1 Ethnische Ungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Individuelle und kontextuelle Erklärungsfaktoren

Bislang konzentriert sich die Erklärung ethnischer Ungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt hauptsächlich auf Unterschiede zwischen Migranten und Einheimischen hinsichtlich individueller Merkmale. Im Mittelpunkt stehen zunächst die Humankapitalausstattung und deren Kontextabhängigkeit. Daneben zählt auch das verfügbare soziale Kapital zu den Arbeitsmarkt-relevanten Ressourcen, dessen Nutzen im beruflichen Kontext mit der ethnischen Zusammensetzung des Netzwerks variiert.

Diese Argumentationslinien tragen zwar viel zur Erklärung ethnischer Ungleichheit bei. Doch selbst unter Berücksichtigung ihrer individuellen Ressourcenausstattung sind Migranten häufig weniger erfolgreich als vergleichbare Einheimische (Seifert 1992; Szydlik 1996; Granato u. Kalter 2001). In der Debatte um die Ursachen dieser ethnischen Nachteile werden in der internationalen Literatur zusätzlich kontextuelle Bedingungen als mögliche Erklärungsfaktoren herangezogen. So konnten zahlreiche Studien vor allem im amerikanischen Kontext (z. B. Cohen 1998; McCreary et al. 1989; Parcel 1979) zeigen, dass gerade die Größe einer ethnischen Minderheit auf die Arbeitsmarktchancen ihrer Mitglieder wirkt. Diese Wirkung resultiert aber nicht allein aus der bloßen Anzahl von Migranten, sondern ist meist an eine regionale Konzentration geknüpft.

Obwohl die regionale Konzentration in der internationalen Forschung einen bedeutenden Beitrag zur Erklärung ethnischer Ungleichheit leistet, wird dieser kontextuelle Faktor in Analysen für den deutschen Raum nur sehr eingeschränkt (vgl. z. B. Janssen u. Schroedter 2007; Drever 2004) und bislang nicht mit Blick auf Arbeitsmarktprozesse herangezogen. Als Hauptgrund hierfür sind sicherlich Datenprobleme in Bezug auf kleinräumig gegliederte Angaben zur relativen Größe einzelner Migrantengruppen zu nennen, die für eine Betrachtung unterhalb der Bundeslandebene notwendig sind.

Hier setzt die vorliegende Untersuchung an und prüft, welchen zusätzlichen Erklärungsbeitrag die relative Gruppengröße leisten kann. Abschnitt 2 diskutiert Theorien der ethnischen Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt, wobei die Ansätze zur Gruppengröße den Schwerpunkt bilden. Anschließend werden zentrale Ergebnisse internationaler Studien vorgestellt (3). Ob und wie sich die regionale Konzentration auch in Deutschland auf den Arbeitsmarkterfolg ethnischer Minderheiten auswirkt, wird dann mit Daten des Mikrozensus empirisch überprüft. Welche Zeitpunkte und Merkmale die Analyse verwendet, erläutert der 4. Abschnitt. Danach wird zunächst die Verteilung der zentralen Variablen beschrieben (5). Dabei stehen türkische Zuwanderer gleich in zweifacher Hinsicht im Mittelpunkt: zum einen handelt es sich seit langem um die größte Migrantengruppe in Deutschland (Statistisches Bundesamt 2008) und zum anderen sind türkische Erwerbstätige weniger erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt als andere zugewanderte Beschäftigte. Schließlich wird untersucht, welche Wirkung die relative Gruppengröße der türkischen Bevölkerung sowohl auf ihr eigenes berufliches Prestige (endogener Effekt) als auch auf das Prestige von Italienern, Jugoslawen und Deutschen (exogener Effekt) zeigt. Der Beitrag schließt mit einer Diskussion der zentralen Ergebnisse (6).

2 Theoretische Erklärungen ethnischer Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt

Dieser Abschnitt stellt unterschiedliche Mechanismen dar, wie die individuelle Ausstattung mit Arbeitsmarkt-relevanten Ressourcen und die relative Gruppengröße die berufliche Integration ethnischer Minderheiten beeinflussen. Mit Blick auf die individuellen Faktoren sind der Ausstattungsumfang und die Höhe der mit den relevanten Kapitalien erzielbaren Erträge als grundlegende Ansatzpunkte zu nennen. Entsprechende theoretische Ansätze werden in Abschnitt 2.1 sehr komprimiert beschrieben, um dann ausführlicher auf die, in diesem Beitrag zentralen, spezifischen Wirkungsmechanismen der relativen Gruppengröße einzugehen (2.2).

2.1 Individuelle Merkmale: Humankapital, Transferierbarkeit und Netzwerke

Ein sehr bedeutsames theoretisches Argument bei der Erklärung ethnischer Ungleichheit auf dem Arbeitsmarkt zielt auf die Ausstattung mit relevanten Kapitalien ab. Dazu zählen sowohl Humankapital und dessen Transferierbarkeit als auch soziales Kapital in Form von Netzwerken. Mit Blick auf das Humankapital zeigt sich, dass Migranten aus den ehemaligen Anwerbeländern nach wie vor einen hohen Anteil an gering Qualifizierten aufweisen (Kalter u. Granato 2002) und dass das Bildungsniveau ein wichtiger Erklärungsfaktor der ethnischen Ungleichheit auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist (Konietzka u. Seibert 2003; Seibert u. Solga 2005; Kalter 2006).

Weiterhin stellt sich aus theoretischer Sicht die Frage, ob das Humankapital der Zuwanderer niedrigere Erträge erbringt als das der Deutschen. Niedrigere Erträge könnten hierbei einerseits eine Folge dessen sein, dass die Arbeitsmarkt-relevanten Fertigkeiten weniger Zielland-spezifische Komponenten aufweisen (Chiswick 1991; Friedberg 2000). Hier zeigt sich, dass gerade die zweite Generation, die einen Großteil ihrer Humankapitalausstattung in Deutschland erworben hat und damit über mehr Zielland-spezifisches Kapital verfügt als die erste Generation, teilweise keine, teilweise geringfügige Abschläge hinnehmen muss (Granato 2003; Kalter u. Granato 2007). Dies gilt allerdings nicht für Türken der zweiten Generation, deren Humankapitalerträge merklich geringer sind als bei vergleichbaren Einheimischen. Andererseits könnten geringere Kapitalrenditen auch aufgrund von Diskriminierung auftreten. Diskriminierendes Verhalten kann aus ethnischen Vorurteilen relevanter Akteure resultieren (Becker 1971) oder aber als Ergebnis unvollständiger oder unsicherer Informationen über die Produktivität zugewanderter Arbeitskräfte entstehen (Phelps 1972; Arrow 1973; England 1992).

Neben dem Humankapital besitzt das soziale Kapital gerade bei der beruflichen Integration ebenfalls große Erklärungskraft. Häufig können die in sozialen Netzwerken verfügbaren Informationen bei der Stellensuche erfolgreich genutzt werden (Granovetter 1973; Franzen u. Hangartner 2006). Empirisch lässt sich zeigen, dass Einheimische nur selten Bestandteil der Netzwerke von Migranten sind (Haug 2003), was unter bestimmten Umständen (wie zum Beispiel einer ethnischen Schichtung) zur Folge haben kann, dass die vorhandenen Beziehungen und Ressourcen im Netzwerk eingeschränkt und daher weniger hilfreich sind als dies bei einheimischen Netzwerken der Fall ist (Portes u. Rumbaut 2001). Auch empirisch zeigt sich für Deutschland, dass neben den Bildungszertifikaten und den Sprachkenntnissen gerade die überwiegend eigenethnische Zusammensetzung der Netzwerke ein wichtiger Erklärungsfaktor für Arbeitsmarktnachteile von (türkischen) Migranten ist (Kalter 2006).

2.2 Effekte der Gruppengröße

Neben der Debatte um die Wirkungsweise individueller Ressourcen wie dem Humankapital und der ethnischen Zusammensetzung von Netzwerken wird in der Literatur ebenso die Frage diskutiert, in welcher Weise kontextuelle Faktoren wie z. B. die regionale Konzentration auf den Arbeitsmarkterfolg von Migranten wirken. Konzeptionell lassen sich zwei Effekte der relativen Gruppengröße unterscheiden: Beeinflusst die Größe einer ethnischen Minderheit die berufliche Integration ihrer eigenen Mitglieder, so handelt es sich um einen sogenannten endogenen Effekt. Bei exogenen Effekten sind hingegen die Arbeitskräfte anderer Gruppen betroffen, wie zum Beispiel Erwerbstätige anderer ethnischer Herkunft oder einheimische Beschäftigte. Die Darstellung der unterschiedlichen theoretischen Erklärungsansätze folgt dieser Differenzierung, wobei zunächst Konzepte vorgestellt werden, die einen endogenen Effekt thematisieren.

2.2.1 Endogener Effekt

Zu einer der ältesten Theorien, die sich mit der Wirkungsweise der Gruppengröße einer ethnischen Minderheit befasst, gehört der economic-threat- Ansatz (Blalock 1967). Im Kern besagt die Theorie, dass die dominante einheimische Bevölkerung mit Vorurteilen und diskriminierendem Verhalten reagiert, falls eine ethnische Minderheit als ökonomische Bedrohung wahrgenommen wird (Quillian 1995). Dies ist besonders dann der Fall, wenn die relative Größe einer Migrantengruppe steigt oder sie eine besondere „Sichtbarkeit“ aufweist. Denn mit zunehmender Gruppengröße verstärkt sich zum einen die Konkurrenz um knappe Güter zwischen der einheimischen Bevölkerung und der ethnischen Minderheit; zum anderen erhöht sich mit der Anzahl ihrer Mitglieder potenziell die Chance einer Mobilisierung der ethnischen Minderheit und damit einer Zunahme ihres politischen Einflusses. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt bedeutet Diskriminierung, dass die beruflichen Chancen von Migranten begrenzt werden, um sie als Konkurrenten um bessere Jobs auszuschließen. Der Theorie der ökonomischen Bedrohung zufolge ist also ein negativer Zusammenhang zwischen der relativen Größe einer ethnischen Minderheit und ihrem Erfolg auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten.

Das Konzept der Enklaven-Ökonomie postuliert im Unterschied dazu eine positive Wirkung der relativen Gruppengröße auf den Arbeitsmarkterfolg von Migranten (Wilson u. Portes 1980; Portes u. Bach 1985). Die zentrale Aussage lautet, dass eine Enklaven-Ökonomie den Mitgliedern einer ethnischen Gemeinde bessere berufliche Möglichkeiten bietet als der Gesamtarbeitsmarkt des Aufnahmelandes. Hier finden Migranten eher Arbeitsplätze, die ihrem Bildungsniveau entsprechen. Weiterhin erhalten sie ein ihrer beruflichen Position angemessenes Einkommen und adäquate Aufstiegsmöglichkeiten.

Diese besseren Beschäftigungsmöglichkeiten sind das Resultat einer ethnischen Solidarität zwischen Unternehmen und Beschäftigten innerhalb der Enklave. Während Enklaven-Unternehmer von einem privilegierten Zugriff auf den eigenethnischen Arbeitskräftepool profitieren und die Enklave sowohl die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen sichert als auch Möglichkeiten einer informellen Kapitalbildung eröffnet, erweisen sich die Arbeitskräfte aufgrund der vergleichsweise guten Arbeitsbedingungen als besonders motiviert und diszipliniert.

Zu den grundlegenden Voraussetzungen für die Existenz einer Enklaven-Ökonomie zählt eine gewisse institutionelle Vollständigkeit der ethnischen Enklave (Zhou 2004). Unter institutioneller Vollständigkeit ist zu verstehen, dass es eigenethnische soziale Organisationen gibt, die die Bedürfnisse der Migranten in unterschiedlichen Lebensbereichen wie Religion, Bildung, Politik, Freizeit oder Wirtschaft bedienen und damit Funktionen der einheimischen Institutionen ersetzen oder übernehmen (Breton 1964). Die institutionelle Vollständigkeit hängt insofern von der Größe der ethnischen Minderheit ab, als eine gewisse Anzahl von Mitgliedern eine Voraussetzung für den Ausbau eigenethnischer Institutionen sein dürfte. Nur wenn die Nachfrage nach den Leistungen der sozialen Einrichtungen und nach eigenethnischen Produkten und Dienstleistungen groß genug ist, werden sich diese Institutionen herausbilden (Esser 2008; Lieberson 1980).Footnote 1

Vermittelt über die institutionelle Vollständigkeit einer ethnischen Gemeinde und die Existenz einer Enklaven-Ökonomie sollte die relative Gruppengröße also positiv auf den Arbeitsmarkterfolg der Mitglieder einer ethnischen Minderheit wirken.

Allerdings gibt es eine Debatte darum, ob diese Aussagen uneingeschränkt für alle beruflichen Positionen gelten (Sanders u. Nee 1987; Hum 2001). Empirisch konnte gezeigt werden, dass speziell Unternehmer innerhalb der Enklaven-Ökonomie profitieren, während bei Beschäftigten im Angestelltenverhältnis Lohneinbußen festgestellt wurden.

In der Literatur wird zusätzlich zwischen einer „starken“ und „schwachen“ Variante des Effekts der Enklaven-Ökonomie unterschieden (Tolnay 2001). Die starke Variante unterstellt einen positiven linearen Zusammenhang zwischen der Gruppengröße und der beruflichen Integration einer ethnischen Minderheit in der Form, dass ein Ansteigen der regionalen Konzentration kontinuierlich den Arbeitsmarkterfolg erhöht. Im Unterschied dazu hat die Gruppengröße in der schwachen Variante nur bei einer sehr hohen regionalen Konzentration einen positiven Effekt auf den beruflichen Status der Minderheitenmitglieder, d. h. hier ist der Wirkungszusammenhang zwischen der Gruppengröße und der Arbeitsmarktperformance nicht linear.

Dieser positiven Vorhersage der Enklaven-Ökonomie widerspricht das Modell der ethnischen Mobilitätsfalle (Wiley 1967). Zwar können die Beschäftigungschancen von Migranten innerhalb der Enklaven-Ökonomie höher sein als auf dem Gesamtarbeitsmarkt; fraglich bleibt jedoch, ob sich auf dem eigenethnischen Arbeitsmarkt vergleichbare Aufstiegsmöglichkeiten in höhere berufliche Positionen verwirklichen lassen, die ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Arbeitsmarkterfolgs sind.

Im Rahmen des Konzepts der ethnischen Mobilitätsfalle wird die Integration von Migranten als ein Sonderfall der sozialen Mobilität betrachtet, wobei sich ein sozialer Aufstieg für Mitglieder ethnischer Minderheiten auf zwei unterschiedlichen Wegen realisieren lässt: über die Mobilität in der eigenethnischen Gruppe oder über die Mobilität in der Aufnahmegesellschaft. Weiterhin wird unterstellt, dass die soziale Mobilität innerhalb der eigenethnischen Gruppe Investitionen in andere Ressourcen erfordert als die Mobilität in der Aufnahmegesellschaft, da der Ertrag einer Ressource wie zum Beispiel der Sprache häufig kontextabhängig ist. Die Entscheidung, in Intragruppen-relevante Kapitalien zu investieren, wird dann zur Falle, wenn die Mobilitätsmöglichkeiten innerhalb der eigenethnischen Gruppe geringer sind als in der Gesamtgesellschaft. Auch eine spätere Umorientierung würde zunächst zu einem sozialen Abstieg führen, da die notwendigen Aufnahmeland-spezifischen Ressourcen nicht in gleichem Umfang vorhanden sein dürften.

Aus der Perspektive der ethnischen Mobilitätsfalle sollten Migranten trotz einer vergleichsweise großen Ressourcenausstattung bei zunehmender Gruppengröße schlechtere Chancen haben, berufliche Positionen zu erreichen, die mit einem höheren Einkommen oder mehr Prestige verknüpft sind. Im Unterschied zu den vorherigen Ansätzen beziehen sich die Vorhersagen der Mobilitätsfalle nicht auf alle Mitglieder einer ethnischen Minderheit, sondern lediglich auf diejenigen, die über relativ viel Humankapital verfügen. Denn nur mit einem entsprechenden Ressourcenumfang ist es überhaupt möglich, in höhere Arbeitsmarktpositionen aufzusteigen.

2.2.2 Exogener Effekt

Ansätze, die einen exogenen Effekt thematisieren, unterscheiden sich darin, auf welche Zielgruppe die regionale Konzentration einer ethnischen Minderheit wirkt. Während bei der Wettbewerbs-Hypothese Arbeitskräfte anderer ethnischer Minderheiten betroffen sind, beschreiben sowohl das Konzept der Arbeitskräfteschlange als auch der white-gain- Ansatz eine Auswirkung auf die Arbeitsmarktchancen einheimischer Arbeitskräfte.

Die Wettbewerbs-Hypothese unterstellt einen negativen Effekt der regionalen Konzentration einer ethnischen Gruppe auf die Mitglieder weiterer ethnischer Gruppen. Konkurrieren Migranten unterschiedlicher Herkunft um die gleichen Arbeitsplätze und steigt die Größe einer spezifischen ethnischen Minderheit, so kann dies unter bestimmten Umständen dazu führen, dass sich die Arbeitsmarktchancen anderer Gruppen verschlechtern (Stevans 1998). Der zugrunde liegende Mechanismus wird im crowding-Modell (Bergmann 1974) verdeutlicht. Demnach finden Angehörige verschiedener ethnischer Minderheiten nur in einem bestimmten Sektor des Arbeitsmarktes Beschäftigung, weil Mobilitätsbarrieren zwischen den Sektoren bestehen.Footnote 2 Da die Nachfrage auf dem für Migranten zugänglichen Sektor aber begrenzt ist, besteht ein negativer Zusammenhang zwischen der relativen Größe einer spezifischen Minderheitengruppe und den Beschäftigungschancen beziehungsweise der Lohnhöhe in diesem Sektor.Footnote 3

Der sogenannte white-gain- Ansatz (Glenn 1963) beschreibt das Phänomen, dass eine hohe regionale Konzentration ethnischer Minderheiten häufig positive Auswirkungen für einheimische Beschäftigte hat. Dieser Vorteil resultiert aus Diskriminierungsprozessen, die Einheimische aufrechterhalten, um weiterhin von der Unterdrückung ethnischer Minderheiten zu profitieren.

Das Modell der Arbeitskräfteschlange (Thurow 1975; Lieberson 1980) unterstellt ebenfalls einen positiven Zusammenhang zwischen der relativen Gruppengröße einer ethnischen Minderheit und dem Arbeitsmarkterfolg einheimischer Beschäftigter. Diesem Konzept zufolge sind Arbeitsplätze aufsteigend nach ihrem Prestige oder ihrer Attraktivität sortiert. Auch Stellenbewerber werden in die sogenannte „Arbeitkräfteschlange“ eingeordnet; allerdings in Abhängigkeit der ethnischen Präferenz von Arbeitgebern. Geht man von einer Präferenz für einheimische Arbeitskräfte aus, so nehmen die Mitglieder der ethnischen Minderheit die unteren Plätze in der Schlange ein, während Einheimische die oberen Ränge belegen und somit Zugang zu vergleichsweise attraktiven Arbeitsplätzen haben. Je ausgeprägter die Gruppengröße einer ethnischen Minderheit desto weiter nach oben gelangen einheimische Stellenbewerber in der Arbeitskräfteschlange, wodurch sich die Attraktivität der ihnen angebotenen Jobs erhöht.Footnote 4

Einen ähnlichen Prozess beschreibt die sogenannte ethnische Unterschichtung (Hoffmann-Nowotny 1973). Dadurch, dass Migranten die untersten beruflichen Positionen einnehmen, erhöhen sich die Mobilitätschancen für einheimische Arbeitskräfte, diese steigen in mittlere und höhere Positionen des Arbeitsmarktes auf. Als verursachende Mechanismen dieser horizontalen Schichtung des Arbeitsmarktes kommen neben Diskriminierungsprozessen auch unterschiedliche Ausstattungen mit positionierungsrelevanten Ressourcen bei Migranten und Einheimischen in Frage (Esser 2000).

Während der exogene Effekt der Gruppengröße also den Arbeitsmarkterfolg anderer ethnischer Minderheiten senkt, profitieren einheimische Beschäftigte von einer hohen regionalen Konzentration ausländischer Arbeitskräfte.

3 Studien zum Effekt der Gruppengröße

Aufgrund der großen inhaltlichen, methodischen und geografischen Vielfalt ist es vergleichsweise schwierig, die Ergebnisse empirischer Analysen zum Effekt der Gruppengröße einer ethnischen Minderheit zusammenfassend darzustellen ohne dabei stark zu vereinfachen. Neben verschiedenen Arbeitsmarktindikatoren (Arbeitslosigkeit, berufliches Prestige oder Einkommen) unterscheiden sich die Studien zum Beispiel darin, ob die Wirkung der Gruppengröße auf der Individualebene analysiert wird oder ob Regionen als Untersuchungseinheiten verwendet werden. Bei einer aggregierten Betrachtung dienen auf regionaler Ebene die (relativen) Abstände zwischen einer ethnischen Minderheit und den einheimischen Beschäftigten als Untersuchungsgegenstand.

Viele empirische Studien zum Effekt der regionalen Konzentration stammen aus den USA, wo zumeist Unterschiede in der Arbeitsmarktperformance zwischen Schwarzen und Weißen untersucht werden. Auf regionaler Ebene vergrößern sich Unterschiede im Arbeitsmarkterfolg zwischen Schwarzen und Weißen im Großen und Ganzen mit einem Anstieg der Gruppengröße (Sundstrom 2007; Frisbie u. Neidert 1977; Semyonov et al. 1984; Grant u. Parcel 1990; Albrecht et al. 2005). Auch auf Individualebene verringert ein hoher Anteil Schwarzer ihr Einkommensniveau oder erhöht ihr Arbeitslosigkeitsrisiko (Parcel 1979; Tienda u. Lii 1987; McCreary et al. 1989; Cohen 1998). Im Gegensatz dazu findet Tolnay (2001) keinen endogenen Effekt der Gruppengröße bei Schwarzen, während sich bei einer Unterscheidung der Beschäftigten nach dem Qualifikationsniveau und unter Berücksichtigung verschiedener ethnischer Minderheitengruppen nur bei Ungelernten ein negativer Einfluss zeigt (Stevans 1998).

Im Gegensatz zu den USA existieren im europäischen Kontext vergleichsweise wenige empirische Studien, bei denen die regionale Konzentration als kontextueller Faktor berücksichtigt wird. So zeigt eine Untersuchung mit schwedischen Daten, dass die Gruppengröße zwar negativ auf die Beschäftigungschancen von Migranten wirkt, die Einkommenshöhe jedoch nicht beeinflusst (Grönqvist 2006). Im Unterschied dazu hat die Gruppengröße in einer vergleichenden Studie in 18 hauptsächlich europäischen Staaten keine Wirkung auf die Beschäftigungschancen von Einwanderern (van Tubergen et al. 2004). Bezogen auf den beruflichen Status findet sich für türkische Beschäftigte in Österreich sowohl ein positiver endogener Effekt als auch ein negativer exogener Effekt der regionalen Konzentration (Kogan u. Kalter 2006).

Bei aller Vielfältigkeit der Analysen und Ergebnisse zeigen mehrere Studien einen übereinstimmenden Befund: einheimische Beschäftigte profitieren von einer hohen regionalen Konzentration ethnischer Minderheiten (Tolnay 2001; Cohen 1998; Frisbie u. Neidert 1977; Parcel 1979; Tienda u. Lii 1987; Kogan u. Kalter 2006). Auch wenn die theoretische Fundierung der Wirkungszusammenhänge, die zu diesem positiven exogenen Effekt bei Einheimischen führen, zumeist aus Diskriminierungsprozessen abgeleitet wird und daher als Erklärung eines dauerhaften Phänomens wenig adäquat erscheint, handelt es sich hierbei offensichtlich um einen stabilen empirischen Befund.

4 Daten und Methoden

Die Analysen zur Wirkung der relativen Gruppengröße auf dem deutschen Arbeitsmarkt werden mit den Daten der Mikrozensen 1996, 2000 und 2004 durchgeführt. Der Mikrozensus (MZ) umfasst 1 Prozent der Haushalte in Deutschland (Lüttinger u. Riede 1997). Aufgrund dieses vergleichsweise großen Stichprobenumfangs bietet der MZ die Möglichkeit, sowohl verschiedene Migrantengruppen zu unterscheiden als auch gleichzeitig kleinräumig gegliederte Angaben zur relativen Gruppengröße zu verwenden.

Die Analysepopulation umfasst erwerbstätige Männer im Alter zwischen 15 und 65 Jahren in westdeutschen Privathaushalten, die mehr als 15 Stunden pro Woche arbeiten und weder Arbeitslosengeld noch –hilfe erhalten.Footnote 5 Neben deutschen Staatsbürgern unterscheiden die Analysen zwischen Türken, Italienern und Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien.Footnote 6 Hierbei handelt es sich um die drei Nationalitätengruppen aus den ehemaligen Rekrutierungsländern, für die der Stichprobenumfang eine getrennte Betrachtung zulässt.

Als Indikator für den Arbeitsmarkterfolg wird das berufliche Prestige herangezogen, welches mit dem sogenannten ISEI (International Socio-Economic Index of Occupational Prestige) gemessen wird.Footnote 7 Der ISEI zielt darauf ab, die hierarchische Positionierung des ausgeübten Berufes widerzuspiegeln, welche hauptsächlich durch das Bildungsniveau und das Einkommen determiniert ist (Ganzeboom et al. 1992).

Zu den bedeutsamsten unabhängigen Variablen auf individueller Ebene zählt die Humankapitalausstattung. Diese wird anhand der schulischen und beruflichen Bildungszertifikate über die Casmin-Klassifikation abgebildet (Brauns u. Steinmann 1999). Um abschätzen zu können, wie hoch der Anteil der Zielland-spezifischen Humankapitalausstattung ist, wird zusätzlich der Generationenstatus berücksichtigt. Dabei sind Migranten der zweiten Generation entweder in Deutschland geboren oder bis zum Alter von 6 Jahren eingereist und haben somit ihre berufliche und schulische Bildung in Deutschland absolviert. Bei der ersten Generation fand die Einreise erst nach dem 6. Lebensjahr statt.Footnote 8 Alter, Familienstand und Beschäftigungsumfang (Voll- oder Teilzeit) fungieren als Kontrollvariablen.

Die zentrale Kontextvariable auf regionaler Ebene ist die relative Gruppengröße der türkischen Bevölkerung, d. h. der Anteil der türkischen Population an der Gesamtbevölkerung. Als regionale Einheiten werden die Landkreise und kreisfreien Städte in Westdeutschland (einschließlich Berlin) verwendet.Footnote 9 Um einem möglicherweise nicht-linearen Wirkungszusammenhang zwischen der relativen Gruppengröße und dem Arbeitsmarkterfolg Rechnung zu tragen, geht die ethnische Konzentration auch als quadrierter Term in die Analysen ein. Zum Vergleich der regionalen Arbeitsmarktbedingungen werden sowohl die Arbeitslosenquote als auch der Anteil der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die im verarbeitenden Gewerbe tätig sind, auf Kreisebene berücksichtigt.Footnote 10 Auf regionaler Ebene wird zusätzlich der Gemeindetyp kontrolliert (urban, semiurban, ländlich).

Ein entscheidender Nachteil des MZ besteht darin, dass (direkte) Angaben zum Ausmaß des Zielland-spezifischen Humankapitals und zum sozialen Kapital fehlen. Indirekt lässt sich zumindest der Anteil des Aufnahmeland-spezifischen Humankapitals mithilfe des Generationenstatus abschätzen. Insgesamt haben die empirischen Analysen dieses Beitrags, wie die meisten hier zitierten Studien, eher deskriptiven Charakter. Es lässt sich zwar untersuchen, ob und gegebenenfalls in welche Richtung die relative Gruppengröße auf den Arbeitsmarkterfolg von Migranten und Einheimischen wirkt. Inwieweit die empirischen Evidenzen tatsächlich durch die dargestellten theoretischen Mechanismen verursacht werden, kann mit den vorliegenden Daten allerdings nicht geklärt werden.

Trotz dieser Einschränkungen ist der MZ die einzige Datenquelle, auf dessen Grundlage sich die relative Gruppengröße der türkischen Population auf Kreisebene flächendeckend abbilden lässt.

Welche Wirkung die unabhängigen Variablen auf das berufliche Prestige haben, wird mit linearen Regressionsmodellen geschätzt. Um Verzerrungen der Koeffizienten aufgrund der hierarchischen Datenstruktur zu vermeiden, werden robuste Standardfehler berechnet (Rogers 1993).Footnote 11

5 Ergebnisse

Der deskriptive Teil der Analysen erläutert Unterschiede in der beruflichen Positionierung und bei den zentralen erklärenden Variablen zwischen den vier betrachteten Erwerbstätigengruppen. Anschließend werden die Richtung und Stärke des Effekts der Gruppengröße auf das berufliche Prestige in mehreren, nach ethnischer Zugehörigkeit getrennten Regressionsmodellen geschätzt.

5.1 Unterschiede im Arbeitsmarkterfolg und bei wichtigen unabhängigen Merkmalen

Tabelle 1 zeigt, dass türkische Arbeitskräfte die Gruppe mit dem niedrigsten durchschnittlichen Berufsprestige sind. Bei den Beschäftigten aus dem ehemaligen Jugoslawien liegt der Mittelwert nur knapp darüber. Es folgen italienische Beschäftigte mit einem etwas größeren Abstand, den höchsten Prestigewert weisen erwartungsgemäß die deutschen Erwerbstätigen auf. Der vergleichsweise große Abstand zu allen drei Migrantengruppen veranschaulicht das Ausmaß der ethnischen Ungleichheit bei der beruflichen Positionierung.

Tab. 1 Prozent- und Mittelwerte zentraler Variablen männlicher Beschäftigter (15 bis 65 Jahre)

Die Bildungsverteilung verdeutlicht, dass die beobachteten Differenzen beim Arbeitsmarkterfolg mit beträchtlichen Unterschieden in der Ausstattung mit formalen Bildungszertifikaten verbunden sind. Bei den türkischen Beschäftigten ist der Hauptschulabschluss ohne berufliche Ausbildung mit 32 Prozent der häufigste Bildungsabschluss, gefolgt vom Hauptschulabschluss mit Berufsausbildung (ca. 28 Prozent). Die drittgrößte Kategorie bilden Personen ohne Schul- und Berufsabschluss. Insgesamt verfügen nur etwas mehr als 17 Prozent der türkischen Arbeitskräfte zumindest über einen Realschulabschluss. Unter den italienischen Beschäftigten sind ebenfalls der Hauptschulabschluss ohne oder mit beruflicher Ausbildung die beiden häufigsten Bildungsstufen und umfassen mit mehr als 60 Prozent die überwiegende Mehrheit. Allerdings liegt der Anteil der Erwerbstätigen, die mindestens über einen Realschulabschluss verfügen, mit knapp 20 Prozent leicht über dem entsprechenden Anteil unter den türkischen Beschäftigten. Mit 42 Prozent ist der Hauptschulabschluss mit Berufsausbildung die Bildungsstufe, die bei den Beschäftigten aus dem ehemaligen Jugoslawien am stärksten besetzt ist. Gleichzeitig verfügt mehr als ein Viertel von ihnen über mindestens einen Realschulabschluss.

Im Vergleich mit Türken und Italienern ist der Anteil an Beschäftigten aus dem ehemaligen Jugoslawien mit höheren Bildungsabschlüssen damit zwar größer, im Schnitt ist das berufliche Prestige aber zumindest bei den Italienern etwas stärker ausgeprägt. Bei den deutschen Erwerbstätigen ist nach wie vor der Hauptschulabschluss mit Berufsausbildung die größte Kategorie, allerdings liegt der Anteil der Beschäftigten mit mindestens einem Realschulabschluss bei fast 49 Prozent.

Die Verteilung des Generationenstatus zeigt, dass bei allen drei Migrantengruppen mehr als 60 Prozent der Erwerbstätigen zur ersten Generation gehören. Jeweils ein Fünftel der türkischen und italienischen Beschäftigten ist in Deutschland geboren oder bis zum Alter von 6 Jahren eingereist. Der Anteil der zweiten Generation bei Arbeitskräften aus dem ehemaligen Jugoslawien liegt dagegen bei nur 12 Prozent.

Der höchste Altersdurchschnitt ist mit etwas mehr als 42 Jahren bei den Deutschen zu finden, während türkische Beschäftigte im Schnitt am jüngsten sind.

Ebenso treten bei der zentralen Größe auf Kreisebene, dem Anteil der türkischen Bevölkerung, besonders deutliche Unterschiede zwischen türkischen und deutschen Beschäftigten auf. Während 50 Prozent der Türken in Kreisen mit einer relativen Gruppengröße von bis zu 3,6 Prozent leben, liegt dieser gruppenspezifische Median der regionalen Konzentration der türkischen Bevölkerung für deutsche Erwerbstätige bei nur 2,1 Prozent. Die entsprechenden Medianwerte für Italiener und Jugoslawen liegen mit 3,1 Prozent bzw. 3,3 Prozent dazwischen.

Die regionale Arbeitslosenquote dient der Beschreibung der Arbeitsmarktsituation vor Ort, die durchaus im Zusammenhang mit dem Ausmaß des beruflichen Prestiges stehen kann. Gerade im amerikanischen Kontext haben Studien gezeigt, dass Migranten häufig in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und niedrigem Einkommensniveau konzentriert sind (vgl. z. B. Massey u. Denton 1989). Der Median der Arbeitslosenquote für türkische Beschäftigte ist mit 9,3 Prozent deutlich höher als bei den Deutschen (8,3 Prozent), während er bei Italienern und Jugoslawen sogar niedriger ausfällt als für die Einheimischen. Somit zeigt sich, dass in Westdeutschland zumindest türkische Erwerbstätige in stärkerem Ausmaß mit ungünstigen Arbeitsmarktbedingungen konfrontiert sind als Einheimische.

Auch wenn der Gemeindetyp keine zentrale erklärende Variable ist, finden sich hier jedoch interessante Unterschiede zwischen Migranten und Einheimischen. Während die überwiegende Mehrheit der Türken, Italiener und Jugoslawen in urbanen Gebieten wohnt, die tendenziell durch hohe Arbeitslosenquoten gekennzeichnet sind, bevorzugen deutsche Beschäftigte semiurbane und ländliche Regionen.

5.2 Endogene und exogene Effekte der regionalen Konzentration

Die Diskussion der theoretischen Ansätze hat gezeigt, in welcher Weise die ethnische Konzentration den Arbeitsmarkterfolg unterschiedlicher Gruppen von Arbeitskräften beeinflussen kann. In einem ersten Schritt wird die endogene Wirkung der relativen Gruppengröße empirisch analysiert, d. h. es wird untersucht, welche Auswirkungen der Anteil der türkischen Bevölkerung auf das berufliche Prestige von türkischen Beschäftigten hat. Dabei sagt die Theorie der ökonomischen Bedrohung einen negativen Effekt vorher, im Gegensatz dazu postuliert der Ansatz der Enklaven-Ökonomie eine positive Wirkung.

Die abhängige Variable in Modell 1 ist das berufliche Prestige. Als erklärende Größen werden individuelle Merkmale wie das Alter, der Familienstand, der Arbeitsumfang, der Beobachtungszeitpunkt und speziell die schulische und berufliche Bildung und der Generationenstatus verwendet. Zusätzlich umfasst das Modell drei regionale Kontextvariablen: den Gemeindetyp, die Arbeitslosenquote und den Anteil der Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe.

Die Ergebnisse in Modell 1 bestätigen, dass der berufliche Status türkischer Erwerbstätiger mit einer Zunahme des Bildungsniveaus deutlich ansteigt (Tab. 2). Dies gilt besonders für Hochschulabsolventen. Weiterhin wird deutlich, dass sich für Türken der zweiten Generation selbst unter Berücksichtigung der schulischen und beruflichen Bildung ein signifikanter, positiver Effekt im Vergleich zur ersten Generation ergibt. Dieser positive Effekt stützt die Annahme einer stärker Aufnahmeland-spezifischen Humankapitalausstattung der zweiten Generation.

Tab. 2 Koeffizienten von Regressionsmodellen zur Analyse des endogenen Effekts der Gruppengröße*

Daneben ist der berufliche Status bei Ledigen höher als bei Verheirateten und steigt mit dem Alter, während eine Teilzeitbeschäftigung einen negativen Effekt auf den Arbeitsmarkterfolg ausübt. Zwar ist das berufliche Prestige in Regionen mit einer hohen Arbeitslosenquote oder einem großen Anteil Beschäftigter im verarbeitenden Gewerbe tendenziell niedriger, allerdings ist nur letzterer Effekt signifikant. Die Berücksichtigung verschiedener Gemeindetypen führt nicht zu signifikanten Effekten.

Modell 2 in Tab. 2 berücksichtigt nun zusätzlich die relative Gruppengröße. Es zeigt sich, dass mit einem steigenden Anteil von Türken im Kreis der Arbeitsmarkterfolg türkischer Erwerbstätiger abnimmt, allerdings ist dieser negative Effekt nicht signifikant (auch der quadratische Term zeigt keine signifikante Wirkung). Die Effekte der anderen bereits im vorherigen Modell verwendeten Merkmale bleiben im Großen und Ganzen unverändert. Ein Vergleich der Werte von R2 zwischen beiden Modellen verdeutlicht, dass die Berücksichtigung der Gruppengröße die relativ schwache Erklärungskraft nicht erhöht.

Die Ergebnisse für türkische Erwerbstätige aller Bildungsstufen zeigen also keinen signifikanten endogenen Effekt der Gruppengröße auf den Arbeitsmarkterfolg. Sowohl die Theorie der ökonomischen Bedrohung als auch das Konzept der Enklaven-Ökonomie unterstellen, dass alle Mitglieder einer ethnischen Minderheit in gleicher Weise vom endogenen Effekt der Gruppengröße betroffen sind. Im Unterschied dazu postuliert der Ansatz der ethnischen Mobilitätsfalle einen differenziellen endogenen Effekt der regionalen Konzentration. Entsprechend der Argumentation des theoretischen Modells erschwert die Gruppengröße vor allem das Erreichen höherer Arbeitsmarktpositionen. Daher wäre speziell bei gut ausgebildeten Arbeitskräften, die generell bessere Chancen auf Arbeitsplätze mit hohem beruflichem Prestige haben, ein negativer endogener Effekt der ethnischen Konzentration zu erwarten.

Zur Prüfung dieser Hypothese werden die türkischen Arbeitskräfte in zwei Gruppen unterteilt. In der ersten Gruppe sind Beschäftigte zusammengefasst, die höchstens einen Hauptschulabschluss mit beruflicher Ausbildung haben, während sich in der zweiten Gruppe Erwerbstätige finden, die mindestens über einen Realschulabschluss verfügen. Der Effekt der Gruppengröße wird für beide Bildungsgruppen in getrennten Modellen geschätzt.

Für Beschäftigte, die höchstens einen Hauptschulabschluss mit beruflicher Bildung haben, ist kein signifikanter Effekt der Gruppengröße zu finden (Modell 3). Weiterhin fällt auf, dass der Abstand zwischen der ersten (Referenzkategorie) und der zweiten Generation kleiner ausfällt als in Modell 2, welches alle türkischen Arbeitskräfte einschließt. Im unteren Bildungssegment scheint sich also ein größerer Umfang an Aufnahmeland-spezifischem Humankapital weniger auszuzahlen.

Im Unterschied dazu profitieren türkische Erwerbstätige der zweiten Generation, die mindestens über einen Realschulabschluss verfügen, sehr deutlich davon, ihre schulische und berufliche Ausbildung in Deutschland absolviert zu haben (Modell 4). Hier ist der Abstand zur ersten Generation beträchtlich.

Auch mit Blick auf die relative Gruppengröße ergeben sich entscheidende Unterschiede für gut ausgebildete Arbeitskräfte. Mit steigender Gruppengröße sinkt ihr berufliches Prestige signifikant! Der quadratische Term der ethnischen Konzentration, der einen möglicherweise nicht-linearen Wirkungszusammenhang zwischen der relativen Gruppengröße und dem Arbeitsmarkterfolg abbilden soll, ist ebenfalls signifikant und hat ein positives Vorzeichen. Die sich daraus ergebende funktionale Form des Zusammenhangs zwischen der regionalen Konzentration und dem beruflichen Prestige ist in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 1
figure 1

Endogener Effekt der relativen Gruppengröße auf den Arbeitsmarkterfolg türkischer Erwerbstätiger mit mindestens Realschulabschluss

Wie die Darstellung verdeutlicht, wirkt sich der Anteil der Türken auf Kreisebene unter Berücksichtigung beider Koeffizienten bis zu einem Wert von 11 Prozent negativ auf das berufliche Prestige aus. Ein Blick auf die Verteilung der ethnischen Konzentration zeigt, dass für mehr als 99 Prozent der untersuchten Türken die relative Gruppengröße negativ wirkt, da nur 1 Prozent der türkischen Erwerbstätigen, die mindestens einen Realschulabschluss haben, in Kreisen mit einer ethnischen Konzentration von über 9,9 Prozent lebt. Auch wenn sich der negative Effekt ab einer relativen Gruppengröße von 5,5 Prozent abschwächt, stützen die Ergebnisse in Modell 4 die Vorhersagen der ethnischen Mobilitätsfalle im oberen Bildungssegment. Im Vergleich zur Analyse mit allen türkischen Erwerbstätigen hat die Erklärungskraft der unabhängigen Variablen bei der Untersuchung von Beschäftigten mit höherem Bildungsniveau zugenommen.

Nach der endogenen Wirkung steht in einem zweiten Schritt die Untersuchung des exogenen Effekts der ethnischen Konzentration im Mittelpunkt. Hier wird in getrennten Modellen ermittelt, welchen Einfluss der Anteil der türkischen Bevölkerung auf den Arbeitsmarkterfolg von Arbeitskräften aus Italien und dem ehemaligen Jugoslawien hat und in welcher Weise einheimische Erwerbstätige betroffen sind.

Da der Effekt der Gruppengröße nur vor dem Hintergrund der individuellen Humankapitalausstattung sinnvoll interpretierbar ist, werfen wir zunächst einen kurzen Blick auf die entsprechenden Koeffizienten. Insgesamt zeigt sich ein positiver Zusammenhang zwischen der Höhe der formalen Bildungszertifikate und dem beruflichen Prestige (Tab. 3). Dies gilt sowohl für italienische und jugoslawische Beschäftigte als auch für Deutsche. Allerdings ist erkennbar, dass die Bandbreite der Koeffizienten zwischen Erwerbstätigen ohne Abschluss und Erwerbstätigen mit Universitätsabschluss bei den Deutschen am deutlichsten ausgeprägt ist. Im Vergleich zur Referenzkategorie entstehen hier in Abhängigkeit des Bildungsniveaus also größere Abweichungen des beruflichen Prestiges, sowohl nach oben als auch nach unten, als dies vor allem bei Beschäftigten aus dem ehemaligen Jugoslawien, aber auch aus Italien, der Fall ist.

Tab. 3 Ausgewählte Koeffizienten zur Analyse exogener Effekte der Gruppengröße*

Wie bereits bei den türkischen Erwerbstätigen profitieren Italiener und (Ex-)Jugoslawen der zweiten Generation ebenfalls von ihrer im Vergleich zur ersten Generation höheren Aufnahmeland-spezifischen Humankapitalausstattung.

Welches Vorzeichen ist beim exogenen Effekt der relativen Gruppengröße zu erwarten? Gemäß der Wettbewerbshypothese kann ein Anstieg des Anteils von Türken dann negativ wirken, wenn italienische und türkische oder jugoslawische und türkische Erwerbstätige um die gleichen Arbeitsplätze konkurrieren. Für Einheimische sagen die entsprechenden Ansätze wie zum Beispiel die Arbeitskräfteschlange im Gegensatz dazu einen positiven Effekt der Gruppengröße vorher.

Mit Blick auf die ethnische Konzentration zeigt sich, dass bei italienischen Beschäftigten der Koeffizient für den Anteil der türkischen Bevölkerung signifikant ist und negativ auf ihr berufliches Prestige wirkt (Modell 5 in Tab. 3), während der quadratische Term nicht signifikant ist. Dies deutet auf einen linearen Wirkungszusammenhang zwischen der regionalen Konzentration der türkischen Bevölkerungen und der Arbeitsmarktperformance von Italienern hin. Bei einer mittleren ethnischen Konzentration von 3,1 Prozent verringert sich der ISEI-Wert unter sonst gleichen Bedingungen um 2,7 Einheiten. Das entspricht etwas mehr als 7 Prozentpunkten des durchschnittlichen ISEI-Werts (36,7) italienischer Beschäftigter.

Im Gegensatz dazu profitieren jugoslawische Beschäftigte von einem hohen Anteil Türken; zumindest bis zu einer Konzentration von 6,8 Prozent. Allerdings sind beide Koeffizienten der Gruppengröße in Modell 6 nicht signifikant (Tab. 3).

Welche Implikationen resultieren aus der unterschiedlichen exogenen Wirkungsweise der relativen Gruppengröße bei italienischen und jugoslawischen Erwerbstätigen? Folgt man der Argumentation der Wettbewerbshypothese, würde dies bedeuten, dass italienische und türkische Beschäftigte um Jobs im gleichen Arbeitsmarktsegment konkurrieren. Im Unterschied dazu scheint der berufliche Erfolg von Beschäftigten aus dem ehemaligen Jugoslawien nicht von der relativen Gruppengröße abzuhängen. Möglicherweise bieten sich ihnen Beschäftigungschancen in weiteren Arbeitsmarktsektoren. Vor dem Hintergrund der jeweiligen Bildungsverteilung scheint dies zumindest plausibel. Während etwas mehr als 20 Prozent der jugoslawischen Arbeitskräfte keine berufliche Ausbildung hat, fallen diese Anteile bei italienischen und türkischen Beschäftigten ungefähr doppelt so hoch aus (vgl. Tab. 1). Ebenso sind die (Ex-)Jugoslawen im oberen Bildungssegment viel stärker vertreten als die anderen beiden Nationalitätengruppen.

Die Analyse der deutschen Beschäftigten (Modell 7) zeigt, dass die relative Gruppengröße der Türken einen signifikanten und positiven exogenen Effekt auf den Arbeitsmarkterfolg einheimischer Arbeitskräfte hat (Tab. 3). Im Unterschied zum Modell für italienische Erwerbstätige ist hier der quadratische Term signifikant. In der Darstellung des Wirkungszusammenhangs zwischen der ethnischen Konzentration und dem beruflichen Prestige (Abb. 2) ist zu erkennen, dass der positive Effekt der relativen Gruppengröße für deutsche Beschäftigte bis zu einem Anteil der türkischen Bevölkerung von 7 Prozent zunimmt.

Abb. 2
figure 2

Exogener Effekt der relativen Gruppengröße auf den Arbeitsmarkterfolg deutscher Erwerbstätiger

Bei höheren Anteilswerten schwächt sich die positive Wirkung ab. Insgesamt bedeutet dies, dass mit einem Anwachsen der relativen Gruppengröße das berufliche Prestige für deutsche Arbeitskräfte tendenziell steigt, auch wenn die Prestigegewinne gerade bei einer sehr niedrigen oder einer sehr hohen regionalen Konzentration nicht besonders stark ausgeprägt sind.

6 Diskussion

Die Analysen dieses Beitrags verdeutlichen, dass sich die regionale Konzentration einer ethnischen Minderheit in Deutschland durchaus auf den beruflichen Erfolg von Beschäftigten auswirkt. Im Einzelnen zeigt sich, dass der endogene Effekt der Gruppengröße bei türkischen Arbeitskräften negativ ist, allerdings nur bei Erwerbstätigen mit einem höheren Bildungsniveau. Insgesamt schmälert eine hohe regionale Konzentration in diesem Bildungssegment die Chancen auf eine bessere berufliche Positionierung. Dieses Ergebnis entspricht den Vorhersagen der sogenannten ethnischen Mobilitätsfalle. Weiterhin beeinflusst die relative Gruppengröße der türkischen Bevölkerung bei italienischen und deutschen Beschäftigten ebenfalls die Höhe des Arbeitsmarkterfolges, auch wenn sich beide Gruppen mit Blick auf die Wirkungsrichtung unterscheiden. Während bei Italienern ein negativer exogener Effekt auftritt, profitieren Deutsche von einer regionalen Konzentration. Mit Blick auf die Linearität des Effekts der Gruppengröße zeigen die Ergebnisse keine eindeutige Tendenz. Der endogene Effekt bei Türken im höheren Bildungssegment und der exogene Effekt bei den Deutschen deuten eher auf eine nicht-lineare Beziehung hin. Im Unterschied dazu sprechen die Ergebnisse bei den italienischen Beschäftigten eher für einen linearen Zusammenhang. Im Hinblick auf die theoretische Argumentation erscheint die unterschiedliche funktionale Form des Wirkungszusammenhangs zumindest für türkische und italienische Beschäftigte nachvollziehbar. Im Konzept der ethnischen Mobilitätsfalle stellt die institutionelle Vollständigkeit der ethnischen Gemeinde eine grundlegende Voraussetzung für die Herausbildung einer Enklave dar. Hier ist es durchaus vorstellbar, dass sich eigenethnische Institutionen aber erst ab einer gewissen Gruppengröße herausbilden, d. h. dass ein gewisser Schwellenwert erforderlich ist. Aus dieser Perspektive ist der empirische nicht-lineare Wirkungszusammenhang bei türkischen Beschäftigten plausibel. Konkurrieren italienische und türkische Arbeitskräfte tatsächlich um eine begrenzte Anzahl von Stellen in einem bestimmten Arbeitsmarktsegment, so verschlechtert sich das Verhältnis zwischen offenen Stellen und verfügbaren Arbeitskräften, sobald sich das Arbeitskräfteangebot erhöht. Bei diesem exogenen Effekt der Gruppengröße ist also theoretisch nicht von einem Schwellenwert-Modell, sondern von einem linearen Zusammenhang auszugehen, der sich auch in den empirischen Ergebnissen wiederfindet.

Insgesamt leistet die Gruppengröße also einen zusätzlichen Beitrag zur Erklärung ethnischer Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt, auch wenn dieser Effekt im Vergleich zum Einfluss relevanter individueller Ausstattungsmerkmale wie dem Humankapital weniger stark ausgeprägt ist. Die Berücksichtigung dieses Kontextfaktors scheint demnach keinen allzu weitreichenden Aufschluss über die Ursachen bestehender ethnischer Nachteile zu geben. Möglicherweise ist die eingeschränkte Erklärungskraft zumindest teilweise der hier, aufgrund der Datenlage, gewählten Operationalisierung geschuldet. Gerade im Zusammenhang mit der Überprüfung von Hypothesen, die Investitionsentscheidungen thematisieren, sollte nicht die aktuelle Gruppengröße maßgeblich sein. Aus theoretischer Sicht ist vielmehr diejenige regionale Konzentration ausschlaggebend, die zum jeweiligen Zeitpunkt wichtiger Investitionsentscheidungen, zum Beispiel im Verlauf der Bildungskarriere oder beim Übergang in den Arbeitsmarkt, vorherrscht. Ein derartiges Analysedesign setzt aber Längsschnittinformationen voraus, die in Deutschland in dieser Form nicht vorliegen.Footnote 12

Offen ist zudem, in welchem Radius die Gruppengröße wirkt. Da den theoretischen Ansätzen und Konzepten kaum ein Hinweis in Bezug auf die unterstellte Größe der regionalen Einheit zu entnehmen ist, dürfte die Abgrenzung von Regionen weniger theoretischen Überlegungen folgen als vielmehr durch pragmatische Argumente bestimmt sein: hier spielt wiederum die Verfügbarkeit von Daten eine entscheidende Rolle. Dementsprechend unterscheiden sich bisherige empirische Untersuchungen sehr stark in der Größe der gewählten regionalen Einheit.

Weitere Ansatzpunkte zur Verbesserung der analytischen Schärfe bestehen aber nicht nur mit Blick auf methodische Aspekte, sondern auch in Hinsicht auf die theoretische Fundierung des Effekts der Gruppengröße. Gerade Ansätze, die einen exogenen Effekt der regionalen Konzentration auf einheimische Beschäftigte thematisieren, haben eher beschreibenden Charakter oder basieren auf vagen Diskriminierungsargumenten, was eine zielgenaue Analyse der eigentlichen Wirkungsmechanismen erschwert.

Darüber hinaus könnte auch die Berücksichtung weiterer Kontextfaktoren hilfreich sein, da die Gruppengröße nur eine Randbedingung im Integrationsprozess darstellt (Esser 2008). Weitere relevante Gegebenheiten sind etwa im Ausmaß der ethnischen Grenzziehung zwischen Einheimischen und Migranten oder in der Komposition einer ethnischen Gruppe zu sehen. Die Ausprägungen und spezifischen Konstellationen dieser drei kontextuellen Faktoren beeinflussen die Höhe von Erträgen Aufnahmeland- und Herkunftsland-spezifischer Ressourcen und prägen daher Investitionsentscheidungen mit.

Auch wenn die empirischen Ergebnisse dieses Beitrags, nicht zuletzt aufgrund der diskutierten methodischen Einschränkungen, eher deskriptiven Charakter haben, scheint eine konzeptionelle Erweiterung der Untersuchung ethnischer Ungleichheit um relevante Kontextfaktoren ein vielversprechender Ansatz.