1 Einleitung

In zahlreichen Untersuchungen ist gut dokumentiert, dass Verheiratete gesünder sind und länger leben als nicht Verheiratete (Hu und Goldman 1990; Manzoli et al. 2007). Die Hintergründe für diese Unterschiede sind bislang aber wenig untersucht. Bisherige Studien weisen darauf hin, dass einerseits der Familienstand die Gesundheit beeinflusst. Dokumentiert sind insbesondere günstige Effekte einer Heirat (Wood et al. 2007) und ungünstige Effekte einer Scheidung (Amato 2000; Kitson und Morgan 1990) auf die Gesundheit. Andererseits ist in Betracht zu ziehen, dass umgekehrt Einflüsse der Gesundheit auf den Familienstand zu den Familienstandsunterschieden von Morbidität und Mortalität beitragen. In diesem Zusammenhang wird meist auf die besseren Heiratschancen von Gesünderen verwiesen (Goldman et al. 1995; Lillard und Panis 1996; Murray 2000). Kaum untersucht ist die Frage, ob der Gesundheitszustand die Stabilität von Ehen beeinflusst.

Dieser Mangel an empirischer Forschung wiegt umso schwerer, als die wichtigsten Erklärungsmodelle ehelicher Stabilität einen Einfluss der Gesundheit auf das Trennungs- und Scheidungsrisiko nahelegen, wobei aber die theoretischen Vorhersagen uneinheitlich ausfallen. Zudem ist die Frage nach dem Einfluss der Gesundheit auf die Ehestabilität von hoher gesellschaftlicher Relevanz. So hängt zum Beispiel die Versorgungssituation von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen auch von der Existenz einer stabilen Paarbeziehung ab (BMFSFJ 2005, S. 292 f.). Die Fragestellung wird in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen, da die Menschen immer älter werden und weil zunehmend geburtenstarke Jahrgänge ein höheres Alter erreichen, in dem gesundheitliche Beeinträchtigungen häufiger werden (Statistisches Bundesamt 2009).

Das bisherige Forschungsdefizit zum Zusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand und der Ehestabilität steht möglicherweise in Zusammenhang damit, dass „Sozialwissenschaftler […] die biologischen Rahmenbedingungen menschlichen Verhaltens lange Zeit nahezu vollkommen ignoriert“ haben (Schnell 2009, S. 46). Auch der Gesundheitszustand wurde bislang bei der Erklärung sozialer Prozesse eher selten berücksichtigt. Was speziell die deutsche Trennungs- und Scheidungsforschung betrifft, ist die Nichtberücksichtigung des Gesundheitszustandes (vgl. Wagner und Weiß 2003) auch der Datenlage geschuldet. In fast allen Datensätzen, die für Trennungs- und Scheidungsstudien mit Längsschnittdaten für Deutschland zur Verfügung stehen und bislang herangezogen wurden, ist die Ehebiografie retrospektiv erfragt.Footnote 1 Damit geht einher, dass häufig keine oder nur wenige Informationen über die Gesundheit im Längsschnitt vorliegen. Die spärlich vorliegenden Informationen sind zudem mit einiger Unsicherheit behaftet, da der Gesundheitszustand nicht ohne weiteres zuverlässig erinnerbar ist. Um den Zusammenhang zwischen der Gesundheit der Ehepartner und dem Trennungs- und Scheidungsrisiko analysieren zu können, sind deshalb Paneldaten notwendig. Da Trennungen ein seltenes Ereignis darstellen, sind außerdem hohe Fallzahlen und lange Beobachtungsdauern erforderlich, wie sie für Deutschland nur (und, was eine lange Beobachtungsdauer betrifft, auch erst seit kürzerem) das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) bereitstellt.

Im Folgenden werden zunächst bisherige empirische Befunde aus Studien außerhalb Deutschlands zusammengefasst und es werden, auf der Grundlage von familienökonomischen und austauschtheoretischen Erklärungsmodellen ehelicher Stabilität, Hypothesen zum Einfluss der Gesundheit auf das Trennungsrisiko formuliert (Abschn. 2). Es folgen eine Erläuterung der verwendeten Daten, Variablen und Analyseverfahren (Abschn. 3), die Darstellung der Ergebnisse der empirischen Analysen (Abschn. 4) sowie deren Zusammenfassung und Diskussion (Abschn. 5).

2 Theorie und Forschungsstand

2.1 Bisherige empirische Befunde im Überblick

Für Deutschland liegen bislang keine repräsentativen Ergebnisse vor, ob sich das Trennungs- und Scheidungsrisiko nach dem Gesundheitszustand der beiden Ehepartner unterscheidet. Auch in internationalen Untersuchungen gibt es hierzu bislang nur spärliche Befunde. Für die Niederlande berichten Joung et al. (1998), dass Personen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen ein höheres Scheidungsrisiko aufweisen. Bezogen auf US-amerikanische Frauen berichten Waldron et al. (1996) ebenfalls ein höheres Scheidungsrisiko im Falle von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, allerdings nur für Frauen, die nicht Vollzeit erwerbstätig sind. Ebenfalls für die Vereinigten Staaten zeigt Bulanda (2006), die im Unterschied zu den zuvor genannten Studien Informationen zum Gesundheitszustand von beiden Partnern betrachtet, dass sowohl ein schlechter Gesundheitszustand von Ego als auch von dessen Partner mit einem höheren Scheidungsrisiko einhergeht. Nur eine bisherige Studie betrachtet die gemeinsame Verteilung der Gesundheit bei beiden Partnern (Wilson und Waddoups 2002). Sowohl für Ehen, bei denen nur einer der beiden Ehepartner, als auch bei Ehen, bei denen beide Ehepartner gesundheitlich beeinträchtigt sind, berichtet diese Studie ein nicht signifikant höheres Trennungsrisiko gegenüber Ehen, bei denen beide Partner bei guter Gesundheit sind. Die Autoren führen außerdem getrennte Analysen durch, die sich einerseits nur auf Ehen beziehen, bei denen die Ehezufriedenheit hoch ist sowie andererseits nur auf Ehen, bei denen die Ehezufriedenheit niedrig ist. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen nur bei denjenigen Ehen mit einem signifikant höheren Trennungsrisiko einhergehen, bei denen die Ehezufriedenheit hoch ist und bei denen nur einer der beiden Partner gesundheitlich beeinträchtigt ist. Dieser Befund ist aber schwierig einzuschätzen, vor allem deshalb, weil den Ergebnissen insgesamt nur 139 Trennungen zugrunde liegen.

Die wenigen internationalen Studien weisen insgesamt darauf hin, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen mit einem höheren Trennungs- und Scheidungsrisiko einhergehen. Der am häufigsten verwendete Gesundheitsindikator stellt die subjektive allgemeine Gesundheitseinschätzung dar, der auch in dieser Untersuchung herangezogen wird. Allerdings sind die vorliegenden Ergebnisse aufgrund von kulturellen und institutionellen Unterschieden zwischen den Ländern nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragbar. Zum Beispiel können die finanziellen Folgen von Krankheit zwischen Ländern variieren und deshalb auch der Zusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand und dem Trennungsrisiko. Zudem konzentrieren sich die vorliegenden Studien auf jüngere und mittlere Altersbereiche, in denen gesundheitliche Beeinträchtigungen vergleichsweise selten sind und in denen der Gesundheitszustand möglicherweise einen anderen Einfluss auf das Trennungsrisiko hat als in späteren Lebens- und Partnerschaftsphasen.Footnote 2

2.2 Erklärungsansätze und Hypothesen zum Einfluss der Gesundheit auf das Trennungsrisiko

Empirische Untersuchungen zu den Ursachen und den sozialen Unterschieden der Ehestabilität stehen zumeist im Kontext austauschtheoretischer und familienökonomischer Überlegungen (Wagner und Weiß 2003, S. 38). Auch die im Folgenden dargestellten Erklärungsansätze leiten sich aus diesen beiden Theorieansätzen ab. In der Perspektive der Austauschtheorie werden Ehen als verstetigte Tauschbeziehung betrachtet, deren Fortbestand von der Ehequalität, von den Alternativen zur bestehenden Beziehung und von den Barrieren gegenüber einer Trennung abhängig ist (Levinger 1976; Lewis und Spanier 1979). Dabei kennzeichnet die Ehequalität die subjektive Bewertung der ehelichen Beziehung. Die Alternativen umfassen die Aussicht auf eine andere Paarbeziehung sowie die Möglichkeit des Alleinlebens und die Barrieren repräsentieren externe Faktoren, die einer Trennung im Wege stehen. Die ökonomische Theorie der Ehescheidung begreift die Paarbeziehung als Produktionsgemeinschaft (Becker 1993; Becker et al. 1977), wobei ebenfalls individuelle Kosten-Nutzen-Kalküle das Trennungsverhalten bestimmen. Das Trennungs- und Scheidungsverhalten orientiert sich in dieser Perspektive an dem Gewinn aus der Ehe, an dem Nutzen der Alternativen zur Ehe und an den Trennungskosten. Ehen werden aufgelöst, wenn der gemeinsame Nutzen aus der Ehe niedriger ist als der erwartete Nutzen nach einer Trennung (Becker et al. 1977, S. 1142, 1144).

Auf Grundlage von austauschtheoretischen und familienökonomischen Erklärungsmodellen ehelicher Stabilität ist ein Einfluss von Gesundheit und Krankheit auf das Trennungsrisiko erstens aufgrund der mit Krankheit einhergehenden Belastungen zu erwarten, weil diese die Ehequalität und den Gewinn aus der Ehe vermindern. Booth und Johnson (1994) weisen nach, dass mit einer Gesundheitsverschlechterung einhergehende finanzielle Schwierigkeiten, Veränderungen bezüglich der Aufteilung der Hausarbeit, verminderte gemeinsame Aktivitäten und Verhaltensauffälligkeiten des gesundheitlich beeinträchtigten Partners mit einer signifikant niedrigeren Ehequalität einhergehen. Auf dieser Basis ist zu erwarten, dass ein schlechter Gesundheitszustand das Trennungsrisiko erhöht.

Dem familienökonomischen Erklärungsmodell ehelicher Stabilität liegt außerdem die Vorstellung zugrunde, dass potenzielle Partner auf dem Partnermarkt zwar nicht perfekt (aufgrund von unvollständigen Informationen und Suchkosten), aber doch tendenziell in der Weise zusammenfinden, dass sich keiner der beiden Partner besser stellen kann, indem er die Ehe auflöst (Becker 1973,1974). Auf dieser Grundlage lassen unerwartete Ereignisse und speziell gesundheitliche Veränderungen einen destabilisierenden Effekt auf die Ehe erwarten (Becker et al. 1977, S. 1161, 1183). Denn Erkrankungen können die Attraktivität des kranken Partners für den gesunden Partner und somit das Partnermatch verschlechtern, d. h. die Differenz zwischen dem momentanen und dem „bestmöglichen“ Partner vergrößern, und damit eine Situation herbeiführen, in der sich der gesunde Partner durch eine Trennung besser stellen kann. Dieser Erklärungsansatz bezieht sich somit auf Veränderungen der Gesundheit seit dem Zeitpunkt der Eheschließung. Da die Heirat meist in einem Alter stattfindet, indem ein schlechter Gesundheitszustand selten ist, kann man aber in den meisten Fällen davon ausgehen, dass ein schlechter Gesundheitszustand eine Verschlechterung der Gesundheit seit der Heirat impliziert. Auf dieser Basis ist ebenfalls zu erwarten, dass ein schlechter Gesundheitszustand das Trennungsrisiko erhöht.

Neben der Ehequalität und dem Ehegewinn können sich Infolge von Krankheit auch die Barrieren ändern, die einer Trennung im Wege stehen. Aufgrund von sozialen Erwartungen fühlt sich der gesunde Partner dem kranken Partner möglicherweise besonders verpflichtet (Bulanda 2006, S. 103; Syse und Kravdal 2007, S. 475) und das Umfeld übt soziale Kontrolle aus, die Ehe aufrechtzuerhalten. Auf dieser Grundlage lässt ein schlechter Gesundheitszustand kein erhöhtes, sondern ein reduziertes Trennungsrisiko erwarten.

Stärker noch als für den gesunden Partner erhöhen sich die Trennungskosten vermutlich für den kranken Partner. Dabei erhöht sich die Abhängigkeit des betroffenen Partners umso stärker, je mehr er auf Unterstützung durch seinen Partner angewiesen ist. Substanzielle Beeinträchtigungen der Gesundheit lassen folglich auch (und in besonderem Maße) für den gesundheitlich beeinträchtigten Partner einen Anstieg der Trennungskosten erwarten. Aus diesem Grund sollte ein schlechter Gesundheitszustand ebenfalls zu einem niedrigeren Trennungsrisiko beitragen.

Ein fünfter Erklärungsansatz bezieht sich auf die Alternativen zur bestehenden Paarbeziehung. Es ist empirisch gut abgesichert, dass ein größerer Vorrat an alternativen Partnern mit einem höheren Trennungsrisiko einhergeht (South und Lloyd 1995; Udry 1983, 1981; White und Booth 1991). Gleichzeitig liegt eine Verschlechterung der Alternativen für den kranken Partner auf der Hand: Zum einen reduziert sich dessen Attraktivität für alternative Partner und zum anderen sinkt für ihn, sofern Krankheit die Mobilität und die sozialen Kontakte einschränkt, die Wahrscheinlichkeit, alternativen Kandidaten zu begegnen. Aber auch für den gesunden Partner können sich die Partnermarktgelegenheiten verschlechtern, wenn die Versorgung des kranken Partners viel Zeit in Anspruch nimmt. Auch auf dieser Basis lässt ein schlechter Gesundheitszustand ein reduziertes Trennungsrisikos erwarten.

Ein sechster Erklärungsansatz bezieht sich auf die Möglichkeit einer Scheinkausalität zwischen dem Gesundheitszustand und dem Trennungsrisiko. Ein schlechter Gesundheitszustand und Trennungen sind in dieser Perspektive in denselben Ursachen begründet, zum Beispiel in einer mit Konflikten belasteten Paarbeziehung oder in anderen Partnerschafts- oder Partnermerkmalen. Verschiedene Studien zeigen, dass gesundheitsabträgliche Verhaltensweisen wie übermäßiger Alkoholkonsum, Rauchen und der Konsum von illegalen Drogen mit einem erhöhten Scheidungsrisiko einhergehen (Collins et al. 2007; Fu und Goldman 2002; Kaestner 1997). In zahlreichen Studien gut dokumentiert ist zudem ein ungünstiger Einfluss von Stress auf die Gesundheit (Siegrist und Theorell 2008), während Stress gleichzeitig mit einer niedrigeren Beziehungsstabilität einhergeht (Bodenmann 1995). Ein schlechter Gesundheitszustand geht nach diesem Erklärungsansatz mit einem höheren Trennungsrisiko einher, ohne dass die schlechte Gesundheit ursächlich für das höhere Trennungsrisiko ist.

Tabelle 1 gibt einen Überblick über die sechs Erklärungsansätze. Dabei bezieht sich Spalte eins auf die Situation, in der nur einer der beiden Partner krank und der andere Partner gesund ist. Wie beschrieben lassen in diesem Fall die mit Krankheit einhergehenden Belastungen sowie die reduzierte Attraktivität des kranken Partners für den gesunden Partner und ein damit einhergehendes schlechteres Partnermatch ein erhöhtes Trennungsrisiko erwarten. Ein höheres Trennungsrisiko ist in diesem Fall aber auch dann zu erwarten, wenn Krankheit und Trennungen in denselben Ursachen begründet sind. In umgekehrter Richtung lassen soziale Erwartungen an den gesunden Partner, die erhöhte Abhängigkeit des kranken Partners und die schlechteren Alternativen ein reduziertes Trennungsrisiko erwarten.

Tab. 1 Hypothesen zum „Einfluss“ von Krankheit auf das Trennungsrisiko im Überblick. (Quelle: eigene Zusammenstellung)

Die Erklärungsansätze implizieren auch Hypothesen darüber, wie sich eine gleichzeitige Krankheit von beiden Partnern auf die Ehestabilität auswirkt (Spalte 2 von Tab. 1). Was die mit Krankheit einhergehenden (z. B. finanziellen) Belastungen betrifft, ist für diesen Fall ebenfalls ein erhöhtes Trennungsrisiko zu erwarten im Vergleich zu Paaren, bei denen beide Partner gesund sind. Demgegenüber führt die mit Krankheit unter Umständen einhergehende Reduktion der Attraktivität nicht zu einem schlechteren Partnermatch, wenn die Attraktivität von beiden Partnern aufgrund von Krankheit reduziert ist. Was die Bedeutung sozialer Erwartungen anbelangt, ist ebenfalls anzunehmen, dass diese keine oder nur eine geringere Rolle für das Trennungsrisiko spielen, wenn beide Partner gesundheitlich beeinträchtigt sind. Schließlich kann in diesem Fall keiner der beiden Partner mehr Lasten übernehmen als der andere, sodass keinem der beiden eine besondere Verantwortung zugeschrieben werden könnte. Weil die gleichzeitige Krankheit von beiden Partnern keine ausgeprägte, auf die Unterstützung des kranken Partners zugeschnittene Rollenteilung zulässt, können Erkrankungen in diesem Fall auch nicht oder nur in geringem Maße mit einer gesteigerten Abhängigkeit einhergehen. In Bezug auf die Reduktion der Alternativen zur bestehenden Paarbeziehung könnte eine Erkrankung von beiden Partnern das Trennungsrisiko hingegen besonders stark reduzieren, weil sich die Partnermarktchancen von beiden Partnern verschlechtern. Schließlich ist für den Fall, dass Erkrankungen und Trennungen in denselben Ursachen begründet sind, auch dann ein höheres Trennungsrisiko im Vergleich zu Ehen, bei denen beide Ehepartner gesund sind, zu erwarten, wenn beide Ehepartner krank sind.

Einige Erklärungsansätze legen nahe, dass der Einfluss von gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf das Trennungsrisiko in späteren Ehephasen anders ausfallen könnte als in einer frühen Ehephase. Was die mit Krankheit einhergehenden Belastungen betrifft (Erklärung 1), sind in den ersten Ehejahren gemeinsame Zukunftspläne möglicherweise eher infrage gestellt. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn ein schlechter Gesundheitszustand die Familienplanung beeinträchtigt. Auch der Effekt von Krankheit auf die finanzielle Situation ist in jüngeren Erwachsenenjahren und, aufgrund der Korrelation zwischen Alter und Ehedauer, auch in früheren Ehephasen nachhaltiger, wenn Krankheit die Erwerbs- und Aufstiegschancen reduziert und zu einem dauerhaft niedrigeren Einkommen führt. Die mit Krankheit einhergehenden Belastungen sollten demnach das Trennungsrisiko in jüngeren Ehen stärker erhöhen als in älteren Ehen. Dasselbe gilt für die reduzierte Attraktivität des kranken Partners für den gesunden Partner und die damit einhergehende Reduktion des Partnermatch (Erklärung 2). Denn in jüngeren Ehen führen Erkrankungen, weil sie in jungen Jahren unwahrscheinlicher sind, eher zu einem dauerhaft verschlechterten Partnermatch, wohingegen der gesunde Partner in späteren Ehephasen, die mit einem höheren Alter einhergehen, eigene Erkrankungen möglicherweise bereits antizipiert. Was die Barrieren gegenüber einer Trennung und die Alternativen zur bestehenden Ehebeziehung betrifft, ist davon auszugehen, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen sowohl in frühen als auch in späten Ehephasen mit einer gesteigerten Verantwortung des gesunden Partners für den kranken Partner einhergeht (Erklärung 3), eine erhöhte Abhängigkeit des kranken Partners vom gesunden Partner bedingt (Erklärung 4) und die Partnermarktchancen reduziert (Erklärung 5). Die hieran geknüpften Effekte von Krankheit auf das Trennungsrisiko sollten deshalb (auch wenn sich die Barrieren gegenüber einer Trennung und die Alternativen zur bestehenden Paarbeziehung insgesamt mit zunehmender Ehedauer verändern) eher unabhängig von der Ehedauer sein. Schließlich verliert der sechste Erklärungsansatz, der sich auf die Möglichkeit einer Scheinkausalität zwischen Krankheit und Trennungsrisiko bezieht, in späteren Eheabschnitten an Bedeutung, weil ein schlechter Gesundheitszustand häufiger wird und deshalb immer weniger auf ungünstige Hintergrundmerkmale hinweisen kann, die sowohl die Gesundheit als auch die Ehestabilität negativ beeinflussen.

Mit zunehmender Ehedauer sollten folglich vor allem diejenigen Erklärungsansätze an Bedeutung verlieren, die ungünstige Effekte von Krankheit auf die Ehestabilität postulieren. Erklärungsansätze zugunsten einer stabilisierenden Wirkung von Krankheit kommen hingegen auch in späteren Ehephasen zum Tragen. Dies impliziert, dass sich der Zusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand und dem Trennungsrisiko mit steigender Ehedauer möglicherweise verändert und unter Umständen sogar umkehren könnte, indem gesundheitliche Beeinträchtigungen in früheren Ehephasen mit einem höheren und in späteren Ehephasen mit einem niedrigeren Trennungsrisiko einhergehen.

3 Daten und Methode

3.1 Datengrundlage

Datengrundlage der vorliegenden Untersuchung ist das Sozio-oekonomische Panel (SOEP), eine haushaltsbezogene und seit dem Jahr 1984 laufende jährliche Wiederholungsbefragung von Personen ab 16 Jahren, die in Deutschland in Privathaushalten leben. Die Rekrutierung der Teilnehmer erfolgte mittels einer Zufallsauswahl, Erhebungsmethode ist die standardisierte Befragung (in der Regel mittels face-to-face Interviews). Die Analysen beziehen sich auf die Teilstichproben A (Westdeutsche), C (Ostdeutsche), E (Auffrischung), F (Innovation) und H (Auffrischung) sowie auf den Zeitraum ab dem Jahr 1992, in welchem erstmals die subjektive allgemeine Gesundheitseinschätzung erfragt wurde, bis zum Jahr 2009.Footnote 3

In die Analysen fließen alle Ehen ein, die im Jahre 1992 andauerten oder ab 1992 begonnen wurden.Footnote 4 Außerdem muss der Start- und Endzeitpunkt der Ehe bekannt sein und es muss eindeutig identifizierbar sein, ob die Ehe durch eine Trennung beendet wird oder ob Rechtszensierung vorliegt, indem die Ehe entweder zum letzten Beobachtungszeitpunkt andauert oder endete, weil einer der Partner verstorben ist.Footnote 5 Für die Analysen stehen damit, ungeachtet von fehlenden Werten bei den unabhängigen Variablen, 9055 Ehen zur Verfügung.Footnote 6

3.2 Methode

Um den Zusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand der Ehepartner und dem Trennungsrisiko zu untersuchen, werden ereignisanalytische Regressionsmodelle geschätzt. Es wird auf ein von Klein (2003) vorgeschlagenes Verlaufsmodell zurückgegriffen, das eine Generalisierung des von Diekmann und Mitter (1983) vorgeschlagenen Sichelmodells darstellt und die Trennungsrate in Abhängigkeit von der Ehedauer in der folgenden Form spezifiziert:

$$ \text{ln }{{h}_{i}}(t)=a+bt+c\ln t+\sum\limits_{j}{{{\alpha }_{j}}{{x}_{ij}}+\sum\limits_{k}{{{\beta }_{k}}{{u}_{ik}}(t)}} $$

.

Dabei bezeichnet ln h i (t) die logarithmierte Rate einer Trennung im Zeitpunkt t seit Eheschließung. Die Aufnahme der beiden linearen und logarithmierten Terme t und lnt erlaubt sehr flexible Verläufe der Übergangsrate und eignet sich gut zur Modellierung des sichelförmigen Verlaufs des Trennungsrisikos von Ehen (Klein und Rapp 2010; Rapp 2008). Zeitunabhängige Merkmale sind durch x ij repräsentiert, zeitabhängige Variablen durch u ik (t). Die Berechnung mit der Methode des Episodensplittings (Blossfeld und Rohwer 2002, S. 140 ff.) geht von einjährigen Zeitintervallen i aus und erlaubt neben der Berücksichtigung von zeitabhängigen Variablen auch den Einbezug von linksgestutzten Episoden. Es handelt sich dabei um jene Ehen, die nicht von Beginn an beobachtet werden, deren Dauer aber bekannt ist.Footnote 7 Dank der Berücksichtigung linksgestutzter Episoden lassen sich auch Aussagen zum Zusammenhang zwischen Gesundheit und Ehestabilität in späten Ehephasen treffen. Die Berechnungen erfolgten mit dem Programm SAS (Version 9.2) mit der Prozedur proc lifereg.

3.3 Unabhängige Variablen

Als zentrale unabhängige Variable zur Kennzeichnung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen wird auf den allgemeinen subjektiven Gesundheitszustand Bezug genommen. Einerseits haben frühere Studien gezeigt, dass die subjektive Gesundheitseinschätzung hoch mit objektiven Gesundheitsindikatoren (z. B. ärztliche Diagnosedaten) korreliert (z. B. Miilunpalo et al. 1997; Thorslund und Norström 1993). Andererseits ist die subjektive Gesundheit weniger ausschnitthaft als viele objektive Gesundheitsindikatoren und fokussiert, weil es sich um eine subjektive Einschätzung handelt, stärker auf für den Einzelnen tatsächlich relevante Beeinträchtigungen. Für die Erklärung des Trennungsverhaltens ist sie daher gut geeignet.

Der allgemeine subjektive Gesundheitszustand wird im SOEP seit dem Jahr 1992, mit Ausnahme des darauffolgenden Jahres, jährlich wiederkehrend über die Frage „Wie würden Sie Ihren gegenwärtigen Gesundheitszustand beschreiben?“ und mit einer fünfstufigen Skala erfasst. Die fünf möglichen Ausprägungen werden auf zwei Kategorien reduziert, wobei einerseits die Gesundheitszustände „sehr gut“, „gut“ und „zufriedenstellend“ und andererseits die Gesundheitszustände „weniger gut“ und „schlecht“ zusammengefasst werden (und nachfolgend aus Platzgründen zum Teil verkürzt als „gesund“ oder „krank“ bezeichnet werden). Aufgrund des jährlichen Befragungsrhythmus muss angenommen werden, dass der Gesundheitszustand ab dem Zeitpunkt der Befragung für die Dauer von einem Jahr unverändert bleibt.Footnote 8 Die vorgenommene Reduktion von ursprünglich fünf auf zwei Gesundheitskategorien kommt dieser Annahme zugute. Für die Analysen werden die Informationen zum Gesundheitszustand von beiden Partnern in ein Set von Dummy-Variablen überführt, das kennzeichnet, ob beide Partner einen sehr guten, guten oder zufriedenstellenden Gesundheitszustand aufweisen („beide Partner sind gesund“), ob nur der Mann einen weniger guten oder schlechten Gesundheitszustand aufweist („nur der Mann ist krank“), ob nur die Frau einen weniger guten oder schlechten Gesundheitszustand aufweist („nur die Frau ist krank“) oder ob beide Partner einen weniger guten oder schlechten Gesundheitszustand aufweisen („beide Partner sind krank“).

Für vertiefende Analysen zum Zusammenhang zwischen Gesundheit und Ehestabilität werden das Haushaltsnettoeinkommen und die Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen einbezogen. Mit Hilfe dieser Variablen wird untersucht, ob finanzielle Belastungen, die mit Krankheit einhergehen, dazu beitragen, dass ein schlechter Gesundheitszustand mit einem höheren Trennungsrisiko einhergeht. Während das Haushaltsnettoeinkommen mögliche Einkommensausfälle infolge von Krankheit abbildet, schlagen sich in der Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen auch höhere Ausgaben aufgrund von Krankheit (z. B. für Medikamente, Mobilität, Wohnen usw.) nieder. Das Haushaltsnettoeinkommen wird als kontinuierliche Variable in die Analysen einbezogen. Die Zufriedenheit des Ehemannes mit dem Einkommen und die Zufriedenheit der Ehefrau mit dem Einkommen werden über eine 11-stufige Skala einbezogen, die vom Wert 0 = “ganz und gar unzufrieden“ bis zum Wert 10 = “ganz und gar zufrieden“ reicht. Als Kontrollvariablen werden einige Faktoren berücksichtigt, für die bekannt oder in Betracht zu ziehen ist, dass diese sowohl das Trennungsrisiko als auch die Gesundheit beeinflussen. Das Bildungsniveau von beiden Partnern wird über ein Set von Dummy-Variablen berücksichtigt, differenziert nach schulischer und beruflicher Ausbildung. Weitere Dummy-Variablen kennzeichnen den Wohnort der Ehepartner in West- oder Ostdeutschland sowie die Ordnungsnummer der Ehe als Erstehe oder Folgeehe. Letzteres kennzeichnet Ehen, bei denen einer der beiden Partner oder beide Partner früher schon einmal verheiratet waren. Als metrische Kontrollvariablen werden das Heiratsalter der Frau und des Mannes (als linearer und quadrierter Term) sowie das Heiratsjahr berücksichtigt.Footnote 9 Tabelle 2 informiert über die Verteilung der unabhängigen Variablen in der Stichprobe.

Tab. 2 Beschreibung der Stichprobe

4 Ergebnisse

Über den bivariaten Zusammenhang zwischen dem Gesundheitszustand und dem Trennungsrisiko informiert Modell 1 von Tab. 3. Unterschieden ist zwischen Paaren, bei denen beide Partner gesund sind, bei denen nur der Ehemann krank ist, bei denen nur die Ehefrau krank ist oder bei denen beide Partner krank sind. Als Ergebnis zeigt sich sowohl für Paare, bei denen nur der Mann krank ist, als auch für Paare, bei denen nur die Frau krank ist, kein signifikant unterschiedliches Trennungsrisikos im Vergleich zu Paaren, bei denen beide Partner gesund sind. Hingegen geht ein schlechter Gesundheitszustand von beiden Partnern mit einem signifikant niedrigeren Trennungsrisiko im Vergleich zu der Situation einher, in der beide Partner gesund sind.Footnote 10 Der Wert von 0,62 für Ehen, bei denen beide Partner krank sind, bedeutet, dass das Trennungsrisiko dieser Ehen 0,62-mal so hoch ist wie dasjenige von Ehen, bei denen beide Partner gesund sind.

Tab. 3 Determinanten des Trennungsrisikos von Ehen (Relative Risiken, Standardfehler des logarithmierten RR in Klammern). (Quelle: kumulierter Datensatz, eigene Berechnung)

Die in Modell 1 ausgewiesenen bivariaten Zusammenhänge lassen sich allerdings nicht als Einfluss der Gesundheit auf das Trennungsrisiko interpretieren. Denn der Gesundheitszustand ist mit der Ehedauer und mit weiteren Merkmalen korreliert, die gleichzeitig das Trennungsrisiko beeinflussen. Aus diesem Grund sind in Modell 2 von Tab. 3 weitere Kovariate einbezogen und dadurch konstant gehalten. Es handelt sich um die Ehedauer, das Heiratsjahr, das Heiratsalter von beiden Partnern (und somit auch das Alter von beiden Partnern), die schulische und berufliche Bildung von beiden Partnern, die Ordnungsnummer der Ehe als erste Ehe oder Folgeehe und um den Wohnort der Ehepartner in West- oder Ostdeutschland. Sowohl ein schlechter Gesundheitszustand nur des Mannes als auch nur der Frau als auch von beiden Partnern gehen nun, im Unterschied zu Modell 1, nicht mehr mit einem niedrigeren, sondern mit einem signifikant höheren Trennungsrisiko einher im Vergleich zu Paaren, bei denen beide Partner gesund sind.Footnote 11 Ausschlaggebend für diese starke Veränderung ist die Kontrolle der Ehedauer. Paare mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind häufig bereits seit längerer Zeit verheiratet, was mit einem niedrigeren Trennungsrisiko einhergeht. Erst in der multivariaten Betrachtung zeigt sich daher, dass ein schlechter Gesundheitszustand mit einem signifikant höheren Trennungsrisiko einhergeht.Footnote 12 Zur Veranschaulichung der Koeffizienten sind in Abb. 1 ehedauerspezifische Trennungsraten für Paare mit und ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen dargestellt, die auf Grundlage der Parameter aus Modell 2 berechnet sind.

Abb. 1
figure 1

Ehedauerspezifische Trennungsraten nach dem Gesundheitszustand der Ehepartner. (Quelle: SOEP, eigene Berechnung unter Verwendung der Parameter aus Modell 2 von Tab. 3. Für alle Parameter außer zum Gesundheitszustand und zur Ehedauer sind Durchschnittswerte angenommen)

Mit Blick auf die diskutierten Erklärungsansätze zum Einfluss von Krankheit auf das Trennungsrisiko weisen die Ergebnisse darauf hin, dass soziale Erwartungen an den gesunden Partner, die Ehe aufrecht zu erhalten, allenfalls eine untergeordnete Bedeutung für das Trennungsrisiko haben. Dasselbe gilt für die steigende Abhängigkeit des kranken Partners sowie für die Verschlechterung der Alternativen. Denn diese Erklärungsansätze lassen erwarten, dass das Trennungsrisiko infolge von Krankheit sinkt (vgl. die Hypothesenübersicht in Tab. 1), die multivariaten Ergebnisse aus Modell 2 zeigen jedoch im Falle von Krankheit ein höheres Trennungsrisiko. Demgegenüber könnte eine Verschlechterung des Partnermatch zwar erklären, dass das Trennungsrisiko höher ist, wenn nur ein Partner krank ist. In diesem Fall wäre jedoch für die Situation, in der beide Partner krank sind, kein höheres Trennungsrisikos zu erwarten gewesen. Die Ergebnisse zeigen aber, dass das Trennungsrisiko auch dann signifikant (und tendenziell sogar nochmals) höher ist, wenn beide Partner krank sind. Das höhere Trennungsrisiko von Ehen, bei denen nur ein Partner oder bei denen beide Partner krank sind, lässt sich folglich nur durch die mit Krankheit einhergehenden Belastungen erklären. In Betracht zu ziehen ist allerdings auch, dass Erkrankungen und Trennungen in denselben unbeobachteten Faktoren (partnerschaftliche Konflikte, Substanzmissbrauch usw.) begründet sind.

Die beiden bis hierhin verbleibenden Erklärungsansätze für ein höheres Trennungsrisiko im Falle von Krankheit (Belastungen und/oder Scheinkausalität) legen jeweils nahe, dass der „Effekt“ von Krankheit auf das Trennungsrisiko mit zunehmender Ehedauer sinkt, weil die mit Krankheit einhergehenden Belastungen in frühen Ehejahren schwerwiegender sind oder weil Erkrankungen vor allem in frühen Ehejahren auf unbeobachtete Risikofaktoren für eine niedrige Ehestabilität hinweisen könnten. Um diese Vermutung zu prüfen, werden in Modell 3, im Unterschied zu Modell 2, zusätzlich Interaktionseffekte zwischen dem Gesundheitszustand und der Ehedauer einbezogen. Erwartungsgemäß wird der Zusammenhang zwischen der Gesundheit des Mannes, der Frau oder von beiden Partnern und dem Trennungsrisiko mit steigender Ehedauer schwächer, allerdings erreicht nur die Interaktion zwischen Krankheit der Frau und der Ehedauer schwache statistische Signifikanz. Bezogen auf die Situation, in der nur die Frau krank ist, geht eine Erkrankung der Frau zu Beginn der Ehe mit einem um den Faktor 2,124 höheren, also etwas mehr als doppelt so hohen Trennungsrisiko einher im Vergleich zur Situation, in der beide Partner gesund sind. Dieser Faktor vermindert sich mit jedem Jahr, das die Ehe länger andauert, um das 0,977-fache. Somit geht ein schlechter Gesundheitszustand der Frau nach etwas mehr als dreißig Ehejahren nicht mehr mit einem höheren Trennungsrisiko einher.

Um weiteren Aufschluss darüber zu erhalten, ob eine schlechte Gesundheit tatsächlich ursächlich für die niedrigere Ehestabilität ist, werden in den Modellen 4 und 5 von Tab. 2 die finanziellen Rahmenbedingungen und damit ein potenzieller Belastungsfaktor, der den Einfluss von Krankheit auf das Trennungsrisiko möglicherweise vermittelt, konstant gehalten. In Modell 4 wird, im Unterschied zu Modell 2, zusätzlich das Haushaltsnettoeinkommen konstant gehalten. Als Ergebnis zeigt sich kein signifikanter Unterschied im Trennungsrisiko nach dem Einkommen, und der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Trennungsrisiko bleibt bei Konstanthaltung des Einkommens nahezu unverändert (vgl. die Zeilen 1–3 von Modell 2 und 4). Dies bedeutet, dass das höhere Trennungsrisiko im Falle eines schlechten Gesundheitszustandes nicht durch Einkommensausfälle aufgrund von Krankheit erklärt werden kann.

In Modell 5 wird, im Unterschied zu Modell 2, zusätzlich die Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen konstant gehalten. Anders als im Einkommen schlagen sich in der Zufriedenheit mit dem Einkommen auch höhere Ausgaben aufgrund von Krankheit nieder. Als Ergebnis zeigt Modell 5, dass sowohl eine höhere Einkommenszufriedenheit des Mannes als auch der Frau mit einem niedrigeren Trennungsrisiko einhergehen. Weiterhin zeigt sich, dass die Gesundheitsunterschiede des Trennungsrisikos bei gegebener Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen deutlich schwächer ausfallen (vgl. die Zeilen 1–3 von Modell 2 und Modell 5). Dieses Ergebnis könnte darauf hinweisen, dass höhere Ausgaben aufgrund von Krankheit die Einkommenszufriedenheit reduzieren und auf diesem Wege das Trennungsrisiko erhöhen.

Diese Interpretation setzt allerdings voraus, dass eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes die Einkommenszufriedenheit reduziert. Um dies zu überprüfen, werden in Tab. 4 nur diejenigen Ehen aus der Stichprobe betrachtet, bei denen sich der Gesundheitszustand im Beobachtungszeitraum ändert. Dies ist bei etwas weniger als der Hälfte der Ehen aus der Stichprobe der Fall. Tabelle 4 informiert darüber, wie sich die (mittelwertsbereinigte) Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen, bei einem Vergleich derselben Ehen zu verschiedenen Zeitpunkten, in Abhängigkeit vom Gesundheitszustand der Ehepartner unterscheidet. Werte größer Null zeigen eine überdurchschnittliche und Werte kleiner Null eine unterdurchschnittliche Einkommenszufriedenheit.

Tab. 4 Haushaltseinkommen und Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen nach dem Gesundheitszustand der Ehepartner bei einem Vergleich derselben Ehen zu verschiedenen Zeitpunkten (mittelwertsbereinigt). (Quelle: SOEP, eigene Berechnung)

Aus Tab. 4 geht hervor, dass Männer und Frauen überdurchschnittlich zufrieden mit dem Haushaltseinkommen sind, solange beide Partner gesund sind. Ein schlechter Gesundheitszustand des Mannes geht mit einer niedrigeren Einkommenszufriedenheit des Mannes einher und, in geringerem Maße, auch mit einer niedrigeren Einkommenszufriedenheit seiner Frau. Umgekehrt gilt dasselbe, ein schlechter Gesundheitszustand der Frau geht sowohl mit einer niedrigeren Einkommenszufriedenheit der Frau, als auch, in geringerem Maße, ihres Mannes einher. Sind beide Partner krank, ist die Einkommenszufriedenheit bei beiden Partnern unterdurchschnittlich. Die geringere Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen lässt sich dabei nicht durch ein niedrigeres Haushaltseinkommen erklären, denn ein schlechterer Gesundheitszustand geht nicht mit einem niedrigeren Haushaltseinkommens einher (Spalte 3 von Tab. 4).Footnote 13 Insbesondere der Umstand, dass auch die Einkommenszufriedenheit des gesunden Partners niedriger ausfällt, wenn der Ehepartner krank ist, spricht somit dafür, dass steigende Ausgaben aufgrund von Krankheit die Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen reduzieren und auf diesem Wege das Trennungsrisiko erhöhen. Allerdings sind die Unterschiede in der Einkommenszufriedenheit nach dem Gesundheitszustand zu gering, um mehr als nur einen kleinen Teil des höheren Trennungsrisikos im Falle von Krankheit erklären zu können.

5 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Der vorliegende Beitrag zeigt, dass ein schlechter Gesundheitszustand, bei gegebener Ehedauer und unter Kontrolle weiterer Faktoren, mit einem höheren Trennungsrisiko einhergeht. Sowohl für den Fall, wenn nur der Ehemann oder nur die Ehefrau einen schlechten Gesundheitszustand aufweisen, als auch dann, wenn beide Partner einen schlechten Gesundheitszustand aufweisen, ist das Trennungsrisiko dieser Ehen signifikant höher als bei Ehen, bei denen beide Partner gesund sind. Die Ergebnisse legen zudem mit schwacher Signifikanz nahe, dass der Gesundheitszustand mit zunehmender Ehedauer an Bedeutung für das Trennungsrisiko verlieren könnte.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass das höhere Trennungsrisiko von Ehen, bei denen einer oder beide Partner gesundheitlich beeinträchtigt sind, zumindest teilweise durch die mit Krankheit einhergehenden Belastungen erklärbar ist. In Betracht zu ziehen ist allerdings auch, dass ein schlechter Gesundheitszustand und Trennungen in denselben unbeobachteten Faktoren begründet sind. Es wurden zwar mögliche konfundierende Variablen kontrolliert, man kann aber nicht davon ausgehen, dass in den multivariaten Modellen alle relevanten Drittvariablen berücksichtigt sind. Weitere potenzielle Erklärungsmechanismen, die entweder ein niedrigeres Trennungsrisiko im Falle von Krankheit nahe legen, wie Erwartungen an den gesunden Partner, eine steigende Abhängigkeit des kranken Partners sowie eine Reduktion von dessen Alternativen, oder die nur für den Fall ein höheres Trennungsrisiko vorhersagen, wenn nur ein Partner krank ist und der andere gesund, hierunter fällt eine Verschlechterung des Partnermatch, sind hingegen von untergeordneter Bedeutung. Dies bedeutet nicht, dass die letztgenannten Mechanismen wirkungslos sind, denn es können gleichzeitig mehrere Mechanismen am Werk sein. Die letztgenannten Mechanismen geben aber offenbar, im Vergleich der Erklärungsansätze, nicht den Ausschlag.

In Bezug auf die Frage, welche Bedeutung einer Verschlechterung des Partnermatch zukommt, konnte in der vorliegenden Untersuchung jedoch nicht unterschieden werden, ob ein schlechter Gesundheitszustand bereits bei Beginn der Ehe bestanden hat oder erst in deren Verlauf aufgetreten ist. Auf eine Unterscheidung wurde verzichtet, da ansonsten alle (älteren) Ehen aus den Analysen hätten ausgeschlossen werden müssen, die zu Beginn des Beobachtungszeitraums bereits andauerten. Folglich ist unklar, ob Gesundheitsunterschiede zwischen den Partnern bereits bei Beginn der Ehe bestanden haben. Da gesundheitliche Beeinträchtigungen in dem Altersbereich, in dem die meisten Ehen geschlossen werden, selten sind, kann man aber davon ausgehen, dass Gesundheitsunterschiede zwischen den Partnern in den meisten Fällen erst im Verlauf der Ehe entstanden sind.

Um Auskunft darüber zu erhalten, welche Belastungsfaktoren das höhere Trennungsrisiko im Falle von Krankheit verursachen, wurde die Rolle der finanziellen Rahmenbedingungen näher beleuchtet. Die diesbezüglichen Ergebnisse zeigen, dass das höhere Trennungsrisiko von Ehen, bei denen einer oder beide Partner gesundheitlich beeinträchtigt sind, nicht durch Einkommensausfälle aufgrund von Krankheit erklärt werden kann. Sie weisen aber darauf hin, dass ein schlechter Gesundheitszustand die Einkommenszufriedenheit reduziert und auf diesem Wege das Trennungsrisiko erhöht. Dieses Ergebnis ist zudem ein Indiz dafür, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen, zumindest in einem geringen Umfang, tatsächlich ursächlich für das höhere Trennungsrisiko der betroffenen Ehen sind.

Schließlich sind die Ergebnisse auch für die Erklärung gesundheitlicher Ungleichheit relevant. Sie weisen darauf hin, dass die vielfach dokumentierte, aber hinsichtlich ihrer Verursachung kontrovers diskutierte bessere Gesundheit von Verheirateten nicht nur auf einem protektiven Effekt von Partnerschaft und Ehe auf die Gesundheit beruht, oder darauf, das Gesunde häufiger heiraten, sondern auch darauf zurückzuführen ist, dass Gesündere eher verheiratet bleiben.