Zusammenfassung
Die äußerst kontroversen Beurteilungen des deutschen Beschäftigungsmodells in der Literatur beruhen häufig auf Analysen, die beispielsweise allein das Modell der industriellen Produktion oder allein den Sozialstaat in den Blick nehmen. Im vorliegenden Text wird eine alternative Sichtweise vorgestellt, die die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Elementen des Beschäftigungsmodells berücksichtigt. Wir argumentieren, dass zwar mit der Durchsetzung einer „deutschen lean production“ die Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie entscheidend erhöht werden konnte, doch anders als früher bildet dies keine hinreichende Basis mehr für die Entwicklung einer stärkeren gesamtwirtschaftlichen Beschäftigungsdynamik. Verantwortlich dafür ist die restriktive öffentliche Haushaltspolitik in Verbindung mit Reformblockaden im Bildungswesen und beim Umbau des Sozialstaates in Richtung einer Unterstützung der Frauenerwerbstätigkeit. Die klassische Verknüpfung von qualifikationsbasierter Qualitätsproduktion und sozialem Ausgleich ist ernsthaft beschädigt. Insbesondere der Staat hat sich selbst immer mehr Möglichkeiten genommen, seine Ankerfunktion für das Beschäftigungsmodell und dessen Revitalisierung weiter auszuüben.
Abstract
The controversial assessments of the German employment model in the literature are generally based on analyses focused on individual pillars of the model, such as the production system, or the welfare state. The present paper suggests an alternative view which takes into account the interactions between various elements of the employment model. We argue that, by the implementation of what we call a German variety of lean production, the competitiveness of the manufacturing industry has been boosted over the last few years. However, in contrast to earlier decades, the success of the export machine does not entail a more general employment dynamic. That is, the cranks between manufacturing and the rest of the employment system has been damaged substantially. Most importantly, the state has reduced its anchor role for the whole of the employment model and the potentials for its revitalisation.
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Bosch, G., Haipeter, T., Latniak, E. et al. Demontage oder Revitalisierung?. Koelner Z.Soziol.u.Soz.Psychol 59, 318–339 (2007). https://doi.org/10.1007/s11577-007-0031-0
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