichter aus der Untersuchung:

Zunächst einmal haben für fast alle Interviewteilnehmer ethische Themen im Bankensektor Relevanz (wobei die soziale Erwünschtheit der Antworten im Rahmen der Untersuchung nur vermutet werden kann). Ethische Relevanz wird dabei vor allem in schwierigen Entscheidungssituationen bewusst wahrgenommen (z. B. Kündigung, grobes Fehlverhalten, Betreuung von „schwierigen“ Kunden). Nach Aussage der Befragten sind die Voraussetzungen im Großen und Ganzen geschaffen, um ethische Aspekte zu berücksichtigen, wenn auch besondere Situationen (z. B. Zeitdruck) dies erschweren können. In einem Interview ist von „Hauen und Stechen“ die Rede, das die Berücksichtigung von Werten und Prinzipien enorm erschwert. Besonders wichtig ist, dass die Unternehmenswerte mit den eigenen Werten übereinstimmen und bestimmte Grundprinzipien nicht mit den strategischen Zielen des Instituts kollidieren. Zudem muss genügend Spielraum vorhanden sein, um ethisch reflektieren zu können.

Wenn ich die übergeordneten Hierarchien so anschaue, dann bin ich mir nicht so sicher, ob das immer so gelebt wird. Es wird von diesen von uns verlangt, das umzusetzen.

(Filialleiter aus dem privaten Bankensektor)

Solange ich den Spielraum habe, kann man versuchen, bis zu einem gewissen Grad zu sagen, ich sehe es für nicht erforderlich an, oder ich sehe nicht die Möglichkeit, jemandem zu kündigen. Wenn Sie aber die Vorgabe bekommen, alle Argumente, die Sie anbringen, sind uninteressant, das übergeordnete Ziel ist der Abbau von Mitarbeiterkapazitäten, dann muss ich mich dem fügen. (Teamleiter aus dem genossenschaftlichen Bankensektor)

Ethische Kompetenz drückt sich für die befragten Führungskräfte vor allem in einer Person aus, die neben fachlichen und führungsspezifischen Kenntnissen auch soziale und persönliche Fertigkeiten bzw. Fähigkeiten aufweist und eine gewisse „Grundorientierung“ (z. B. die Goldene Regel) besitzt.

Die ethische Kompetenz steht ganz oben und ist dann eben durch diese drei Bereiche aufgeteilt. Einmal die fachliche, die soziale und die sittliche Kompetenz. Die drei bilden im Prinzip das Führungsprofil oder die Führungspersönlichkeit, wie man es auch will. (Teamleiter aus dem öffentlichen Bankensektor)

Eine positive Einstellung zur eigenen Arbeit beeinflusst aus Sicht der Befragten v. a. die eigene Arbeits- und Lebenszufriedenheit, die eigene Leistungsbereitschaft und Motivation sowie auch die der direkten Mitarbeiter, die Kunden- und Stakeholderzufriedenheit, aber auch den Unternehmenserfolg und die ethische Kompetenz:

Ja, gut, dass halt das Thema Werte wahrscheinlich umso besser gelebt wird, wenn ich ideale Arbeitsbedingungen habe als im umgekehrten Fall. Ich meine, wenn es super läuft und ich ein gutes Verhältnis habe, dann kann man auch Werte sehr gut leben. (Filialleiter aus dem privaten Bankensektor)

Die Befragung ergab, dass die Interviewten eindeutig positive Auswirkungen von ethisch kompetentem Verhalten auf die Faktoren Führungsstil und soziale Beziehungen sehen. Weitere positive Konsequenzen ergeben sich auch für die Faktoren Anerkennung und Verantwortung.

Also, ich glaube schon, dass Anerkennung zumindest bezogen auf das Umfeld, also die Mitarbeiter, oder wenn auch Führungskräfte-Kollegen, wenn die das Gefühl haben, der ist ethisch oder anständig, um mal ein anderes Wort zu nennen, dann kann das schon Anerkennung im Sinne von Respekt sein. Ja, so eine Art Vorbild oder so. Ich denke, man muss immer auch authentisch bleiben, wenn das dann auf so einem Gebiet auch authentisch rüber kommt, dann ist das Anerkennung im Sinne von Respekt. (Teamleiter aus dem genossenschaftlichen Bankensektor)

Vereinzelt wurden negative Auswirkungen bei den Faktoren Bezahlung und Beförderung gesehen, die Mehrzahl der Befragten jedoch sieht überhaupt keine Verbindung zwischen ethischer Kompetenz und Bezahlung/Beförderung. Die positive Auswirkung ethischer Kompetenz auf die Arbeitszufriedenheit wird von fast drei Vierteln bejaht. Ein Beispiel:

Ich würde sagen, positiv, weil das einfach im zwischenmenschlichen Bereich zu einem respektvollen Umgang führt, zu einem anerkennenden, wertschätzenden, entspannterem Klima. (Filialleiterin aus dem privaten Bankensektor)

Als Vorteile bei der Entwicklung ethischer Kompetenz nannten die Befragten auf persönlicher Ebene eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der persönlichen Reputation und der Arbeits- bzw. Lebenszufriedenheit. Durch diese Verbesserungen sehen sie auch Vorteile für das Unternehmen, wie z. B. Leistungssteigerung der Mitarbeiter, erhöhte Arbeitsqualität und positives Image nach innen und außen:

Und das ist auf jeden Fall gut, das ist positiv für die Mitarbeiter, das ganze Haus und den ganzen Betrieb. Und für die Leistung. (Filialleiterin aus dem genossenschaftlichen Bankensektor)

Nur wenige der Befragten sahen keine Auswirkungen, wenn Führungskräfte ethische Kompetenz besitzen oder entwickeln.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ethische Kompetenz im Idealfall als mehrschichtige Disposition eines Individuums zu sehen ist. Je nach Ausprägung dieser Kompetenz kann die Wahrnehmung und Umsetzung unterschiedlich intensiv erfolgen. Es müssen bestimmte Voraussetzungen vorliegen, damit ethische Kompetenz entwickelt werden und zu kooperativem Verhalten führen kann. Besondere Spezifika, wie z. B. Machteinfluss oder Geschlecht, wären hier noch differenziert zu untersuchen.

Bezüglich der Auswirkung auf die Arbeitszufriedenheit ergibt sich aufgrund dieser Untersuchung das Bild, dass ethische Kompetenz nur auf bestimmte Hygienefaktoren und Motivatoren positiven Einfluss hat und dadurch Arbeitsunzufriedenheit vermieden bzw. Arbeitszufriedenheit gefördert werden kann. Dass allerdings kein bzw. ein negativer Einfluss auf Faktoren wie Bezahlung und Beförderung in der Praxis gesehen wird, wurde so nicht erwartet und gibt zum Nachdenken Anlass. Hier könnten weitere Untersuchungen ansetzen. Interpretiert werden kann auch, dass ethische Kompetenz nicht als direkte Folge von Arbeitszufriedenheit gesehen wird, sondern indirekt über kooperatives Verhalten und positives Arbeitsklima.

Die zentralen Hypothesen, die aus dieser Untersuchung abgeleitet wurden und durch weitere Überprüfungen einer größeren Stichprobe validiert werden könnten, sind:

  1. 1.

    Die ethische Kompetenz einer Führungskraft wirkt sich auf die Hygienefaktoren „soziale Beziehungen“ und „Führungsstil“ positiv aus.

  2. 2.

    Die ethische Kompetenz einer Führungskraft wirkt sich auf die Motivatoren „Anerkennung“ und „Verantwortung“ positiv aus.

  3. 3.

    Die ethische Kompetenz einer Führungskraft wirkt sich auf den Hygienefaktor „Bezahlung“ nur dann positiv aus, wenn sie im Vergütungssystem des jeweiligen Unternehmens berücksichtigt wird.

  4. 4.

    Die ethische Kompetenz einer Führungskraft wirkt sich auf den Hygienefaktor „Beförderung“ nur dann positiv aus, wenn sie im Vergütungssystem des jeweiligen Unternehmens berücksichtigt wird.

  5. 5.

    Führungskräfte mit einer hohen ethischen Kompetenz sind zufriedener mit ihrer Arbeit als Führungskräfte mit einer geringen ethischen Kompetenz.

  6. 6.

    Zufriedenen Führungskräften gelingt es besser, ethische Kompetenz umzusetzen, als unzufriedenen.

Es zeigt sich also u. E. noch ein beachtlicher Forschungsbedarf, was den Zusammenhang von ethischer Kompetenz und Arbeitszufriedenheit betrifft. Geben wir einem der Interviewten das letzte Wort:

[…] aber ich hab’ noch keine Zielvereinbarung gesehen, in der der ethischen Kompetenz ein hoher Stellenwert eingeräumt worden wäre. Ja gut, man müsste das entwickeln, das wäre natürlich schöner, und man müsste der ethischen Kompetenz einen höheren Stellenwert einräumen und quasi, es müsste sich im Laufe der Zeit halt entwickeln und würde sicher zu mehr Zufriedenheit am Arbeitsplatz beitragen. Aber es wird noch einige Jahre, Jahrzehnte dauern. (Abteilungsleiter aus dem öffentlichen Bankensektor)