1 Einleitung

In den letzten Jahren konnten rechtspopulistische Parteien in zahlreichen westlichen Ländern Wählerstimmen hinzugewinnen. In Deutschland zeigte sich diese Tendenz am Einzug der AfD in den Bundestag (mit einem Stimmenanteil von 12,6 %) und in mittlerweile fast alle Landtage (mit Stimmenanteilen zwischen 5,5 % in Bremen und 24,3 % in Sachsen-Anhalt). Angesichts dieser Entwicklung wurde verstärkt die Frage diskutiert, ob es vor allem die „Modernisierungsverlierer“, d. h. sozio-ökonomisch schlechter gestellte Personengruppen sind, welche eine starke Tendenz zur Wahl der AfD aufweisen oder aber, ob sich eine verstärkte AfD-Wahlabsicht eher für Personen aus den mittleren und oberen sozio-ökonomische Lagen zeigt, die Sorgen um Zuwanderung antreibt (Bax 2017; Bergmann et al. 2016, 2017; Brenke und Kritikos 2017; Franz et al. 2018; Hambauer und Mays 2018; Hilmer et al. 2017; Kroh und Fetz 2016; Schmitt-Beck et al. 2017; Schwander und Manow 2017; Vehrkamp und Wegschaider 2017). Dies ist keineswegs eine rein akademische Frage, denn wenn „Modernisierungsverlierer“ eine besonders starke AfD-Wahlpräferenz aufweisen, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass der Erfolg der AfD – zumindest teilweise – damit zusammenhängt, dass steigende Ungleichheit und Prekarisierung, intensivierter Wettbewerb und Konkurrenzdruck und auch Dynamiken der kulturellen Entwertung Verlierergruppen erzeugen, die besonders ansprechbar für rechtspopulistische Angebote sind (Bude 2014; Dörre 2016; Leibfried et al. 2017; Nachtwey 2016; Reckwitz 2017; Streeck 2017).Footnote 1

Mit eben jener Frage beschäftigte sich auch Holger Lengfeld in seinem sehr umsichtig geschriebenen, im Juni 2017 in dieser Zeitschrift erschienenem Aufsatz Die „Alternative für Deutschland“: eine Partei für Modernisierungsverlierer? (Lengfeld 2017). In diesem Aufsatz kommt Lengfeld, auf der Basis einer im November 2016 von infratest dimap durchgeführten Umfrage, zu dem Befund, dass es nicht in erster Linie die „Modernisierungsverlierer“ (gemessen anhand von niedriger Bildung, beruflicher Tätigkeit als Arbeiter und geringem Einkommen) seien, die eine besonders starke AfD-Wahlabsicht besäßen. Viel eher hätten „Modernisierungsverlierer“, gemessen anhand ihres Einkommens, eine signifikant schwächere Neigung zur AfD als Personen aus den höheren Einkommenslagen, während sie, gemessen anhand der Bildung und der beruflichen Tätigkeit, zumindest auf deskriptiver Ebene durch schwache Neigungen zur AfD (dies gilt für gering Gebildete) oder mittelstarke Neigungen zur AfD (dies gilt für Arbeiter) gekennzeichnet seien. Insgesamt weisen Lengfelds empirische Befunde „tendenziell auf eine stärkere AfD-Wahlabsicht von Personen mit mittlerer und höherer Statuslage hin“ (Lengfeld 2017, S. 209) – ein Ergebnis, das den üblichen Wahrnehmungen zur AfD-Wählerschaft eher zuwiderläuft. Die referierten Befunde beruhen allerdings auf empirischen Daten, die in mindestens vierfacher Hinsicht problematisch erscheinen: Erstens beinhalten die Daten nur sehr wenige Personen mit einer AfD-Wahlabsicht (64 Personen in der Bruttostichprobe; 58 Personen in der Nettostichprobe), was bei einer weiteren Aufgliederung dieser Personengruppe (nach Einkommen, Bildung und beruflichem Status) zu sehr kleinen Gruppengrößen führt. Zweitens wurde, auf Grund zu geringer Fallzahlen, eine sehr wichtige Gruppe der „Modernisierungsverlierer“, die Arbeitslosen, aus den Analysen ausgeschlossen. Drittens erfolgte die Erhebung der Wahlabsicht über eine offene Frage, was relativ stark von der realen Wahlsituation (in der alle Parteien als Liste vorliegen) abweicht und zu einer hohen Zahl von unentschlossenen Wählern führt, die noch nicht wissen, welche Partei sie wählen würden. Und viertens konnte auf Grund der eingeschränkten Datenlage das Haushaltseinkommen der Befragten nicht bedarfsgewichtet werden.

Auf diese Sachverhalte weist Lengfeld in seinem Aufsatz hin. Die Ergebnisse der Studie wurden mittlerweile in den Massenmedien stark rezipiert, jedoch ohne Verweis auf die mit der Studie verbundenen methodischen Besonderheiten und Probleme (Chrismon 2017; Der Spiegel 2017; Die Zeit 2017b, 2017a; Dresdner Neueste Nachrichten 2017; Huffington Post 2017; Leipziger Volkszeitung 2017; Süddeutsche Zeitung 2017; TAG 24 2017). Bei vielen Leserinnen und Lesern dürfte inhaltlich eher das angekommen sein, was Lengfeld im Interview mit der Wochenzeitschrift Die Zeit erwähnt hat: „Es gibt unter AfD-Wählern sogar mehr Menschen mit überdurchschnittlichem Einkommen als bei mancher anderen Partei“ (Die Zeit 2017a). Im Folgenden möchte ich eigene Ergebnisse zur Stärke der AfD-Wahlabsicht in unterschiedlichen Statuslagen vorstellen, die Lengfelds Herangehensweise aufgreifen, aber auf besser geeigneten Daten basieren. Diese Ergebnisse zeigen, anders als bei Lengfeld, dass „Modernisierungsverlierer“ tendenziell eine stärkere Neigung zur Wahl der AfD aufweisen als Personen aus höheren bzw. hohen Statuslagen.

2 Die Modernisierungsverliererthese

Die von Lengfeld empirisch überprüfte Modernisierungsverliererthese konstatiert im Wesentlichen, dass in Deutschland (und auch in anderen westlichen Ländern) in den vergangenen zwei Jahrzenten durch Globalisierung und wirtschaftlichen Strukturwandel neue ökonomische Unsicherheiten entstanden sind, die vor allem für Personen mit geringem Humankapital, Beschäftigte mit einfachen Tätigkeiten im gewerblichen Bereich und Personen aus den unteren Einkommensschichten mit einer Zunahme von Arbeitsplatzunsicherheit, einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und Wohlstandverlusten einhergingen, während sich die ökonomischen Bedingungen von Arbeitslosen vor allem durch die Transformation und den Rückbau des Sozialstaates verschlechtert haben (Lengfeld 2017, S. 211–213; im Anschluss an Betz 1994; Bornschier und Kriesi 2013; Spier 2010). Die AfD sollte vor diesem Hintergrund verstärkt von diesen „Modernisierungsverlierern“ gewählt werden, weil oder wenn die etablierten Parteien sich nicht ausreichend um deren wirtschaftliche Sorgen kümmern. Hierbei sei die AfD für „Modernisierungsverlierer“ allerdings nicht dadurch attraktiv, dass sie ein ausgeprägtes sozialpolitisches Profil hätte, wohl aber dadurch, dass sie sich gegen eine weitere internationale Öffnung im Rahmen der europäischen Integration stellt. Zudem können „Modernisierungsverlierer“ in der AfD eine Partei sehen, die durch Beschränkung von Zuwanderung die Konkurrenz um knappe Jobs und Sozialleistungen verringern will. Und schließlich könne die AfD von „Modernisierungsverlierern“ auch im Sinne einer Protestwahl gewählt werden (Lengfeld 2017, S. 214–215).

Gemäß der Modernisierungsverliererthese sollten also Personen aus den unteren Einkommensschichten, Personen mit geringer Bildung sowie Arbeiter und Arbeitslose eine besonders starke Neigung zur Wahl der AfD aufweisen. Zudem sollten jene Personen stark zu AfD-Wahl neigen, die sich subjektiv depriviert fühlen. Lengfeld kommt jedoch anhand seiner deskriptiven und multivariaten Analysen zu dem Schluss, dass die Modernisierungsverliererthese nicht zutrifft.

3 Daten und empirisches Vorgehen

Meine Ergebnisse basieren auf Daten der Allgemeinen Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften aus dem Jahr 2016 (ALLBUS 2016, Version 2.1.0; für genauere Informationen: GESIS 2017). Diese Erhebung hat den Vorteil, dass sie auf Grund der Stichprobengröße von 3490 Befragten wesentlich mehr Personen mit AfD-Wahlabsicht beinhaltet als die von Lengfeld genutzte Erhebung (Bruttostichprobe ALLBUS: 283 Personen; von mir genutzte Nettostichprobe: 277 Personen). Durch diese größere Fallzahl ist auch der Einbezug von Arbeitslosen möglich. Zudem wurde die Wahlabsicht über eine Liste der Parteien abgefragt und auch eine Bedarfsgewichtung des Haushaltseinkommens ist mit diesen Daten durchführbar.

Die Daten des ALLBUS wurden etwas früher (April und September 2016) als die von Lengfeld genutzten Daten (November 2016) erhoben. Diese zeitliche Differenz sollte die Vergleichbarkeit der Ergebnisse jedoch kaum beeinflussen, da die programmatische Transformation der AfD, von einer eher liberal-konservativen zu einer rechtspopulistischen Partei, bereits im Frühjahr 2016 weit vorangeschritten war (Friedrich 2017, S. 46–81; Lehmann und Matthieß 2017). Zudem lag die Zustimmung zur AfD in beiden Erhebungszeiträumen auf einem vergleichbaren Niveau. So konnte die AfD durch die Instrumentalisierung der Debatte um Geflüchtete sowohl im Frühjahr als auch im Herbst 2016 sehr hohe Ergebnisse bei den jeweiligen Landtagswahlen erzielen. Diese Kontinuität in der Zustimmung zur AfD spiegelt sich auch in der über die Sonntagsfrage ermittelten Stärke der AfD-Wahlabsicht auf Bundesebene wider: Im von mir genutzten Zeitraum (April bis September 2016) betrug der Anteil der Personen, die die AfD wählen würden, durchschnittlich 13,8 %, während dieser Anteil im von Lengfeld genutzten Zeitraum (November 2016) bei durchschnittlich 12,5 % lag (eigene Berechnungen auf Basis der öffentlich zugänglichen Daten von infratest dimap 2017).

In meinen Analysen gehe ich in drei Schritten vor, die sich sowohl hinsichtlich des Samplezuschnitts (Fallausschlüsse) als auch hinsichtlich der Operationalisierung und der verwendeten Methoden soweit wie möglich an Lengfelds Studie orientieren. Zuerst werde ich die generelle Wahlabsicht der Befragten darstellen. Hierfür nutze ich die Antworten auf die Frage: „Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre, welche Partei würden Sie dann mit Ihrer Zweitstimme wählen?“ (Antwortkategorien: CDU/CSU; SPD; Die Linke; Bündnis 90/Die Grünen; FDP; AfD; Piraten; NPD; andere Partei; Würde nicht wählen; Weiß nicht). Für diese Analysen beziehe ich alle Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit und einer gültigen Antwort auf diese Frage ein (n = 3121).Footnote 2 Im zweiten Schritt werde ich dann auf deskriptiver Ebene untersuchen, inwieweit sich Personen aus unterschiedlichen Gruppen hinsichtlich ihrer AfD-Wahlabsicht unterscheiden und inwiefern die Zusammensetzung der potenziellen AfD-Wählerschaft von der Zusammensetzung der potenziellen Wählerschaft anderer Parteien abweicht. Für diese Analysen zeigt die von mir verwendete AfD-Wahlabsicht an, ob die Befragten die AfD statt einer anderen Partei wählen würden. Hier und für die nachfolgenden Analysen schließe ich, analog zu Lengfelds Vorgehen, zusätzlich diejenigen Personen aus, die angeben, dass sie nicht wählen würden oder, dass sie nicht wissen, wen sie wählen würden (n = 585). Zudem schließe ich, ebenfalls analog zu Lengfelds Untersuchung, Personen aus, die in einer der in den Analysen einbezogenen Gruppenvariablen einen fehlenden Wert aufweisen (n = 78).Footnote 3 Bei den einbezogenen Gruppenvariablen handelt es sich um demografische Charakteristika (Alter, Geschlecht, Region), Statuscharakteristika (Bildung, berufliche Tätigkeit, Einkommen) und Einstellungen (subjektive DeprivationFootnote 4). Informationen zur Operationalisierung der entsprechenden Variablen finden sich in Tab. 4 im Anhang. Mit diesem Zuschnitt stehen für die Analysen 2458 Untersuchungspersonen zur Verfügung. Im dritten Schritt werde ich dann mit Hilfe der Methode der binären logistischen Regression untersuchen, ob die deskriptiven Unterschiede signifikant sind und stabil bleiben, wenn man für die demografische Komposition der Befragten kontrolliert und die Modernisierungsverliererindikatoren gemeinsam berücksichtigt.

Meine Analysen schließen an die im Juli 2017 erschiene Studie von Brenke und Kritikos (2017) an, in der bereits deskriptiv und auf Basis des ALLBUS 2016 gezeigt werden konnte, dass potenzielle AfD-Wähler eher niedrige durchschnittliche Einkommen aufweisen, relativ unzufrieden mit ihrer eigenen ökonomischen Lage sind und überdurchschnittlich häufig aus der Arbeiterschaft stammen. Meine Analysen erweitern die besagte Studie aber dahingehend, dass die Stärke der AfD-Wahlabsicht in unterschiedlichen Gruppen direkt analysiert wird und die Zusammenhänge multivariat getestet werden. Zudem operationalisiere ich die sozio-ökonomischen Lagen so, dass eine Vergleichbarkeit zu Lengfelds Studie gegeben ist, was vor dem Hintergrund der öffentlichen Rezeption der Ergebnisse dieser Studie von besonderer Bedeutung ist.

4 Ergebnisse

4.1 Deskriptive Analysen

In den Daten des ALLBUS 2016 gaben insgesamt 283 wahlberechtigte Personen an, dass sie die AfD wählen würden, wenn zum Zeitpunkt des Interviews die Bundestagswahl gewesen wäre. Dies entspricht einem Anteil von 9,9 %, womit die AfD nach der CDU/CSU, der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen, die am vierthäufigsten präferierte Partei ist (siehe Tab. 1). Diese Werte folgen im Wesentlichen den Befunden Lengfelds, der mit seinen Daten die AfD bei einem Anteil von 10,4 % auch auf dem vierten Platz sieht (nach der CDU/CSU, der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen).

Tab. 1 Wahlabsicht nach Sonntagsfrage. (Quelle: ALLBUS 2016, Version 2.1.0; eigene Berechnungen)

In seinen deskriptiven Analysen zur AfD-Wahlabsicht konzentriert sich Lengfeld, wie viele andere Forscher, auf die Zusammensetzung der AfD-Wählerschaft und untersucht, ob sich unter den AfD-Wählern mehr „Modernisierungsverlierer“ befinden als in der Gruppe der Wähler anderer Parteien oder in der Gesamtpopulation der wahlberechtigten Personen mit einer Wahlabsicht. Daraus leitet er Aussagen über die Stärke der AfD-Wahlabsicht in den jeweiligen Statuslagen ab. In meinen deskriptiven Analysen gehe ich analog vor (siehe Tab. 2, Spalten 1–3), werde aber zusätzlich den Anteil der Personen mit AfD-Wahlabsicht in den jeweiligen sozio-demografischen, sozio-ökonomischen und einstellungsspezifischen Gruppen direkt ausweisen (siehe Tab. 2, Spalte 4), damit die Unterschiede in der Stärke der AfD-Wahlabsicht unmittelbar ersichtlich sind. Im Folgenden werde ich mich vor allem auf diesen letzten Aspekt konzentrieren.

Tab. 2 Zusammensetzung der Wählerschaft der AfD und anderer Parteien und Anteil der Personen mit AfD-Wahlpräferenz in unterschiedlichen Gruppen. (Quelle: ALLBUS 2016, Version 2.1.0; eigene Berechnungen)

Während meine Ergebnisse zu den demografischen Charakteristika relativ gut mit den Ergebnissen Lengfelds vereinbar sind (stärkere Neigung zur AfD-Wahl für Männer und Ostdeutsche, kaum Unterschiede hinsichtlich des Alters), weichen sie in Bezug auf die objektiven Statuslagen von Lengfelds Befunden ab. Denn meine Ergebnisse zeigen, dass „Modernisierungsverlierer“ – operationalisiert über das bedarfsgewichtete pro Kopf Haushaltsnettoeinkommen (Nettoäquivalenzeinkommen) – eine deutlich stärkere Neigung zur AfD-Wahl aufweisen als andere Personen: Während in der unteren Einkommensschicht ca. 15 % die AfD wählen würden, sind dies in der Mittel- und Oberschicht jeweils nur ca. 9 %.

Ähnlich sieht das Bild in Bezug auf die berufliche Stellung aus. Sehr starke Neigungen zur Wahl der AfD ergeben sich vor allem für jene Gruppen, die gemeinhin als „Modernisierungsverlierer“ gelten: Arbeitslose und Arbeiter. Von diesen würden ca. 28 bzw. 20 % die AfD wählen. Eine verstärkte Tendenz zur AfD-Wahl zeigt sich ebenso für die Selbstständigen und die sonstig Nichterwerbstätigen: Von diesen würden jeweils ca. 14 % die AfD wählen. Für die Angestellten, Beamten, Rentner und für diejenigen, die sich noch in Ausbildung befinden (Berufsausbildung, Studium) ergeben sich hingegen nur schwache Neigungen zur AfD: Hier liegt der Anteil der potenziellen AfD-Wähler lediglich zwischen 5 und 9 %.

Auch der dritte Indikator der objektiven Statuslage, die Bildung, lässt darauf schließen, dass die AfD relativ stark von „Modernisierungsverlierern“ präferiert wird: Während von den Personen mit hoher Bildung nur etwa 6 % die AfD wählen würden, sind es in der Gruppe der niedrig Gebildeten 14 %. In Bezug auf Bildung zeigt sich allerdings mit ca. 13 % auch ein relativ hoher Anteil von AfD-Wählern für die mittleren Bildungslagen.

In Bezug auf die Einstellungen ergibt sich schließlich ein klarer deskriptiver Zusammenhang zwischen AfD-Wahlabsicht und subjektiver Deprivation: Unter jenen, die denken sie bekämen, im Vergleich zu anderen in Deutschland, weniger als ihren gerechten Anteil, würden etwa 17 % die AfD wählen. Dies ist jedoch nur für 7 % derjenigen der Fall, die denken, sie würden ihren gerechten Anteil erhalten, und für etwa 8 % derjenigen, die annehmen, sie bekämen mehr als ihren gerechten Anteil.

Insgesamt stehen damit meine deskriptiven Befunde zum Zusammenhang zwischen objektiven Statuslagen und AfD-Wahlabsicht im Kontrast zu den deskriptiven Befunden von Lengfeld. Während dieser findet, dass „Modernisierungsverlierer“ (im Hinblick auf Einkommen, Bildung und beruflichen Status) keine stärkere AfD-Wahlabsicht aufweisen als andere Personen, komme ich zu dem Schluss, dass es gerade die „Modernisierungsverlierer“ (geringe Bildung, geringeres Einkommen, Tätigkeit als Arbeiter, Arbeitslose) sind, die besonders stark zur AfD neigen. Beachtet werden muss jedoch, dass ich (ähnlich wie Lengfeld) etwas ausgeprägtere Neigungen zur AfD-Wahl auch für die mittel Gebildeten, die Selbstständigen und (entgegen Lengfelds Befunden) die sonstig Nichterwerbstätigen finde. Dies sind Gruppen, die üblicherweise nicht zu den „Modernisierungsverlierern“ gezählt werden, wenngleich gerade die mittleren Bildungsabschlüsse in den letzten Jahren stark entwertet wurden (Reckwitz 2017, S. 368).

In Bezug auf den Zusammenhang zwischen subjektiver Deprivation und AfD-Wahlabsicht konnte Lengfeld zeigen, dass der Anteil von Personen, die sich als Verlierer der Gesellschaft fühlen, unter AfD-Wählern größer ist als unter den potenziellen Wählern anderer Parteien. Dieser Befund wurde von Lengfeld jedoch nicht weiterverfolgt, da er multivariat nicht bestätigt werden konnte. In meinen deskriptiven Analysen ergab sich, dass subjektive Deprivation in Bezug auf den eigenen erhaltenen Anteil mit einer deutlich erhöhten AfD-Wahlabsicht einhergeht. Die Frage, ob „Modernisierungsverlierer“ (im Sinne von niedrigen objektiven Statuslagen und subjektiver Selbsteinschätzung) eine besonders starke Neigung zur Wahl der AfD haben, muss auf der Basis der vorliegenden deskriptiven Befunde also klar mit Ja beantwortet werden.

Von der Frage nach der Stärke der AfD-Wahlabsicht in unterschiedlichen sozio-ökonomischen Gruppen zu trennen ist die Frage danach, welche sozio-ökonomischen Gruppen innerhalb der AfD-Wählerschaft am stärksten vertreten sind. In meinen deskriptiven Analysen zeigt sich, dass der größte Anteil der AfD-Wähler nicht aus den unteren, sondern aus den mittleren objektiven Statuslagen stammt (mittlere Einkommensschicht, mittlere Bildung, Angestellte/Rentner; siehe Tab. 2, Spalte 1). In diesem Punkt ähneln meine Ergebnisse denen Lengfelds. Im Unterschied zu diesen sind in meinen Ergebnissen aber Personen aus den unteren Statuslagen (geringe Bildung, geringeres Einkommen, Tätigkeit als Arbeiter, Arbeitslose) weitaus häufiger in der potenziellen AfD-Wählerschaft vertreten als es ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung entsprechen würde (siehe Tab. 2, Spalte 1 und 3). Zudem fühlt sich etwas mehr als die Hälfte der potenziellen AfD-Wähler subjektiv depriviert, was lediglich für ein Drittel der Gesamtbevölkerung der Fall ist.

Eine Ursache dafür, dass „Modernisierungsverlierer“ (gemessen über ihre objektive Statuslage) nicht den größten Teil der AfD-Wähler stellen, kann darin gesehen werden, dass die Gruppe der „Modernisierungsverlierer“ in Deutschland anteilsmäßig klein ist und deshalb auch sehr hohe AfD-Stimmenanteile in dieser Gruppe nicht dazu führen müssen, dass „Modernisierungsverlierer“ auch den größten Teil der AfD-Wähler ausmachen. Umgekehrt können schon geringe oder mittelstarke AfD-Stimmenanteile in bevölkerungsreichen Gruppen, wie der Mittelschicht, dafür sorgen, dass diese Gruppe die AfD-Wählerschaft anteilsmäßig dominiert. Dies ist jedoch ein Phänomen, das die Wähler vieler Parteien betrifft: so wird die potenzielle Wählerschaft jeder der größeren deutschen Parteien im Jahr 2016 von der mittleren Einkommensschicht dominiert (siehe Tab. 5 im Anhang). Die AfD ist allerdings unter den größeren deutschen Parteien diejenige mit der anteilsmäßig größten Wählerschaft aus der unteren Einkommensschicht und auch eine derjenigen mit dem geringsten Anteil von Wählern mit überdurchschnittlichen Einkommen (siehe Tab. 5).Footnote 5

Der große Anteil von Mittelschichtsangehörigen unter den potenziellen AfD-Wählern legt die Frage nahe, warum diese Personen die AfD wählen wollen. In Anbetracht der bis tief in die Mittelschichten hinein reichenden Sorgen um eine Verschlechterung der eigenen finanziellen Situation (Kohlrausch 2018) sowie der unter AfD-Wählern stark verbreiteten Status- und Verlustängste (Bergmann et al. 2017; Kohlrausch 2018) und subjektiven Deprivationserfahrungen (siehe oben) scheinen auch hier einige der für die „Modernisierungsverlierer“ in Anschlag gebrachten, eher ökonomischen Motive relevant zu sein (wenngleich mit einer etwas anderen Einfärbung als bei den „Modernisierungsverlierern“). So ist denkbar, dass Personen aus den mittleren Statuslagen die AfD wählen, weil sie in ihr eine Partei sehen, welche die globale Konkurrenz um die gut bezahlten Arbeitsplätze der Mittelschicht abmildert, indem sie sich gegen eine stärkere Öffnung der Volkswirtschaft stellt. Auch die von der AfD propagierte Beschränkung der Zuwanderung dürfte für einen Teil der Mittelschicht attraktiv sein, weil hierdurch die – aus Sicht dieser Mittelschichtsangehörigen hauptsächlich von ihnen zu tragenden und als illegitim angesehenen – finanziellen Kosten der Zuwanderung begrenzt würden. Und schließlich könnte die AfD von der Mittelschicht auch aus Protest gewählt werden.Footnote 6 Da der Schwerpunkt der Studie Lengfelds nicht auf den Wahlmotiven der Mittelschicht lag, werde ich hierauf im Folgenden nicht weiter eingehen.

4.2 Multivariate Analysen

Im nächsten Schritt werde ich nun untersuchen, ob mein deskriptiver Befund der stärkeren AfD-Wahlabsicht in den unteren Statuslagen signifikant ist und stabil bleibt, wenn man für die demografische Komposition der Untersuchungspersonen kontrolliert und die Modernisierungsverliererindikatoren gemeinsam berücksichtigt. Hierfür verwende ich binäre logistische Regressionen. In diesen Regressionen ist die abhängige Variable die Absicht, die AfD statt einer anderen Partei zu wählen. Die demografischen Charakteristika, die Charakteristika der objektiven Statuslage und die Informationen zur subjektiven Deprivation sind als kategoriale unabhängige Variablen in die Regressionsmodelle aufgenommen. Als Metrik verwende ich die durchschnittlichen marginalen Effekte (Long und Freese 2014).

Meine Ergebnisse zeigen, dass auch unabhängig von Alter, Geschlecht und Wohnregion ein geringes Einkommen mit einer signifikant höheren Wahrscheinlichkeit einer AfD-Wahlabsicht einhergeht (Tab. 3, Modell 1a): Personen aus der unteren Einkommensschicht zeigen gegenüber Personen aus der mittleren Einkommensschicht eine um 7 Prozentpunkte erhöhte und gegenüber Personen aus der oberen Einkommensschicht eine um 8 Prozentpunkte erhöhte Wahrscheinlichkeit, die AfD wählen zu wollen. Die deskriptiven Befunde zum Zusammenhang zwischen Bildung und AfD-Wahlabsicht können in den multivariaten Analysen ebenfalls bestätigt werden (Tab. 3, Modell 3a): Unter Kontrolle der demografischen Charakteristika weisen Personen mit geringer Bildung gegenüber Personen mit hoher Bildung eine signifikant um 10 Prozentpunkte erhöhte Wahrscheinlichkeit einer AfD-Wahlabsicht auf, während sich Personen mit mittlerer Bildung diesbezüglich nicht signifikant von den gering Gebildeten unterscheiden. Und schließlich zeigt sich auch für die berufliche Stellung eine weitgehende Bestätigung der deskriptiven Ergebnisse (Tab. 3, Modell 2a). Hier haben Arbeiter gegenüber Angestellten, Beamten, Rentnern und Personen in Ausbildung eine signifikant zwischen 7 und 13 Prozentpunkte erhöhte Wahrscheinlichkeit einer AfD-Wahlabsicht, während Arbeitslose eine gegenüber Arbeitern noch einmal eine um 9 Prozentpunkte erhöhte Wahrscheinlichkeit einer AfD-Wahlabsicht aufweisen, wenngleich dieser letztgenannte starke Unterschied keine statistische Signifikanz erreicht. Selbstständige und anderweitig Nichterwerbstätige unterscheiden sich kaum von den Arbeitern.

Tab. 3 Einflüsse auf die AfD-Wahlpräferenz (AME-Koeffizienten, binäre logistische Regression). (Quelle: ALLBUS 2016, Version 2.1.0; eigene Berechnungen, ungewichtet)

Kontrolliert man zusätzlich für die subjektive Deprivation, zeigt sich eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit einer AfD-Wahlabsicht für diejenigen Personen, die denken, sie würden weniger als ihren gerechten Anteil erhalten (Tab. 3, Modelle 1b, 2b, 3b). Zudem verringert sich nach Kontrolle dieses Merkmals mehrheitlich die Differenz in der Wahrscheinlichkeit einer AfD-Wahlabsicht zwischen „Modernisierungsverlierern“ und den übrigen Gruppen (insbesondere in Bezug auf die Einkommensgruppen und die Berufsgruppen). Dies spricht dafür, dass sich ein Teil der gegenüber anderen Personen stärkeren Neigung der „Modernisierungsverlierer“ zur Wahl der AfD dadurch ergibt, dass sich diese „Modernisierungsverlierer“ häufiger als andere auch subjektiv als Verlierer betrachten.Footnote 7

In einem Modell, das, analog zu Lengfelds vollem Modell, alle Variablen gleichzeitig berücksichtigt, wird der Kontrast zwischen AfD-Wahlabsicht und der Absicht eine andere Partei zu wählen, neben den demografischen Merkmalen Geschlecht und Wohnregion, im Wesentlichen über die subjektive Deprivation, die Bildung und die berufliche Stellung strukturiert (Tab. 3, Modell 4). Durch die gleichzeitige Berücksichtigung aller (objektiven und subjektiven) Modernisierungsverliererindikatoren ergeben sich jedoch keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen den Einkommensschichten. In diesem vollen Modell zeigt sich, dass Personen aus den unteren und mittleren Statuslagen (vor allem in Bezug auf Bildung) sowie subjektiv deprivierte Personen eine signifikant stärkere Neigung zur Wahl der AfD haben als Personen aus den oberen Statuslagen und nicht subjektiv deprivierte Personen. Ein 50-jähriger, ostdeutscher Mann, der in allen berücksichtigten Dimensionen als „Modernisierungsverlierer“ gelten kann (geringe Bildung, arbeitslos, geringes Einkommen, subjektiv depriviert), hätte nach diesem Modell beispielsweise eine Wahrscheinlichkeit einer AfD-Wahlabsicht von 55 %, während die entsprechende Wahrscheinlichkeit für einen gleichaltrigen, ostdeutschen Mann, der über hohe Bildung und hohes Einkommen verfügt, einer Tätigkeit als Angestellter nachgeht und sich subjektiv nicht depriviert fühlt, bei lediglich etwa 10 % liegen würde.

5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Im Juni 2017 veröffentlichte Holger Lengfeld in dieser Zeitschrift Befunde, die zeigen, dass es nicht Personen aus den unteren Statuslagen sind, die eine besonders starke AfD-Wahlabsicht aufweisen. Vielmehr sind es eher Personen aus den mittleren und höheren Statuslagen, die stärker zur AfD tendieren. Diese Befunde, die massenmedial breit rezipiert wurden, beruhten allerdings auf einer Erhebung aus dem Jahr 2016, die zahlreiche Besonderheiten und Probleme aufweist. In dem vorliegenden Diskussionsbeitrag habe ich eigene Analysen zur AfD-Wahlabsicht vorgestellt. Diese Analysen basieren auf den Daten des ALLBUS 2016, die auf Grund des größeren Stichprobenumfangs und des höheren Informationsgehalts besser zur Analyse der AfD-Wahlabsicht geeignet sind. Meine Ergebnisse stehen in Kontrast zu Lengfelds Befunden und zeigen, dass Personen aus den niedrigeren Statuslagen und teilweise auch jene aus den mittleren Statuslagen eine stärkere Neigung zur Wahl der AfD aufweisen als Personen aus höheren oder hohen Statuslagen. Allerdings stellen Personen aus den niedrigeren Statuslagen, auf Grund ihrer geringen Gruppengröße, nicht die Mehrheit der potenziellen Wähler der AfD. Stattdessen wird das AfD-Elektorat anteilsmäßig von der Mittelschicht dominiert, ein Muster, das, auf Grund der schieren Größe der Mittelschicht in der Gesamtbevölkerung, typisch für die Wählerschaft aller größeren deutschen Parteien ist. Unter diesen Parteien ist die AfD allerdings diejenige mit dem größten Anteil von Wählern aus der unteren Einkommensschicht. Meine Ergebnisse sind damit durchaus vereinbar mit einer Diagnose, die konstatiert, dass der Erfolg der AfD zumindest teilweise damit zusammenhängt, dass steigende Ungleichheit und Prekarisierung, intensivierter Wettbewerb und Konkurrenzdruck, aber auch Dynamiken der kulturellen Entwertung Verlierergruppen erzeugt haben, die besonders ansprechbar sind für rechtspopulistische Angebote. Angesichts des jüngst zu beobachteten Aufgreifens sozial- und gewerkschaftspolitischer Themen in (wichtiger werdenden) Segmenten der AfD sowie der hiermit verbundenen Umdeutung der in diesen Themenfeldern klassischerweise anzutreffenden Oben-unten-Konfliktlinie in einen Innen-außen-Konflikt (taz 2018; Urban 2018), könnte die AfD in den unteren Statuslagen und auch in Teilen der (verunsicherten) mittleren Lagen in Zukunft weitere Stimmen hinzugewinnen.

Wie kommen nun aber die Unterschiede zwischen meinen Ergebnissen und den Ergebnissen von Lengfeld zustande? Einiges spricht dafür, dass sich die Unterschiede aus den genutzten Daten ergeben. Lengfelds Analysen basieren auf infratest dimap-Daten, die einige Besonderheiten aufweisen (auf die der Autor in seiner Studie auch selbst hingewiesen hat). Erstens befinden sich in diesen Daten nur sehr wenige Personen mit einer AfD-Wahlabsicht (n = 58). Dies kann in den Analysen, in denen die potenzielle AfD-Wählerschaft in zwei bis fünf Kategorien aufgegliedert wird, dazu führen, dass zufallsbedingte Schwankungen der Besetzung einzelner Kategorien die Ergebnisse stark verändern. Zudem kann, zweitens, eine wichtige Gruppe der „Modernisierungsverlierer“, die Arbeitslosen, von Lengfeld, auf Grund der geringen Fallzahl, nicht analysiert werden. Drittens wird in den infratest dimap-Daten die Wahlabsicht über eine offene Frage ermittelt, was der realen Wahlsituation (in der die zur Auswahl stehenden Parteien als Liste vorliegen) wenig nahekommt und zu einem hohen Anteil von Personen führt, die angeben, noch nicht zu wissen, wen sie wählen würden. Dieser Anteil scheint für Personen aus den unteren beruflichen Positionen besonders hoch zu sein (im gesamten von Lengfeld genutzten Sample beträgt er 29 %, unter Arbeitern jedoch 50 %; Lengfeld 2017, S. 218, 222), wodurch die Gefahr besteht, dass der Anteil der potenziellen AfD-Wähler in dieser wichtigen Gruppe der „Modernisierungsverlierer“ unterschätzt wird. Und viertens ist es in den infratest dimap-Daten offenbar nicht möglich, eine Bedarfsgewichtung der Haushaltsnettoeinkommen durchzuführen. Gerade für potenzielle AfD-Wähler scheint aber die Differenz zwischen Haushaltsnettoeinkommen und bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommen besonders stark zu sein, da in ihren Haushalten offenbar relativ viele Haushaltsmitglieder zu versorgen sind und/oder nur wenig Haushaltsmitglieder ein Einkommen erhalten (Brenke und Kritikos 2017, S. 601). Wird also das nicht-bedarfsgewichtete Haushaltsnettoeinkommen für die Analyse des Zusammenhangs von ökonomischer Lage und AfD-Wahlabsicht verwendet, können die Ergebnisse verzerrt sein, da potenzielle AfD-Wähler mit geringem bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommen zu höheren Schichten des nicht-bedarfsgewichteten Haushaltseinkommens gezählt werden.

Meine eigenen Analysen basieren auf den Daten des ALLBUS 2016, die aus meiner Sicht in allen vier genannten Punkten besser zur Analyse der AfD-Wahlabsicht geeignet sind: Sie besitzen nicht nur einen größeren Stichprobenumfang und damit auch eine größere Zahl von potenziellen AfD-Wählern und von Personen in spezifischen Teilgruppen der „Modernisierungsverlierer“ (wie den Arbeitslosen), in ihnen wurde die Wahlabsicht auch mit einer Liste abgefragt, was der realen Wahlsituation etwas näher kommt und zu einem geringeren (und weniger selektiven) Anteil von Personen führt, die angeben, dass sie noch nicht wissen, welche Partei sie wählen würden. Zudem ist auch eine Bedarfsgewichtung des Haushaltseinkommens mit den Daten problemlos möglich.

Wie stark Analysen zur AfD-Wahl von der verwendeten Operationalisierung und vom Samplezuschnitt beeinflusst sein können, lässt sich erkennen, wenn die obigen Analysen nicht auf der Basis des Nettoäquivalenzeinkommens, sondern auf der Basis des nicht-bedarfsgewichteten Haushaltsnettoeinkommens durchgeführt werden und wenn zusätzlich die Gruppe der Arbeitslosen ausgeschlossen wird. Dann verringert sich die Differenz im AfD-Stimmenanteil zwischen der unteren und der mittleren Einkommensschicht von 6,1 Prozentpunkten auf 0,9 Prozentpunkte und die Differenz zwischen der unteren und der oberen Einkommensschicht von 6,5 Prozentpunkten auf 3,1 Prozentpunkte.Footnote 8 Die testweise Verwendung einer über eine offene Frage ermittelten Wahlabsicht ist mit den vorliegenden Daten des ALLBUS leider nicht möglich.

Kritisch gegen meine Analysen einwenden könnte man, dass die Daten Lengfelds (die im November 2016 erhoben wurden) etwas aktueller sind als die von mir genutzten Daten (die zwischen April und September 2016 erhoben wurden) und dass, angesichts der Volatilität im Zuspruch für die AfD, vor allem dies die Differenz der Ergebnisse erklärt. Dann würden meine Ergebnisse eher die Strukturierung der AfD-Wahlabsicht in der Mitte des Jahres 2016 beschreiben, während Lengfelds Ergebnisse eine veränderte Situation zum Ende des Jahres 2016 charakterisieren. Wenngleich diese Möglichkeit nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann, sprechen doch drei Umstände gegen diese Interpretation: Zum einen war die programmatische Transformation der AfD von einer eher liberal-konservativen zu einer rechtspopulistischen Partei bereits im Frühjahr 2016 weit vorangeschritten. Zum anderen erhielt die AfD vom Frühjahr 2016 bis in den Herbst 2016 anhaltend hohen Zuspruch sowohl bei den jeweiligen Landtagswahlen als auch in Bezug auf die über die Sonntagsfrage ermittelte Wahlabsicht auf Bundesebene. Darüber hinaus zeigen von mir durchgeführte Sensitivitätsanalysen, in denen ich den Zusammenhang von Statuslage und AfD-Wahlabsicht getrennt für zwei unterschiedliche Zeiträume analysiert habe (April bis Juni 2016; Juli bis September 2016), keine Tendenz einer Abschwächung oder gar Umkehrung des von mir festgestellten sozialen Gradienten der AfD-Wahlabsicht (ohne Abbildung).

Insgesamt zeigt der Kontrast zwischen meinen Ergebnissen und den Ergebnissen Lengfelds wie wichtig es ist, Analysen zur AfD-Wahl auf der Basis geeigneter Daten durchzuführen. Hierzu zählt nicht nur eine angemessene Fallzahl von (potenziellen) AfD-Wählern und von spezifischen Teilgruppen der „Modernisierungsverlierer“, wie den Arbeitslosen, sondern auch die Möglichkeit der Bedarfsgewichtung des Nettohaushaltseinkommens. Zudem scheint die Anwendung von offenen Fragen zur Ermittlung der Wahlabsicht problematisch, wenn sich durch solch eine offene Frage ein großer Anteil von unentschlossenen Wählern gerade in jenen Gruppen ergibt, die generell stärker zur AfD neigen, und diese unentschlossenen Wähler aus den Analysen ausgeschlossen werden. Besonders problematisch sind solche Datenbeschränkungen dann, wenn entsprechende Ergebnisse umfassend massenmedial verbreitet werden, ohne auf die Besonderheiten der genutzten Daten und deren potenziellen Einfluss auf die Ergebnisse hinzuweisen oder hinweisen zu können.