1 Diversity im Kontext gesellschaftlicher Relevanz

In der postmodernen Phase, die u. a. von Globalisierung, Migration, Unsicherheit und stärkeren Risiken geprägt ist, stellt sich zunehmend die Frage nach der individuellen Identität und dem Umgang mit Diversity. So wird vielfach betont, dass das Leben in heterogenen Gruppen mit unterschiedlichen Werten, Normen und Herkünften eine der großen Aufgaben der Zukunft darstellt. Besonders zu beachten ist der professionelle Umgang mit Diversity zur Verbesserung der Lebenslagen und Zukunftschancen. Daraus ergeben sich folgende Fragestellungen: Welchen globalen Herausforderungen müssen wir uns stellen? Wie viel Diversity verträgt eine Gesellschaft? Warum sind Lösungen so schwer zu finden? Welche Fähigkeiten sind zur Problemlösung essentiell? Was bedeuten aktuelle Entwicklungen für unsere Gesellschaft? Was bedeuten sie für den Einzelnen? So wird auf vielfältige Weise darauf hingewiesen, dass kulturelle Wertorientierungen diffuser werden und dass gemeinschaftliche Sozialverbände ihre Autorität verlieren. Damit einher geht die Annahme, dass sich dadurch jedem Individuum größere biographische Gestaltungs- und Entfaltungsmöglichkeiten bieten, die aber auch mit größeren Lebensrisiken verbunden sind (Durkheim, zit. n. Behnken u. Zinnecker 2001).

Da Differenzen als konstitutiv angesehen werden können, besteht die Aufgabe des professionellen Handelns nicht in der Neutralisierung von Unterschieden und Verschiedenheit, sondern im Erkennen, Verstehen und im professionellen Umgang mit diesen Phänomenen. So können Kulturen und Personen als Sinnsysteme in je eigenen Grenzen verstanden werden. Dabei ist Fremdheit ein Beziehungsmodus und scheint nicht einfach zu überwinden zu sein. Viele Forscher gehen von ähnlichen Verstehensproblemen zwischen Individuen gleich welcher Kultur aus. Unterscheidet man nach Humboldt und Schleiermacher zwischen Sinn und Bedeutung, kann man von einer doppelten Schwierigkeit sprechen: einerseits der Bedeutungsbeimessung eines Wortes oder Kulturelementes, andererseits der Bedeutungsbeimessungen, die auf jeweilige Erfahrungen und Traditionen, Stereotype usw. eines gesellschaftlichen Kollektivs und ihrer Kultur rekurrieren. Visualisiert werden sie durch kulturelle Codes wie z. B. Kleidung, Habitus, Sprache usw. (Konrad et al. 2006; Schäffter 1997; Goffman 1967).

Zu beobachten ist, dass Menschen neue Informationen mit vorhandenem Wissen und vorhandenen Kategorien beurteilen und einen convenienten Weg nutzen, um sie zu kanalisieren und zu memorisieren. Meistens entwickeln Menschen dabei solche Kategorien, von denen sie selbst am meisten überzeugt sind. Dieses Phänomen ist auch gerade zwischen der In-Group und ihrem Verständnis für Out-Groups zu entdecken, was auch in der Systemtheorie von Niklas Luhmann bereits dargestellt wurde (Kneer et al. 2000; Luhmann 2000). Hier existieren häufig so genannte Bias-Phänomene (also Vorurteile) gerade dann, wenn bestimmte Gruppenzugänge nicht permeabel sind. Dabei gibt es in jeder Gruppe bestimmte Status-Charakteristiken, die für die Einzelnen relevant sind und die das Individuum in die Gruppe integrieren. Vorurteile können die Interaktionsmöglichkeiten von Personen in vielen Lebensbereichen deutlich begrenzen, z. B. solche aufgrund von Merkmalen wie Geschlecht und Hautfarbe. Hierin scheint die Schwierigkeit begründet zu sein, Stereotype und Vorurteile ohne weiteres ablegen und reflektieren zu können. Da sie in der Regel weniger auf Tatsachen beruhen, könnte darin ein Grund gesucht werden, dass sie mit Argumenten schwer zu bekämpfen sind. Teilnehmer einer Gruppe nutzen z. T. Stereotype als soziale Funktion, um die in ihrer Gesellschaft eigenen Werte und Normen zu verteidigen. Aus psychologischer Sicht übernimmt das Stereotyp auch durchaus plausibel erklärbare Funktionen wie z. B. Orientierung im Sinne kognitiver Ökonomie, Anpassung (im Sinne der Konfliktreduktion in Gruppen), Selbsterhaltung (im Sinne der Selbstdefinition und Selbstverankerung).

Grundsätzlich werden Stereotype im sozialwissenschaftlichen Kontext als Komplexe von Eigenschaften oder Verhaltensweisen verwendet, die bestimmten Personengruppen zugeschrieben werden. Dabei werden Stereotype meistens als solche bezeichnet, die Eigenschaften distinktiv und offensichtlich hervorheben und z. T. falsch wiedergeben. So dienen durch äußere Merkmale hervorgerufene Stereotype als Hinweisstrukturen für erwartete und zu erwartende Verhaltensweisen, auch als selbsterfüllende Prophezeiung (self fulfilling prophecy) betitelt. Stereotype bezeichnen eine Überverallgemeinerung tatsächlicher Merkmale und tragen dabei zur Komplexitätsreduktion bei und bieten Identifikationsmöglichkeiten (vgl. Goffman 1967). Die dadurch vorhandene Vereinfachung hat auch Nachteile und kann z. T. soziale Ungerechtigkeiten manifestieren.

2 Diversity in Organisationen und die Bedeutung des Diversity-Managements

Aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung von Diversity stellt sich die Frage, wie mit diesem Phänomen in Organisationen und Gruppen umgegangen werden kann. Beginnen wir zuerst mit der Erklärung des Diversity Managements, das der US-amerikanischen Gleichstellungsdiskussion der 1990er Jahre entstammt. Ihr Ziel ist, „die existierende Vielfalt und die potenziellen Gemeinsamkeiten wahrzunehmen, zu verstehen, wertzuschätzen und nicht zuletzt optimal zu managen“ (Sepehri 2002, S. 93). Es wird in Organisationen vielfältig zur Bewältigung sozialer Unterschiede (Diversity) angewendet. Hinter dem Begriff „Diversity Management“ verbirgt sich folglich der Gedanke, die Strukturen und Abläufe in Organisationen in Bezug auf die existierende bzw. zu erwartende Diversity zu gestalten, mit dem Ziel, Unterschiede als Ressource zur Lösung komplexer Probleme zu nutzen. Das bedeutet für Führungskräfte auf allen Ebenen, unterschiedliche Fähigkeiten und Kompetenzen zu erkennen, zu fördern und jedem Mitarbeiter den Raum für Entwicklungen zu geben, um ihre Kompetenzen zielgerichtet in die Organisation einzubringen. Dabei scheinen traditionelle Führungsmethoden nicht in der Lage zu sein, die Entwicklung so genannter Kernkompetenzen zu sichern (Prahalad u. Hamel 1999; Balser 1999; Becker u. Seidel 2006).

Das Konzept des Diversity-Management kann als umfassender und tiefgreifender im Vergleich zu traditionellen Konzepten gleichstellender Personalpolitik angesehen werden, da es auf der Integration aller Individuen beruht. Durch die damit verbundene intendierte Heterogenität wird ein umfassender Wandel der organisationalen Betrachtungsweise unabdingbar: Gardenswartz u. Rowe (1998) formulieren es so: „Embracing diversity is about creating a new organizational order.“

3 Prinzipien des Diversity Managements

Grundsätzlich basiert das Prinzip der „Diversity“ u. a. auf folgenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Interessen:

  • Internationalisierung der Wirtschaftsbeziehungen,

  • Ethnomarketing,

  • Demographisch bedingte Heterogenität von Mitarbeiterteams,

  • Genderdebatten,

  • Individualisierung, Fragmentierung von Arbeit und Leben.

Cox u. Blake (1991) formulieren diese Phänomene als Management-Ansatz, dessen Kerngedanke in der Maximierung potenzieller Vorteile der Vielfalt und gleichzeitig in der Minimierung potenzieller Nachteile besteht. Mittels ganzheitlicher, positiver Berücksichtigung, Anerkennung und Wertschätzung der Vielfalt unter den Mitarbeitern soll das Ziel langfristig realisiert werden. Gegenwärtig haftet dem Diversity-Management das Defizit vieler Managementmethoden an, nämlich praktische, vereinfachende Beschreibungen zu liefern, die als Erfolgsfaktoren tituliert werden, aber kaum exakte Methoden beschreiben (Haselier u. Thiel 2005; Frohnen 2005).

Ein einheitliches Verständnis bzw. ein einheitliches Konzept für Diversity-Management existiert bisher nicht. Nach Gilbert et al. (1999) fehlt den bisherigen Konzeptionalisierungen eine ganzheitliche und integrative Komponente. Aus ihrer Sicht beschreibt das Diversity-Management die Gesamtheit aller Maßnahmen, die zu einem vollständigen Wandel der Unternehmenskultur führen. Darin werden Pluralismus und Verschiedenheit anerkannt und als positiver Beitrag für den Unternehmenserfolg geschätzt. Sie stellen ferner heraus, dass zur Umsetzung eines Diversity-Managements der bisher normative Konzeptcharakter zu überwinden und ein umfassendes strategisches, quantitativ messbares Managementinstrument zu entwickeln ist. Dieses muss in der Lage sein, die Anforderungen des Diversity-Managements auf allen Ebenen der Organisation umzusetzen. Zur Bewältigung der veränderten Aufgabenverteilung unterscheidet Bleicher (1996) deshalb eine normative, eine strategische und eine operative Dimension, wobei von einer wechselseitigen Durchdringung ausgegangen wird.

In Anlehnung an die Management-Definitionen von Ulrich (1984) kann Diversity-Management folgendermaßen definiert werden: „Unter Diversity-Management ist die Leitung, Lenkung und Entwicklung der Prozesse und Systeme auf normativer, strategischer und operativer Ebene der Organisation zu verstehen, mit dem Ziel, die kulturelle Vielfalt, die individuellen Fähigkeiten sowie Kompetenzen der Mitarbeiter als Wettbewerbsfaktor zur Erreichung der Organisationsziele zu nutzen und die möglichen Nachteile der Diversity durch eine entsprechende Organisationskultur zu minimieren.“

4 Umsetzung des Diversity-Managements

4.1 Prämissen

Diversity-Management ist zukunftsträchtig. Sein Gegenstand ist die Durchsetzung der Einsicht, Diversity zu akzeptieren, auch wenn sie aus Sicht Einzelner unerfreulich ist. Das bedeutet, über soziale Kategorienprozesse hinweg gemeinsam auf die Erreichung der Unternehmensziele hin zu arbeiten. Voraussetzungen hierfür sind ein klares Bekenntnis, eine eindeutige Initiative und die Verankerung der Umsetzung des Diversity-Managements in den Zielvereinbarungen des Managements und der Mitarbeiter auf normativer, strategischer und operativer Ebene. Es wird deutlich, dass Diversity-Management mehr ist als ein Führungskonzept. Die Umsetzung kann nur gelingen, wenn auch die Mitarbeiter Verantwortung für die Umsetzung übernehmen, d. h. wenn sie bereit sind, normativ formulierte Werte auf der operativen Ebene zu leben und eine entsprechende diversity-gerechte Organisationskultur mitzugestalten. Dabei wird das Ausmaß der angestrebten Diversität und das Überwinden kultureller und kommunikativer Barrieren in allen Unternehmen unterschiedlich ausfallen, da jede Organisation wiederum individuelle Merkmale besitzt, die zu berücksichtigen sind.

In Deutschland findet die Diskussion um Diversity eher auf der politischen als auf der organisationalen Ebene statt. Im Vordergrund steht hier bisher die Geschlechtergerechtigkeit und Genderdebatte (Bissels et al. 2001; Vedder 2005). Obwohl das Thema Diversity-Management in der deutschen Organisationspraxis seit den 1990er Jahren in zahlreichen Forscherkreisen diskutiert wird, sind explizite Maßnahmen meist nur in Tochterunternehmen amerikanischer Firmen anzutreffen (Aretz u. Hansen 2002). In deutschen Unternehmen wird das Diversity-Management meist nur in unternehmens- und personalpolitischen Maßnahmen umgesetzt, obwohl der Begriff noch wenig bekannt ist (Watrinet et al. 2005). So ist es nicht verwunderlich, dass in Deutschland, anders als in den USA, einem klassischen Immigrationsland, eine gesetzliche Verankerung in Form eines Antidiskriminierungsgesetzes nur marginal vorzufinden ist, welches den Arbeitnehmern das Recht geben würde, Antidiskriminierung einzuklagen. Hier, so scheint es, geht es primär um den Versuch, die deutsche Kultur zu schützen. Dem so genannten „american way of life“ dagegen liegt das Prinzip zugrunde, individuelle Leistungen, egal welcher gesellschaftlichen Orientierung, anzuerkennen.

Koall (2001) unterscheidet in ihrem Ansatz zum Diversity-Management im Wesentlichen zwischen Oberflächenstrukturen (normatives und regelhaftes Alltagshandeln) und Tiefenstrukturen (unübersichtliche Vielfalt wird zur Normalität geordnet) der Organisation. Es geht vielfach darum, beide Strukturebenen zu beschreiben und sie voneinander abzugrenzen. Dabei scheint es insbesondere wichtig, soziale Normen in den Blick zu nehmen, welche die Handlungs- und Kommunikationsformen eines Systems leiten. Nimmt man an, dass diese die Über- und Unterordnungsverhältnisse in der Gesellschaft regeln, ist es wichtig, zwischen konstitutiven Normen (z. B. Zulassung von Deklassierung) und regulativen Normen (z. B. Interpretationen in Bewerbungsverfahren) zu differenzieren.

Bei der Umsetzung von Diversity gehen zahlreiche Modelle zunächst von der Änderung regulativer Normen aus. Ein zweiter Schritt ist die Integration der „Fremdheit“ in eine neue „Normalität“; dies setzt voraus, dass sich alle Akteure ihrer eigenen kulturellen Identität sicher sind, was erst ein notwendiges Fundament für die Gründung einer neuen Normalität zu bieten scheint. Da hierbei die Frage aufkommt, welche Auswirkungen dies auf den Einzelnen und die Organisation haben kann, haben sich zahlreiche Wissenschaftler mit diesem Phänomen beschäftigt. Sie gehen vielfach davon aus, dass mittels Reflexion sozialer Konstruktionen und Verzicht auf Stereotype Neues gestaltet werden kann. Maßgebend dabei ist eine mehrstufige Implementierung, um das System langsam auf Veränderungen vorzubereiten. Das Hauptziel wird in einer Individualisierung der Beziehung zwischen Personal und Organisation gesehen, um somit ausgehend von dem jeweiligen Akteur Tätigkeiten zu definieren und die Gestaltungsspielräume für das Individuum zu erhöhen. Das bietet offenbar die Möglichkeit zur Erweiterung von Perspektiven, Handlungsspielräumen und Kreativität.

Nach dieser Auffassung haben sich insbesondere das Reflektieren eigener Werte, Kommunikationsstile und Handlungsmuster als valide gezeigt, um diese mit den Abläufen in der Organisation in Bezug zu setzen. Auf dieser Ebene könnte Homogenität zur Heterogenität werden. Es wird angenommen, dass neben dem Fachwissen des Individuums auch dem Sozialisationswissen (man könnte auch von biographischem Wissen sprechen) ein großer Stellenwert eingeräumt werden muss. Ausgehend von dieser These wird die Subjektivität zu einem Bestandteil der Organisation. Damit verbunden ist auch eine Neudefinition normativer Orientierungen innerhalb der Organisation, indem auf der Ebene der Tiefenstrukturen neue Prozesse zur Auswahl von Heterogenität zu entwickeln sind. In diesem Zusammenhang erscheint es als besonders interessant, dass zur Implementierung von Diversity die Betrachtung der Oberflächenstruktur und der Tiefenstruktur diskutiert werden. Daraus könnte man folgern, dass neben der funktionalen Differenzierung auch immer der Blick auf die sozialen Normen zu richten wäre.

Für eine grundsätzliche Einführung von Diversity verlangen aktuelle Modelle stets die Bereitschaft der Organisation. Das erfordert die Analyse von strukturellen Bedingungen und sozialen Veränderungen. Ein „Top-Down Verfahren“ scheint sich bisher am erfolgversprechendsten erwiesen zu haben, denn eine solche Einführung benötigt Personen, die über die notwendige Macht verfügen, an der Kommunikation im Unternehmen gestaltend teilzunehmen. Die Beobachtung der Beziehungsmuster innerhalb der Systemumwelt ermöglicht es, herauszufinden, wie viel Heterogenität zugelassen wird. Dabei wird angenommen, dass Widerstände in den Prozess einzukalkulieren sind, da Veränderungen für einige Systemteilnehmer den Verzicht z. B. auf bestimmte Privilegien bedeuten können. Eine erfolgreiche Umsetzung scheint ferner von der Kommunikationsart abhängig zu sein; so hat sich gezeigt, dass eine patriarchale Kommunikation hinderlich, eine partizipative förderlich ist. In diesem Zusammenhang wird derzeit diskutiert, dass die Ermittlung der Systemkultur wie auch die Analyse der Kulturfunktion entscheidend ist, um im jeweiligen System funktionieren zu können.

4.2 Voraussetzungen für eine erfolgreiche Implementierung

Ein Diversity-Management orientiert sich vielfach an einer konsensfähigen Kultur. Hier lassen sich Parallelen zur Theorie des kommunikativen Handelns von Habermas (1981a, b) anführen, der davon ausgeht, dass die an einer Kommunikation beteiligten Akteure zuerst einmal das Ziel haben, einen Konsens zu erzielen. Es geht im Grunde um eine Visualisierung von Verschiedenheit auf der Basis funktionaler Äquivalenzen in normativer und psychologischer Sicht. Dabei könnte die Definition von Gardenswartz u. Rowe (1998) eine Grundlage für die Umsetzung von Diversity in Institutionen bieten (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

4 Layers-Modell nach Gardenswartz u. Rowe 1998

Zunächst eine kurze Erklärung der obigen Abbildung in ihren wesentlichen Dimensionen. Grundsätzlich lässt sich das Konstrukt in vier wesentliche Bereiche gliedern: Persönlichkeit, innere Dimensionen, äußere Dimensionen und die organisatorischen Dimensionen. Im Detail lassen diese sich folgendermaßen beschreiben:

  1. 1.

    Persönlichkeit (innerster Kreis): Damit ist die innerste Dimension, der Kern des Modells gemeint. Persönlichkeit umfasst die Aspekte der Person, die sich als „persönlicher Stil“ definieren lassen.

  2. 2.

    Innere Dimensionen (zweiter Kreis): Die „inneren Dimensionen“ oder „Kerndimensionen“ sind solche Aspekte des Individuums, die als relativ unverändert angesehen werden können wie Alter, Geschlecht, sexuelle Orientierung, geistige und körperliche Fähigkeiten, nationale Herkunft/Ethnie, soziale Herkunft. Diese Aspekte werden auch in den so genannten Gleichbehandlungs-Gesetzen berücksichtigt.

  3. 3.

    Äußere Dimensionen (dritter Kreis): Diese Aspekte sind veränderbar: Wohnort, Einkommen, Gewohnheiten, Freizeitverhalten, Religion/Weltanschauung, Ausbildung, Berufserfahrung, Auftreten, Elternschaft, Familienstand. Bei den Aspekten „Religion“ und „Weltanschauung“ wird ein Unterschied gemacht, da diese nicht immer frei wählbar sind und ein rechtliches Verbot der Benachteiligung besteht.

  4. 4.

    Organisatorische Dimensionen (vierter und äußerster Kreis): Hierbei handelt es sich um solche Aspekte, die von der Art der Zugehörigkeit innerhalb einer Organisation, Institution bestimmt werden: Funktion, Einstufung, Arbeitsinhalt/-feld, Fakultät, Zentrum, Institut, Studienrichtung, Dienstleistungsrichtung, Dauer der Beschäftigung, Dauer des Studiums, Arbeitsort/Studienort, Forschungsinhalt/-feld, Art des Arbeitsverhältnisses.

Dieses Modell liefert eine umfassende Beschreibung und damit zahlreiche Aspekte, die im Zusammenhang mit Diversity als relevant angesehen werden können. Dabei werden neben persönlichen Merkmalen, die teils veränderbar und teils unveränderbar sind, organisatorische Merkmale berücksichtigt, in die das Individuum eingebunden ist. Grundsätzlich haftet dem Begriff „Diversity“ etwas Positives an und kommuniziert nach innen und nach außen ein vorteilhaftes Profil für Organisationen, Bildungseinrichtungen, Unternehmen, Verwaltungen usw. Die veränderlichen und kontextgebundenen wie zusammenwirkenden Dimensionen der Diversity sind in der Praxis notwendigerweise zu berücksichtigen. Dabei kann die Praxis von Diversity in zwei logische Momente gefasst werden: die Relevanz für die Organisation und die Relevanz für die Führung und Lenkung und nicht zuletzt für alle beteiligten Akteure.

Bisher scheint Einigkeit darüber zu bestehen, dass die gelebte Diversity-Praxis nur dann nachhaltig wirken kann, wenn sie als ganzheitlicher Prozess verstanden wird. Ausgehend vom Individuum umfasst dieser Prozess fast alle Lebensbereiche. Er spricht Akteur/innen in Bildungseinrichtungen genauso an wie solche in Unternehmen, in der Wissenschaft usw. Diversity wird dabei weniger als Teilsystem eines Gesellschaftssystems verstanden, sondern betrifft alle Handlungsfelder. Es handelt sich hierbei wohl um einen längerfristigen Prozess. Offenheit für andere und Entfaltungsmöglichkeiten für anderes scheinen Grundvoraussetzungen zu sein. Dabei zeigen auch Studien aus den USA, dass Veränderungen nur durch das Zusammenspiel von Individuum und Organisation erzielt werden können. Es geht offenbar um eine generelle Bewusstseinsänderung. Sozialpsychologen und Lerntheoretiker haben dabei folgende Voraussetzungen benannt, die für den Lernerfolg als wichtig eingestuft werden:

  • Respektvolle und tolerante Umgebung,

  • Anerkennung und Wertschätzung,

  • Selbstreflexion,

  • Kooperatives, interaktives Lernen,

  • Empathieförderung,

  • Kritisches Denken gegenüber eigenen Vorurteilen und Weltbildern.

Danach basiert der Diversity-Ansatz auf Anerkennung und Einbeziehung, um die Bereitschaft einzelner Personen zu stärken. Denn Vorurteile und Stereotypisierungen blockieren z. B. menschliche Kommunikation und damit die individuellen Entfaltungsmöglichkeiten und Handlungsspielräume. Ursache für Diskriminierung und Polarisierung können Machtinteressen sein, die z. B. vor Veränderungen schützen (Wilpert 1987).

Diversity tritt, wie deutlich geworden ist, in vielfältiger Form und in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Damit verbunden ist immer eine Komplexitätssteigerung, um mit ihr sinnvoll umzugehen und sie im Sinne des Diversity-Managements zu organisieren. Das Prinzip der 4 Layers (vier Dimensionen der Persönlichkeit) könnte z. B. im Rahmen eines Supervision- und Coachingprozesses genutzt werden:

  • die eigene komplexe Person zu illustrieren,

  • Differenzen einer Gruppe deutlich zu machen,

  • Organisationen zu beschreiben,

  • dominante Konfliktfelder herauszuarbeiten,

  • Stärken-/Schwächenprofile aufzudecken,

  • Komplexität eines Systems zu visualisieren.

Es geht dabei primär um das Bewusstmachen, welche entscheidungsleitenden Werte das individuelle Handeln gestalten. In diesem Zusammenhang entstanden Übungen, die ein verändertes Denken fördern sollen. Ein Beispiel zeigt die folgende Abbildung (Abb. 2).

Abb. 2
figure 2

Übung von Gardenswartz u. Rowe (1998)

Daran schließen sich Fragen an das Individuum an wie z. B.: Was hat dich geprägt? Und an die Gruppe: Was sind Gemeinsamkeiten, was sind Unterschiede? Liegen Werte miteinander in Konflikt? Mit diesem Training kann deutlich gemacht werden, dass alle Menschen durch ihre Kultur und ihre Herkunft geprägt werden. Ferner kann es zur Vermittlung von Empathie beitragen, da die oft anzutreffende Unwissenheit Einzelner dazu führen kann, dass eigene Werte als heriditär angesehen werden.

Aus diesen Ausführungen lässt sich schließen, dass zur Umsetzung eines Diversity-Managements verschiedene Beobachtungsebenen einer Organisation entscheidend sind. So wird z. B. vielfach konstatiert, dass Diversity-Management aus Sicht der Organisation erhöhte Kosten aufgrund eines erhöhten Regulationsaufwands und für Individuen Begrenzungen und Widerstände bedeuten kann. Daraus könnte man folgern, dass Diskriminierungserfahrungen z. B. von Minoritäten solche Prozesse fördern, aber auch behindern können. Um diesem entgegenzuwirken, kann z. B. durch Supervision erreicht werden, einen anderen Blick auf die Andersartigkeit und die Vielfältigkeit des Fremden zu lenken. Das System des Diversity-Managements beschäftigt sich primär mit Aushandlungsprozessen, mit Systemen der Anschlussfähigkeit, mit der Interdependenz zwischen Individuum und Organisation.

In einer heterogenen Gesellschaft scheint das Aushandeln von Gemeinsamkeiten weitaus aufwändiger und schwieriger zu sein. Abgrenzungen entstehen durch Regeln, Verbote und Tabuisierungen. Sie sichern soziale Funktionen und markieren Grenzen zwischen Subjekt und Objekt, zwischen System und Umwelt. Vielfach wird angenommen, dass vorzufindende Problempotenziale mit Diversity-Phänomenen in der Regel auf Stereotypen und Vorurteilen basieren, die Menschen im Laufe ihres Lebens aus ihrem sozialen Milieu erlernt haben, um sich angesichts von bestimmten Unsicherheiten und darin vermuteten Risiken zu positionieren und einen Mechanismus zu entwickeln, mit diesen umzugehen. Durch die Anwendung stereotyper Haltungen werden Umfelder immer bewusst oder unbewusst beeinflusst und manipuliert, welches auch auf Überlegungen von Habermas (1981a, b) zurückzuführen ist.

In der Literatur spricht man häufig von „Status-Charakteristiken“. Damit sind bestimmte Gruppen-Merkmale gemeint. Je mehr eine Person übereinstimmende bzw. dazugehörigkeitsentscheidende Merkmale besitzt, desto größer sind ihre Chancen, in dieser Gruppe, in diesem System erfolgreich agieren zu können. Abram beschreibt dabei die Art, wie ein Mensch seine Umwelt wahrnimmt und dies durch Verhalten, Sprache usw. zum Ausdruck bringt (Abram, zit. n. McNaughton 2003; vgl. Bourdieu u. Paseron 1971). Besondere Bedeutung erhält die Beziehung zwischen dem Selbstbild und seiner Artikulation und dem Fremdbild. So ist z. B. zu beobachten, dass Majoritäten häufig die wahre Identität von Minoritäten ignorieren, da sie nach vorgefertigten Mustern vorgehen, nach dem so genannten Image, das dieser Gruppe anhaftet. Dies führt dann häufig zu Konflikten und zu Diskriminierungen. Das Gegenteil dazu ist das Führen eines Dialogs, geprägt von Offenheit, ehrlichem Interesse und Bereitschaft zu Kompromissen.

So hat z. B. McNaughton (2005) Untersuchungen durchgeführt, wie der Prozess des „Othering“, des Bewusstwerdens von Unterschieden bei Kindern, vonstatten geht. Sie stellt heraus, dass es häufig zu einem polarisierendem Denken kommt, – ich und die anderen („them and us“). „Ich bin nicht die anderen“ beginnt sich im frühen Kindesalter zu entwickeln. Dabei gelten Tabus als Reduktionsmechanismus sozialer Komplexität und sind selten zu hinterfragen. Sie stabilisieren, ordnen, geben Werte und Normen vor und verringern Konflikte. Luhmann (2000) geht davon aus, dass sie auf der einen Seite die Basis sozialer Konstruktionen bieten, auf der anderen Seite wird durch den Bruch mit ihnen die Möglichkeit geschaffen, Innovationen in Organisationen zu forcieren. Es geht demnach darum, selbststeuernde Kompetenzen zu entwickeln, die es ermöglichen, mit Verschiedenheit und Verunsicherungen in sozialen Beziehungen umgehen zu lernen, eine Lern-Bereitschaft zu entwickeln und einen Tabubruch zu riskieren.

Die primäre Aufgabe eines Diversity-Managements würde demnach darin liegen, individuelle Positionierungen im sozialen Netzwerk aufzuspüren, die Konstruktionen sozialer Beziehungen verständlich zu machen und zu ermöglichen, dass Diversity und darin vorzufindende Potenziale zugelassen werden. Dadurch ergibt sich aber die Frage, welche Auswirkungen dies für das Individuum haben könnte. So könnte aufgrund dieser Annahmen von einer stärkeren individuellen Selbstorganisation und Selbstverantwortung ausgegangen werden. Daraus entstehende Ambivalenzen zwischen Person und System machen häufig eine neue Form sozialer Unterstützung notwendig. (Koall 2001). Erst das Aushalten von Fremdheit, Spannung und Unsicherheit macht es möglich, Vertrauen aufzubauen. Wie bereits konstatiert, kann Diversity-Management als komplexitätssteigernd verstanden werden, sodass auch sensible und unangenehme Reaktionen aller Beteiligten auf Diversity-Prozesse zu erwarten sind. Thomas (2001) spricht in diesem Zusammenhang von „Diversity-Reife“. Individuen mit hoher Reife verfügen über folgende Verhaltensmerkmale:

  • Sie akzeptieren persönliche Verantwortung.

  • Sie demonstrieren situatives Verständnis.

  • Sie kennen die Voraussetzungen des Diversity-Management.

  • Sie wissen um die Komplexität und Spannung.

  • Sie sind bereit, Konventionen zu hinterfragen.

  • Sie lassen sich auf kontinuierliches Lernen ein.

Im Hinblick darauf gehen zahlreiche Untersuchungen davon aus, dass Diversity-Prozesse von jedem Einzelnen, der Gruppe und der Organisation eine hohe Integrationsleistung erfordern. Damit verbunden scheinen Veränderungen der Kommunikationsstruktur und eine Neuverhandlung sozialer Beziehungen. Um Fremdes mit dem Anderen zu koppeln, bedarf es so genannter Anknüpfungsmöglichkeiten, d. h. die Organisation muss Diversity zulassen. Luhmann (2000) spricht in seiner Systemtheorie auch von „struktureller Kopplung“. Finden sich keine Möglichkeiten der Anknüpfung, so wird konstatiert, können Diversity-Prozesse nur schwer integriert werden. Ein erfolgreiches Management bedeutet demnach für Organisationen, alternative Funktionen und Strukturen zu schaffen. Zur Analyse des Individuums in Bezug auf Diversity interessiert zum einen seine Neigung zur Stereotypisierung in seinem organisatorischen und sozialen Umfeld, zum anderen seine darauf basierende Form der Entscheidungsfindung (Oevermann, zit. n. Combe u. Helsper 2002; Konrad et al. 2006). Auf der organisatorischen Ebene von Institutionen ist vielfach eine männliche Stereotypisierung anzutreffen, da das Management und viele Managementkulturen immer noch maskulin geprägt sind.

Auf Grund dieses Umstandes ist zu beobachten, dass z. T. viel stärker als bisher feminine Strukturen, Prozesse, Handlungsalternativen usw. in Organisationen zugänglich gemacht wurden, die sich von den ersteren unterscheiden. Landau (zit. n. Konrad et al. 2006) fand in diesem Zusammenhang heraus, dass Gender und Rassenstereotype eine Erklärung für unterschiedliche Vergütungshöhen sind: Männer verdienen mehr als Frauen, Weiße mehr als asiatische Bürger usw. Zahlreiche Studien, die seit 1985 auf diesem Gebiet durchgeführt wurden, nehmen auch stärker die Organisation in den Blick, in denen unterschiedliche Gruppen vorzufinden sind. Für die Implementierung eines Diversity-Konzepts in Organisationen hat sich gezeigt, dass offenbar zahlreiche Aspekte zu berücksichtigen sind. Da immer auch mit einer Angst vor Fremdem und Anderem zu rechnen ist, gehen derzeitige Ansätze davon aus, dass innere Barrieren und Hemmschwellen jedes Einzelnen und der gesamten Organisation zu überwinden sind.

5 Die Bedeutung der Organisationsperspektive für Supervision und Coaching

Wie aus den vorhergehenden Punkten deutlich geworden ist, stellt die Organisationsperspektive mit Blick auf Diversity Management für Supervision und Coaching ein wichtiges Element dar. Ohne ihre Beachtung scheint es für Supervisoren und Coaches fast unmöglich, erfolgreich Diversity zu vermitteln, da es sich, wie wir gesehen haben, hier um einen kollektiven Prozess handelt. Insbesondere ist der Tatbestand zu berücksichtigen, dass der Einzelne Diversity in einer Organisation gar nicht leben kann. Bedingt ist dies durch die Vielschichtigkeit des Phänomens der Diversity und seiner Einbettung in ein System, das in der Regel wiederum mehrdimensional angelegt ist. Damit lässt sich die Bedeutung der Organisationsperspektive für Supervision und Coaching aus Sicht des Diversity-Managements erklären. Die Organisationsperspektive ist also in den gesamten Prozess zu integrieren. Damit kann erreicht werden, dass Supervision und Coaching zielgerichtet auf die jeweilige Unternehmenskultur angewandt wird.

6 Die Bedeutung von Coaching und Supervision für ein Diversity Management

Neuere Untersuchungen gehen davon aus, dass der Umgang mit Diversity insbesondere im Kindesalter geprägt wird (Rosken 2009). Für die Implementierung von Diversity in einer Organisation bedeutet es demnach, neben der Evaluierung der Organisationsstruktur und -kultur die individuelle Perspektive des Einzelnen in den Blick zu nehmen. Damit ist gemeint, nach biographischen Erfahrungen mit Diversity und nach individuellen Bewältigungsstrategien zu fragen. Letzteres scheint wichtig, da es nicht ausreicht, zu eruieren, ob Erfahrungen vorliegen; sondern es gilt darüber hinaus zu überprüfen, welche individuellen Diversity-Kompetenzen vorliegen. Wie bei zahlreichen Mentoring-Programmen aus der Praxis zu beobachten ist, ist Mentoring besonders dann erfolgreich, wenn Mentor und Mentee ähnliche organisatorische Erfahrungen gemacht haben. Diese Erkenntnis gibt noch einmal mehr einen Hinweis auf die Bedeutung der Organisationsperspektive für Supervision und Coaching. Grundsätzlich können Supervision und Coaching ein wertvolles Instrument in einem Diversity-Implementierungsprozess darstellen.

Diversity-Implementierung bestimmt zum größten Teil die Arbeit und die Bandbreite von Supervision und Coaching, insbesondere aufgrund der Tatsache, dass es nicht „die“ Organisation gibt, sondern dass jede Organisation wiederum ein System mit je eigenen Regeln und Strukturen darstellt. Deshalb sind beide Perspektiven für den Beginn eines Supervisions- und Coachingprozesses als wichtig anzusehen. Damit erklärt sich noch nicht der Erfolg einer solchen Maßnahme, sondern dies könnte eher als Prävention für einen größtmöglichen erfolgreichen Weg angesehen werden.