Zusammenfassung
In den modernen Gesellschaften ist die Freizeit eine Dimension des Lebens, die immer mehr an Bedeutung gewinnt und die Erklärung von Unterschieden im Freizeitverhalten soziologisch interessant macht. Die „subjektzentrierte“ Lebensstilforschung vertritt die Ansicht, dass sozio-ökonomische Unterschiede auf Grund der langfristigen Verbesserung der materiellen Lebensumstände an Bedeutung verloren haben und das Freizeitverhalten weitgehend von der sozialen Lage entkoppelt ist. Nach Ansicht der klassischen Ungleichheitstheorien und lageorientierter Lebensstilansätze sind dagegen Unterschiede in der Gestaltung der freien Zeit nach wie vor Ausdruck der sozialen Lage. Wodurch Unterschiede im Freizeitverhalten erklärt werden können, wird empirisch mit Hilfe von Random-Effects-Modellen für 1990 und 2003 auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) analysiert. Es zeigt sich, dass die klassischen Ungleichheitsmerkmale Einkommen und Bildung neben Alter und Geschlecht nicht nur wichtige Einflussfaktoren sind, sondern dass im Zeitverlauf sogar eine Zunahme der Bedeutung des Einkommens zu verzeichnen ist. Die These, dass Unterschiede im Freizeitverhalten zunehmend losgelöst von der sozialen Lage sind, kann somit nicht bestätigt werden.
Summary
Leisure is an important domain of life in modern societies. To find out who participates in what leisure activities, two different theoretical approaches are available. Classical inequality theories and some lifestyle concepts posit that differences in leisure activities are strongly connected with social position. In contrast, different lifestyle concepts argue that socio-economic differences have lost their impact with the overall rise in living standards and that leisure activities are increasingly independent of socio-economic determinants. With data from the German Socio-Economic Panel study (SOEP) we can empirically test which theoretical concept best describes differences in leisure activities. By using random-effects-models for the years 1990 and 2003, we observe that individual leisure activities depend strongly on income and education along with age and gender. Over time, the influence of income also increases. In sum, it appears that differences in leisure are indeed strongly connected with socio-economic status.
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Ich danke Martin Kroh, Walter Müller, Thorsten Schneider, Jürgen Schupp und Gert G. Wagner sowie einem anonymen Gutachter und den Herausgebern für hilfreiche Anregungen und Kommentare.
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Isengard, B. Freizeitverhalten als Ausdruck sozialer Ungleichheiten oder Ergebnis individualisierter Lebensführung?. Koelner Z.Soziol.u.Soz.Psychol 57, 254–277 (2005). https://doi.org/10.1007/s11577-005-0150-4
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