1 Einleitung

Der Aufstieg der sogenannten Plattformökonomie verändert auch, wie bezahlte Arbeit organisiert wird (Kenney und Zysman 2016). In einem Teilsegment der Plattformökonomie betreiben Internetunternehmen, wie Uber, Airbnb, Deliveroo oder Upwork, Arbeitsplattformen (Schmidt 2016), auf denen Einzelpersonen als externe Anbieter ihre Arbeitsleistungen direkt für Kunden anbieten, ohne dass ein Beschäftigungsverhältnis mit den Unternehmen besteht. Diese Internetunternehmen organisieren als Profiteure digitale Marktplätze für bezahlte Arbeit (Ahrne et al. 2015). Damit das Geschäftsmodell dieser Marktorganisatoren erfolgreich funktioniert, muss viel Arbeit geleistet werden: Beispielsweise fahren externe Anbieter Autos, richten Zimmer her, liefern Essen aus oder programmieren Software. Vielfältige bezahlte Arbeitsleistungen werden so auf digitalen Marktplätzen durch Marktorganisatoren abgewickelt und in einer neuen Art und Weise organisiert.

Auf neuartige Formen der Organisation der Arbeit in der Plattformökonomie wird derzeit häufig mit Kunstworten wie „Cloudwork“ oder „Gigwork“ aufmerksam gemacht (bspw. Boes et al. 2015; Nachtwey und Staab 2015; Davis 2016; Greef und Schroeder 2017; Eichhorst et al. 2017). Nach Schmidt (2016) beschreibt Cloudwork (teilweise auch als „Crowdwork“ oder „Online-Arbeit“ bezeichnet)Footnote 1 bezahlte, nicht ortsgebundene Arbeitsaufgaben, die Arbeitsplattformen an externe Anbieter vermitteln. Der Arbeitsprozess erfolgt dabei vollständig digital. Beispielsweise umfasst das Logo-Designs, Software-Programmierung oder Datensatzprüfungen. Dagegen bezeichnet Gigwork über Arbeitsplattformen vermittelte Aufgaben, die an festgelegten Orten erfolgen, wie beispielsweise Übernachtungs‑, Fahr- oder Lieferdienstleistungen. Das häufiger diskutierte Cloudwork und das bisher weniger untersuchte Gigwork beschreiben jeweils Teilfelder in der Plattformökonomie. Bei allen diesen Formen der Plattformökonomie koordinieren Organisatoren digitaler Marktplätze bezahlte Arbeitsaufträge von Einzelpersonen als externe Anbieter.

Der Stand der aktuellen Debatte zur Arbeit in der Plattformökonomie ist derzeit uneindeutig, lässt sich aber mit der These einer radikalen Transformation zuspitzen. Beispielsweise postulieren Boes et al. (2015, S. 80), „… dass nahezu jegliche Wertschöpfungstätigkeit durch Crowdsourcing erbracht werden kann …“. Cloudwork setzt demnach die betriebliche Organisation von Arbeit auf’s Spiel. Aus einer organisationssoziologischen Perspektive heraus schlussfolgert Davis (2016) ganz ähnlich. Er bezeichnet mit dem Begriff „Uberization“ einen Prozess, in dem Internetunternehmen, wie Uber, einzelne Aufgaben traditioneller „Jobs“ zerlegen und durch Gigwork ersetzen. Dieser Prozess verläuft nach Davis so tiefgreifend, dass klassische Annahmen zu Betrieb und Beschäftigung ihre Grundlage verlieren. In einer radikalen Transformation drohe, zugespitzt, letztlich das Ende der betrieblichen Arbeitswelt.

Dagegen formulieren andere Beiträge vorsichtiger und vermuten eine begrenzte Transformation. Diese Vorsicht speist sich vor allem aus dem empirischen Ausmaß der Plattformökonomie (Überblick bei Maier und Viete 2017; Pongratz und Bormann 2017; Bonin und Rinne 2017). Einige Autoren bewerten den heutigen Umfang als überschaubar, vermuten aber, dass zukünftiges Wachstumspotenzial bestehe (bspw. Schmidt 2016; Eichhorst et al. 2017). Diese vorsichtigere Position widerspricht der These einer radikalen Transformation. Offenbar bestehen erhebliche Grenzen für eine schnelle Ausbreitung der Arbeitsplattformen als eine zentrale Form der Plattformökonomie.

Die Frage nach den Grenzen wiederum verdeutlicht ein schwerwiegendes Defizit der aktuellen Forschung: Wie genau die Organisatoren digitaler Marktplätze die Arbeit organisieren, ist bisher insbesondere theoretisch nicht ausreichend fundiert (vgl. Kenney und Zysman 2016). Letztlich fehlen hier tragfähige konzeptionelle Grundlagen für die Organisation der Arbeit auf digitalen Marktplätzen und daraus ableitbare Aussagen zu deren Grenzen. Die Arbeitsplattformen der Plattformökonomie verschieben die Perspektive weg vom Betrieb als klassischem Ort der Organisation von Arbeit. An die Stelle des Betriebes tritt ein Marktorganisator, der auf einem digitalen Marktplatz die bezahlte Arbeitsleistung von Einzelpersonen als externe Anbieter koordiniert. Bislang gibt es jedoch kaum theoretisch fundierte Anhaltspunkte, wie genau die Marktorganisatoren diese bezahlte Arbeit tatsächlich organisieren.

Die geschilderten Überlegungen werfen zwei Kernfragen für diesen Artikel auf: Da Arbeit nicht in Betrieben, sondern auf Arbeitsplattformen durch Marktorganisatoren als digitaler Marktplatz organisiert wird, stellt sich die Frage nach den Grundlagen: (a) Auf welchen Elementen der Organisation basiert die Arbeit auf diesen digitalen Marktplätzen? Daran anschließend lässt sich nach den praktischen Lösungen fragen: (b) Wie lösen Marktorganisatoren grundlegende Probleme der Organisation von Arbeit auf ihren digitalen Marktplätzen? Mit diesen Lösungen der grundlegenden Probleme wiederum sollten sich die Grenzen der Organisation von Arbeit auf digitalen Marktplätzen abzeichnen.

Um diese zwei Fragen zu beantworten, nutzt der Artikel den Ansatz der Organisation von Märkten (Ahrne et al. 2015) und greift organisationssoziologische Grundlagen entlang von fünf Elementen der Organisation auf. Im Anschluss geht der Artikel davon aus, dass grundsätzliche Probleme der Organisation von bezahlter Arbeit auch für die Organisatoren digitaler Marktplätze fortbestehen. Aus Sicht betrieblicher Beschäftigungssysteme (Struck 2006) stellen sich grundlegende Probleme durch die Schwankungen von Angebot und Nachfrage, durch die erforderlichen Qualifikationen und durch die Sicherstellung der Leistungsbereitschaft. Es wird ein konzeptioneller Ansatz entfaltet, mit dem drei Thesen zur Organisation von Arbeit auf digitalen Marktplätzen formuliert werden. Der Beitrag liefert damit konzeptionell-fundierte Einsichten zu den Grundlagen, die das Arbeiten in der Plattformökonomie auf Arbeitsplattformen ermöglichen. Darauf aufbauend, bestimmt der Beitrag deutliche Grenzen, die die Aktivitäten der Arbeitsplattformen für Cloudwork und Gigwork systematisch einschränken.

2 Arbeitsplattformen als Hybrid zwischen Organisation und Markt

Mit der Plattformökonomie verbreiten sich vielfältige Plattformen in unterschiedlichen Bereichen (Langley und Leyshon 2017; Schulz-Schaeffer 2017; Dolata 2018). Auf einen ersten Blick umfasst diese Vielfalt Suchmaschinen, soziale Netzwerke, Partnerbörsen oder Crowdfunding-Angebote bis zu Cloudcomputing. In dieser Vielfalt stehen oft Plattformen für Cloudwork und Gigwork als Teilbereich der Plattformökonomie, in dem sich ein grundlegender Wandel der Organisation von Arbeit abzeichnet (bspw. Boes et al. 2015; Davis 2016). Genauer handelt es sich bei Cloudwork und Gigwork um Arbeitsleistungen, die auf Arbeitsplattformen angeboten werden (Schmidt 2016). Diese Arbeitsplattformen vermitteln in großem Umfang bezahlte Arbeitsleistungen von Einzelpersonen, die als externe Anbieter Dienstleistungen für Kunden erbringen, ohne dass ein Beschäftigungsverhältnis mit den Arbeitsplattformen vorliegt.

Im Feld der Arbeitsplattformen für Cloudwork und Gigwork besteht derzeit eine unübersichtliche Lage, in der viele Internetunternehmen versuchen, unterschiedlichste Modelle für digitale Marktplätze zu etablieren und mit diesen zu experimentieren. Die Entwicklung steht erst am Anfang, das Feld wächst und ist derzeit hochdynamisch. Stellvertretend für das dynamische Feld der Arbeitsplattformen lassen sich nach Schmidt (2016) sechs Marktplätze herausgreifen, die im Folgenden das theoretische Argument und den daraus abgeleiteten konzeptionellen Ansatz beispielhaft illustrieren sollen.

Drei Gigwork-Marktplätze stehen oft im Zentrum der aktuellen Diskussion: Uber vermittelt weltweit individuelle Fahraufträge mit Privatfahrzeugen. Airbnb vermittelt private Zimmer oder Immobilien für Übernachtungen. Deliveroo betreibt einen Lieferdienst. Fahrer liefern bestelltes Essen von teilnehmenden Restaurants an Kunden. Dieser Marktplatz umfasst Restaurants, organisiert aber auch Fahrer. Im Folgenden liegt der Schwerpunkt auf den Fahrern. Dazu kommen drei Cloudwork-Marktplätze: Upwork vermittelt vielfältige Arbeitsaufträge an Freiberufler. Das umfasst auch professionelle Arbeiten, wie Suchmaschinenoptimierung, Software- und Webdesign. 99designs vermittelt Designentwürfe. Anbieter reichen Entwürfe für ausgeschriebene Wettbewerbe ein. Regulär wird, nach einer Gesamtschau, nur ein Design ausgewählt und bezahlt. Mturk (kurz für: Amazon Mechanical Turk) vermittelt digitalisierte Kleinstaufgaben (Clickwork), wie Bilder zu kategorisieren. Die nachfolgende konzeptionelle Argumentation orientiert sich an allgemeinen Analysen des Feldes und ersten wissenschaftlichen Publikationen zu den Beispielmarktplätzen (hierzu insbesondere Leimeister 2016; Rosenblat und Stark 2016; Schmidt 2016, 2017; Hall und Krueger 2017; Maier und Viete 2017; Pongratz und Bormann 2017; Vogl 2018; Wood et al. 2018).

Allein der Begriff digitaler Marktplatz legt nahe, die Arbeitsplattformen pauschal als einfache Märkte für Arbeitsleistungen zu fassen. Für Ökonomen erscheinen diese digitalen Marktplätze als eine Variante mehrseitiger Märkte, auf denen unterschiedliche Akteure (Anbieter und Kunden) einander erst finden müssen, um eine erfolgreiche Transaktion vollziehen zu können (Langley und Leyshon 2017). In dieser Sichtweise senken digitale Marktplätze vorrangig Transaktionskosten und erscheinen als eine einfache Wettbewerbsinfrastruktur, die mit frei verhandelten Dienstverträgen Angebot und Nachfrage lediglich kurzschließt. Eine solche Perspektive würde jedoch zentrale Eigenschaften digitaler Marktplätze dramatisch übersehen, denn viele derzeit erfolgreiche digitale Marktplätze werden durch profitorientierte Unternehmen organisiert (Ahrne et al. 2015). Diese Marktorganisatoren bieten als Profiteure externen Anbietern und Kunden einen digitalen Marktplatz, dessen Infrastruktur Transaktionen ermöglicht, garantiert und absichert, Zahlungen abwickelt und Systemvertrauen schafft. Dafür verlangen diese Marktorganisatoren eine Transaktionsgebühr (Kirchner und Beyer 2016).Footnote 2

In der Literatur wird das besondere Beziehungsmuster auf digitalen Marktplätzen für bezahlte Arbeit teilweise als Dreiecksverhältnis beschrieben (siehe Abb. 1b). Ein Marktorganisator organisiert den Marktzugang jeweils für externe Anbieter und Kunden. Externe Anbieter erbringen eine Leistung für Kunden in einer marktförmigen Anbieter-Kunden-Beziehung. Die Ressourcen und Risiken der Leistungserbringung verbleiben überwiegend bei den externen Anbietern, teilweise auch bei den Kunden.Footnote 3 Externe Anbieter agieren als Einzelpersonen selbstständig auf dem digitalen Marktplatz. Kunden leisten wichtige Beiträge für die Wertschöpfung, insbesondere indem sie externe Anbieter bewerten (Kleemann et al. 2008; Bauer und Gegenhuber 2015).

Solche Darstellungen digitaler Marktplätze übersehen jedoch leicht, dass für reguläre Dienstleistungsbetriebe ebenfalls ein Dreiecksverhältnis besteht, indem der Dienstleistungsbetrieb selbst als Anbieter am Markt auftritt (siehe Abb. 1a; vgl. Dunkel und Weihrich 2018). Dabei erbringen Beschäftigte die Leistungen im Auftrag und im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses. Auch hier formt sich ein Dreieck, in dem sich Marktrisiken und Ressourcen jedoch ganz anders verteilen. Mit dem Beschäftigungsverhältnis verbleibt ein Großteil der Risiken und Ressourcen bei der betrieblichen Organisation. Dagegen verwandelt der digitale Markplatz Organisationsbeziehungen in Marktbeziehungen, die durch den Marktorganisator gerahmt werden. Auf digitalen Marktplätzen agieren externe Anbieter und Kunden außerhalb der betrieblichen Arbeitswelt, d. h. ohne Beschäftigungsverhältnis und fernab betrieblicher Regulierung von Arbeit und Leistungserbringung.

Abb. 1
figure 1

Dreiecksverhältnisse – Dienstleistungsunternehmen (a) und Marktorganisator (b). (Quelle: eigene Darstellung, vgl. Schmidt 2016; und Greef und Schroeder 2017)

Mit den Arbeitsplattformen bricht die Plattformökonomie mit der betrieblichen Arbeitswelt. Traditionell gilt die betriebliche Organisation von Arbeit mit formalen Beschäftigungsverhältnissen als dominante Lösung in modernen Industriegesellschaften (Marsden 1999). Hauptgrund sind die Grenzen einfacher vertraglicher Lösungen (Coase 1937; Simon 1951), die für Auftraggeber und für Auftragnehmer riskant sind. Historisch verringert gerade die Organisation von Arbeit in Betrieben dieses Risiko (Krause und Köhler 2011). Die Arbeitsplattformen vermitteln bezahlte Arbeitsleistungen von Einzelpersonen im großen Umfang direkt auf digitalen Marktplätzen und stellen damit grundlegende Prinzipien der betrieblichen Arbeitswelt in Frage (Davis 2016).

Arbeitsplattformen besiedeln als Hybride einen Graubereich zwischen Organisation und Markt. Für diese digitalen Marktplätze erscheint damit eine sich wechselseitig ausschließende Gegenüberstellung von Markt oder Organisation nicht zielführend. Hochspezialisierte Marktorganisatoren betreiben digitale Marktplätze, indem sie Organisation und Markt verbinden (Ahrne et al. 2015), um bezahlte Arbeitsleistungen zu koordinieren. Im Anschluss an Ahrne et al. (2015) lässt sich hier genauer fragen, welche Elemente die Organisatoren digitaler Marktplätze installieren, um die bezahlte Arbeit von Einzelpersonen zu koordinieren.

3 Grundlagen: Vom Betrieb zum Organisator digitaler Marktplätze

Ahrne et al. (2015) schlagen vor, unterschiedlichste Organisationsformen entlang von fünf Kernelementen der Organisation zu untersuchen. Das sind Mitgliedschaft, Regeln, Überwachung, Sanktionen und Hierarchie. Diese fünf Elemente der Organisation werden durch Entscheidung Teil einer Ordnung und beschreiben zentrale Eckpunkte formaler Organisationen. In einer idealtypisch gedachten betrieblichen Organisation von Arbeit prägen sich die fünf Elemente der Organisation wie folgt aus:

Mitgliedschaft basiert auf einem vertraglich geregelten Beschäftigungsverhältnis. Personen werden durch Einstellung formelle Mitglieder (vgl. Krause und Köhler 2011). Eine Kündigung beendet die Mitgliedschaft. Regeln werden durch die Organisation festgelegt und funktionieren im Kern als System formaler Bürokratie. Die Überwachung der Tätigkeiten und Leistungen der Beschäftigten erfolgt im Betrieb insbesondere durch Führungskräfte. Sanktionen werden bei Nichteinhaltung der Regeln verhängt. Außerdem kann die überwachte Leistung der Beschäftigten positiv oder negativ sanktioniert werden. Eine finale negative Sanktion erfolgt durch die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses. Hierarchie ist durch die Betriebsorganisation bestimmt, in der insbesondere Führungskräfte persönlich Arbeitsanweisungen erteilen, Regeln festlegen, deren Ausführung überwachen und Beschäftigte sanktionieren (vgl. Mintzberg 1973).

Ein idealtypisch gedachter Betrieb füllt die fünf Organisationselemente vollumfänglich aus. Das überrascht nicht, denn die betriebliche Organisation von Arbeit ist einer, wenn nicht sogar der zentrale Bezugspunkt der Organisationsforschung für eine vollständig ausgebildete formale Organisation. Genau diese Vorstellung einer formalen Organisation der Arbeit im Betrieb dient der aktuellen Diskussion oftmals als Schablone. Fälle, die nicht in diese Schablone passen, werden als abweichend bestimmt (vgl. Davis 2016). Der Aufstieg der Plattformökonomie verschiebt nun den Blick weg von Betrieben hin zu den Organisatoren digitaler Marktplätze.

3.1 Fünf Elemente und die Organisatoren digitaler Markplätze – ein allgemeines Modell

Nach Ahrne und Brunsson (2011) finden sich die fünf Elemente, einzeln oder kombiniert, auch außerhalb formaler Organisationen. Das betrifft auch Märkte (Ahrne et al. 2015). Dort definieren die fünf Elemente beispielsweise die Rollen der Anbieter und der Kunden und legen deren Beziehungen, Rechte und Pflichten fest. Insofern eignet sich die Heuristik der fünf Elemente der Organisation besonders gut dafür, neuartige, bisher unklare Organisationsformen zu bestimmen und diese mit etablierten Formen abzugleichen.

Entlang der fünf Elemente arbeitet dieser Abschnitt ein allgemeines Modell heraus. Auf allgemeinen Vorarbeiten von Kirchner und Schüßler (2019) aufbauend, spiegelt dieses Modell auch allgemeine Eigenschaften der sechs Beispielmarktplätze wider und fokussiert die Position der externen Anbieter als diejenigen Personen, die die Arbeitsleistung erbringen:

Mitgliedschaft. Marktorganisatoren verlangen, dass externe Anbieter einen Account erstellen. Der Account fordert von den Anbietern ein, ihre Identität aufzudecken und den Marktplatzregeln zuzustimmen. Anbieter können im Rahmen ihres Accounts aktiv sein (bspw. Angebote einstellen oder Aufträge annehmen). In der Regel verpflichten sich Anbieter erst mit einer Auftragsannahme und arbeiten dann formal als Selbstständige, oft im rechtlichen Rahmen von Softwarenutzungsverträgen (Schmidt 2016).

Regeln. Marktorganisatoren legen Regeln fest, die bestimmen, welche Angebote zulässig sind und wie Informationsaustausch und Markttransaktionen ablaufen. Einerseits werden diese Regeln als allgemeine Geschäftsbedingungen ausdrücklich formuliert (Schmidt 2016). Damit regeln Marktorganisatoren die Konditionen und teilweise auch die Preise für Leistungen auf den Marktplätzen. Andererseits installieren Marktorganisatoren eine Vielzahl formaler Regeln, wobei Webseiten oder App-Oberflächen nur vorab programmierte Prozesse ausführen oder es lediglich erlauben, aus vorgegebenen Optionen zu wählen. In Erweiterung formaler Bürokratie erscheinen diese digitalen Regeln als Teil eines Regimes „algorithmischer Bürokratie“, in der die Marktorganisatoren einfache „Wenn-A-dann-tue-B-Regeln“ mit ihren digitalen Infrastrukturen festlegen (Kirchner und Schüßler 2019).

Überwachung. Viele Marktorganisatoren überwachen die Anbieteraktivitäten insbesondere mit zwei Maßnahmen: Einerseits dokumentieren Kundenbewertungssysteme die Aktivitäten einzelner Anbieter. Häufig bewerten Kunden die subjektiv wahrgenommenen Leistungen der Anbieter, beispielsweise auf einer 5er-Skala (Rating), entlang komplexer Fragen oder formulieren freie Kommentare. Andererseits protokollieren einige Marktorganisatoren mit Prozessdaten der technischen Infrastruktur die Aktivitäten der externen Anbieter, wenn diese die Webseiten oder Apps benutzen (Schmidt 2016). Das beinhaltet beispielsweise die Anzahl der Transaktionen oder die Antwortdauer. Zusätzlich erfassen einige Marktorganisatoren mit GPS-Daten die Bewegungsprofile (Tracking) oder nehmen stichprobenartig Bildschirmfotos auf und verpflichten Anbieter dazu, ihre Arbeitszeiten selbst aufzuzeichnen.

Sanktionen. Marktorganisatoren verfügen über mehrere Möglichkeiten, externe Anbieter positiv und negativ zu sanktionieren. Durch einen Marktplatzausschluss sanktionieren Marktorganisatoren einzelne Anbieter direkt. Tatsächlich verhindert aber bereits die technische Infrastruktur einen Großteil von nicht regelkonformen Aktivitäten, da nur vorgegebene Prozesse zulässig sind. Eine weitere Sanktionsmöglichkeit besteht in dem Einfluss von Kundenbewertungen und Prozessdaten auf die Transaktionsbedingungen. Schlechte Bewertungen und negative Werte aus Prozessdaten sanktionieren Anbieteraktivitäten: Umsätze sinken und Aufträge bleiben aus. Andersherum belohnen gute Werte die Anbieter. Damit prägen Bewertungen und Prozessdaten die Transaktionsbedingungen auf digitalen Marktplätzen und ersetzen teilweise den Preis als primäres Marktsignal (dazu Aspers und Darr 2017).

Hierarchie. Im digitalen Marktplatz nehmen Marktorganisatoren eine machtvolle Position ein (vgl. Dolata 2015). Sie treffen als formale Organisationen bindende Entscheidungen, bestimmen über die Mitgliedschaft der externen Anbieter, geben Regeln vor, überwachen diese Regeln und betreiben Systeme, die Verstöße und Leistungen sanktionieren. Dabei können die externen Anbieter Entscheidungen meist nicht direkt beeinflussen oder mitbestimmen (Schmidt 2016). Sie nehmen die Regeln, Überwachung und Sanktionen entweder hin oder sie verlassen den digitalen Markplatz.

3.2 Vergleich der Organisation der Arbeit: Betrieb vs. Organisatoren digitaler Marktplätze

Entlang der fünf Elemente der Organisation lassen sich die idealtypischen Eigenschaften betrieblicher Organisation der Arbeit und die gerade herausgearbeiteten generellen Eigenschaften der Organisation von Arbeit auf digitalen Marktplätzen vergleichen.

Die Organisatoren digitaler Marktplätze besetzen alle fünf Elemente der Organisation. Einerseits beruhen digitale Marktplätze, wie auch Betriebe, im Kern auf Koordinationsmechanismen der Organisationselemente. Andererseits unterscheiden sich die Elemente auf den digitalen Marktplätzen deutlich (vgl. Kirchner und Schüßler 2019): Die Mitgliedschaft über einen Account auf dem Marktplatz ist eine vergleichsweise schwache Form, da die Mitglieder in der Regel keine direkten Anweisungen erhalten, sondern Aufträge eigenständig annehmen. Das verhindert, dass die externen Anbieter rechtlich als Beschäftigte gelten (vgl. Hanau 2016). Mit dem Account unterlaufen die Marktorganisatoren auf ihren digitalen Marktplätzen große Teile betrieblicher Vorgaben und Pflichten. Dagegen werden Regeln auf digitalen Marktplätzen auch formal, also explizit aufgestellt. Die algorithmische Bürokratie definiert hier allgemeine Regeln und gibt die Prozesse der technischen Infrastruktur vor. Überwacht und sanktioniert wird hauptsächlich durch technische Maßnahmen. Dafür werden Prozessdaten aufgezeichnet und Kundenbewertungen mit den Accounts verknüpft.

In der Praxis changieren die Arbeitsplattformen damit als Hybrid zwischen Organisation und Markt. Mit dem Umfang und der Ausgestaltung von Mitgliedschaft, Regeln, Überwachung, Sanktionen und Hierarchie variiert jedoch jeweils der Organisationsgrad digitaler Marktplätze.

Die fünf Elemente, die die Marktorganisatoren installieren, beschreiben eine notwendige Grundlage digitaler Marktplätze. Die Fähigkeit, Arbeit auf digitalen Marktplätzen erfolgreich zu organisieren, setzt voraus, dass die fünf Elemente der Organisation auf die Arbeitsleistungen anwendbar sind. Um jedoch Arbeitsleistungen auf den digitalen Marktplätzen tatsächlich erfolgreich zu organisieren, müssen die Marktorganisatoren zudem grundlegende Koordinationsprobleme der Organisation von Arbeit lösen. Diese Probleme und die Lösungsversuche behandelt der folgende Abschnitt.

4 Grenzen: Drei Koordinationsprobleme der Organisation von Arbeit

Die Lücke zwischen den Arbeitsplattformen der Plattformökonomie und der etablierten Forschung zur Organisation von Arbeit tut sich auf, da die Organisatoren digitaler Marktplätze nicht mehr auf betriebliche Lösungen zurückgreifen. Stattdessen koordinieren sie eine Vielzahl von Einzelpersonen auf Arbeitsplattformen. Gleichzeitig lässt sich annehmen, dass Betriebe und Organisatoren digitaler Marktplätze jeweils von grundlegenden Problemen der Organisation von Arbeit betroffen sind. Diese Betroffenheit gilt in dem Umfang, in dem die Marktorganisatoren Arbeitsleistungen von externen Anbietern regeln, überwachen und sanktionieren, um Markttransaktionen zu ermöglichen. Entsprechend müssen die Marktorganisatoren hier alternative Lösungen für grundlegende Probleme finden oder ihre Aktivitäten einschränken.

Die folgenden Abschnitte führen erst in die grundlegenden Probleme der betrieblichen Arbeitswelt ein und wenden diese Probleme dann auf die Organisatoren digitaler Marktplätze an.

4.1 Drei Probleme betrieblicher Beschäftigungssysteme: Schwankung, Qualifikation und Leistung

In der betrieblichen Arbeitswelt wird Arbeit vielfältig organisiert. Das Konzept der Beschäftigungssysteme ist ein zentraler Ansatz, der diese betriebliche Vielfalt untersucht (bspw. Marsden 1999; Haunschild 2002; Hauff et al. 2014). Zentrale deutschsprachige Forschungskonzepte betrachten die betriebliche Vielfalt als Frage der Organisation von Arbeit in betrieblichen Beschäftigungssystemen (Köhler et al. 2008; Krause 2013). Im Anschluss an die existierende Literatur lässt sich argumentieren, dass drei Probleme die betrieblichen Beschäftigungssysteme im Kern charakterisieren (hierzu insbesondere Struck 2006, S. 99 ff.; ähnlich Nienhüser 2007; Köhler und Krause 2010; Krause und Köhler 2011). Das umfasst Schwankungen der betrieblichen Umwelt (insbesondere als Schwankungen von Angebot und Nachfrage am Markt), die Verfügbarkeit von Arbeitskräften mit erforderlichen Qualifikationen sowie die Sicherstellung der Leistungsbereitschaft der Arbeitskräfte. In allen drei Bereichen müssen hier Betriebe und Beschäftigte zueinanderfinden, um die Arbeit im Betrieb erfolgreich und kontinuierlich zu organisieren.

Die drei benannten Probleme lassen sich im Folgenden pointiert als Probleme der Schwankung, der Qualifikation und der Leistung skizzieren.

4.1.1 Problem der Schwankung: Was passiert, wenn Angebot und Nachfrage schwanken?

Ein zentrales Problem für die betriebliche Organisation von Arbeit ist die unsichere Umwelt (Struck 2006; vgl. Nienhüser 2007; Hohendanner und Gerner 2010; Krause und Köhler 2011). Einerseits prägt eine unsichere Umwelt die betriebliche Organisation von Arbeit, beispielsweise als wechselhafte Marktnachfrage oder als technologischer Wandel. Andererseits schwankt auch die Bereitschaft, überhaupt Arbeitskraft anzubieten. Betriebe bündeln daher Arbeitsaufgaben in Stellen und verknüpfen Stellen durch ein vertraglich geregeltes Beschäftigungsverhältnis mit Einzelpersonen (Marsden 1999; Köhler und Krause 2010). Die Person ist für die Zeit des Beschäftigungsverhältnisses vor Marktrisiken geschützt und bearbeitet die angewiesenen Aufgaben. Gerade die wechselseitige Bindung durch das Beschäftigungsverhältnis erlaubt Anpassungen an eine unsichere Umwelt. Einfache Dienstverträge gelten oft als aufwändiger (grundlegend Coase 1937; Simon 1951).

In der Praxis reagieren Betriebe sehr unterschiedlich auf Schwankungen (Atkinson 1984). Einerseits federn sie Umweltschwankungen ab, um Beschäftigte eng an sich zu binden. Betriebe bauen dazu überschüssige Ressourcen auf, beispielsweise durch bezahlte Bereitschaftsdienste oder zeitlich begrenzte Unterauslastung. Zudem reagieren manche Betriebe mit Überstunden oder einer temporären Versetzung von Beschäftigten in andere Aufgabenfelder. Andererseits verlagern Betriebe die Umweltschwankungen direkt in die Beschäftigung und gehen so eine schwächere Bindung mit Beschäftigten ein, beispielsweise durch Einstellungen oder Kündigungen, aber auch durch Leiharbeit.

4.1.2 Problem der Qualifikation: Wie sind die erforderlichen Qualifikationen verfügbar?

Ein zweites Problem besteht bei den Qualifikationen, über die Beschäftigte verfügen müssen, um die anstehende Arbeit zu leisten (Struck 2005; Krause und Köhler 2011). Für Betriebe stellt sich damit die Frage, ob und in welcher Form die erforderlichen Qualifikationen überhaupt verfügbar sind. Beschäftigte dagegen sind gefragt, ob sie Zeit und Aufwand in bestimmte Qualifikationen investieren. Dabei gibt es vielfältige Fähigkeiten und Kenntnisse, die unterschiedlich weit verbreitet sind und auf verschiedene Weise erworben werden.

In einer etablierten Einteilung gruppieren Lutz und Sengenberger (1974, S. 57 ff.; ähnlich Marsden 1999; Köhler und Krause 2010) Beschäftigte entlang von drei Qualifikationsformen: Allgemeine Qualifikationen umfassen unspezifische Fähigkeiten und Kenntnisse, die oft im Überschuss verfügbar sind, wie beispielsweise Lesen, Rechnen oder Autofahren. Berufsfachliche Qualifikationen beschreiben zertifizierte Fähigkeiten und Kenntnisse, die in weitestgehend standardisierten Arbeitsplatzprofilen aufgehen. Beispiele sind hier klassische Berufsbilder in der Pflege, im Handwerk oder in der Büroarbeit. Betriebsspezifische Qualifikationen bezeichnen Fähigkeiten und Kenntnisse, die für die Arbeit in bestimmten Betriebsprozessen erst erworben werden müssen. Diese können nicht einfach am Arbeitsmarkt nachgefragt werden und sind bei einem Betriebswechsel schwer übertragbar. Mit diesen drei Gruppen lassen sich entsprechende Arbeitsmarktsegmente unterscheiden (Lutz und Sengenberger 1974, S. 57 ff.). Diese Segmente prägen wiederum die Grundmuster entsprechender betrieblicher Beschäftigungssysteme (Köhler und Krause 2010).

4.1.3 Problem der Leistung: Wie wird die Bereitschaft für die Arbeitsleistung sichergestellt?

Das dritte Problem der Leistung entsteht durch die untrennbare Verbindung von Arbeitskraft und Person sowie durch eine unvollständige Leistungsbestimmung in Arbeitsverträgen (Struck 2006; vgl. Nienhüser 2007; Krause und Köhler 2011). In einem Beschäftigungsverhältnis arbeiten Personen in einer Mitgliedschaftsrolle für Lohn unter den Bedingungen einer hierarchischen Betriebsorganisation (Köhler und Krause 2010). Im Beschäftigungsverhältnis unterwerfen sich Beschäftigte dem Direktionsrecht des Arbeitgebers, der mit seiner formalen Autorität die nicht spezifizierten Aspekte des Arbeitsvertrages bestimmt und die Arbeitstätigkeiten anleitet (Marsden 1999).

In der klassischen Perspektive von Mintzberg (1973, S. 55 ff.) koordinieren Führungskräfte mit Hilfe formaler Autorität und ihres hierarchischen Status die Arbeitsleistung der Beschäftigten im Betrieb. Beispielsweise vergeben Führungskräfte Arbeitsaufträge und motivieren Beschäftigte. Führungskräfte überwachen Arbeitsprozesse und bewerten Ergebnisse. Führungskräfte entscheiden auch über die Verteilung von Ressourcen, „programmieren“ routinemäßige Arbeitsaufgaben (vgl. March und Simon 1958) und gestalten damit das formale Arbeitssystem. Darauf aufbauend erfolgt die Koordination der Arbeitstätigkeiten nach Mintzberg (1989, S. 100 ff.) entlang unterschiedlicher Mechanismen: direkter Aufsicht durch Führungskräfte, wechselseitiger Anpassung der Beschäftigung sowie Standardisierung, vorrangig durch vorgegebene Prozesse, Ergebnisse und Qualifikationen. Diese Strukturen einer hierarchischen Betriebsorganisation ermöglichen eine Koordination komplexer Arbeitsprozesse im Betrieb.

Während die hierarchische Betriebsorganisation und die Beschäftigungsverhältnisse einen formalen Rahmen abstecken, bleibt ungewiss, ob Beschäftigte ihr Vermögen tatsächlich in Arbeitsleistung übersetzen. Wie Leistungsbereitschaft tatsächlich sichergestellt wird, wird in der Literatur oft als Transformationsproblem behandelt (vgl. Braverman 1974; Berger und Offe 1982). Ein zentraler Anreiz für Leistung ist Lohn, der durch enge Vorgaben oder Freiräume beim Arbeiten ergänzt wird. In der Literatur finden sich grob zwei Pole (vgl. Marrs 2010; Hauff et al. 2014): Einerseits sichern einige Arbeitssysteme die Leistungsbereitschaft durch standardisierte, routinemäßige Tätigkeiten und eine direkte Kontrolle durch Führungskräfte. Andererseits befördern andere Arbeitssysteme die Leistungsbereitschaft, indem sie Freiräume für Beschäftigte erhöhen, eine vertrauensvolle Zusammenarbeit anstreben und Partizipation einfordern.

4.1.4 Beschäftigungssysteme lösen grundlegende Koordinationsprobleme

Betriebliche Beschäftigungssysteme entstehen, wenn Betriebe praktische Lösungen für die gerade eingeführten drei Probleme (Schwankung, Qualifikation und Leistung) kombinieren und so eine betriebliche Ordnung aufeinander bezogener Elemente erzeugen. Dabei verursachen konkrete Konfigurationen Zielkonflikte (Bosch 2010). Beispielsweise untergräbt eine schwache Bindung an Beschäftigte betriebsspezifische Qualifikationen und eine hohe Leistungsbereitschaft (Struck 2006). Vielfältige Konfigurationen sind zwar denkbar, verursachen jedoch spezifische Wechselwirkungen.

Allgemein betrachtet handelt es sich bei den drei geschilderten Problemen im Kern um drei Dimensionen der Unsicherheit betrieblicher Ordnung. In einer erweiterten Perspektive beschreiben die drei ausgeführten Probleme betrieblicher Beschäftigungssysteme insofern drei grundlegende Probleme der sozialen Ordnung der Organisation der Arbeit vor dem Hintergrund der jeweiligen Ungewissheiten (ähnlich allgemein zu Märkten Beckert 2009). Insofern lassen sich die drei Probleme Schwankung, Qualifikation und Leistung als grundlegende Koordinationsprobleme der Organisation von Arbeit behandeln. In dieser Perspektive erfordert eine kontinuierliche Organisation von Arbeit immer eine spezifische soziale Ordnung, in der diese Koordinationsprobleme hinreichend bearbeitet sein müssen.

4.2 Drei Koordinationsprobleme als Grenzen bezahlter Arbeit auf digitalen Marktplätzen

Wie lösen nun die Organisatoren digitaler Markplätze die drei grundlegenden Koordinationsprobleme der Schwankung, der Qualifikation und der Leistung?

4.2.1 Problem der Schwankung auf digitalen Marktplätzen

Auf digitalen Marktplätzen geben die Marktorganisatoren die Schwankungen direkt an die externen Anbieter weiter. Das gelingt den Marktorganisatoren, indem sie bezahlte Arbeitsleistungen in Einzelaufgaben zerlegen, die dann marktförmig angeboten und direkt nachgefragt werden. Während also Betriebe mit formalen Beschäftigungsverhältnissen bestimmte Aufgaben in „Jobs“ bündeln und den unmittelbaren Marktkräften entziehen (Marsden 1999), brechen Marktorganisatoren diese Bündel gezielt auf (Davis 2016). Die Marktrisiken verbleiben überwiegend bei den externen Anbietern, also beispielsweise als Risiken durch Investition in Ausstattung (von einfachen Arbeitsmitteln bis zum vermieteten Haus), Über- oder Unterauslastung bis hin zum Lohnausfall bei Krankheit. Mit vergleichsweise geringen eigenen Ressourcen können die Marktorganisatoren hier sehr flexibel Arbeit marktförmig vermitteln und schnell wachsen (Davis 2016). Das führt jedoch auch zu Problemen, beispielsweise bei der Angebotssicherheit, und wirkt einschränkend. Wenn die Nachfrage beispielsweise kurzfristig stark ansteigt, können Marktorganisatoren die externen Anbieter nicht direkt anweisen, Arbeit zu verrichten.

Da die Risiken der Nachfrageschwankungen größtenteils bei den externen Anbietern verbleiben, binden sich Marktorganisatoren und Anbieter vergleichsweise schwach aneinander. Das Problem der Schwankung schränkt hier Aktivitäten der Marktorganisatoren systematisch ein. Erste empirische Befunde zeigen (Überblick bei Maier und Viete 2017; Pongratz und Bormann 2017; Bonin und Rinne 2017), dass die Organisation von Arbeit auf digitalen Marktplätzen bislang eher spezifische Personengruppen betrifft. Einerseits besteht ohne Abfederung eine hohe Unsicherheit durch Schwankungen und der Lohn für Einzelaufgaben fällt vergleichsweise gering aus. Entsprechend hoch ist der Anteil externer Anbieter, die mit ihrer Arbeit auf digitalen Marktplätzen nur ein nebenberufliches oder geringes Einkommen erzielen oder nur kurze Zeit aktiv sind. Der vergleichsweise einfache Zugang und die relativ hohe Flexibilität machen die Arbeit auf digitalen Marktplätzen außerdem für Personen in spezifischen Arbeitsmarktsituationen attraktiv (bspw. Personen in Ausbildung, mit Migrationshintergrund oder in Familienphasen). Andererseits vermitteln einige digitale Marktplätze, wie Upwork, Arbeitsleistungen hauptsächlich an (semi-)professionelle Selbstständige. Diese selbstständigen Freiberufler arbeiten oft ohnehin in einem Auftragsmodus und nutzen die digitalen Markplätze daher lediglich als zusätzliche Auftragsquelle in ihrem Berufsfeld. Ein Hauptproblem ist damit die Bereitschaft, überhaupt Arbeitskraft kontinuierlich zu den Konditionen der digitalen Marktplätze anzubieten.

Auch die praktische Zerlegbarkeit der Arbeitsaufgaben begrenzt die Aktivitäten systematisch. Während sich bestimmte Arbeitsprozesse leicht in Einzelaufgaben aufteilen lassen, bestehen bei anderen Prozessen deutliche Grenzen: Je unbestimmbarer und koordinationsaufwändiger die Arbeitsleistung ist, desto schwerer lässt sich diese in Einzelaufgaben zerlegen. Die marktförmige Vermittlung von Arbeit auf digitalen Marktplätzen setzt jedoch voraus, dass die Arbeitsaufgaben vorab möglichst genau bestimmbar sind und sich tatsächlich in marktfähige Einzelaufgaben zerlegen lassen (vgl. Afuah und Tucci 2012; Davis 2016).

These 1

Eine schwache Bindung externer Anbieter und die Zerlegbarkeit der Aufgaben begrenzen die Möglichkeiten der Organisatoren digitaler Marktplätze, bezahlte Arbeit erfolgreich zu organisieren.

Die Marktorganisatoren setzen hier jedoch Alternativen um. Um dem Problem der Schwankungen praktisch zu begegnen, greifen einige Marktorganisatoren aktiv ein und regeln das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage. Solche Regeln werden technisch implementiert, überwacht und sanktioniert. Ein markantes Beispiel für solche Markteingriffe bietet Uber. Uber setzt dynamisch Preise fest, es erhöht kurzfristig gezielt Preise, um externe Anbieter dazu zu bewegen, Fahrten in bestimmten Gebieten anzubieten (Rosenblat und Stark 2016). Weitere Beispiele für solche Eingriffe sind Regeln zu Bereitschaftszeiten. Beispielsweise betreibt Deliveroo ein Schichtsystem, um eine ausreichende Zahl von verfügbaren Lieferanten vorzuhalten (Schmidt 2017). Bei Airbnb sollen Anbieter, laut dem eigenen HilfecenterFootnote 4, innerhalb von 24 Stunden auf Anfragen reagieren. Prozessdaten dokumentieren Antwortzeiten. Die Antwortzeiten werden im Account angezeigt und beeinflussen die Platzierung bei Suchanfragen. In allen aufgeführten Beispielen greifen die Marktorganisatoren mit spezifischen Regeln in den Marktmechanismus ein, um dem Problem der Schwankungen entgegenzuwirken.

4.2.2 Problem der Qualifikation auf digitalen Marktplätzen

Die Marktorganisatoren der sechs Beispielmarktplätze nutzen jeweils bestimmte, aber bereits vorhandene Qualifikationen. Grob handelt es sich dabei nach Lutz und Sengenberger (1974) einerseits um unspezifische Qualifikationen, wie Fahrrad fahren, Zimmer reinigen oder Bildinhalte kategorisieren. Auf den Beispielmarktplätzen finden sich aber auch berufsfachliche Qualifikationen, wie Webseiten programmieren oder Logos erstellen. Digitale Marktplätze vermitteln demnach neben einfachen Tätigkeiten auch komplexere Tätigkeiten, in der Regel mit berufsfachlichen Qualifikationen.Footnote 5 In der Plattformökonomie lassen sich so zwei Segmente voneinander trennen: eines mit unspezifischen Qualifikationen und eines mit berufsfachlichen Qualifikationen.

Dagegen organisieren die Marktorganisatoren der sechs Beispielmarktplätze bisher keine betriebsspezifischen Qualifikationen. Die bereits oben beschriebene schwache Bindung der externen Anbieter erzeugt eine Konstellation, in der kaum Anreize bestehen, in nicht übertragbare Qualifikationen zu investieren. Die Grenze zwischen Betrieb und digitalem Marktplatz liegt daher nicht im Qualifikationsniveau an sich. Ausschlaggebend ist die Eigenart der Qualifikation als betriebsspezifisch oder nicht-betriebsspezifisch (Davis 2016). Je standardisierter Ausbildungsinhalte ausfallen, desto einfacher ist es für Organisatoren digitaler Marktplätze, marktfähige Einzelaufgaben vorab zu bestimmen (siehe oben). Berufsfachliche Qualifikationen basieren auf standardisierten, zertifizierten Ausbildungen. Insofern passen berufsfachliche Qualifikationen grundsätzlich gut zur Funktionsweise digitaler Marktplätze. Die verfügbaren Qualifikationen schränken die Aktivitäten der Marktorganisatoren jedoch systematisch ein.

These 2

Dass nur unspezifische und berufsfachliche Qualifikationen verfügbar sind, begrenzt die Möglichkeiten der Organisatoren digitaler Marktplätze, bezahlte Arbeit erfolgreich zu organisieren.

Im Umgang mit dem Qualifikationsproblem etablieren die Marktorganisatoren alternative Lösungen. Einige Marktplätze regeln und prüfen Qualifikationen. Für eine Zulassung müssen Anbieter teilweise Zertifikate vorlegen oder Testaufgaben lösen (Schmidt 2016; Vogl 2018). Darüber hinaus überwachen die Marktorganisatoren die Qualifikation mit Bewertungssystemen und Prozessdaten. Kundenbewertungen und Prozessdaten dokumentieren dabei auch, ob jemand etwas überhaupt kann oder nicht. Das ist besonders wirksam bei nicht-zertifizierten Qualifikationen, wie beispielsweise Fahrradfahren oder Zimmer herrichten. Nichtqualifizierte werden so schnell erkannt. Selbst bei berufsfachlichen Qualifikationen dokumentieren Bewertungssysteme etwaige Abweichungen zwischen zertifizierten und tatsächlichen Qualifikationen durch die subjektiven Einschätzungen der Kunden.

Aggregierte Bewertungen und Prozessdaten auf digitalen Marktplätzen zeigen damit auch den Grad einer Befähigung für eine bestimmte Arbeitsleistung an. Dabei gestalten die Marktorganisatoren die Bewertungssysteme und die Verwendung von Prozessdaten einseitig mit ihren Regeln. Über die Festlegung von Kriterien, Kennzahlen und Anzeigeformen beeinflussen die Marktorganisatoren letztlich auch, was als gute oder als schlechte Qualifikation gilt. Damit werden Organisatoren digitaler Marktplätze zu Instanzen, die Qualifikationen für die angebotenen Arbeitsleistungen regeln, überwachen und sanktionieren.

4.2.3 Problem der Leistung auf digitalen Marktplätzen

Auf digitalen Marktplätzen bearbeiten die Marktorganisatoren das Problem der Leistung ohne eine hierarchische Betriebsorganisation mit Direktionsrecht, die die Leistungsbereitschaft der externen Anbieter direkt sicherstellen könnte. Auf dem digitalen Marktplatz fehlt insbesondere die Koordination in Form von direkter Überwachung und Motivation durch Führungskräfte. Die Aktivitäten digitaler Marktplätze erscheinen damit deutlich eingeschränkt, da Marktorganisatoren die Leistungsbereitschaft nicht mit herkömmlichen Mitteln absichern können.

These 3

Dass Leistungsbereitschaft nicht von Führungskräften direkt sichergestellt werden kann, begrenzt die Möglichkeiten der Organisatoren digitaler Marktplätze, bezahlte Arbeit erfolgreich zu organisieren.

Die Marktorganisatoren kompensieren dieses Defizit durch alternative Lösungen und nutzen dafür vor allem ihre technische Infrastruktur. Betrachtet man diese Lösungen in der klassischen Perspektive von Mintzberg (1989), konzentrieren sich die Marktorganisatoren auf eine Koordination durch Standardisierung. Um die fehlenden Führungskräfte auszugleichen, setzt die Standardisierung auf digitalen Marktplätzen daher fast zwangsläufig bei Prozessen, Ergebnissen und Qualifikationen an. Marktorganisatoren kompensieren die persönliche, direkte Kontrolle durch Führungskräfte mit formalen Regeln und standardisierten Prozessen der algorithmischen Bürokratie (Kirchner und Schüßler 2019). Routineprozesse werden als Ablaufprogramme der technischen Infrastruktur festgelegt. Ergänzend standardisieren Marktorganisatoren die Ergebnisse der Arbeit, indem sie Arbeiten vorab bestimmen und in Einzelaufgaben zerlegen (siehe oben). Diese Ergebnisstandardisierung wird durch standardisierbare Qualifikationen unterstützt (siehe oben).

Im Zusammenspiel mit diesen Standardisierungsformen überwachen die Marktorganisatoren die Aktivitäten und die Arbeitsergebnisse der externen Anbieter (dazu Schmidt 2016; Vogl 2018). Das umfasst beispielsweise das Tracking mit GPS-Daten bei Uber und Deliveroo, aber auch zufällige Desktop-Fotos und eine Arbeitsdokumentation bei Upwork. Bei Mturk wird ein Arbeitsauftrag parallel von mehreren Anbietern gleichzeitig bearbeitet. Im Abgleich der parallelen Arbeitsergebnisse werden abweichende Resultate automatisiert als fehlerhaft bestimmt und nicht entlohnt. Zudem installieren viele Marktorganisatoren Bewertungssysteme, in denen Kunden die externen Anbieter und deren Arbeitsergebnisse direkt bewerten. Die aggregierten Bewertungen überwachen und sanktionieren die Arbeitsleistung externer Anbieter aber nicht nur negativ. Positive Bewertungen motivieren.

Das Verhältnis von Freiräumen und Kontrolle auf digitalen Marktplätzen spiegelt den hybriden Status der Arbeitsplattformen zwischen Organisation und Markt. Die schwache Bindung der externen Anbieter an den digitalen Marktplatz erlaubt eine vergleichsweise hohe Flexibilität, ob und wann eine Leistung angeboten wird. Flexibel Einkommen zu verdienen ist auch ein Hauptgrund, Arbeitsleistungen anzubieten (bspw. Hall und Krueger 2017). Um die schwache Bindung dennoch zu kontrollieren, implementieren Marktorganisatoren teilweise Formen einer „weichen Kontrolle“ in ihren technischen Infrastrukturen, die als verhaltensökonomischer Stups („Nudging“) die Aktivitäten der externen Anbieter lenken sollen, ohne Verhalten direkt vorzugeben (bspw. Rosenblat und Stark 2016). Um externe Anbieter zu motivieren, verknüpfen viele Marktorganisatoren Accounts zudem mit einem Belohnungssystem. Solche Systeme versuchen über spielähnliche Elemente zu motivieren („Gamification“), indem sie Punkte vergeben, Abzeichen und Trophäen verleihen, Ranglisten anlegen und vergleichende Statistiken führen (Schmidt 2016; Vogl 2018).

Letztlich deuten sich hier alternative Formen eines algorithmischen Managements an, dessen Mechanismen insgesamt gerade nicht mit den klassischen tayloristischen Formen übereinstimmen (Wood et al. 2018). Um das Problem der Leistung zu lösen, werden Freiräume und Kontrolle der Arbeit auf digitalen Marktplätzen neu konfiguriert. Einerseits begrenzen formale Regeln und standardisierte Prozesse der technischen Infrastruktur den Spielraum bei der Ausführung. Andererseits eröffnen die digitalen Marktplätze jeweils eine spezifische Mischung aus räumlichen, inhaltlichen und zeitlichen Freiheiten. Schließlich überwachen Bewertungssysteme und Prozessdaten die Aktivitäten und Arbeitsergebnisse der externen Anbieter. Insbesondere mithilfe ihrer standardisierten Prozesse, den Bewertungssystemen und ihren Prozessdaten werden Organisatoren digitaler Marktplätze zu Instanzen, die die Leistungsbereitschaft systematisch regeln, überwachen und sanktionieren.

Dabei unterscheidet sich der Organisationsgrad, mit dem die Marktorganisatoren ihre digitalen Marktplätze betreiben. Beispielsweise geben Uber und Deliveroo umfangreiche Regeln vor, wie die Arbeitsleistung erbracht werden soll. Auch überwachen und sanktionieren sie Arbeitsleistungen aufwändig. Folgt man der hier entwickelten Argumentationslinie, so weisen sie eine größere Nähe zu einer betrieblichen Organisation der Arbeit auf. Im Kontrast dazu erzeugen die Kreativwettbewerbe beim Marktorganisator 99designs für jede hochgradig individuelle Ausschreibung neue Arbeitsleistungen, um jeweils eine bewertbare Auswahl zu generieren (dazu Schmidt 2016). Nur ein Ergebnis wird ausgewählt und bezahlt. Die Aufträge erfolgen nicht personengebunden und letztlich zählt so nur das im Voraus geleistete Arbeitsergebnis, das vom Auftraggeber bewertet wird. Der Organisationsgrad fällt hier vergleichsweise niedrig aus. Damit tendiert 99designs mit den Kreativwettbewerben deutlich stärker in Richtung eines einfachen Marktes, auf dem Angebot und Nachfrage tatsächlich vergleichsweise spontan zusammentreffen. In diesem Sinne können Arbeitsplattformen, entsprechend der Ausgestaltung der digitalen Marktplätze, als mehr oder weniger organisiert gelten.

In der Gesamtschau der Beispielmarktplätze und vor dem Hintergrund des hier entwickelten konzeptionellen Argumentes zeichnet sich eine große Bandbreite ab, die sich in einem Graubereich zwischen Markt und Organisation entfaltet. Während sich allgemeine Eigenschaften und grundlegende Zusammenhänge der digitalen Marktplätze für bezahlte Arbeitsleistungen herausarbeiten lassen, wird auch klar, dass die betrachteten Marktorganisatoren mit ihren Arbeitsplattformen kein homogenes Modell umsetzen. Vielmehr installieren die Marktorganisatoren jeweils einige Elemente eines allgemeinen Modells auf ihren digitalen Marktplätzen und experimentieren mit diesen Elementen, um ihr Geschäftsmodell zu ermöglichen und zu sichern.

5 Fazit und Ausblick

Dieser Artikel behandelte die Grundlagen und Grenzen von bezahlter Arbeit in der Plattformökonomie am Beispiel von Arbeitsplattformen für Cloudwork oder Gigwork. Unternehmen wie Uber, Airbnb, Deliveroo oder Upwork stellen als Organisatoren digitaler Marktplätze eine Infrastruktur für Einzelpersonen bereit, die deren Arbeitsleistungen als externe Anbieter direkt an Kunden vermittelt.

Als Grundlage installieren die Marktorganisatoren fünf Elemente der Organisation (Ahrne et al. 2015; Kirchner und Schüßler 2019): Mit einem Account vergeben Marktorganisatoren an externe Anbieter eine Art Mitgliedschaftsstatus. Die Marktorganisatoren legen Regeln fest, die sie überwachen und sanktionieren, und treffen bindende Entscheidungen auf dem digitalen Marktplatz. Diese Elemente liegen der Organisation der Arbeit auf digitalen Marktplätzen zugrunde und weichen von einer betrieblichen Organisation der Arbeit deutlich ab. Auf diesen fünf Elementen aufbauend, sehen sich die Marktorganisatoren drei grundlegenden Koordinationsproblemen der Organisation von Arbeit gegenüber. Um Arbeit auf digitalen Markplätzen erfolgreich zu organisieren, müssen auch die Marktorganisatoren diese Probleme mit Alternativen lösen oder ihre Aktivitäten einschränken.

Einerseits begrenzen die Lösungsversuche der drei Probleme der Schwankung, der Qualifikation und der Leistung die Aktivitäten der Marktorganisatoren. Einschränkend wirken insbesondere eine schwache Bindung der externen Anbieter, eine praktische Zerlegbarkeit in Einzelaufgaben, eine Begrenzung auf unspezifische und berufsfachliche Qualifikationen sowie eine fehlende direkte Kontrolle und Motivation durch Führungskräfte. Diese Einschränkungen begrenzen die Aktivitäten digitaler Marktplätze deutlich und verhindern bisher eine umfangreiche Organisation der Arbeit in vielen Feldern, beispielsweise als dauerhafte hauptberufliche Tätigkeit mit betriebsspezifischen Qualifikationen und als Teil intensiv koordinierter und damit schwer standardisierbarer Arbeitsabläufe.

Andererseits besetzen die Marktorganisatoren innerhalb dieser Grenzen erfolgreich eine Nische und konkurrieren dort oft mit etablierten Dienstleistern. In dieser Nische legen sie Regeln wirksam fest und nutzen ihre technische Infrastruktur, um die Probleme der Schwankung, der Qualifikation und der Leistung praktisch zu lösen. Die Marktorganisatoren greifen dabei teilweise in das Wechselspiel von Angebot und Nachfrage ein, nutzen vorwiegend vorhandene Qualifikationen und überwachen diese. Marktorganisatoren realisieren ihre alternativen Lösungen, insbesondere mit Hilfe von Bewertungssystemen und Prozessdaten sowie durch standardisierte Prozesse, Ergebnisse und Qualifikationen. Damit kompensieren die Marktorganisatoren viele traditionelle Funktionen betrieblicher Führung (Mintzberg 1973, S. 55 ff.), indem sie technische Maßnahmen installieren, um Arbeitsleistungen zu regeln, zu überwachen und zu sanktionieren. Die Marktorganisatoren programmieren nicht nur Routineprozesse, sondern verteilen Aufgaben, überwachen und dokumentieren die Bewertung von Arbeitsleistungen und versuchen externe Anbieter zu motivieren.

Auf Grundlage der konzeptionellen Argumentation dieses Artikels erscheint die These einer radikalen Transformation der Arbeitswelt durch die Arbeitsplattformen der Plattformökonomie einstweilen voreilig. Während sich diese Arbeitsorganisationsform in den letzten Jahren verbreitet, zieht das Ende der betrieblichen Arbeitswelt durch Cloudwork und Gigwork nicht herauf, denn die beschriebenen Einschränkungen hemmen deren Aktivitäten. Es wäre jedoch ebenso voreilig, bezahlte Arbeit auf digitalen Marktplätzen als relevantes Phänomen damit zu verwerfen. Tatsächlich zeichnet sich hier eine spezifische Form der Organisation der Arbeit ab, die nicht auf betrieblichen Organisationselementen basiert. In dieser erfolgreichen, nicht-betrieblichen Organisation von bezahlter Arbeit in vielen unterschiedlichen Feldern besteht der eigentliche radikale Kern der Plattformökonomie in diesem Teilbereich.

Bislang befinden sich die realisierten Modelle in einer Anfangsphase, in der Marktorganisatoren experimentieren und Grenzen austesten. Eine flächendeckende „Uberization“, wie von Davis (2016) vermutet, droht in Deutschland allein schon deshalb nicht, da Uber hierzulande faktisch verboten wurde. Auch der Fall Deliveroo zeigt Probleme des Marktplatzmodells in Deutschland (Schmidt 2017). So hat ein Wettbewerber, Foodora, das Marktplatzmodell für externe Anbieter eingestellt und operiert nun allein mit geringfügig-beschäftigten Fahrern, um Qualitätsproblemen und rechtlichen Unsicherheiten durch Scheinselbstständigkeit zu entgehen. Als Ursache für diese Variationen erscheint die gesellschaftliche Einbettung der digitalen Markplätze (vgl. Fligstein 2001). Im Feld reagieren konkurrierende Dienstleister (bspw. Taxizentralen) auf die aggressiven Geschäftsmodelle genauso wie kommunale oder staatliche Einrichtungen.

Die Entwicklungsdynamik der Arbeitsplattformen damit abzutun, wäre jedoch falsch. Die Marktorganisatoren treiben die Dynamik strategisch voran. Die Finanzierung durch Risikokapital (Langley und Leyshon 2017) öffnet Spielräume und befeuert Phantasien, weitere Märkte zu übernehmen und Transaktionsgebühren abzuschöpfen. Im Rahmen der oben geschilderten Grenzen erscheint es sehr wahrscheinlich, dass Marktorganisatoren weiter versuchen werden, Tätigkeiten mit unspezifischen, aber auch mit berufsfachlichen Qualifikationen in ihr Geschäftsmodell zu überführen. Für das Problem der Schwankungen kann hier ergänzt werden, dass sich das Angebot von Arbeitskraft konjunkturabhängig verändern dürfte. Mit einer verschlechterten Lage am Arbeitsmarkt steigt womöglich die Attraktivität digitaler Marktplätze und damit die Ausbreitung von Arbeitsplattformen als alternative Erwerbsquelle.

Letztlich lässt sich auch nicht ausschließen, dass die Experimente weitere alternative Lösungen der Koordinationsprobleme hervorbringen, die die Anwendungsbereiche digitaler Marktplätze systematisch ausweiten könnten, indem sie beispielsweise stärker verknüpfte Arbeitsprozesse koordinieren und spezifische Qualifikationen aufbauen. Diese Ausweitung sollte sich jedoch entlang des hier entwickelten theoretischen Ansatzes abbilden lassen. Marktorganisatoren müssten demzufolge ganz bestimmte Elemente der Organisation installieren, um die grundlegenden Koordinationsprobleme zu lösen.

Das hier entfaltete Argument bietet vielfältige Impulse für die weitere empirische Analyse und die gesellschaftliche Debatte zur Plattformökonomie. Entlang der Elemente der Organisation und der Koordinationsprobleme können die digitalen Marktplätze für bezahlte Arbeit als Phänomen der Plattformökonomie mit theoriegeleiteten Kriterien voneinander abgegrenzt und charakterisiert werden. Auf dieser Grundlage lässt sich der Graubereich zwischen Markt und Organisation deutlicher differenzieren. Dabei treten Differenzen durch den Umfang hervor, in dem Marktorganisatoren Arbeitsleistungen regeln, überwachen und sanktionieren. Der so bestimmte Organisationsgrad könnte ein Ansatzpunkt sein, um die Vielfalt genauer wissenschaftlich zu bestimmen und eine langfristige Regulierung anzusetzen, ohne allein von aktuellen Einzelbeispielen ausgehen zu müssen.

Schließlich ermöglicht der hier entwickelte Ansatz, die Arbeit in der Plattformökonomie mit anderen Arbeitsorganisationsformen systematisch in Beziehung zu setzen. Insbesondere kann der Ansatz der drei Koordinationsprobleme die Arbeit auf digitalen Marktplätzen mit den bereits bekannten Dynamiken betrieblicher Beschäftigungssysteme verknüpfen. So betrachtet, führt die Plattformökonomie bekannte Prozesse fort, in denen sich betriebliche Beschäftigungssysteme zunehmend „öffnen“ (Struck und Köhler 2004) und „vermarktlichen“ (Kratzer et al. 2008). Genauso kann die Perspektive der Koordinationsprobleme an existierende Forschung zu etablierten nicht-betrieblichen Formen anknüpfen. Beispielsweise erfolgt die Erwerbstätigkeit von Schauspielern nach Haunschild (2002) in „vagen Beschäftigungssystemen“, die ebenfalls nicht primär auf betrieblichen Lösungen basieren. Der Ansatz der Koordinationsprobleme ermöglicht so systematische Vergleiche sehr unterschiedlicher Organisationsformen der Arbeit in einer integrierten Perspektive. Eine solche Integration scheint geboten, um eine möglicherweise zunehmend fragmentierte Arbeitswelt mit hybriden Erwerbsformen erfassen zu können. Das ist eine Arbeitswelt, in der gerade die Arbeitsplattformen für Cloudwork und Gigwork oft sinnbildlich für Fragmentierung und Hybridisierung stehen (vgl. Davis 2016; Pongratz und Bormann 2017).

Ziel dieses Artikels war es, eine konzeptionelle Grundlage für die Auseinandersetzung mit der Arbeit in der Plattformökonomie zu entwickeln, die derzeit oft als Cloudwork oder Gigwork diskutiert wird. Dieser Artikel liefert mit seiner theoretisch fundierten Argumentation einen Bezugspunkt für zukünftige empirische Forschung und für konkurrierende Theoriepositionen. Das empirische Phänomen der Arbeitsplattformen für Cloudwork oder Gigwork ist aktuell hoch dynamisch und vielfältig. Umso wichtiger erscheint es, eine solide konzeptionelle Grundlage zu erarbeiten, um den empirischen Zuständen nicht hinterherlaufen zu müssen. Neben den wichtigen bereits verfügbaren empirischen Grundlagenuntersuchungen benötigt zukünftige Forschung theoretische Leitplanken, um die tatsächliche Vielfalt der Arbeit auf digitalen Marktplätzen fundiert zu erfassen und zu analysieren. In diesem Sinn sollen der hier herausgearbeitete Ansatz und die daraus abgeleiteten Thesen geprüft, gegebenenfalls verworfen und ergänzt werden. Ein konsequent theoriegeleitetes empirisches Vorgehen erscheint dringend notwendig, um die soziologische Forschung zur Digitalisierung der Arbeitswelt zu sortieren, zu bündeln und gemeinsam konstruktiv voranzutreiben.