Wenn beschäftigungspolitische Leitlinien und Empfehlungen den Europäischen Rat passieren und eine aktivierende Arbeitsmarkpolitik in Europa einfordern,Footnote 1 findet dies kaum öffentliche Aufmerksamkeit, obwohl weitgehende Veränderungen in der wohlfahrtsstaatlichen Architektur der meisten Mitgliedsstaaten vorgeschlagen werden. Dazu zählen etwa die Senkung der Lohnnebenkosten, eine aktivierende „welfare-to-work“-Sozialpolitik und eine moderate Unternehmensbesteuerung. Das Aufmerksamkeitsdefizit ist nicht zuletzt auf das politische Verfahren zurückzuführen, in dem die Mitgliedsstaaten, der Europäische Rat und die Europäische Kommission beschäftigungspolitische Leitlinien erarbeiten und Schlüsse aus der arbeitsmarktpolitischen Entwicklung in Europa ziehen. Mit der „Methode der offenen Koordinierung“ (MOK) kommt in der europäischen Beschäftigungsstrategie ein politisches Koordinierungsverfahren zur Anwendung, das sich hauptsächlich auf einen expertokratischen Aushandlungsprozess zwischen den Bürokratien in der Kommission und den Ministerien der Mitgliedsstaaten stützt (so auch Benz 2007, S. 514; De La Porte u. Nanz 2004, S. 283). Bezeichnend für die MOK ist, dass sie die Frage nach der Zukunft der europäischen Beschäftigungspolitik aus der politischen Auseinandersetzung heraushält und „subtile“ Transformationen (Jacobsson 2004) in Gang setzt.

Bisher folgen weite Teile der rechts- und politikwissenschaftlichen Diskussion zur europäischen Beschäftigungsstrategie den offiziellen Proklamationen der europäischen Institutionen, die in der MOK wegweisende Prozesse politischen Lernens und ein erhöhtes Partizipationsniveau zivilgesellschaftlicher Akteure in Europa lokalisieren (z. B. Europäische Kommission 2004, S. 12). Die MOK steht hier pars pro toto für einen heterarchischen Ansatz politischer Netzwerk-Steuerung, der eine in den wissenschaftlichen Diskursen um „Global Governance“ und „modernes Regieren“ populäre Grundannahme zu realisieren scheint (z. B. Sabel u. Zeitlin 2007; Schmid u. Kull 2004; Zeitlin 2005): dass in der „postnationalen Konstellation“ (Habermas 1998) solche politischen Verfahren und Methodologien überlegen sind, die die beteiligten Akteure und politischen „Ebenen“ in offene Dialog- und Aushandlungsprozesse einbinden und Differenzen positiv nutzen, statt sie vollständig einzuebnen. Es drängt sich also die Frage auf, wie die scheinbar „weichen“, offenen Seiten dieser politischen Koordinierungsform und ihre „harten“, einschränkenden Dimensionen aufeinander bezogen werden können. Denn das beschäftigungspolitische Koordinierungsverfahren erhebt bisher eine „aktivierende Arbeitsmarktpolitik“ zur einzig möglichen politischen Option und schränkt mit den beschäftigungspolitischen Leitlinien, Benchmarking-Verfahren, Evaluationsberichten oder auch der Schlagrichtung statistischer Erhebungen die Bandbreite derjenigen beschäftigungspolitischen Ansätze ein, die die Mitgliedsstaaten aussichtsreich verfolgen können (Ashiagbor 2004, S. 331).

Die Gouvernementalitätsanalyse, mit der Michel Foucault in seinem Spätwerk die Machtformen und Regierungstechnologien der Moderne expliziert, könnte dabei weiterhelfen. Foucault führt in den posthum veröffentlichten Vorlesungen zur „Geschichte der Gouvernenementalität“Footnote 2 den Neologismus der „Gouvernementalität“ ein, um einen Typus regulativer MachtFootnote 3 zu charakterisieren, der sowohl mit „harten“ als auch mit „weichen“, indirekten MachttechnologienFootnote 4 operiert. Die modernen Machtverhältnisse bestehen demzufolge vor allem darin Verhältnisse der kollektiven Führung und individuellen Selbststeuerung zu etablieren, die nicht nur repressiv wirken, sondern bestimmte Handlungsoptionen ermöglichen und auf sie hinführen, gerade dadurch aber andere von Beginn an ausschließen. Fraglich wäre dann, ob diejenigen politischen Koordinierungsformen und Institutionen, die – wie die MOK – zu Kristallisationspunkten des „komplexen Weltregierens“ (Zürn 1998, S. 12) erhoben werden, angemessen mit diesem begrifflichen Register zu erfassen sind. So könnte die „Machtökonomie“ (STB, S. 103) der MOK freigelegt und eine gesellschaftstheoretische Einordnung dieser Koordinierungsform in eine Geschichte der Machtverhältnisse vorgenommen werden.

Nachdem ich in einem ersten Schritt Foucaults Gouvernementalitätsanalyse forschungsprogrammatisch pointiert habe (1.), gebe ich in einem zweiten Schritt einen Überblick über die europäische Beschäftigungsstrategie (2.) Schließlich beziehe ich in einem dritten Schritt die Gouvernementalitätsanalyse auf die europäische Beschäftigungsstrategie (3.) und arbeite theoretische Erklärungsansätze auf, die versuchen den Einfluss der MOK auf die Beschäftigungspolitik der Mitgliedsstaaten aufzuklären (4.). Dabei wird deutlich, dass die MOK eine „gouvernementale“ Machtökonomie aufweist, welche die Ausrichtung der jeweiligen Beschäftigungspolitiken am Paradigma einer „aktivierenden Arbeitsmarktpolitik“ befördert (so auch Ball 2001, S. 369; Büchs 2007, S. 47 ff.; Citi u. Rhodes 2007, S. 19; Crespo Suárez u. Serrano Pascual 2007, S. 380; Raveaud 2007).Footnote 5 Eine bedeutende Rolle spielt dabei das „Wahrheitsregime“ (Haahr 2004, S. 226), das die europäische Beschäftigungsstrategie installiert: Indem sie die strukturelle Massenarbeitslosigkeit auf die mangelnde Qualifizierung der Arbeitssuchenden, die verkrustete Bürokratie nationalstaatlicher Arbeitsverwaltungen, zu komfortable Sicherungsmechanismen für Erwerbslose, die Höhe der Lohnnebenkosten und den unzureichenden Zugang von Frauen zum Arbeitsmarkt zurückführt,Footnote 6 können in der EU gegenwärtig nur solche beschäftigungspolitischen Strategien „rational“ und gegenüber den europäischen Institutionen verteidigungsfähig verfolgt werden, die der Programmatik einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik Rechnung tragen.

1 Michel Foucaults Gouvernementalitätsanalyse

Michel Foucault nimmt in den Vorlesungen zur „Geschichte der Gouvernementalität“, die er am Collège de France von 1977 bis 1979 hält, eine folgenreiche Erweiterung seiner Analytik der Macht vor. Stehen noch in den frühen siebziger Jahren die Studien zu den Disziplinarinstitutionen im Mittelpunkt seiner Arbeit (z. B. Foucault 1976), findet in der „Geschichte der Gouvernementalität“ eine innovative Weiterentwicklung und in gewisser Weise auch ein Perspektivenwechsel in Foucaults machtanalytischen Überlegungen statt.Footnote 7 Das Programm einer „Mikrophysik der Macht“ (Foucault 1976, S. 38), das Foucault ausgehend von den kapillaren Machteffekten in Institutionen und diskursiven Praktiken bis dahin ausarbeitet, wird hinsichtlich ihres Untersuchungsgegenstands entscheidend erweitert. Nun soll eine „globale Analyse der Gesellschaft“ (STB, S. 15), die sich auf den Verwaltungsstaat und die Regierungsmacht richtet (ebenda, S. 508), offen liegende Leerstellen füllen, die sich aus seiner an Disziplinarmechanismen orientierten Machtanalytik ergeben haben.

In der „Geschichte der Gouvernementalität“ ist somit eine umfassendere gesellschaftstheoretische Diagnose am Werk, die für sich beansprucht, die Herausbildung des europäischen Verwaltungsstaats und seiner Gesellschaft auf eine Transformation der Machtverhältnisse zurückzuführen.Footnote 8 Die modernen Gesellschaften sind – so könnte man die Diagnose „in a nutshell“ bündeln – am ehesten dadurch zu charakterisieren, dass sie eine spezifische „Gouvernementalität“ aufweisen, in der sich Wissenskonstitution, politische Rationalitäten und Mechanismen der Führung und Selbstführung der Individuen unter dem Gesichtspunkt der „Regierbarkeit“ zu einem Macht-Netz oder – wie Foucault es ausdrückt – zu einer „Machtökonomie“ (STB, S. 103) zusammensetzen. Die Grundprämissen seiner Analytik der Macht, ihre Allgegenwart und ihre Relationalität bleiben dabei jedoch als Ausgangspunkt weiterhin erhalten. Da Macht immer relational in Machtverhältnissen verankert ist, ist es schlicht nicht möglich sie zu vereinnahmen oder zu besitzen (siehe dazu auch Saar 2007b, S. 279). Für Foucault bezeichnet „Macht“ eine soziale Beziehung, die durch ein spezifisches Kräfteverhältnis bestimmt ist und in der sich die Beteiligten schon immer im Verhältnis zum Anderen machtförmig konstituieren (Foucault 1977, S. 114 ff., siehe auch 1999, S. 31): „Die Macht ist der Name, den man einer komplexen strategischen Situation in einer Gesellschaft gibt“ (Foucault 1977, S. 114). Insofern repräsentieren letztlich die Interaktionsprozesse des Sozialen auch immer (umkämpfte) Machtverhältnisse (Foucault 1982, S. 285).

Zwischenzeitlich hat sich eine ganze Forschungsrichtung etabliert, die ausgehend von Michel Foucaults „Geschichte der Gouvernementalität“ in unterschiedlichen Politikfeldern Studien vorlegt (zur Übersicht Lemke 2000; Krasmann u. Volkmer 2007).Footnote 9 Die governmentality studies schließen an Foucualts gouvernementalitätstheoretischen Leitfaden an, der das Wechselspiel zwischen direkter und indirekter Steuerung sowie zwischen Totalisierungs- und Subjektivierungsverfahren in modernen Machtverhältnissen zu erhellen versucht. Die vorliegenden Publikationen in diesem Forschungszweig diskutieren aktuelle Entwicklungen in einzelnen Politikfeldern und im Wandel politischer Steuerung (siehe Burchell et al. 1991; Barry et al. 1996; Lemke 2000). Der eher (polit-)theoretisch inspirierte Teil der Veröffentlichungen arbeitet daran Foucaults Überlegungen zu einem konzeptionellen Rahmen auszubauen, der es ermöglicht den Veränderungen in den Regierungstechnologien der Gegenwart und qualitativ neuen politischen Führungs- und Selbstführungsmechanismen nachzuspüren (Dean 1999, 2007; Rose 1999). Eine forschungsprogrammatische Verallgemeinerung der gouvernementalitätstheoretischen Perspektive müsste auf mindestens drei Ebenen ansetzen.

Erstens geht die Gouvernementalitätsanalyse den Überschneidungen von Wissenskonstitution und Machtausübung nach. Foucault stellt in der „Geschichte der Gouvernementalität“ einen systematischen Zusammenhang zwischen den Erkenntnisformen der Moderne (STB, S. 502) und deren praktischen Implikationen für Politik und Staat her. Er geht davon aus, dass erst die Sichtbarmachung von Problemen und Wahrheiten einen common sense etabliert, der es dann ermöglicht staatliche Reaktionsmuster und Bewältigungsstrategien einzuleiten, die schließlich in die Herausbildung moderner Staatlichkeit münden (STB, S. 162, 174, 508). Die wissenschaftlichen Disziplinen institutionalisieren – außerhalb des im engeren Sinne Staatlich-Politischen – Wissensformen und Wahrheitspostulate, die Einfluss auf die Strukturierung politischer Rationalitäten nehmen. Formen der institutionalisieren Wahrheitsproduktion lassen sich jedoch gleichsam innerhalb des politischen Prozesses, insbesondere durch die Wissensakquise und Statistik öffentlicher Verwaltungen ausmachen („gouvernementale Verwaltung“, STB, S. 161). Beispielsweise üben die im 17. und 18. Jahrhundert aufkommende Bevölkerungsproblematik und die politische Ökonomie für Foucault einen entscheidenden Einfluss auf die Auswahl politischer Strategien aus (STB, S. 142). Es ist eine vorgängige Problematisierung, welche die Aufmerksamkeit darauf lenkt, dass ein gesellschaftlicher Bevölkerungs-Kollektivkörper existiert, um dessen Wohlfahrt sich öffentliche Autoritäten sorgen sollte. Wenn diese Problematisierung dauerhaft etabliert ist, verfestigt sie sich zu einer wirkungsmächtigen Wahrheitspolitik, die eine Triebfeder für die Entstehung staatlicher Verwaltungsstrukturen und bio-politischer Regulierungen darstellt. Die Einflussnahme der gouvernementalen Episteme vollzieht sich dabei so, dass sie Handlungsdruck erzeugt, und mit ihrer Wahrheitspolitik die Anatomie, also die Gestalt und die Struktur der Wahrnehmungs- und Beurteilungsstrategien in Staat und Politik formt.Footnote 10 In der „Geschichte der Gouvernementalität“ zeigt Foucault, wie die Bevölkerungspolitik und die politische Ökonomie ab dem 17. und 18. Jahrhundert politische Rationalitäten dadurch prägen, dass sie Annahmen über das Mögliche, Gebotene und Natürliche bereitstellen, in deren Rahmen dann politische Programme und Strategien ausgearbeitet werden. Sie bilden ein Raster, anhand dessen alle Beteiligten evaluieren können, inwiefern die Regierung „rational“, d. h. die neuen Erkenntnisformen berücksichtigend, verfährt (GBP, S. 261). Wird die Gouvernementalitätsanalyse auf neue Gegenstandsbereiche übertragen, liegt es deshalb nahe, die Konstitution von Wahrheits- und Wissensfeldern und deren Einfluss auf die Anatomie politischer Rationalitäten zu beleuchten.

Dabei geht es jedoch nicht vorrangig um „isolierte“ Wissensproduktion; vielmehr sind diese institutionalisierten Beziehungen schon selbst in eine ganze Vielfalt an konkreten Verfahren und Techniken eingebunden, die Foucault mit dem Begriff der „Regierung“ adressiert. Es sind nämlich zweitens Führungsverhältnisse im weitesten Sinne, welche die Gouvernementalitätsanalyse untersucht und damit eine Analytik der Regierung begründet, die Foucault exemplarisch entwickelt. Hier demonstriert er wie das moderne Regierungshandeln seinen Erfolg maßgeblich darauf gründet, dass es stets unterschiedliche Steuerungsmechanismen – ökonomische und politische Steuerung, aber auch die Selbststeuerung der Subjekte – miteinander verknüpft (STB, S. 142).Footnote 11 Modernes Regieren muss sich beispielsweise immer wieder der Frage stellen, wie Regierungsrationalitäten greifen können, die sich „auf die Rationalität der Regierten“ (GBP, S. 428) gründen und so auch die auf den ersten Blick „unpolitischen“ ökonomischen und kulturellen Impulse der Beherrschten für sich nutzbar macht. Mit der Kategorie „Regierung“ spricht Foucault in diesem Sinne unterschiedliche Führungsverhältnisse an, die die Beherrschten in ein komplexes „Gehorsamsgeflecht“ (STB, S. 269) verstricken. Dieses „Gehorsamsgeflecht“ bildet eine eigene Materialität aus, die sich so sehr verfestigt, dass eine Trennung von Inhalten und Techniken unmöglich erscheint:Footnote 12 Weder wird es möglich sein, bestehende Machttechniken einfach auf völlig andere Zielvorstellungen hin „umzuprogrammieren“, noch können angesichts der Materialität der bestehenden Regierungstechniken neue Zielvorstellungen ohne eine eigene gouvernementale Episteme inthronisiert werden.

Drittens schließlich lässt sich aus der Gouvernementalitätsanalyse eine nicht-staatszentrierte Perspektive auf die Transformation von Staatlichkeit gewinnen.Footnote 13 Im Mittelpunkt von Foucaults Auseinandersetzung mit staatstheoretischen Fragestellungen stehen nämlich die diskreten Machtausübungen, die eine „Gouvernementalisierung des Staates“ (STB, S. 163) bewirken, etwa in Verwaltungseinheiten oder staatlichen Apparaten. Es sind also eigenständige, lokale Prozesse der Gouvernementalisierung, die sich zu „vereinheitlichenden Mustern“ (Jessop 2005, S. 34) zusammensetzen und so staatliche Institutionen hervorbringen. Mit dieser nicht-etatistischen, gesellschaftszentrierten Perspektive grenzt sich Foucault vom „Institutionalozentrismus“ (STB, S. 175) der staatstheoretischen Diskussion ab, die in seinen Augen dazu neigt sich in ontologischen Mutmaßungen um das Wesen der staatlichen Institutionen zu verfangen. Der Staat sei nicht als Wesen, sondern als eine Praxis zu verstehen, die lokale Machttechniken aufeinander bezieht:

Der Staat ist eine Praxis. Der Staat kann nicht vom Ensemble der Praktiken getrennt werden, die tatsächlich bewirkt haben, dass der Staat eine Art und Weise des Regierens, eine Handlungsweise und ebenso eine Art und Weise des Zur-Regierung-in-Beziehung-Stehens geworden ist (STB, S. 400).

Foucault sieht nun die Gefahr, dass die traditionelle Staatstheorie mit ihren Abstraktionsleistungen sich letztlich zum ideologischen Komplizen der gouvernementalen Rationalität macht, da sie nicht die konkreten Machtausübungen direkt zum Gegenstand macht, sondern sich in Prinzipiendiskussion verliert, die mehr verdecken, als aufklären.Footnote 14 Deshalb plädiert Foucault dafür die Staatstheorie zu Gunsten einer Analytik der Regierung aufzugeben, da erstere die „mystifizierte Abstraktion“ (STB, S. 163), die der Staat in seinen Augen darstellt, fetischisiert, statt den Blick auf die Regierungstechniken zu lenken. Die Techniken staatlicher Machtausübung sind als konkrete Prozesse der Gouvernementalisierung des Staates zu analysieren,Footnote 15 die nicht nachgängig in eine umfassende Theorie des (einen) Staates eingepasst werden müssen.Footnote 16 Dahinter steht auch das Interesse die Pluralität und den jeweiligen Eigensinn solcher Machtausübungen, die die Bürger dem Staat zuschreiben („Zur Regierung in Beziehung setzen“), hervorzuheben. Fraglich ist dann für die Gouvernementalitätsanalyse, an welchen Stellen und in welcher Form sich die Mechanismen der staatlichen Ordnungsbildung an gouvernementalen Machtökonomien orientieren. Im Folgenden soll am Beispiel der europäischen Beschäftigungsstrategie, die schon seit 1998 eine Koordinierung der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik der EU-Mitgliedsstaaten gewährleistet,Footnote 17 die Frage aufgeworfen werden, inwieweit sie eine gouvernementale Machtökonomie darstellt und welchen Beitrag die Gouvernementalitätsanalyse zur Diskussion um die MOK leisten kann.

2 Die MOK in der europäischen Beschäftigungsstrategie

Die Methode der offenen Koordinierung (MOK), die in einer ganzen Reihe von Politikfeldern innerhalb der europäischen Union angewendet wird,Footnote 18 stilisiert die Mehrzahl der bisherigen Veröffentlichungen zu einem bedeutenden Kristallisationspunkt für innovatives, modernes Regieren (siehe z. B. Börzel 2007; Mosher u. Trubek 2003; Sabel u. Zeitlin 2007; Schmid u. Kull 2004; Pochet 2005; Zeitlin 2005), als „New mode of governance schlechthin“ (Joerges et al. 2007, S. 20): Dezentralisierte Koordinierung der Politiken in den Mitgliedsstaaten, gemeinsame Standards bei gleichzeitiger Akzeptanz unterschiedlicher Entwicklungspfade und der Austausch von „best-practice“ sollen Annäherungsprozesse unter den Mitgliedsstaaten in den jeweiligen Politikfeldern befördern. Der Anwendungsfall in der europäischen Beschäftigungsstrategie ist ein interessantes Untersuchungsfeld, da die MOK hier schon länger als in den meisten anderen Politikfeldern wirksam ist. Sie hat ihre rechtliche Grundlage im Beschäftigungskapitel des Amsterdamer Vertrages (Artikel 125–130 im Amsterdamer Vertrag, Artikel 145–150 im Lissabonner Vertrag). Damit weist die europäische Beschäftigungsstrategie im Gegensatz zu anderen Politikfeldern ein vergleichsweise hohes Maß an verbindlicher „Institutionalisierung“ auf (New Modes of governance 2005, S. 16).Footnote 19 Zudem kreuzen sich in der Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik unterschiedliche Politikfelder von der Sozial- bis zur Steuerpolitik. Gerade die europäische Beschäftigungsstrategie wird von den EU-Institutionen, von politischen Akteuren und wissenschaftlichen Eliten als Ausgangspunkt für ein soziales Europa begriffen, der die anhaltende Legitimationskrise der EU in der Wirtschafts- und Sozialpolitik, wie sie sich beispielsweise jüngst wieder anlässlich der Referenden zum EU-Verfassungsvertrag in Frankreich und den Niederlanden manifestierte (Van Oppeln 2007, S. 1),Footnote 20 potentiell beheben soll (Mosher u. Trubek 2001, S. 2; Pochet 2005, S. 41 ff.). Außerdem setzt die MOK einen neuen Steuerungsmechanismus ein, der geradezu passgenau auf die allseits diagnostizierte Krise traditioneller politischer Steuerung zu antworten scheint (siehe z. B. Benz 2004; Czempiel u. Rosenau 1992; Zürn 1998). Sie erfüllt eine performative Funktion, indem sie mit ihren politischen Koordinierungsmechanismen Machtverhältnisse in Szene setzt, die zu einem Hoffnungsträger für die Zukunft eines sozialen Europas erklärt werden (Mosher u. Trubek 2001; Europäischer Rat 2000a). Nicht zuletzt deshalb ist die europäische Beschäftigungsstrategie auch von gegenwartsdiagnostischem Interesse, wie es Foucaults genealogisches Projekt einer „Geschichte der Gegenwart“ (Foucault 1976, S. 43) leitet.

Seit zehn Jahren organisiert die europäische Beschäftigungsstrategie einen jährlichen Interaktionsprozess zwischen Rat, Kommission und den Mitgliedsstaaten.Footnote 21 Dabei beschließt der Europäische Rat auf Vorschlag der Kommission beschäftigungspolitische Leitlinien, die zuvor einer Anhörung im europäischen Parlament, im Wirtschafts- und Sozialausschuss, im Ausschuss der Regionen und im Beschäftigungsausschuss zugeführt wurden. In der folgenden Etappe sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet nationale Aktionspläne (NAPs) zu definieren und über ihre Umsetzung zu berichten. Rat und Kommission erstellen dann einen gemeinsamen Beschäftigungsbericht. Der Rat nimmt zusätzlich auf Vorschlag der Kommission länderspezifische Empfehlungen und Bewertungen vor. Das Ziel dieses sich stetig wiederholenden Verfahrens besteht darin, ein möglichst konstantes Monitoring der beschäftigungspolitischen Situation in den Mitgliedsstaaten zu gewährleisten, politischen Konvergenzdruck hinsichtlich der in den beschäftigungspolitischen Leitlinien festgehaltenen Ziele zu erzeugen und zu „politischem Lernen“ unter den Mitgliedsstaaten beizutragen (Schmid u. Kull 2004, S. 4; Nedergaard 2006).Footnote 22 Hier kommen auch Kooperationen mit formal unabhängigen Forschungsinstituten und Agenturen ins Spiel; das „Programm für gegenseitiges Lernen“Footnote 23 stellt über Seminare und Tagungen den inhaltlichen Austausch unter den beteiligten Akteuren sicher und das europäische BeschäftigungsobservatoriumFootnote 24 erhebt die jeweiligen Daten zur Beschäftigungsentwicklung.

Die mit der MOK verbundenen Hoffnungen auf ein höheres politisches Partizipationsniveau zivilgesellschaftlicher Zusammenhänge und auch der Sozialpartner spielen zwar in den EU-Dokumenten eine bedeutende Rolle, diejenigen Analysen jedoch, die sich mit der partizipativen Praxis der MOK beschäftigen, sind sich weitgehend einig, dass das Verfahren der europäischen Beschäftigungsstrategie einen letztlich „verwaltungslastigen“ Vorgang zwischen der Kommission und den nationalen Ministerien darstellt, in dem beispielsweise eine nur schwache Beteiligung der Sozialpartner stattfindet:

At present the EES still remains heavily driven by a beauraucratic core in the Commission and the national labour ministries (Mosher u. Trubek 2003, S. 81).

Insofern findet keine Verbesserung der „accountability“ statt, es erscheint angemessener eine „expert dominance“ (Benz 2007, S. 507) zu unterstellen. Manche Diagnosen gehen soweit, dass die starke Position des Rates in der MOK letztlich auf eine Stärkung zwischenstaatlicher politischer Koordinierung verweist (new modes of governance 2005, S. 31, so auch Hartlapp 2006, S. 16). Der europäischen Beschäftigungsstrategie wird in dieser Perspektive ein „niedriges Demokratieniveau“ nachgewiesen (De La Porte u. Nanz 2004, S. 276), da die politischen Prozesse wesentlich durch die Deliberation von Experten und Beamten gekennzeichnet sei (ebenda, S. 283).

Sie ist darüber hinaus Ausdruck der politischen Konstellation, die in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre in der EU vorherrschte (so auch Büchs 2007; Trubek u. Mosher 2001, 2003; Pochet 2005). In den meisten europäischen Ländern regierten sozialdemokratische Parteien, die sich – wenn man von der französischen Regierung und den ersten Monaten der Rot-Grünen-Regierung in der BRD absieht – maßgeblich an einer Agenda des „dritten Weges“, wie sie in Großbritannien durch New Labour ersonnen wurde, orientierten (siehe Schröder u. Blair 1999). Die europäische Beschäftigungsstrategie wurde damals gerade innerhalb der europäischen Sozialdemokratie zu einem Ansatzpunkt für die sozialpolitische Einbettung der Binnenmarktintegration erklärt (Joerges 2005, S. 479; Mosher u. Trubek 2003, S. 67). Auf die Ausweitung der Marktintegration sollte eine Koordinierung der Beschäftigungs- und Sozialpolitik im europäischen Maßstab folgen. Gleichzeitig setzte sich jedoch in der europäischen Sozialdemokratie die Politik des „dritten Weges“ durch, die auf marktkorrigierende Eingriffe zunehmend verzichtete. Sie ordnete die Arbeitsmarktpolitik tendenziell dem Wettbewerbsprinzip unter und popularisierte die Kritik an traditionellen sozialen Sicherungssystemen (siehe z. B. Giddens 1999, S. 130 ff.). Die in diesen Diskursen vorgeschlagene aktivierende Arbeitsmarktpolitik hat nicht in erster Linie die Aufgabe, Härten des Marktes abzufedern, sondern „aktivierend“ auf die Betroffenen zu wirken und durch Weiterbildungs- und Erziehungsmaßnahmen ihre Beschäftigungsfähigkeit („employability“) zu erhöhen.Footnote 25 Gerade weil die jeweiligen Arbeitsmarktpolitiken an die unterschiedlichen Wohlfahrtsstaatsmodelle innerhalb der EU angebunden sind, wurde davon ausgegangen, dass europäisch-vereinheitlichende Koordinierungsformen dieses Politikansatzes auf den Widerstand der Mitgliedsstaaten und starker Interessensgruppen stoßen (Büchs 2007, S. 2). Von der MOK erhoffte man sich einen dritten Weg jenseits der etablierten „community method“ und des zwischenstaatlichen Dialogs (Jacobsson 2004, S. 357), um eine längerfristige Koordinierung der nationalen Beschäftigungspolitiken einzurichten. Durch das „Soft law“ der MOK und ihrer dezentralisierten Verfahren soll eine „weiche“ Harmonisierung der nationalen Beschäftigungspolitiken erreicht werden, die bestehende Differenzen fruchtbar macht und sie längerfristig auf gemeinsame Standards hin programmiert.

3 Die europäische Beschäftigungspolitik als gouvernementale Machtökonomie

Die Gouvernementalitätsanalyse beleuchtet die europäische Beschäftigungsstrategie unter explizit machtanalytischen Gesichtspunkten und kann so ihre unterschiedlichen Steuerungstechniken als Teil einer gouvernementalen Machtökonomie kontextualisieren. Die MOK erscheint dann weniger ein innovatives Governance-Tool zu repräsentieren, um zu einer sachgerechten Annährung beschäftigungspolitischer Orientierungen zu gelangen, als dass sie ein Stützpunkt für den Typus regulativer Macht repräsentiert, den Michel Foucault mit der Kategorie der Gouvernementalität bezeichnet hatte. So lassen sich eine Reihe der paradigmatischen Strukturmerkmale einer gouvernementalen Machtökonomie in der europäischen Beschäftigungsstrategie aufspüren. Sie gründet sich erstens auf ein intimes Verhältnis von Wissenskonstitution und Machtausübung. Hier entstehen dauerhafte Erwartungshaltungen und politische Rationalitäten, die eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik zur einzig „rational“ verteidigungsfähigen Arbeitsmarktpolitik in Europa erheben. Zweitens basiert die europäische Beschäftigungsstrategie auf Techniken der Führung und Selbstführung,Footnote 26 die die beteiligten Akteure in ein komplexes „Gehorsamsgeflecht“ (STB, S. 269) einbinden und eine Annäherung der beschäftigungspolitischen Orientierungen bewirken. Werden drittens die konkreten Machtausübungen zum Ausgangspunkt erklärt, dann fällt die Dominanz der gouvernementalen Verwaltung, insbesondere der Kommission und der nationalen Ministerien, in der europäischen Beschäftigungsstrategie auf.

3.1 Konstitution politischen Wissens: Massenarbeitslosigkeit als Qualifizierungsproblem

Der vielleicht interessanteste Aspekt der europäischen Beschäftigungsstrategie lässt sich im Verhältnis von Wissenskonstitution und Machtausübung ausmachen. Die europäische Beschäftigungsstrategie ist durch eine Problematisierung zur anhaltenden Massenarbeitslosigkeit in der EU geprägt, die in eine dauerhafte Beziehung der politischen Strategien zur wissenschaftlichen Expertise mündet. Dieses Zusammenspiel wird in den Schlussfolgerungen des Lissabonner Gipfels im Abschnitt zur Beschäftigungspolitik exemplarisch hergestellt:

Der Luxemburg-Prozeß, der auf der Erstellung von Beschäftigungsleitlinien auf Gemeinschaftsebene und deren Umsetzung in nationale beschäftigungspolitische Aktionspläne beruht, hat Europa in die Lage versetzt, die Arbeitslosigkeit deutlich zu verringern. (…) In diesem Zusammenhang werden der Rat und die Kommission aufgefordert, die folgenden vier Kernbereiche in Angriff zu nehmen: Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit und Reduzierung der Qualifikationsdefizite (…), Erreichung höherer Priorität für ein lebenslanges Lernen (…), Ausbau der Beschäftigung im Dienstleistungsbereich (…), Förderung der Chancengleichheit (Europäischer Rat 2000c, S. 9 ff.).

Am Beginn steht das Ziel einer deutlichen Reduzierung der Arbeitslosigkeit, das mit dem Programm einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik („Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit und Reduzierung der Qualifikationsdefizite“) umgesetzt werden soll. Ihre Plausibilität gewinnt die europäische Beschäftigungsstrategie aus der Annahme, dass die anhaltende Massenarbeitslosigkeit ein Problem der Qualifizierung der Arbeitssuchenden und der hohen Lohnkosten für die Unternehmerseite darstellt (Raveaud 2007, S. 428). Diese Problematisierung zieht sich durch den gesamten Prozess von den offiziellen Dokumenten aus Rat und Kommission bis zu den Länderberichten und den Empfehlungen. Die externen Agenturen, die immer wieder neues Wissen über die beschäftigungspolitische Situation in der EU bereitstellen, arbeiten auf dieser Grundlage und gewährleisten ein externes Monitoring. Somit installiert die europäische Beschäftigungsstrategie ein „Wahrheitsregime“ (Haahr 2004, S. 226, oder auch „cognitive mechanisms“, López-Santana 2007, S. 25), das Annahmen über Ursachen, Herausforderungen und effektive politische Maßnahmen produziert, die den politischen Prozess in eine vorgezeichnete Richtung lenken.

Obwohl es möglich ist, die europäische Beschäftigungsstrategie in unterschiedliche Phasen zu periodisieren,Footnote 27 können hinsichtlich ihrer politisch-programmatischen Ausrichtung eindeutige Kontinuitäten der beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischen Standards nachgewiesen werden. Schon in der ersten Phase der europäischen Beschäftigungsstrategie von 1998 bis 2002 benannten die beschäftigungspolitischen Leitlinien vier übergeordnete Herausforderungen (Europäischer Rat 1997, 1999, 2000a, 2001a, 2002a). Erstens sei eine „Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit“ (employability) der europäischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer anzustreben, die durch eine Intensivierung der Maßnahmen gegen Jugendarbeitslosigkeit, aber auch durch Aktivierung der Erwerbslosen zu erreichen sei (Europäischer Rat 1997, Abschn. I). Die Massenarbeitslosigkeit erscheint so als Problem der mangelnden oder unpassenden Qualifizierung und der unzureichenden Moralität der Arbeitssuchenden. Letztlich wird die Arbeitslosigkeit auf ein „Mismatch“ von Arbeitsplatzangeboten und dem Qualifikationsprofil der Arbeitssuchenden zurückgeführt, das durch aktivierende Maßnahmen zu beheben ist. Es gelte „finanzielle Anreize“ zu schaffen, damit sich „Arbeit lohnt“ (Gemeinsamer Beschäftigungsbericht 2004/2005, S. 3, sinngemäß auch 2005/2006, S. 5). Zweitens solle der „Unternehmergeist“ (entrepreneurship) gestärkt werden (ebenda: Abschn II). Hier schlägt der Rat sowohl Erleichterungen für die Gründung von Unternehmen als auch ein „beschäftigungsfreundlicheres Steuersystem“ vor, um „Trend[s] zu einer höheren Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeit“ umzukehren; konkret wird die Senkung der Lohnnebenkosten empfohlen. Gleichzeitig geht es dabei natürlich um eine Art ethisches Programm, das die Arbeitnehmer als „Unternehmer“ der eigenen Arbeitskraft imaginiert, die ihr „Humankapital“ zu Markte tragen. Foucault hatte dieses Prinzip schon im amerikanischen Neoliberalismus der Chicagoer Schule aufgespürt:

Das ist keine Vorstellung der Arbeitskraft, sondern der Kompetenz als Kapital (…), so dass der Arbeiter selbst sich als eine Art von Unternehmen erscheint (GBP, S. 313).

Offensichtlich schlägt sich die Figur des „Homo oeconomicus“ als „Unternehmer seiner Selbst“ (GBP, S. 314) programmatisch in der europäischen Beschäftigungsstrategie nieder.Footnote 28

Drittens gelte es Unternehmen und Arbeitsverhältnisse anpassungsfähiger (adaptability) zu machen und den Anforderungen der modernen Arbeitswelt durch eine Intensivierung der Weiterbildung als auch durch flexible Formen der Beschäftigungsverhältnisse gerecht zu werden (Europäischer Rat 1997, Abschn. III). Zudem regt die europäische Beschäftigungsstrategie eine „Modernisierung der Arbeitsvermittlung“ an (Europäischer Rat 2003a).Footnote 29 Dahinter steht die Annahme, dass die hohe Arbeitslosigkeit auch durch eine Sozialbürokratie in den Mitgliedsstaaten mit verursacht ist, die nicht sachgerecht in der Betreuung der Arbeitssuchenden verfahren. Viertens schließlich fordert der Rat die „Stärkung der Maßnahmen für Chancengleichheit“, insbesondere von Männern und Frauen. Diskriminierungen in der Arbeitswelt sollten abgebaut, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleistet werden (Europäischer Rat 1997, Abschn. IV). Schwerpunktmäßig erhofft man sich davon eine Ausweitung des Arbeitskräfteangebots; die diskriminierenden Praxen in den Arbeitsverhältnissen selbst stehen bisher nicht im Mittelpunkt der MOK, auch wenn bedeutende Fortschritte im Zugang von Frauen zu aktiver Arbeitsmarktpolitik erreicht wurden (so Rubery 2002).Footnote 30

Nach der Auswertung der ersten Phase der europäischen Beschäftigungsstrategie (Europäische Kommission 2002) wurden die Zielsetzungen auf die drei übergreifenden Orientierungen „Vollbeschäftigung“, „Steigerung der Arbeitsplatzqualität und der Arbeitsproduktivität“ und „Stärkung des sozialen Zusammenhalts und der sozialen Eingliederung“ für die beschäftigungspolitischen Leitlinien von 2003 und 2004 zusammengefasst (Europäischer Rat 2003a, 2004). Insbesondere beim ersten Punkt – Vollbeschäftigung setzte sich der Rat quantitativ ambitionierte Ziele. Bis zum Jahre 2010 solle die Gesamtbeschäftigungsquote auf 70% steigen (ebenda). Diese allgemeinen Zielsetzungen brechen die beschäftigungspolitischen Leitlinien auf zehn spezifische Leitlinien herunter, die unter anderem „aktive und präventive Maßnahmen“ für Erwerbslose, Investitionen in „Humankapital“, „flexible Beschäftigungsverhältnisse“, „aktives Altern“ und „Gleichstellung der Geschlechter“ vorschlagen. Zudem gelte es (finanzielle) „Anreize“ für die Aufnahme von regulärer Beschäftigung zu schaffen (ebenda). In dieser zweiten Phase der europäischen Beschäftigungsstrategie sind die Indikatoren und Zielsetzungen konkretisiert und diversifiziert worden. Zudem ist die „Modernisierung der Arbeitsvermittlung“ (ebenda) mit aufgenommen worden. Die Leitlinien regen also auch Reformen nationaler Verwaltungsstrukturen an. Für den Zeitraum 2005 bis 2008 hat der europäische Rat die beschäftigungspolitischen Leitlinien gemeinsam mit den wirtschaftspolitischen Leitlinien (Broad econonmic policy guidelines) zu einem integrierten Paket „integrierte Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung“ zusammengefasst (Europäischer Rat 2005), dabei hält er an den drei übergeordneten Zielsetzungen fest, differenziert sie jedoch zu acht der integrierten Leitlinien aus. Auch sie umfassen die Dimensionen der bisherigen beschäftigungspolitischen Leitlinien, ergänzen sie aber in Leitlinie 21 um das gegenwärtig in der EU-Politik prominente Leitbild „Flexicurity“, das „Flexibilität“ mit „Beschäftigungssicherheit“ verbinden soll (siehe auch Europäische Kommission 2007a).Footnote 31 Der Vorschlag für die Leitlinien für den Zeitraum von 2008 bis 2010 (Europäischer Rat 2008) orientiert sich weitgehend an den beschäftigungspolitischen Leitlinien des vorangegangenen Zyklus.

Werden die beschäftigungspolitischen Leitlinien der letzten zehn Jahre analysiert, dann sticht geradezu das Paradigma einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik hervor, wie es die gegenwärtigen wirtschafts- und sozialpolitischen Diskussionen dominiert (Daguerre 2007, S. 4 ff.; Schmid 2002, S. 428 ff.; kritisch: van Oorschot 2002). Sie versprechen sich eine signifikante Senkung der strukturellen Massenarbeitslosigkeit vom Abbau der Hemmnisse in der staatlichen Bürokratie und Infrastruktur, in der Abgabenlast der Unternehmerseite und von einem Mentalitätswandel der Erwerbslosen (Raveaud 2007, S. 428 ff.); alle involvierten politischen Ansätze müssen sich letztlich daran messen lassen, ob sie Erwerbslose in Beschäftigung eingliedern und sie aktivieren. Der Konvergenzdruck der europäischen Beschäftigungsstrategie wird vor allem dadurch hergestellt, dass die Mitgliedsstaaten nur noch solche beschäftigungspolitischen Ansätze „rational“ verfolgen können, die mit dem Programm einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik harmonieren. Alle anderen Ansätze sind nur schwer verteidigungsfähig. Insofern findet schwerpunktmäßig eine Regulierung in der Bandbreite beschäftigungspolitischer Ansätze statt, die eine Annährung durch unterschiedliche nationale Praktiken hindurch hervorruft. Es stellt sich ein Prozess der „Naturalisierung“ ein (Crespo Suárez u. Serrano Pascual 2007, S. 381), in dem die aktivierende Arbeitsmarktpolitik zur „natürlichen“, einzig möglichen arbeitsmarktpolitischen Ausrichtung erhoben wird. Am deutlichsten wird dieser Zusammenhang in den jeweiligen nationalen Beschäftigungsberichten, in denen die Mitgliedsstaaten ihre Beschäftigungspolitik darstellen und gegenüber der Kommission rechtfertigen müssen. Hier entsteht eine (externe) Evaluierung der beschäftigungspolitischen Entwicklung, die die „Wahrheit“ über den Erfolg oder Misserfolg des Regierungshandelns in den Mitgliedsstaaten verkündet (so auch Haahr 2004; S. 226). Die Problematisierungen und das Berichtswesen produzieren eine politische Kulisse, in der alternative Problematisierungen und Ansätze schlicht nicht verteidigungsfähig sind oder ein „shaming“, also eine öffentliche Stigmatisierung, in Kauf nehmen müssen. Schon die unterstellten Ursachen für die anhaltende Arbeitslosigkeit sind in dem Sinne „politisch“, dass auch alternative Ursachenbeschreibungen möglich wären, die wiederum andere politische Reaktionsmuster als „rational“ erscheinen lassen würden. Wird beispielsweise die anhaltende strukturelle Massenarbeitslosigkeit innerhalb der EU auf andere Gründe, wie z. B. mangelnde Nachfrage und Binnenkaufkraft, weniger beschäftigungsintensive Unternehmenspolitiken oder den Abriss des öffentlichen Sektors zurückgeführt, können aktivierende Maßnahmen nicht alsfür ein angemessenes Reaktionsmuster betrachtet werdenin Anspruch genommen.

3.2 MOK als Führung der Führungen

Das ausführliche Berichts- und Evaluationswesen, die Empfehlungen des Rates, die „peer-review“ und die „best-practice“-Dimensionen in der MOK repräsentieren Führungsmechanismen im klassischen Sinne: Die direkten Empfehlungen des Rates und die Publizität des Koordinierungsverfahren schlagen noch keine konkreten, minutiösen Umsetzungsformen der beschäftigungspolitischen Leitlinien in den einzelnen Nationalstaaten vor, sondern sie setzen ein Prozess der „Führung der Führungen“ (Foucault 1982, S. 286) in Gang, in dem sich die „Führungen“ der Nationalstaaten die beschäftigungspolitischen Zielorientierungen der EU zu eigen machen und sie auf die jeweilige Situation beziehen (Haahr 2004, S. 214). Auf den ersten Blick erscheint diese Parallele etwas sperrig, da bei Foucault sich schließlich „Subjekte“ und nicht Staaten in ein „Gehorsamsgeflecht“ (STB, S. 269) verstricken. Die Pointe besteht jedoch darin, dass die europäische Beschäftigungsstrategie mit ihren liberalen Regierungstechniken eine europaweite Marktsituation schafft, in der die unterschiedlichen „Staatskörper“ um „Best-Practice“ konkurrieren und so behandelt werden als wären sie Marktsubjekte. Nicht nur der marktförmige Charakter der Koordinierungsprozedur, auch die Problematisierungen zur Massenarbeitslosigkeit legen eine solche Parallele nahe. Sind für die Beschäftigungsquote eines Landes tatsächlich die Aktivierungseffizienz der Arbeitsvermittlung, die Unternehmensbesteuerung oder der Unternehmergeist eine entscheidende Größe, dann ist es möglich die Nationalstaaten zu Staatskörpern zu modellieren, die sich den Herausforderungen einer europäischen Staatskörperkonkurrenz mit mehr oder weniger Willen zur Umsetzung aktivierender Arbeitsmarktpolitik stellen. Die in der wissenschaftlichen Literatur zur MOK weit verbreitete These, die MOK repräsentiere einen offen-heterarchischen Governance Modus (Sabel u. Zeitlin 2007; Zeitlin 2005), würde so relativiert. Weder sind die politischen Rationalitäten der MOK komplett neue Phänomene in der Geschichte moderner Staatlichkeit,Footnote 32 noch findet eine in einem starken Sinne partizipative politische Koordinierung statt. Die MOK moduliert letztlich eine liberale Regierungsrationalität, die im Modernisierungsprozess schon immer präsent war, und nutzt die experimentelle Dynamik des Verfahrens, um eine stärkere Koordinierung der Beschäftigungspolitik sicherzustellen (Pochet 2005, S. 73). In diesem komplexen Gehorsamsgeflecht lassen sich dann auch die Charakteristika eines gouvernementalen Machttyps nachzeichnen: Es findet erstens eine Interaktion zwischen unterschiedlichen Ebenen statt, auf denen die Führungs- und Selbstführungstechniken greifen. Letztlich basiert der Erfolg der europäischen Beschäftigungsstrategie darauf, dass die „Regierten“ in die Regierungsrationalität der MOK integriert werden und diese aktiv übernehmen; der Erfolg des Regierens stützt sich auch hier auf die „Rationalität der Regierten“ (GBP, S. 428). Insofern handelt es sich um einen indirekten oder „subtilen“ Steuerungsansatz (Jacobsson 2004).

Zweitens weist die europäische Beschäftigungsstrategie eine eigene Materialität auf, in der gouvernementale Techne, Episteme und programmatische Zielorientierungen zusammenspielen. Im Abschnitt zur Konstitution politischen Wissens wurde schon ausdrücklich auf die konstitutive Rolle der Wissensproduktion für die europäische Beschäftigungsstrategie hingewiesen. Es wird aber ebenfalls deutlich, dass konkrete Regierungstechniken im Sinne einer gouvernementalen Techne am Werk sind, die von eher „sanften“ bis zu „harten“ Techniken reichen. Im Rahmen des Berichtswesens und der nationalen Aktionspläne werden die Mitgliedsstaaten unter einen ständigen Rechtfertigungsdruck hinsichtlich der beschäftigungspolitischen Zielsetzungen gestellt. Sie müssen ihre beschäftigungspolitischen Maßnahmen daraufhin überprüfen, ob sie die qualitativen und quantitativen Indikatoren der Leitlinien berücksichtigen.

Eine weitere Regierungstechnik stellt das mit der MOK verbundene „naming“ und „shaming“ dar. Durch öffentliches Loben und Tadeln soll die Konkurrenz um die „besten Lösungen“ unter den Mitgliedsstaaten angeregt werden; Rat und Kommission erhoffen sich durch Loben und Tadeln Einfluss auf die längerfristige beschäftigungspolitische Orientierung zu nehmen und eine „freiwillige“ Annäherung unter den Mitgliedsstaaten zu befördern, die die „gelobten“ Beispiele übernehmen. Nicht zu unterschätzen ist auch der zeitliche Ablauf des Verfahrens, der Verhandlungs- und Berichtsroutinen befördert, und so eine dauerhafte Institutionalisierung erhält. Insofern organisiert die europäische Beschäftigungsstrategie „temporal disciplining“ (Jacobsson 2004, S. 365):

This periodic monitoring implies a certain control over the timing in the policy cycles at national level, since the writing of the National Action Plans (NAPs) runs simultaneously in all of the member states from year to year (ebenda).

Die europäische Beschäftigungsstrategie führt somit dazu, dass in den Arbeitsministerien der Mitgliedsstaaten zur selben Zeit ähnliche politische Prozesse stattfinden, die die inhaltlichen Anliegen im Bereich der Beschäftigungspolitik durch paralleles „Agenda-Setting“ stärken.

Der europäische Rat richtet jedoch auch direkte, länderspezifische Empfehlungen an die Mitgliedsstaaten. Beispielsweise wurde von 2003 bis 2004 insgesamt vierzehn Mitgliedsstaaten eine weitere Senkung der Lohnnebenkosten empfohlen (Gemeinsamer Beschäftigungsbericht 2004/2005, S. 10). Teilweise greifen die Empfehlungen auch direkt in die sonstige Wohlfahrtsstaatsarchitektur der Mitgliedsstaaten ein. Schweden wurde beispielsweise im Jahr 2003 trotz hoher Beschäftigungsquote eine Senkung der Lohnnebenkosten und eine Verschärfung der Sozialpolitik nahe gelegt:

Ungeachtet der laufenden Reform des Steuersystems ist die steuerliche Belastung der Arbeit nach wie vor die höchste in der EU. Das Sozialleistungssystem ist im internationalen Vergleich relativ großzügig, dafür aber sehr streng bei den Anspruchskriterien. Weitere Anstrengungen zur Verbesserung der Arbeitsanreize erscheinen jedoch erforderlich (Europäischer Rat 2003b, S. 29).

Auch wird in den beschäftigungspolitischen Empfehlungen immer wieder die Abschaffung von Vorruhestandsregelungen eingefordert, so beispielsweise im Jahr 2000 gegenüber der BRD, Frankreich und Finnland (Europäischer Rat 2000b, S. 35, 37, 40) oder im Jahr 2001 gegenüber Österreich (Europäischer Rat 2001b, S. 35). Weitere wichtige Anliegen sind die Minderungen der Lohnkosten durch Steuersenkungen und Senkung der Lohnnebenkosten (z. B. gegenüber der BRD, Italien und Österreich in 2001; ebenda, S. 30; gegenüber Belgien in 2002 und 2004; Europäischer Rat 2002b, S. 72; 2004, S. 49) und die Steigerung von Anreizen zur Arbeitsaufnahme. Die BRD wird beispielsweise im Jahr 2003 ermutigt den Bezug von Sozialleistungen stärker an die „aktive Arbeitssuche“ zu koppeln (Europäischer Rat 2003b, S. 24). In regelmäßigen Abständen ergehen länderspezifische Empfehlungen, die auch der Öffentlichkeit zugänglich sind. Die „weiche“ Methode der offenen Koordinierung kann also durchaus „harte Seiten“ (Ashiagbor 2004, S. 331) produzieren, wenn sie im Empfehlungs- und Evaluationswesen die Pfade der arbeitsmarkpolitischen Entwicklung vorzeichnet – ein Aspekt der die Trennung von so genannten weichen, informellen „Soft-Law“-Mechanismen, die gemeinhin der europäischen Beschäftigungsstrategie zugeschrieben werden, und formalisiertem „Hard-Law“ zumindest problematisch erscheinen lässt.Footnote 33 Vielmehr ist im Rahmen der europäischen Beschäftigungsstrategie festzustellen, dass „weiche“ Steuerungsmechanismen sich längerfristig stabilisieren und gleichzeitig Mechanismen direkter Steuerung in Gang setzen, die letztlich eine „experimentelle Dynamik“ mit einer „Zentralisierung“ der Beschäftigungspolitik kombinieren (Pochet 2005, S. 73). Dieses Zusammenspiel subtiler und direkter Steuerung steht schon im Mittelpunkt von Foucaults Analysen der liberalen Regierung, in der ermöglichende Bedingungen schon immer mit Beschränkungen verknüpft sind. Der Siegeszug des ökonomischen Liberalismus von der politischen Ökonomie des 17. und 18. Jahrhunderts bis zum deutschen Ordoliberalismus (GBP, S. 112 ff.) und amerikanischen Neoliberalismus (ebenda; S. 300 ff.) nach dem zweiten Weltkrieg ist für Foucault durch eine eigentümliche Dialektik zwischen der Ausweitung und der Begrenzung des Regierungshandelns gekennzeichnet. Auf der einen Seite stellt das Marktprinzip ein ständiges Tribunal auf, dass immer unterstellt „es werde zu viel regiert“ und man müsse den Markt gewähren lassen (ebenda, S. 29). Auf der anderen Seite jedoch tendiert die Regierungsrationalität des Liberalismus dazu auf alle Lebensverhältnisse überzugreifen (etwa auf die Subjekte als Unternehmer ihrer Arbeitskraft im amerikanischen Neoliberalismus) und ist auf „Verfahren der Kontrolle, der Beschränkung und des Zwangs“ (ebenda, S. 207) angewiesen. Die Ausweitung des Regierungshandelns ist also in der vordergründigen Begrenzung der Machtausübung der liberalen Regierungsrationalität mit verankert.

Drittens ist die europäische Beschäftigungsstrategie durch eine gouvernementale „Verteilung“ der Kontroll- und Bewertungsinstanzen für das Regierungshandeln gekennzeichnet. Die Berichte der Kommission und des Rates sowie die Aktivität der involvierten Agenturen produzieren Maßstäbe für die politische Bewertung der beschäftigungspolitischen Entwicklung, die im politischen Prozess dann nicht mehr hintergangen werden können. Hat Foucault in seinen Überlegungen zum Liberalismus noch den Markt als „Ort der Verdiktion“ ausgemacht (GBP, S. 94), so scheinen sich auch hier Verdiktionsinstanzen herauszubilden, die die Angemessenheit des politischen Handelns überprüfen. So gehorcht die europäische Beschäftigungsstrategie in ihren Doktrinen einer expertokratischen Logik, in der insbesondere statistische Zusammenhänge den Ausgangspunkt für gemeinsames politisches Handeln markieren (Jacobsson 2004, S. 361). Mit statistischen Daten sollen gemeinsame politische Lösungen im europäischen Maßstab legitimiert werden (ebenda) – ein Prozess, der vor allem von der Kommission initiiert wird, um ihre Zielvorstellungen „wissenschaftlich“ zu unterfüttern und auf dieser Grundlage politische Standards zu setzen.Footnote 34 Auch die wissenschaftliche Expertise um European Governance und Netzwerk-Steuerung trägt mit ihren Problematisierungen außerhalb des im engeren Sinne politischen Feldes dazu bei, dass nur noch solches politischen Handeln angemessen erscheint, dass auf verwaltungsgetriebene Harmonisierung und aktivierende Arbeitsmarktpolitik setzt. Die wissenschaftlichen Disziplinen bringen selbst Regierungsdoktrinen im Sinne einer gouvernementalen Episteme hervor, die im politischen Prozess maßgebend sind. Diese beziehen sich natürlich nicht nur auf die Inhalte einer gelingenden Regierungspolitik, sondern auch auf die politischen Verfahren und Steuerungstechniken. Im Falle der MOK kann die Entscheidung für einen dezentralen, entformalisierten Koordinierungsmechanismen gegenüber stärker formalisierten Verfahren als nahezu direkter Ausfluss einer Problematisierung interpretiert werden, die unter dem Stichwort „Governance without Government“ (Czempiel u. Rosenau 1992) neue Formen der Netzwerksteuerung favorisiert hatte. Die Gouvernementalitätsanalyse setzt hier eine Denkbewegung zweiter Ordnung in Gang, welche den Beitrag der jeweils dominanten Regierungslehren zum Netz der Machtverhältnisse aufklärt.Footnote 35

3.3 Dominanz der gouvernementalen Verwaltung: Politik der Ent-Politisierung

Die Gouvernementalitätsanalyse weist der gouvernementalen Verwaltung und deren routinisierten Handlungsabläufen eine konstitutive Funktion für die modernen Machtverhältnisse zu. Auch die europäische Beschäftigungsstrategie repräsentiert einen politischen Koordinierungsmechanismus, der durch die gouvernementale Verwaltung der EU-Kommission dominiert wird. Und tatsächlich sprechen viele Gründe dafür die MOK letztlich auf einen „bürokratischen Prozess“ zurückzuführen (Faludi 2004, S. 1023; Mosher u. Trubek 2003, S. 81; New Modes of governance 2005, S. 12), in dem die gouvernementale Verwaltung der Kommission die Herrin des Verfahrens darstellt und lenkend tätig ist. Sie entwirft die Vorlagen für die beschäftigungspolitischen Leitlinien und die beschäftigungspolitischen Empfehlungen, die vom europäischen Rat beschlossen werden. So ist es nicht erstaunlich, dass beispielsweise das Leitbild der „Flexicurity“ nach einer Kommunikation der Kommission auch direkt in den Vorschlag für die beschäftigungspolitischen Leitlinien 2008 bis 2010 überführt wurde (Europäische Kommission 2007b, S. 26). Gleiches gilt für die ab 2005 vorgenommene Zusammenführung von beschäftigungspolitischen Leitlinien und Broad economic policy guidelines in integrierte Leitlinien. Hier setzt die Kommission Standards, die im Verfahren der MOK nicht mehr aussichtsreich zur Disposition gestellt werden können. Die bisherigen Befunde gehen meist (unabhängig von der generellen Haltung zur europäischen Beschäftigungsstrategie) von partizipativen Problemen der MOK aus, die schon damit einsetzen, dass die Sozialpartner in den meisten europäischen Mitgliedsstaaten nicht oder nur unzureichend an der Erstellung nationaler Aktionspläne beteiligt werden (Büchs 2007, S. 68; De La Porte u. Nanz 2004, S. 279; Mosher u. Trubek 2003, S. 81).

Unterschiedliche Veröffentlichungen machen darauf aufmerksam, dass die europäische Beschäftigungsstrategie in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre als ein politisches Projekt zu begreifen ist, das die verbreitete Europa-Skepsis nach der Binnenmarktintegration in vielen Mitgliedsstaaten durch eine soziale Dimension befrieden sollte und daher seine politische Legitimation, insbesondere innerhalb der europäischen Sozialdemokratie, bezog (Mosher u. Trubek 2003, S. 67; Pochet 2005, S. 46 ff.). Schließlich wurde die Orientierung der europäischen Beschäftigungsstrategie am Leitbild einer aktivierenden Arbeitsmarkpolitik ausgerichtet, die sozial- und beschäftigungspolitische Fragestellungen in das Modell einer marktliberalen Wettbewerbsorientierung integrierte (Büchs 2007, S. 7; Schmid u. Kull 2004, S. 1). Auch andere politische Koordinierungsverfahren im Bereich der Beschäftigungspolitik wären demgegenüber zumindest denkbar gewesen. Es hätte prinzipiell die Möglichkeit bestanden, dass diejenigen politischen Akteure, die ein Interesse am Europäischen Sozialmodell entwickeln, aus den am Ende der neunziger Jahre mehrheitlich sozialdemokratisch regierten Mitgliedsstaaten, aus zivilgesellschaftlichen Zusammenhängen, aus der Gewerkschaftsbewegung und nicht zuletzt aus dem europäischen Parlament eine Harmonisierung der Beschäftigungspolitik ohne Einschnitte in den wohlfahrtsstaatlichen Architekturen hätten voranbringen können. Auf der Grundlage anderer Ursachenbeschreibungen würden wiederum andere politische Reaktionsmuster privilegiert. Wird die strukturelle Massenarbeitslosigkeit beispielsweise auf nachfrageseitige Probleme und Veränderungen in der Arbeitswelt zurückgeführt, sind solche politischen Handlungsstrategien einleuchtend, die auf die Stärkung der Binnennachfrage oder eine andere Arbeitsverteilung durch Arbeitszeitverkürzung abzielen.

Es ist nicht die vorrangige Aufgabe der Gouvernementalitätsanalyse einzelne dieser Optionen zu favorisieren, sehr wohl müsste aber im Sinne einer „realistischen Geschichte“ der europäischen Beschäftigungsstrategie darauf hingewiesen werden, dass die Entscheidung für eine politische Koordinierungsform auch eine Entscheidung gegen andere mögliche politische Vorgehensweisen zur Folge hat. Die Dominanz der gouvernementalen Verwaltung stellt dann keine Pathologie dar, die durch eine Besinnung auf die partizipativen Grundlagen der MOK geheilt werden könnte; vielmehr besteht ja gerade der Kern der europäischen Beschäftigungsstrategie darin, über ein spezifisches Verfahren die Beschäftigungspolitik der Mitgliedsstaaten an einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik auszurichten. Das verwaltungslastige Verfahren erscheint attraktiv, um Umbau- und Harmonisierungspolitiken in einem umkämpften Politikfeld zu stimulieren. Man könnte zur Auffassung gelangen, dass es sich dabei um eine Politik der Ent-Politisierung handelt (so auch Crespo Suárez u. Serrano Pascual 2007, S. 383), die entscheidende arbeitsmarktpolitische Weichenstellungen dem Zugriff der direkten politischen Auseinandersetzung zwischen links und rechts entzieht; eine Politik also, die darauf setzt eine aktivierende Arbeitsmartkpolitik durch ein Verfahren zum common sense zu erheben, indem es potentielle Konfliktlinien von Anfang an invisibilisiert. Dieser Befund steht Positionen entgegen, die eine „eigentlich“ radikal partizipative MOK imaginieren (Zeitlin 2005) und im nächsten Schritt eine machtpolitische Überlagerung dieser normativen Grundlagen durch die Kommission oder durch die nationalstaatlichen Arbeitsministerien beklagen.

4 Probleme anderer theoretischer Erklärungsansätze

Obgleich einzelne, skeptische Einwände gegen die reale Wirksamkeit der europäischen Beschäftigungsstrategie formuliert werden, besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass die europäische Beschäftigungsstrategie durchaus Effekte in den Politiken der Mitgliedsstaaten produziert (Ashiagbor 2004; Borrás u. Jacobsson 2004; Biagi 2000; Hodson u. Maher 2001; Mosher u. Trubek 2001, 2003). Gleichsam räumen die Veröffentlichungen jedoch ein, dass ein kausales Erklärungsprinzip, wonach sich die europäische Beschäftigungsstrategie ursächlich für nationale Reformprojekte verantwortlich zeichnet, nicht tragfähig erscheint und die „Einflussnahme“ wesentlich komplexeren und begrenzteren Charakter aufweist (Büchs 2007, S. 21).

Der komplexe Charakter der MOK, der von einer Vielzahl unterschiedlicher Einflussfaktoren, die von den politischen Kräfteverhältnissen in den Mitgliedsstaaten bis zur Datenakquise unabhängiger Agenturen reicht, stellt theoretische Erklärungsansätze vor große Herausforderungen. Sie laufen Gefahr entweder einzelne Bestandteile der MOK zu fetischisieren (etwa die Bedeutung „politischen Lernens“ oder die Abhängigkeit von der politischen Orientierung der Mitgliedsstaaten) oder sie bescheiden sich damit, einzelne Momente genauer zu beleuchten. Konsens besteht allerdings darin, dass die europäische Beschäftigungsstrategie „indirekte“ oder „normative“ Effekte bei den involvierten Akteuren erzielt, die einen wichtigen – sicherlich nicht den einzigen – Bestandteil eines politischen Prozess darstellen, an dessen Ende die unterschiedlichen Beschäftigungspolitiken stehen (Ashiagbor 2004, S. 315; New Modes of Governance 2005, S. 6). Dabei lassen sich grob drei Erklärungsansätze unterscheiden.

Ein erster Erklärungsansatz geht davon aus, dass sich die konkrete Einflussnahme der europäischen Beschäftigungsstrategie vor allem dadurch vollzieht, dass sie unterschiedliche Akteure in einen politischen Aushandlungsprozess einbindet, der – trotz seiner „weichen“ Charakteristika – eine Angleichung der ideellen oder diskursiven Grundlagen der europäischen Beschäftigungspolitik bewirkt (New modes of governance 2005, S. 6; Zeitlin 2005, S. 9). So erhält insbesondere das gemeinsame „framework-establishing“ (Ashiagbor 2004, S. 523) eine wichtige Funktion für MOK, weil sich hier die Vertreterinnen und Vertreter der beteiligten Institutionen auf einen gemeinsamen politischen Zugang einigen. Die Entwicklung der europäischen Beschäftigungsstrategie in den letzten Jahren zeigt nun, dass es tatsächlich gelungen ist, die Agenda einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik dauerhaft zu stabilisieren und eine Harmonisierung der Regierungsdoktrinen in diesem Feld voranzutreiben. Zwar liege in der MOK immer größere Konvergenz im Diskutieren als im Handeln vor (so hinsichtlich der MOK im Bereich der Steuerpolitik Radaelli 2003, S. 525), grundsätzlich aber befördere sie eine programmatische Angleichung. Die europäische Beschäftigungsstrategie bewirkt in dieser Perspektive vor allem eine Sozialisierung der Eliten in Politik und Verwaltung, die schließlich die gemeinsam entwickelten Standards internalisieren und in nationale Reformprojekte einfließen lassen.

An einem früheren Zeitpunkt im politischen Prozess setzt ein zweiter Erklärungsansatz an. Hier ist es nicht nur die politische Sozialisierung entlang gemeinsamer politischer Standards, sondern der kognitive Rahmen der europäischen Beschäftigungsstrategie, der letztlich Einfluss auf die Beschäftigungspolitik in Europa ausübt (López-Santana 2007, S. 25). Dazu gehören insbesondere das Berichts- und Evaluationswesen sowie die durch die Kommission und externe Agenturen aufgeworfenen Problematisierungen. Sie produzieren eine Wahrnehmung der beschäftigungspolitischen Herausforderungen in Europa, die sich dann beschäftigungspolitische Entscheidungsträger zu eigen machen. Davon ausgehend werden politische Handlungsstrategien entworfen, die möglichst aussichtsreich auf die benannten Problemstellungen reagieren. Insofern befinden sich die involvierten Akteure weniger in einem deliberativen Verfahren, an dessen Ende gemeinsame Standards stehen. Eher sind sie Teil eines schon konstituierten kognitiven Gerüsts, in dem Fakten und Herausforderungen gegeben sind, die nicht mehr zur Disposition gestellt werden können. In dieser Perspektive etabliert die europäischen Beschäftigungsstrategie ein „discursive regulatory framework“ (Jacobsson 2004, S. 356), das Konvergenzen durch kognitive Mechanismen und Problemproduktionen stimuliert: Das Spektrum möglicher politischer Standards wird in den kognitiven Rahmen der europäischen Beschäftigung eingebettet und damit gleichsam eingeschränkt. Im Gegensatz zum ersten Erklärungsansatz setzt der zweite Erklärungsansatz schon bei der Identifizierung von Problemstellungen und des Agenda Settings an (López-Santana 2007, S. 13).

Ein dritter Erklärungsansatz stellt die direkte Einflussnahme der europäischen Beschäftigungsstrategie auf die politischen Kräfteverhältnisse innerhalb der Mitgliedsstaaten in den Mittelpunkt (siehe Büchs 2007, S. 26; Mosher u. Trubek 2003, S. 82). Hier repräsentiert die europäische Beschäftigungsstrategie einen zusätzlichen „reform lever“ (Büchs 2007, S. 26) oder einen „selective amplifier of national reform“ (Visser 2005), der insbesondere politische Akteure stärkt, die danach streben die jeweilige Beschäftigungspolitik am Leitbild einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik auszurichten. Diese können sich in politischen Auseinandersetzungen auf die europäische Beschäftigungsstrategie berufen und so ihre politischen Vorschläge popularisieren. Mosher und Trubek versprechen sich durch die europäische Beschäftigungsstrategie beispielsweise eine Stärkung der „modest reformers“ in der EU, die sich jenseits der „alten“ Sozialdemokratie und neoliberaler Deregulierung bewegen und auf zusätzliche Legitimations- und Machtressourcen für die Durchsetzung ihrer Ziele angewiesen sind:

The issue is, to what degree will the pressure of the EES help the efforts of the modest reformers in political struggles over the future of the welfare state? (…) Thus, in a country where political support for the welfare state ist strong, but supporters are split between those who accept the need for recalibration and those who oppose any change whatsoever, the EES can strengthen the hand of the moderate reformers (Mosher u. Trubek 2003, S. 82).

Da die europäische Beschäftigungsstrategie eine aktivierende Arbeitsmarktpolitik privilegiert, können in politischen Konfliktkonstellationen innerhalb der Mitgliedsstaaten diejenigen Akteure machtpolitisch profitieren, die selbst den Umbau von Wohlfahrtsstaatlichkeit entlang dieser beschäftigungspolitischen Programmziele vorantreiben.

Sicherlich erfassen alle drei Erklärungsansätze einzelne Momente der europäischen Beschäftigungsstrategie, doch sie weisen mindestens zwei Problemebenen auf: Wenn die europäische Beschäftigungsstrategie – wie der zweite und dritte Erklärungsansatz annehmen – einen politischen Prozess darstellt, der nicht in erster Linie durch herrschaftsfreie Deliberation und politisches Lernen gekennzeichnet ist, sondern einen Bestandteil des machtförmig strukturierten politischen Feldes ausmacht, dann liegt es nahe die europäische Beschäftigungsstrategie einer Analytik zuzuführen, die ausdrücklich machtanalytische Überlegungen zum Ausgangspunkt wählt. Bisher sind machtanalytische Aspekte allerdings in den vorliegenden Erklärungsansätzen entweder anderen Analysekategorien nachgeordnet oder sie beziehen sich ausschließlich auf im engeren Sinne politische Kräfteverhältnisse zwischen Parteien oder Eliten. Zudem ist auf einer zweiten Problemebene unklar, wie sich die einzelnen Momente politischer Einflussnahmen aufeinander beziehen lassen: Bisher stehen die programmatische Sozialisierung politischer Eliten, die Begrenzung möglicher politischer Handlungsstrategien durch kognitive Rahmensetzung und der „lock-in“-Effekt in politische Kräfteverhältnisse nebeneinander. Die Gouvernementalitätsanalyse hat den Vorteil, dass sie ein ausdrücklich machanalytisches Register bereithält und zusätzlich die unterschiedlichen Ebenen der Einflussnahme als gouvernementale Machtökonomie kontextualisieren kann.

5 Potentiale der Gouvernementalitätsanalyse

Die Gouvernementalitätsanalyse macht in der europäischen Beschäftigungsstrategie den Stützpunkt einer modernen Machtökonomie aus, die dauerhaften Einfluss auf die Anatomie politischer Rationalitäten im Bereich der Beschäftigungspolitik ausübt. Dieser Typus regulativer Macht basiert maßgeblich auf der Konstitution politischen Wissens und eigenen Erkenntnis- und Wahrheitsfeldern, die schon in der Problembeschreibung die Agenda einer aktivierenden Arbeitsmarktpolitik privilegieren und andere, alternative Strategien nicht verteidigungsfähig erscheinen lassen. Zu dieser epistemischen Strukturierung politischer Rationalitäten tritt dann ein vielschichtiges Set an Führungs- und Selbstführungsmechanismen von Kommission, Rat und Mitgliedsstaaten, in denen sich diese politischen Rationalitäten dauerhaft verankern und mit unterschiedlichen Regierungstechniken flankiert werden. Zudem wird deutlich, dass die europäische Beschäftigungsstrategie von der Dominanz der gouvernementalen Verwaltung in der Kommission und den nationalen Ministerien geprägt ist und Ansprüche an partizipative politische Steuerung bisher nicht erfüllt. Hier würde eine „realistische“ Geschichte der europäischen Beschäftigungsstrategie auf den Zusammenhang ihrer Verfahren und ihrer inhaltlich-politischen Ambitionen verweisen: Einerseits bündelt dieser Bezugsrahmen den gegenwärtigen beschäftigungspolitischen common sense in Europa, andererseits strahlt er durch seine Empfehlungen und die Produktion eines Wahrheitsregimes auf die politischen Rationalitäten im Bereich der Beschäftigungspolitik aus.

Neben dem Potential unterschiedliche Ebenen der Einflussnahme durch die MOK systematisch zueinander in Beziehung zu setzen kann sich die Gouvernementalitätsanalyse zu einer Analytik der Machtverhältnisse entfalten, die in der europäischen Beschäftigungsstrategie wirksam sind. Bisher ist eine Untersuchung der MOK unter explizit machtanalytischen Gesichtspunkten nur in Ansätzen erfolgt (siehe Haahr 2004; Dale 2004).Footnote 36 Der Beitrag der Gouvernementalitätsanalyse ist dabei in doppelter Hinsicht interessant: Zum einen bindet sie die Machtausübung in der MOK an einen Typus regulativer Macht an, der für den Modernisierungsprozess paradigmatisch ist. Damit nimmt sie eine gesellschaftstheoretische Einordnung vor, die die bisherigen Analysen nicht leisten, da sie die MOK entweder einseitig zum Ausdruck normativer Erwartungen an modernes Netzwerk-Regieren stilisieren oder nur auf politisch-institutionelle Aushandlungsprozesse verengen. Zum anderen leistet die Analytik der Macht einen kritischen Beitrag zur Diskussion um die MOK und die europäische Beschäftigungsstrategie. Indem sie einen machtanalytischen Beschreibungsmodus wählt, macht sie darauf aufmerksam, dass die MOK und die europäische Beschäftigungsstrategie Teil eines umkämpften Prozesses sind, der eigene Selektivitäten etabliert und nur noch bestimmte politische Reaktionsmuster „rational“ erscheinen lässt. Diese Selektivitäten besitzen nichts „Natürliches“ oder „Wesenhaftes“, sie sind nicht nur verfestigt, sondern auch kontingent. Zwar erscheint es nicht möglich die „Kraftlinie“ (STB, S. 162) der Gouvernementalität komplett zu hintergehen, sehr wohl können die herrschenden politischen Rationalitäten aber durch alternative Ursachenbeschreibungen und politische Handlungsstrategien herausgefordert werden.