1 Einleitung

Auf dem deutschen Arbeitsmarkt sind Frauen nach wie vor in unterschiedlichen Dimensionen gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt. Dies zeigt sich zum Beispiel in der niedrigeren Bezahlung von Frauen, wobei dieser „Gender-Pay-Gap“ von derzeit rund 22 % (Statistisches Bundesamt 2014) in Deutschland im Vergleich zu anderen Industriestaaten besonders groß ist (OECD 2013). Benachteiligungen zeigen sich auch darin, dass Frauen erheblich seltener Führungspositionen in Unternehmen bekleiden. Zwar wächst der Anteil weiblicher Führungskräfte, jedoch sind nach wie vor nur rund 25 % der Führungspositionen in der Privatwirtschaft auf der obersten Ebene und knapp 40 % auf der zweiten Ebene durch Frauen besetzt, wobei dieser Anteil mit zunehmender Unternehmensgröße deutlich abnimmt (Kohaut und Möller 2013; Holst et al. 2012).

Die Ursachen für diese Benachteiligung am Arbeitsmarkt sind vielfältig (vgl. hierzu zusammenfassend und mit zahlreichen Literaturverweisen Bauernschuster und Fichtl 2013; Maier et al. 2013; Stettes 2013). Bei näherer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass viele dieser Ursachen, wenn nicht unmittelbar, so doch mittelbar auf unterschiedliche Rollenerwartungen zurückzuführen sind, die an Männer und Frauen gestellt werden. Häufigere Erwerbsunterbrechungen aufgrund familialer Verpflichtungen bei gleichzeitig inadäquaten institutionellen Kinderbetreuungsmöglichkeiten und in Kombination mit geringeren Karriereaspirationen werden als mögliche Gründe dafür ins Feld geführt, weshalb Frauen in einem „Teufelskreis ökonomischer Rationalität“ (Ott 1993) sich weniger stark als Männer auf Erwerbsarbeit spezialisieren. Entsprechend unterbleiben dann bestimmte Karriereschritte mit dem Effekt geringerer Entlohnung und mangelnder Aufstiegschancen. Auch die geschlechtsspezifische Segregation im Bildungs- und damit zusammenhängend Berufssystem (vgl. Reskin 1994; Achatz 2008b; Busch 2013) wird als Ursache genannt. Beispielsweise wird argumentiert, dass mittlerweile zwar in etwa gleich viele Frauen und Männer ein Hochschulstudium absolvieren, Frauen jedoch in den naturwissenschaftlich-technischen Fächern deutlich unterrepräsentiert sind und daher die fachlichen Qualifikationen für eine Karriere in der Industrie und damit die Voraussetzung für gut bezahlte Führungspositionen in der Wirtschaft häufig nicht mitbrächten (vgl. exemplarisch BDA/BDI 2015). Allerdings konnte in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt werden, dass die Benachteiligung von Frauen auch auf einer direkten Diskriminierung in Wirtschaft und Gesellschaft beruht und nur zum (kleineren) Teil auf inadäquate Qualifikationen und mangelnde Karriereorientierung zurückgeführt werden kann (vgl. exemplarisch Busch und Holst 2008; Jann 2008; Hinz und Auspurg 2010).Footnote 1

Vor diesem Hintergrund geht der vorliegende Beitrag der Frage nach, ob es auch im Bereich unbezahlter, ehrenamtlicher Arbeit Hinweise auf eine Benachteiligung von Frauen gibt. Auf Basis der Daten des Freiwilligensurveys 2009 wird untersucht, ob Männer auch im Bereich des sozialen Engagements im Kontext von Non-Profit Organisationen (NPO) häufiger Führungspositionen einnehmen als Frauen oder aber, ob kein Unterschied zu beobachten ist oder im Bereich der unbezahlten, gemeinnützigen Arbeit möglicherweise sogar ein Vorteil für Frauen besteht, Leitungsfunktionen zu übernehmen. So könnte man einerseits erwarten, dass Frauen z. B. aufgrund einer höheren Affinität für Ausbildungen in sozialen Dienstleistungsberufen für Karrieren im Feld der gemeinnützigen Arbeit geradezu spiegelbildlich zur bezahlten Erwerbsarbeit Vorteile gegenüber potenziellen männlichen Konkurrenten besitzen müssten. Andererseits sind Führungspositionen auch im Non-Profit-Bereich mit Macht, Einfluss und Prestige verbunden, weshalb möglicherweise auch hier Männer aufgrund einer größeren Machtorientierung und Konkurrenzerfahrungen ähnlich wie im Erwerbsleben bevorteilt sind oder bevorteilt werden. Insofern trägt der vorliegende Beitrag nicht nur dazu bei, dass bislang in der nationalen und internationalen Forschung zu wenig beachtete Thema von Geschlechterungleichheiten im Bereich ehrenamtlichen Engagements stärker in den Fokus zu rücken. Von den Ergebnissen können auch mittelbar neue Erkenntnisse für die Debatte um die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt gewonnen werden. Denn wenn sich zeigen sollte, dass Frauen auch in ihrer (scheinbaren) Domäne des sozialen Engagements bei der Besetzung von Führungspositionen benachteiligt wären, könnte dies das Argument entkräften, dass die mangelnde fachliche Passung eine wesentliche Hürde bei der Besetzung von Führungspositionen durch Frauen in der Wirtschaft darstellten.

Der Beitrag ist wie folgt aufgebaut: Abschnitt 2 gibt zunächst einen komprimierten Überblick über den Stand der Forschung bezüglich Frauen in Führungspositionen der deutschen Wirtschaft. Daran anknüpfend erörtert Abschn. 3, inwieweit die Ursachen der zu beobachtenden Benachteiligung bei der Besetzung von Führungspositionen in der Wirtschaft auch auf den gemeinnützig und nicht gewinnorientierten Bereich ehrenamtlichen Engagements übertragen werden kann. Es werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Erwerbsarbeit und unentgeltlicher ehrenamtlicher Arbeit herausgestellt und die im weiteren Verlauf empirisch zu überprüfende Fragestellung konkretisiert. Abschnitt 4 stellt dann die Datenbasis und das methodische Vorgehen der vorgenommen Analysen vor, deren Ergebnisse in Abschn. 5 ausführlich dargestellt werden. Der Beitrag schließt mit einer Zusammenfassung und Diskussion der zentralen Befunde (Abschn. 6).

2 Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft

Der Anteil von Frauen in den Vorständen der größten 200 Unternehmen (ohne Finanzsektor) lag in Deutschland im Jahr 2013 bei gerade einmal 4,4 %, der Anteil in Aufsichtsräten bei 15,1 % (Holst und Kirsch 2014). Dagegen sind die Frauenanteile in Vorständen (12,6 %) und Aufsichtsräten (18,1 %) von Unternehmen mit Bundesbeteiligung (Holst und Kirsch 2014) zwar höher, jedoch kann man auch hier nicht von ausgeglichenen Verhältnissen sprechen (ähnliche Befunde finden Kohaut und Möller 2013 bei einem Vergleich zwischen öffentlichem Sektor und Privatwirtschaft).

Die Bekleidung einer Führungsposition ist in der Regel abhängig von der Qualifikation, der (kontinuierlichen) Berufserfahrung und dem derzeit ausgeübten Beruf einer Person (Holst 2008). Weitere Faktoren wie Arbeitszeit oder Erwerbsstatus, Organisationsgröße, Alter, Branche und Haushaltskontext haben je nach Geschlecht allerdings unterschiedliche Auswirkungen auf die Wahrscheinlichkeit, eine Führungsposition zu bekleiden. So haben Frauen in kleineren Betrieben größere Chancen auf eine Führungsposition als in großen Unternehmen. Zudem wächst in Branchen mit einem höheren Frauenanteil die Wahrscheinlichkeit, dort auf Frauen in leitenden Funktionen zu treffen (vgl. Bechmann et al. 2013; Holst et al. 2012; Kohaut und Möller 2013; Krell 2010). Anders als bei Männern korreliert die Übernahme einer Führungsposition darüber hinaus weniger mit steigendem Lebensalter oder wachsender Berufserfahrung (Kleinert 2006). Zudem ist die Wahrscheinlichkeit für Frauen im potenziellen Familiengründungsalter zwischen 25 und 35 Jahren signifikant geringer, eine Führungsposition zu übernehmen als für Männer, unabhängig davon, ob Kinder tatsächlich vorhanden sind oder nicht (Holst 2008; Krell 2010). Und während sich für Männer Heirat und Familie positiv auf die Karriere auswirken, ist für Frauen eher das Gegenteil der Fall (Busch und Holst 2008). Ferner beschränken sich Frauen in Führungspositionen oftmals auf Bereiche, die nicht die direkte Führung des Betriebs betreffen. So findet man Frauen innerhalb von Führungspositionen vor allem in Bereichen des Personalwesens, der Personalentwicklung, der Bilanzbuchhaltung oder des Marketings (vgl. Kleinert et al. 2007). Zudem haben Männer deutlich häufiger Positionen als leitende Vorgesetzte und mit Weisungsbefugnis inne als Frauen (Busch und Holst 2008).

Die Geschlechter- und Organisationsforschung hat in den vergangenen Jahrzehnten unterschiedliche theoretische Erklärungsansätze entwickelt, die die Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt im Allgemeinen und die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen im Besonderen erklären sollen (vgl. zu den folgenden Ausführungen insbesondere Müller 1999; Ohlendieck 2003; Alemann 2007; Achatz 2008a, 2008b; Ochsenfeld 2012):

(1) Eine wesentliche Ursache für die geringe Zahl weiblicher Führungskräfte insbesondere in Wirtschaftsunternehmen wird aus der beruflichen Segregation des Arbeitsmarktes abgeleitet. Aufgrund geschlechtsspezifischer Ausbildungsentscheidungen fehlten geeignete Bewerberinnen, da (immer noch) zu wenige Mädchen und junge Frauen mathematisch-naturwissenschaftliche oder ingenieurwissenschaftlich-technische Ausbildungsgänge („MINT-Fächer“) wählten, die bei vielen Unternehmen des produzierenden Gewerbes eine unabdingbare Einstiegsvoraussetzung darstellen.

(2) In diesem Zusammenhang wird zudem gerne auf generelle Differenzen zwischen Männern und Frauen hinsichtlich geschlechtsspezifischer Verhaltensweisen und Persönlichkeitseigenschaften verwiesen. So seien Männer karriereorientierter, zeigten ein aggressiveres Konkurrenzverhalten und einen hierarchischeren Führungs- und Kommunikationsstil und seien somit vielfach im Vorteil gegenüber potenziellen weiblichen Konkurrentinnen. Ob und insbesondere in welchem Ausmaß es tatsächlich solche Verhaltensunterschiede gibt, ist nach wie vor umstritten. Umfangreiche Meta-Studien weisen zumindest in einzelnen karriererelevanten Parametern (soziale Verträglichkeit, Aggressionsverhalten oder Interesse an Menschen vs. Dingen) auf Evidenz für geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede hin (Hyde 2014). Gleichwohl zeigt sich aber auch, dass Verhaltensunterschiede zwischen Menschen weniger durch biologische oder genetische Unterschiede begründet, sondern zum größeren Teil sozialisationsbedingt sind (Vukasovic und Bratko 2015); dies dürfte in besonderem Maße auch auf geschlechtsspezifische Verhaltensunterschiede zutreffen.

(3) Ferner lässt sich die Benachteiligung von Frauen auch durch ideologische und strukturelle Barrieren erklären. Für organisationsinterne, ebenso wie für unternehmensübergreifende Aufstiege relevante Netzwerke sind traditionell männlich dominiert und tendieren aufgrund von teils bewussten, teils unbewussten oder pfadabhängigen Schließungen dazu, Frauen von dieser wichtigen Ressource systematisch auszuschließen. In Kombination mit geschlechtsspezifischen Stereotypen und Vorurteilen führt dies zu unsichtbaren, aber gleichwohl wirkungsstarken Hürden innerhalb von Unternehmen („gläserne Decke“), die für Frauen nur schwer zu überwinden sind. Erschwert wird dies zudem dann, wenn institutionelle Rahmenbedingungen die Arbeitsmarktchancen von Frauen zusätzlich verringern. Wenn Frauen die Rolle für Haushalt und Familie zugeschrieben wird und gleichzeitig die institutionellen Betreuungsmöglichkeiten für Kinder oder aber pflegebedürftige Angehörige fehlen, sind dies denkbar schlechte Voraussetzungen, um mit einem männlichen Mitbewerber erfolgreich um eine vakante Führungsposition zu konkurrieren.

3 Frauen in ehrenamtlichen Führungspositionen

Legt man das sogenannte „Dritt-Personen-Kriterium“ zu Grunde, nachdem alle Tätigkeiten produktiv sind, bei denen prinzipiell eine Übernahme durch Dritte möglich wäre (also prinzipiell Marktfähigkeit vorliegt), so handelt es sich bei ehrenamtlichem Engagement eindeutig um eine bestimmte Form von Arbeit. Insofern eint Erwerbsarbeit und ehrenamtliche Arbeit, dass in beiden Fällen Güter oder Dienste in Anbindung an eine Organisation außerhalb des Haushalts (also z. B. Unternehmen oder Verein) produziert werden. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass definitionsgemäß Erwerbsarbeit gegen Bezahlung und ehrenamtliche Arbeit unentgeltlich erfolgt. Hingegen erweisen sich Motive oder gar Inhalte als wenig geeignet, um ehrenamtliche Arbeit grundsätzlich von bezahlter Erwerbsarbeit zu unterscheiden (vgl. hierzu ausführlich Erlinghagen 2000, 2003).

Ob und in welchem Ausmaß Menschen erwerbstätig sind, ist nicht nur wesentliche Voraussetzung für materiellen Wohlstand, sondern gleichzeitig auch wesentliche Vorbedingung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben insgesamt. Dementsprechend ist die geringere Erwerbsbeteiligung und die geringere Entlohnung ein zentraler Indikator nicht nur für die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsmarkt, sondern auch für ihre grundlegende gesellschaftliche Benachteiligung insgesamt. Arbeit erfüllt aber über das enge Motiv der Einkommenserzielung hinaus weitere Funktionen für Individuum und Gesellschaft. So hat Arbeit als produktive Tätigkeit für den arbeitenden Menschen einen sinnstiftenden Charakter, mit Arbeit ist oftmals die Zuschreibung von Prestige verbunden, Arbeitserfahrungen vergrößern das Wissen und die Kompetenzen des Arbeitenden und durch Arbeitskontakte kann wichtiges Sozialkapital aufgebaut werden; zudem hat Arbeit aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive eine integrierende und stabilisierende Funktion (Promberger 2008; Voß 2010). Dies trifft gleichermaßen für bezahlte Erwerbsarbeit und unbezahlte ehrenamtliche Arbeit zu (Erlinghagen 2003).

Vor diesem Hintergrund wird auch deutlich, dass die Frage nach geschlechtsspezifischen Unterschieden hinsichtlich der Übernahme von Führungspositionen weit über den Aspekt der ökonomischen Benachteiligung von Frauen hinausgeht. Führungspositionen bedeuten in der Regel mehr Macht, mehr Gestaltungsmöglichkeiten und Autonomie, mehr Prestige, mehr Möglichkeiten, sich weiter zu qualifizieren, und wichtiges (karrierebezogenes) Sozialkapital aufzubauen. Diese Funktionen sollten gleichermaßen für bezahlte Führungspositionen in Unternehmen und unbezahlte (ehrenamtliche) Führungspositionen in gemeinnützigen Organisationen zutreffen.

Aus einer theoretischen Perspektive ist bislang offen, inwieweit die vorgestellten Erklärungen für eine Benachteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt und ihre Unterrepräsentanz in Führungspositionen auf die Frage übertragbar sind, inwieweit mit einer Benachteiligung von Frauen auch bei der Besetzung ehrenamtlicher Führungspositionen zu rechnen ist. Die aus der beruflichen Segregation am Arbeitsmarkt abgeleitete Begründung scheint kaum auf den Bereich des Ehrenamtes übertragbar. Im Gegenteil müsste man erwarten, dass aufgrund der spezifischen Ausbildungs- und Berufswahl von Frauen im sozialen Bereich sogar ein Vorteil von Frauen bei der Besetzung von Führungspositionen in gemeinnützigen Organisationen zu erwarten sein sollte. In eine ähnliche Richtung geht das Argument, mit ehrenamtlicher Arbeit stünde insbesondere Frauen eine Alternativrolle zur Verfügung, die als Ersatz für erfolgreiche Erwerbskarrieren fungieren könnte (Daniels 1988; Beck 1999, S. 122 ff.); Rotolo und Wilson (2007) sprechen in diesem Zusammenhang vom „contrast effect“. Differenztheoretische Überlegungen führen hingegen zu ambivalenten Hypothesen: Einerseits geht es bei Führungspositionen im Non-Profit-Bereich durchaus auch um Macht, Einfluss und Prestige, was dafür sprechen würde, dass aufgrund sozialisationsbedingter Präferenzunterschieden oder VerhaltensungleichheitenFootnote 2 zwischen den Geschlechtern auch hier Männer wegen einer z. B. stärkeren Karriereorientierung und ihres ausgeprägten Dominanzverhaltens eher in Führungspositionen zu finden sein sollten; Rotolo und Wilson (2007) verweisen in diesem Zusammenhang auf einen (negativen) „spill-over effect“ von Geschlechterrollen (vgl. hierzu auch Wilensky 1961). Andererseits könnte aber der Umstand, dass in gemeinnützigen Organisationen gerade nicht die Profitmaximierung als Organisationsziel überwiegt, die Akzeptanz eines „weiblichen“, auf Konsens und Ausgleich beruhenden Führungsstils vergrößern, wodurch Frauen schließlich besonders gut für ehrenamtliche Führungsaufgaben geeignet sein könnten und mithin ein positiver Spill-Over-Effekt zu beobachten sein müsste. Hingegen sollten strukturelle und ideologische Barrieren für Frauen nicht auf den Arbeitsmarkt beschränkt bleiben. So kann man bspw. erwarten, dass auch in NPOs männliche Netzwerke die Etablierung von Frauen in Führungspositionen erschweren und dort ähnliche „gläserne Decken“ existieren wie in Wirtschaftsunternehmen. Und die Frage nach der Vereinbarkeit mit familiären Verpflichtungen stellt sich für Frauen eben nicht nur im Hinblick auf die Beteiligung an Erwerbsarbeit, sondern auch hinsichtlich der Beteiligung an ehrenamtlicher Arbeit, zumal dann, wenn mit einer Führungsposition in diesem Bereich mutmaßlich der zeitliche Aufwand für diese Tätigkeit zunehmen dürfte (Klenner et al. 2001; Picot und Gensicke 2005).

Aus gender- und organisationstheoretischer Perspektive ist also zunächst offen, ob ähnliche Mechanismen, die im Erwerbsleben für die Benachteiligung von Frauen verantwortlich sind (negative Spill-Over-Effekte; „gläserne Decke“), auch im unbezahlten Ehrenamt wirken und dafür sorgen, dass auch hier Frauen seltener Führungsaufgaben übernehmen. Überraschenderweise sind Geschlechterunterschiede im Ehrenamt bislang von der Forschung und ebenso von der Politik nur am Rande thematisiert worden (vgl. zu dieser Kritik Notz 2006; Sing und Hilpert 2002). Auch in internationaler Perspektive liegen bislang vergleichsweise wenige Studien vor, die explizit geschlechtsspezifische Unterschiede im Zusammenhang mit ehrenamtlichem Engagement thematisieren; wenn überhaupt werden diese Aspekte im Zusammenhang mit anderen zentralen Forschungsfragen eher beiläufig behandelt (für einen Literaturüberblick vgl. Rotolo und Wilson 2007; Marshall und Taniguchi 2012; Helms und McKenzie 2014).

Bezüglich der spezifischen Frage nach Frauen in ehrenamtlichen Führungspositionen deuten die wenigen vorliegenden Befunde darauf hin, dass Frauen auch im Ehrenamt seltener eine Führungsposition bekleiden als Männer. Während 39 % der Männer in einer solchen Position sind, gilt dies nur für 24 % der Frauen (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2010). Männer sind zudem nicht nur insgesamt häufiger in Leitungs- und Vorstandspositionen zu finden, sie sind es auch dort, wo der Großteil der Ehrenamtlichen weiblich ist (vgl. Picot und Gensicke 2005; Zierau 2001). Gleichwohl sind dies ausschließlich deskriptive Befunde, die keinerlei Rückschlüsse auf Ursachen für die Benachteiligung von Frauen bei der Besetzung ehrenamtlicher Führungspositionen erlauben. Es fehlen anspruchsvollere, multivariate Analysen, die den Zusammenhang zwischen Geschlecht und ehrenamtlichen Führungspositionen unter Kontrolle wesentlicher weiterer Merkmale wie der Qualifikation, dem Alter oder aber dem Engagementbereich untersuchen (vgl. dazu Rotolo und Wilson 2007). Solche Analysen sollten dann auch eine mögliche Selektionsproblematik berücksichtigen, denn es könnte sein, dass die Unterrepräsentanz von Frauen in Leitungsfunktionen möglicherweise mit der zumindest in Deutschland zu beobachtenden generell niedrigeren ehrenamtlichen Beteiligung von Frauen (Erlinghagen 2013) einhergeht. Die folgenden Analysen sollen folglich dazu beitragen, diese Forschungslücke zu schließen. Wir gehen der Frage nach, ob Frauen, auch unter Kontrolle wesentlicher individueller und organisationsbezogener Faktoren und unter Berücksichtigung möglicher Selektionseffekte, bei der Besetzung von ehrenamtlichen Führungspositionen benachteiligt sind.

4 Daten und Methoden

4.1 Daten

Die Datengrundlage der Analyse bildet die dritte Welle des Freiwilligensurveys aus dem Jahr 2009. Der Freiwilligensurvey wurde 1999 von der Bundesregierung als repräsentatives Instrument zur Messung freiwilligen und bürgerschaftlichen Engagements in der Bundesrepublik eingeführt, mit dem Ziel, detaillierte und verallgemeinerbare Informationen zum Thema Ehrenamt zu sammeln. Durch eine Wiederholung der Befragung alle fünf Jahre sollen zudem Veränderungen im Zeitverlauf abgebildet werden. Der Freiwilligensurvey 2009 umfasst deutschsprechende Personen ab 14 Jahren, die in Privathaushalten leben. Die telefonische Befragung wurde im Frühjahr und Sommer 2009 durchgeführt; bei einer Rücklaufquote von 51 % wurden insgesamt 20.005 Interviews realisiert. Erhoben wurden neben dem Umfang, den konkreten Tätigkeiten und den Bereichen des Engagements auch Motive für ehrenamtliches Engagement, Wünsche in Bezug auf das Engagement, die Engagementbereitschaft nicht engagierter Personen sowie Gründe für die Beendigung der Aktivität ehemals Engagierter. Darüber hinaus wurden auch soziodemografische und sozio-ökonomische Merkmale, wie Geschlecht, Alter, Erwerbsstatus, Bildungsniveau, aber auch Informationen zum Zeitbudget einer Person und nicht zuletzt Informationen zu Leitungspositionen in Ehrenämtern abgefragt (Gensicke und Geiss 2010; Gensicke 2011).

4.2 Analysestrategie

Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit zwei Fragen: Ersten ist von Interesse, ob geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Besetzung von Führungspositionen in Ehrenämtern zu beobachten sind. Zweitens soll daran anschließend überprüft werden, ob eine mögliche Benachteiligung von Frauen auf bestimmte Tätigkeitsbereiche oder aber Organisationsformen (Verein, Kirche, Partei usw.) begrenzt oder aber ein generelles Phänomen ist. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nur ehrenamtlich Engagierte auch eine unbezahlte ehrenamtliche Führungsposition in einer NPO übernehmen können. Das bedeutet, dass bei der Analyse, welche Determinanten das Bekleiden einer ehrenamtlichen Leitungsfunktion im Allgemeinen begünstigen und inwieweit es in diesem Zusammenhang zu signifikanten Unterschieden zwischen Männern und Frauen kommt, diese Selektivität berücksichtigt werden muss (Sample Selection Bias). Auch bei der Frage nach den Unterschieden in den verschiedenen Bereichen oder Organisationsformen sind solche Selektionseffekte denkbar. Klassische Regressionsmodelle berücksichtigen diesen Selektionsprozess nicht und würden in diesem Fall zu verzerrten Schätzungen führen (Heckman 1979; Puhani 2000). Um dieses Problem zu umgehen, werden im Folgenden sogenannte Heckman-Probit-Modelle (Heckprob) geschätzt, die für Sample Selection Bias kontrollieren und anders als die klassischen Heckman-Modelle auf binäre abhängige Variablen angewendet werden können (Arminger 1996; Wooldridge 2002, S. 560 ff.). Das besondere an Heckman-Probit-Modellen ist, dass zwei Gleichungen geschätzt werden: eine „Hauptgleichung“ und eine „Auswahlgleichung“. Für beide Gleichungen werden separate Vektoren der erklärenden Variablen zugelassen und die Korrelation der Fehlerterme (rho) der Hauptgleichung und der Auswahlgleichung geschätzt (Windzio 2013, S. 270). Eine positiv oder negativ signifikante Korrelation beider Fehlerterme ist ein Hinweis darauf, dass diese zum Teil durch gemeinsame unbeobachtete Faktoren bedingt sind. Heckman-Probit-Modelle nehmen diese Korrelation der Fehlerterme mit in die Schätzung auf, um diese unbeobachtete Heterogenität und damit letztlich die Selektivität der Stichprobe zu kontrollieren.

In unserem Fall stellt die Belegung einer Führungsposition die abhängige Variable der Hauptgleichung dar. Die abhängige Variable der Auswahlgleichung ist ebenfalls eine dichotome Variable und nimmt den Wert „1“ an, wenn die Person ehrenamtlich engagiert ist (sonst „0“). In einem ersten Schritt (Auswahlgleichung) werden individuelle Wahrscheinlichkeiten berechnet, überhaupt ehrenamtlich aktiv zu sein. In einem zweiten Schritt wird dann in der eigentlichen Hauptgleichung die Wahrscheinlichkeit geschätzt, ob eine Person eine ehrenamtliche Führungsposition bekleidet, dabei jedoch die in der Auswahlgleichung identifizierte Selektivität berücksichtigt. In beiden Gleichungen wird für eine Reihe von unabhängigen Variablen kontrolliert, die zwar eine große Schnittmenge aufweisen. Dennoch gehen in die Hauptgleichung auch Prädiktoren ein, die nicht in der Selektionsgleichung vertreten sind und umgekehrt. In ähnlicher Weise werden auch getrennte Schätzungen für Männer und Frauen vorgenommen. Schließlich werden dann weitere Selektionsmodelle geschätzt, die die zwischen ehrenamtlich tätigen Männern und Frauen mutmaßlich bestehenden unterschiedlichen Präferenzen für bestimmte Engagementbereiche oder Organisationsformen berücksichtigen. Dadurch wird es möglich zu prüfen, ob und inwieweit es geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Bekleidung ehrenamtlicher Führungspositionen im Vergleich der unterschiedlichen Engagementbereiche und Organisationsformen gibt.

4.3 Operationalisierung der Variablen

Um mögliche vorgelagerte Selektionseffekte zu berücksichtigen, werden zunächst Aktive sowie Nicht-Aktive in die Analyse aufgenommen. Ob Personen überhaupt ehrenamtlich aktiv sind, wird darüber erfasst, inwieweit die befragte Person zum Zeitpunkt der Befragung ein Ehrenamt ausübt (1 = ja, 0 = nein) (zur aufwendigen und umfangreichen Erfassung ehrenamtlicher Aktivitäten im Freiwilligensurvey 2009 vgl. BMFSFJ 2010, S. 91 ff.). Im Freiwilligensurvey wird das Bekleiden einer ehrenamtlichen Führungsposition über die Frage abgebildet, ob der Befragte im Rahmen seines ehrenamtlichen Engagements eine Leitungs- oder Vorstandsposition hat. Daraus konstruieren wir unsere zentrale abhängige Variable, die den Wert „1“ annimmt, wenn die Frage mit Ja beantwortet wurde (ansonsten „0“). Liegen in einer der beiden abhängigen Variablen (ehrenamtliches Engagement, ehrenamtliche Leitungsfunktion) keine Informationen vor, werden diese Personen in der Analyse nicht weiter berücksichtigt.

Neben der für unsere Analyse zentralen Unterscheidung zwischen Männern und Frauen wurde eine Reihe weiterer Variablen bei den Schätzungen berücksichtigt. So wird sowohl in der Auswahl- als auch in der Hauptgleichung neben dem Alter auch für den Migrationshintergrund, das Vorhandensein schulpflichtiger Kinder, den Erwerbsstatus, den höchsten erreichten Schulabschluss und die regionale Herkunft (Ost-/Westdeutschland) kontrolliert.

Zusätzlich beinhaltet die Auswahlgleichung Prädiktoren, die das ehrenamtliche Engagement zwar bedingen, die aber aus theoretischer Perspektive keinen nennenswerten Einfluss auf die Besetzung ehrenamtlicher Führungspositionen haben sollten. Ergänzend zur Religiosität und zum Interesse an gesellschaftlichen und politischen Themen (als Indikator für die grundsätzliche Motivation) wird die Selbsteinschätzung der finanziellen Situation (als Indikator für ökonomische Ressourcen und finanzielle Unabhängigkeit), die Größe des Bekannten- und Freundesnetzwerks und die Wohndauer im Ort (als Indikator für Ortsverbundenheit und soziale Einbettung) nur in die Auswahlgleichung aufgenommen – allesamt Faktoren, die Korrelationen mit ehrenamtlichem Engagement erwarten lassen (vgl. dazu den Literaturüberblick bei Wilson 2012), gleichzeitig aber die Wahrscheinlichkeit, ehrenamtlich in einer Führungsposition aktiv zu sein, kaum oder nur nachrangig beeinflussen sollten.

In die Hauptgleichung fließen hingegen die engagementspezifischen Faktoren ein, die nur unter der Teilmenge der Engagierten erhoben wurden. Dazu zählen der Engagementbereich (Freizeit, Soziales, Politik, Glauben/Religion, Technik) und die Organisationsform (Verein, Partei/Verband, Kirche, Selbsthilfe, sonstige) (vgl. Tab. 5 und 6 im Anhang für eine genauere Aufschlüsselung). Zudem wurden das Vorhandensein von Hauptamtlichen in der jeweiligen Organisation, die Häufigkeit der ehrenamtlichen Tätigkeit (täglich, wöchentlich, monatlich und seltener) sowie die Tätigkeitsdauer kontrolliert. In Tab. 3 im Anhang sind die in der Hauptgleichung und der Auswahlgleichung verwendeten Variablen dokumentiert.

5 Ergebnisse

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Verteilung der Frauen und Männer auf Ehrenämter im Allgemeinen und auf Leitungspositionen in Ehrenämtern im Besonderen. Es zeigt sich, dass von den insgesamt 19.995 Personen 35 % (N = 6996) ein Ehrenamt ausüben und davon wiederum 33 % (N = 2286) eine ehrenamtliche Führungsposition bekleiden. Während 33 % der Frauen sich ehrenamtlich engagieren, gehen 38 % der Männer einer ehrenamtlichen Aktivität nach. Der Geschlechterunterschied fällt bei der Übernahme von Leitungspositionen in Ehrenämtern noch deutlicher aus. So übernehmen unter den ehrenamtlich aktiven Frauen nur 26 % eine Führungsposition, während 40 % der engagierten Männer ihr Ehrenamt in leitender Funktion ausüben.

Das Ziel der Analyse ist, mittels Probit-Regressionen zu bestimmen, welche Faktoren eine Übernahme ehrenamtlicher Führungspositionen vorhersagen können und inwiefern hierbei eine Geschlechterungleichheit auch unter Kontrolle weiterer Merkmale besteht. Es wurden für die Gesamtpopulation, für Männer und für Frauen jeweils zwei Modelle, einmal mit und einmal ohne Selektion geschätzt. Die Ergebnisse dieser Probit-Regressionen sind in Tab. 2 dokumentiert. Bei den Modellen mit Selektion werden ausschließlich die Ergebnisse der Variablen in der Hauptgleichung sowie die entsprechenden Teststatistiken berichtet; die Ergebnisse der vorgeschalteten Auswahlgleichung sind im Anhang in Tab. 4 dokumentiert.Footnote 3

Bevor wir auf die uns eigentlich interessierenden Geschlechterunterschiede eingehen, zeigt ein Blick auf die Ergebnisse des Gesamtmodells, welche Determinanten unabhängig vom Geschlecht mit der Bekleidung ehrenamtlicher Führungspositionen in Zusammenhang stehen. So ist ein u‑förmiger Alterseffekt zu beobachten, wobei die für Männer und Frauen getrennt vorgenommenen Schätzungen zeigen, dass dies insbesondere ein für Männer zu beobachtendes Phänomen ist. Zudem zeigt sich ein klarer positiver Bildungszusammenhang nur in der Schätzung ohne Selektion, während bei der Schätzung unter Berücksichtigung der Heckman-Korrektur dieser Bildungsgradient verschwindet. Dass wir mehr besser qualifizierte unter Vereinsvorsitzenden usw. finden, ist also in erster Linie auf ein generell mit zunehmender Bildung wachsendes ehrenamtliches Engagement zurückzuführen; sobald sich geringer Qualifizierte unentgeltlich engagieren, haben diese dann im Schnitt ähnlich große Chancen, ehrenamtliche Leitungsaufgaben zu übernehmen wie ihre besser qualifizierten Vereinskollegen oder Parteigenossen. Gleichzeitig ist kein (klarer) Zusammenhang zwischen ehrenamtlichen Leitungsaktivitäten und dem Erwerbs- oder Migrationsstatus nachweisbar. Und wenn schulpflichtige Kinder betreut werden, senkt dies die Wahrscheinlichkeit signifikant, eine ehrenamtliche Leitungsaufgabe zu übernehmen. Dieser im Gesamtmodell zu beobachtende Zusammenhang ist jedoch in erster Linie auf Frauen zurückzuführen; die getrennten Schätzungen zeigen, dass zwischen Vätern und kinderlosen Männern keine Unterschiede bei der Bekleidung von ehrenamtlichen Führungsfunktionen existieren.

Darüber hinaus gibt es eine deutliche positive Korrelation zwischen der Engagementhäufigkeit und der Bekleidung von Führungspositionen. Zudem zeigt sich, dass eine erst relativ kurze Engagementkarriere (<3 Jahre) signifikant seltener bereits zu Leitungspositionen geführt hat. Neben diesen individuellen sozioökonomischen und soziodemografischen Determinanten sowie Charakteristika des individuellen Engagementverhaltens lassen sich darüber hinaus auch Zusammenhänge zwischen Merkmalen der Organisation und der Wahrscheinlichkeit, dass Menschen dort ehrenamtliche Führungspositionen bekleiden, feststellen. Sind neben Ehrenamtlichen auch Hauptamtliche beschäftigt, verringert dies die Wahrscheinlichkeit, dass ein unter diesen Bedingungen aktiver Ehrenamtlicher eine Leitungsaufgabe übernimmt. Zudem zeigt sich, dass offenbar gerade ein Engagement in Parteien und Verbänden im Vergleich zu Vereinen signifikant häufiger mit ehrenamtlichen Führungsfunktionen einhergeht; hingegen ist es für unentgeltlich in der Selbsthilfe und sonstigen Organisationen Tätige im Vergleich zu Vereinsaktiven unwahrscheinlicher, dass sie eine Führungsfunktion innehaben.

Betrachtet man nun den für unsere Fragestellung zentralen Aspekt des Zusammenhangs zwischen Geschlecht und ehrenamtlichen Leitungsfunktionen, so zeigt sich anhand der signifikant negativen Effekte, dass selbst unter Kontrolle vorgelagerter Selektionseffekte und wesentlicher individueller und organisationaler Einflussfaktoren Frauen deutlich seltener ehrenamtliche Führungspositionen bekleiden als Männer. Wir finden also selbst in dem Bereich, in dem Frauen aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer tatsächlich oder vermeintlich besseren sozialen Kompetenzen gegenüber Männern bevorteilt sein sollten, eine ähnliche Benachteiligung wie im Erwerbsleben. Unabhängig davon unterscheiden sich Männer und Frauen dann jedoch kaum hinsichtlich der Faktoren, die die Übernahme einer unbezahlten Leitungstätigkeit unterstützen oder behindern.

Um zu überprüfen, inwieweit ein Zusammenhang mit dem Engagementbereich oder der Organisationsform und der Benachteiligung von Frauen bei der Besetzung ehrenamtlicher Leitungsfunktionen auch unter Berücksichtigung wesentlicher Kontrollvariablen existiert, haben wir erneut unterschiedliche Selektionsmodelle für die entsprechenden Bereiche und Organisationsformen geschätzt. Die Frage, die damit beantwortet werden soll, lautet, ob die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen unter anderem auch ein Ergebnis einer geschlechtsspezifischen Entscheidung für bestimmte Inhalte oder Organisationsformen ist. Alternativ ist auch denkbar, dass diese Selektivität nicht oder nur zum Teil die Benachteiligung von Frauen erklären kann und somit es zu einer direkten Diskriminierung von Frauen zumindest in einzelnen Engagementbereichen und Organisationsformen kommt. Abbildung 1 dokumentiert die entsprechenden Ergebnisse der Heckprob-SchätzungenFootnote 4. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden hier lediglich die durchschnittlichen marginalen Effekte für Frauen im Vergleich zu Männern gezeigt, eine Führungsposition im jeweiligen Bereich zu übernehmen.Footnote 5 Wir sehen, dass sich nur in einigen Bereichen oder bestimmten Organisationsformen eine Benachteiligung von Frauen bei der Besetzung von Führungspositionen nachweisen lässt. Dies ist im Freizeitbereich und im religiösen und technischen Bereich der Fall und zeigt sich insbesondere in Vereinen, Kirchen und sonstigen Einrichtungen. Bei Parteien und in Selbsthilfegruppen lassen sich nach Kontrolle individueller Unterschiede und nach Berücksichtigung möglicher Selektionseffekte hingegen keine Geschlechterunterschiede bei der Besetzung von Leitungsfunktionen feststellen; Gleiches gilt für den politischen und sozialen Engagementbereich. Die Befunde machen deutlich, dass Tätigkeitsinhalte sowie die Organisationsform zu einer mehr oder weniger starken Benachteiligung von Frauen bei der Besetzung von ehrenamtlichen Führungsaufgaben beitragen können.

6 Zusammenfassung und Diskussion

Frauen weisen im Vergleich zu Männern eine deutlich verringerte Wahrscheinlichkeit auf, in ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit Führungspositionen zu übernehmen. Dieser Zusammenhang ist auch dann stabil, wenn (Selbst-)Selektionseffekte sowie eine Reihe zentraler soziodemografischer, sozioökonomischer und engagementspezifischer Faktoren berücksichtigt werden. Eine differenzierte Analyse zeigt zudem, dass eine Benachteiligung von Frauen hinsichtlich der Übernahme ehrenamtlicher Leitungsfunktionen insbesondere für bestimmte Tätigkeitsbereiche oder in bestimmten Organisationsformen nachweisbar ist. Vor allem Vereine und Kirchen oder religiöse Organisationen zeigen hier deutliche Defizite. Immerhin sind hier insgesamt knapp 60 % aller Ehrenamtlichen in Deutschland aktiv und daher können Vereine und Kirchen aufgrund ihrer quantitativen Bedeutung zusammen mit der heterogenen Gruppe der sonstigen Organisationen als Treiber der insgesamt zu beobachtenden Benachteiligung von Frauen bei der Besetzung ehrenamtlicher Führungspositionen identifiziert werden.

Die Ursachen dafür, dass Frauen seltener ehrenamtliche Führungsaufgaben übernehmen, dürften allerdings keineswegs allein in der Form der jeweiligen gemeinnützigen Organisation oder aber der inhaltlichen Tätigkeiten liegen (vgl. zu einer ähnlichen Befundlage in den USA Rotolo und Wilson 2007). Denkbar wäre nämlich darüber hinaus, dass Führungspositionen in Ehrenämtern von jenen Personen übernommen werden, die auch im Erwerbsleben solche herausgehobenen Positionen bekleiden (Spill-over-Effekt). Hier scheinen Männer durch ihre Überrepräsentanz in den Führungsetagen in Unternehmen bevorteilt zu sein, weil sie ihre schon geübte und vertraute Rolle aus dem Erwerbsleben in den Bereich des Ehrenamts übertragen können. Nicht zuletzt deutet die nur für Frauen nachweisbare verringerte Wahrscheinlichkeit, beim Einstieg in die ehrenamtliche Tätigkeit sofort eine Führungsaufgabe zu übernehmen, auf mögliche strukturelle und ideologische Barrieren hin. Frauen müssen sich insofern auch im Ehrenamt erst einmal „beweisen“ oder „bewähren“, während Männern eine Führungsaufgabe sofort zugetraut wird. Insgesamt scheint der Bereich unbezahlten sozialen Engagements für Frauen jedenfalls kein alternatives Betätigungsfeld zu bieten, in dem sie die Defizite bei der Bekleidung von Leitungsfunktionen im Erwerbsleben kompensieren könnten.

Jedoch ist als weitere Begründung durchaus denkbar, dass die seltenere Übernahme von ehrenamtlichen Leitungsfunktionen durch Frauen nicht (allein) auf strukturelle Diskriminierung „von außen“ zurückzuführen ist, sondern zu einem mehr oder weniger großen Teil auch durch einen freiwilligen Verzicht von Frauen auf Führungspositionen erklärt werden könnte; hierbei wäre dann auch die Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf einerseits und leitendem Ehrenamt andererseits zu berücksichtigen. Denn in dem Maß, in dem nach wie vor insbesondere Frauen die Verantwortung für Familie und Haushalt zugesprochen wird, könnte dies bei den Frauen im Zweifel eher zu einem Verzicht auf tendenziell zeitintensive Führungsaufgaben gerade im Bereich unbezahlten ehrenamtlichen Engagements führen. Der Befund, dass erstens Mütter seltener ehrenamtliche Leitungsfunktionen übernehmen als Frauen ohne Betreuungsaufgabe und sich zweitens bei Männern kein solcher Zusammenhang nachweisen lässt, deutet in diese Richtung.

Allerdings zeigt sich darüber hinaus weder für Männer noch für Frauen ein Unterschied zwischen erwerbstätigen und nicht-erwerbstätigen Aktiven. Unbezahlte Führungsfunktionen zu übernehmen ist also nicht alleine eine Frage frei verfügbarer Zeit. Einschränkend muss man aber hierbei auch darauf hinweisen, dass sich diese Aussagen auf relativ wenige und dazu noch grobe Indikatoren innerhalb des Freiwilligensurveys stützen. Vor dem Hintergrund, dass davon ausgegangen wird, dass Führungsaufgaben mit erhöhtem zeitlichem Aufwand einhergehen, wäre es wünschenswert gewesen, neben Indikatoren der Haushaltszusammensetzung auch den Umfang der Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen. Des Weiteren würde ein Indikator zur Bekleidung von Führungsposition im Erwerbsleben die Aussagekraft der Modelle erheblich verbessern (vgl. dazu auch Marshall und Taniguchi 2012). Leider sind beide erwähnten Indikatoren im Freiwilligensurvey bislang nicht enthalten. Es bleibt abzuwarten, ob die gewünschten Analysen mit der aktuellen Welle des Freiwilligensurveys 2014 zu realisieren sind, die seit kurzem für Auswertungen zur Verfügung steht.

Neben den neuen Erkenntnissen hinsichtlich der Diskriminierung von Frauen im Bereich des unbezahlten ehrenamtlichen Engagements lassen sich unserer Ansicht nach zudem interessante Rückschlüsse für die derzeit in Deutschland intensiv geführte Debatte um Frauen in Führungspositionen ziehen. Wie zu Beginn ausgeführt, ist ein populäres Argument für das Fehlen von weiblichen Führungskräften in Wirtschaftsunternehmen deren angeblich inadäquate Ausbildung und mangelnde beruflichen Passung. Wenn dies tatsächlich der wesentliche Grund für den Männerüberschuss in den Führungsetagen wäre, so müsste dieser Nachteil im Bereich des nicht gewinnorientierten Non-Profit-Sektors zumindest ausgeglichen werden. Dies ist aber offensichtlich nur sehr eingeschränkt der Fall. Zumindest bei Leitungsfunktionen in Kirchen und Vereinen sehen wir hinsichtlich der Benachteiligung von Frauen ein ähnliches Bild wie in For-Profit-Unternehmen. Dies sind wichtige Hinweise darauf, dass strukturelle und organisatorische Faktoren und Präferenzen eine wesentliche Bedeutung für die Erklärung und mithin auch für eine zukünftige Beseitigung der auch im Bereich des Ehrenamtes vielfach existierenden „Gläsernen Decke“ zukommt. Zudem bleibt abzuwarten, inwieweit ein fortschreitender Abbau der Diskriminierung von Frauen im Erwerbsleben sowie damit einhergehende, sich langsam wandelnde Rollenbilder durch entsprechende Spill-Over-Effekte auch zu einem Abbau der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei der Besetzung unbezahlter ehrenamtlicher Führungspositionen in Zukunft beitragen wird.

Tab. 1 Verteilung von Frauen und Männer auf Ehrenämter und Leitungspositionen in Ehrenämtern. Quelle: Freiwilligensurvey 2009, eigene Berechnungen
Tab. 2 Leitungspositionen in Ehrenämtern (durchschnittliche marginale Effekte mit/ohne Heckman-Selektion). Quelle: Freiwilligensurvey 2009, eigene Berechnungen
Abb. 1
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Durchschnittliche marginale Effekte für Frauen, eine Leitungsposition im genannten Engagementbereich oder der jeweiligen Organisationsform zu bekleiden. Kontrollvariablen (Hauptgleichung): Alter, zu betreuende Kinder im Haushalt, Migrationshintergrund, Erwerbsstatus, höchster Schulabschluss, Engagementhäufigkeit, Tätigkeitsdauer, Vorhandensein der Hauptamtlichen und Region; Kontrollvariablen (Auswahlgleichung): Geschlecht, Alter, Kinder im Haushalt, Migrationshintergrund, Erwerbsstatus, höchster Schulabschluss, Religiosität, Interesse an politischen und gesellschaftlichen Themen, Region. (*p < 0,05, **p < 0,01, ***p < 0,001; helle Balken weisen auf nicht signifikanten Effekten hin. Es liegt kein Sample Selektion Bias vor; Ergebnisse der Probit Regressionen ohne Selektion). Quelle: Freiwilligensurvey 2009, eigene Berechnungen